Ein neuer Anfang nach 20 Jahren
Jetzt müssen die Bienen ausgeschlagen werden. Wir lesen nun einen Abschnitt aus dem ersten Buch Mose, Kapitel 31. Ich möchte später über diesen Abschnitt aus Jakobs Geschichte sprechen. Die Vorgeschichte dazu findet sich in den drei Kapiteln davor, etwa zwei Kapitel vorher. Es geht um über 20 Jahre im Leben Jakobs. Am Ende dieser 20 Jahre wollen wir jetzt lesen, wie er wieder zurückkehren will. Er möchte an den Ort zurückkehren, von dem er einst geflohen war, aus Angst vor dem Hass seines Bruders.
Wir beginnen im ersten Buch Mose 31, Vers 3:
„Und der Herr sprach zu Jakob: Zieh wieder in das Land deiner Väter und zu deiner Verwandtschaft! Ich will mit dir sein.“
Daraufhin sandte Jakob hin und ließ Rahel und Lea aus dem Feld zu seiner Herde rufen. Er sprach zu ihnen:
„Ich sehe an dem Angesicht eures Vaters, dass er mir nicht mehr wohlgesinnt ist wie zuvor. Es war sein Onkel Laban in Haran, in Mesopotamien. Aber der Gott meines Vaters ist mit mir gewesen, und ihr wisst, dass ich aus allen meinen Kräften eurem Vater gedient habe. Er hat mich getäuscht und zehnmal meinen Lohn verändert. Doch Gott hat ihm nicht gestattet, mir zu schaden.“
Weiter lesen wir in Vers 14:
„Es ist ja alles schön zu lesen, aber die Zeit ist knapp.“
Da antworteten Rahel und Lea zu ihm:
„Wir haben doch keinen Teil noch Erbe mehr im Hause unseres Vaters. Wir sind ihm doch wie Fremde gewesen, denn er hat uns verkauft und unseren Kaufpreis verzehrt.“
Manche Kinder leiden schwer unter ihren Eltern – so war es auch bei den beiden Schwestern.
„Für uns gehört der ganze Reichtum, den Gott unserem Vater entzogen hat, unseren Kindern. Alles nun, was Gott je gesagt hat, das tue!“
Da machte sich Jakob auf. Er lud seine Kinder und Frauen auf die Kamele und zog mit seinem Vieh und all seinem Besitz, den er in Mesopotamien erworben hatte, davon. Er wollte zu Isaak, seinem Vater, ins Land Kanaan zurückkehren.
Täuschung und Flucht
Laban war gegangen, um seine Herde zu scheren, und Rahel stahl heimlich die Götzenfigur ihres Vaters, also den Hausgott. Jakob täuschte Laban, den Aramäer, indem er ihm nicht sagte, dass er wegziehen wollte. Es ist immer sehr bedrückend, wie lange Lügen und Unwahrheiten im Leben der großen Zeugen Gottes stecken bleiben. Jakob täuschte Laban trotz zwanzig Jahren Lebenserfahrung und viel Güte Gottes.
So floh Jakob mit allem, was ihm gehörte. Er machte sich auf den Weg, überquerte den Euphrat und richtete seinen Weg nach dem Gebirge Gilead. Am dritten Tag wurde Laban, Jakobs Onkel, dem Jakob zwanzig Jahre gedient hatte, berichtet, dass Jakob geflohen sei. Laban war etwa 22 Jahre alt. Er nahm seine Brüder zu sich und verfolgte Jakob sieben Tagesreisen weit. Er holte ihn auf dem Gebirge Gilead ein.
Doch Gott kam in der Nacht im Traum zu Laban, dem Aramäer, und sprach zu ihm: „Hüte dich, mit Jakob anders zu reden als freundlich.“ Es ist immer wieder beeindruckend, wie in den entscheidenden Punkten der biblischen Geschichten plötzlich Güte und Freundlichkeit herrschen. Jakob befand sich in einer schwierigen Situation.
Laban holte Jakob ein. Jakob hatte sein Zelt auf dem Gebirge Gilead aufgeschlagen, und auch Laban schlug sein Zelt dort auf, zusammen mit seinen Brüdern. Da sprach Laban zu Jakob: „Was hast du getan, dass du mich getäuscht hast?“ Diese Täuschung zieht sich durch die ganze Jakobsgeschichte hindurch. Sein Name bedeutet ja auch „der Listige“ oder „der Täuscher“.
Laban fuhr fort: „Du hast meine Töchter entführt, als wären sie im Krieg gefangen. Warum bist du heimlich geflohen und hast mich hintergangen? Warum hast du es mir nicht gesagt, damit ich dich mit Freuden, mit Liedern, mit Pauken und Harfen hätte begleiten können?“ Das war nämlich auch ein Brauch bei Onkeln.
„Hast du mich nicht einmal meine Enkel und Töchter küssen lassen? Du hast töricht gehandelt.“ Das Wort „töricht“ ist ein sehr schwerwiegender Vorwurf. „Ich hätte genug Macht, euch Böses zu tun, aber der Gott eures Vaters hat mir in der Nacht gesagt: ‚Hüte dich, mit Jakob anders zu reden als freundlich.‘“
„Wenn du schon weggezogen bist und dich so sehr nach dem Haus deines Vaters sehnst, warum hast du mir dann meinen Götzen gestohlen?“ Jakob antwortete: „Ich fürchtete mich und dachte, du würdest deine Töchter von mir reißen. Wer aber meinen Götzen findet, der soll vor unseren Brüdern sterben. Suche ihn selbst!“ Jakob wusste jedoch nicht, dass Rahel die Götzen gestohlen hatte.
Das ist schlimm: Wenn man in der Ehe etwas voreinander verheimlicht, kann es nur furchtbar enden. Laban ging in die Zelte Jakobs, sowohl zu den Männern als auch zu den Frauen. Er durchsuchte die Zelte Jakobs und Leas sowie der beiden Mägde, fand aber nichts. Dann ging er in das Zelt Rachels.
Rachel hatte jedoch den Hausgötzen genommen und unter den Kamelsattel gelegt, auf dem sie saß. Nachher wird im dritten Buch Mose daran erinnert, dass deshalb Gottes Nein zu den Götzen besteht. Rachel saß auf dem Kamelsattel, und Laban betastete das ganze Zelt, fand aber nichts.
Da sagte sie zu ihrem Vater: „Mein Herr, zürne nicht. Ich kann vor dir nicht aufstehen, denn es geht mir nach der Frauen Weise.“ Lüge, Lüge, Lüge – warum steht das so in der Bibel? Darüber sprechen wir später noch.
Laban fand den Hausgötzen nicht, so sehr er auch suchte. Jakob wurde zornig und schalt Laban. Er sprach zu ihm: „Was habe ich Übles getan oder gesündigt, dass du so hitzig hinter mir her bist? Du hast all meinen Hausrat durchsucht. Was hast du von meinem Hausrat gefunden? Lege es vor meine und deine Brüder, damit sie zwischen uns beiden richten!“
„Diese zwanzig Jahre bin ich bei dir gewesen. Deine Schafe und Ziegen haben keine Fehlgeburten gehabt. Von deiner Herde habe ich nie gegessen, was die wilden Tiere gefressen haben, habe ich dir ersetzt. Du hast es von meiner Hand gefordert. Es mochte mir des Tages und der Nacht gestohlen sein.“
„Des Tages kam ich um vor Hitze, des Nachts vor Frost, und kein Schlaf kam in meine Augen. So habe ich diese zwanzig Jahre in deinem Haus gedient: 14 Jahre für deine Töchter und 6 Jahre für deine Herde. Und du hast meinen Lohn zehnmal verändert!“
„Wenn nicht der Gott meines Vaters, der Gott Abrahams und Isaaks, auf meiner Seite gewesen wäre, hättest du mich leer ziehen lassen. Gott hat mein Elend angesehen, meine Mühe gesehen und hat in dieser Nacht ein gerechtes Urteil gesprochen.“
Wir müssen die Geschichte für sich allein noch weiterlesen. Das ist jetzt ganz bedeutsam.
Lebensprobleme und Glaubensfragen
Wenn man sich bei Bekannten und Freunden umhört, dann haben fast alle große Nöte und schwierige Lebensprobleme, die oft nicht lösbar erscheinen. Interessanterweise hängen die Glaubensprobleme immer mit den Lebensproblemen zusammen. Viele Menschen können nicht glauben, dass Gott existiert. Das ist keine theoretische Frage. Gott ist nicht nur ein guter Philosoph, und er ist auch kein nebliger, ferner Gott. Wir erleben ihn doch im Leben.
Die meisten Menschen haben Fragen und sagen: Warum bin ich krank? Warum habe ich so viele Schwierigkeiten? Und gerade deshalb zweifeln sie an Gott. Es ist ganz wichtig, dass wir immer wieder danach suchen, auch in Gesprächen: Wo ist Gott ihnen begegnet? Man kann Gott nicht mit den Augen sehen. Aber wie hat Jakob ihn erlebt? Plötzlich hat Gott ihm die Schuld seines Lebens aufgedeckt, und er ist wach geworden.
Jakob war ein junger Mann, der plötzlich merkt: Gott ist da, und zwar mitten im Leben. „Hier ist die Stätte des Herrn“, sagte er, als er unterwegs auf der Flucht war. Er erkannte, dass Gott nicht bloß in den heiligen Hallen wohnt, sondern dass Gott ihn umgibt von allen Seiten. Das war der Grund, warum Jakob nicht nur seine Schuld erkannte und sein Gewissen schlug, sondern auch warum er Frieden und Geborgenheit fühlte.
Er hörte Gottes Wort und Gottes Zusage: „Ich will mit dir sein, ich will dich behüten, wo du auch hingehst.“ Das war der Punkt, an dem wir vor 14 Tagen aufgehört haben, bevor wir auf die Freizeit gegangen sind. Der Zuspruch an Jakob lautete: „Ich will mit dir sein. Ich werde dich nicht verlassen, bis ich alles eingelöst habe, was ich dir versprochen habe.“
Jetzt sehe ich den jungen Jakob, wie er fröhlich in die Ferne zieht. Er war auf dem Weg nach Harran. Unterwegs war er vielleicht tief in Gedanken, vielleicht trällerte er Lieder vor sich hin. Er war unbeschwert, denn er wusste: Gott ist mit mir.
Haben Sie auch so eine Führung Gottes in Ihrem Leben? Können Sie sagen: Ich bin ganz ruhig, Gott ist bei mir? Das ist zuerst einmal wichtig: Geborgenheit und den Frieden Gottes mitten im Leben zu kennen. Sie können ihn nur hören aus dem Zuspruch des Wortes Gottes: „Ich will mit dir sein, ich will dich behüten.“ Und ich darf Ihnen heute Morgen zurufen: Das will der ewige Gott mit Ihnen gehen.
Die erste Begegnung mit Rahel
Und beginnt das Abenteuer in der Fremde. Für Jakob ist es sehr schwer, denn er war auch ein häuslicher Typ, der gern bei seiner Mutter zu Hause war.
Es ist eine ganz wunderbare Liebesgeschichte. Ich bin so froh, dass solche Geschichten in der Bibel stehen, denn dort kann man am besten lernen, wie es mit der Liebe wirklich ist.
Jakob kommt an einen Wasserbrunnen, der damals eine Lebensquelle war. Dort muss er selbst Wasser schöpfen und dann trinken. Die Hirten stehen mitten in der Sonnenglut herum. Was tun sie denn? Ihr müsst doch die Herden weiden! Jakob ist ein ordnungsbewusster Mann und ärgert sich darüber, dass sie so faul dastehen.
Die Hirten sagen, sie könnten das nur miteinander, wenn sie den Stein vom Brunnenrand wegheben. So wie sie reden, scheinen sie sehr faule Typen gewesen zu sein. Das hat der biblische Erzähler meisterhaft beschrieben.
Dann fragt Jakob die Hirten, warum sie so unnütz dastehen. Wohnen sie nicht in der Nähe? Und ob sie seinen Onkel kennen. So wie an einer Tankstelle fragt man zufällig, ob es dort etwas Neues gibt. Die Hirten antworten: Jawohl, dem geht es gut, den kennen wir.
Da kommt seine Tochter Rachel mit ein paar Schafen und Ziegen herbei. Das kann kein Mensch erklären. Von beglanzten Augen spricht die Bibel. Einen solchen Blick habe ich auch einmal im Leben erfahren.
Jakob ist verknallt bis über beide Ohren. Rachel ist eine wunderbare Frau. Dann geht er zu dem Stein, den mehrere Hirten nicht hochheben können, und hebt ihn allein hoch. Da sieht Rachel, was für ein rechter Mann er ist.
Die vier Herden drängen heran. Dann beschreibt die Bibel, was Liebe ist: Jakob fällt Rachel um den Hals und küsst sie. Die Tränen laufen ihm herunter. Er weint sehr. Es war ja seine Baschi, seine Cousine, auf Hochdeutsch. Gerade die, zu der er wollte, wusste aber gar nicht, dass sein Onkel dort lebte.
Rachel rennt schnell nach Hause und erzählt ihrem Vater: „Was mir passiert ist! Da kommt ein Mann, hebt den Stein weg, den müssen wir doch einladen, er ist doch verwandt.“
Dann kommt Jakob ins Haus. Es ist eine Liebe ohnegleichen.
In der Bibel gibt es verschiedene Geschichten am Brunnen, die von der Liebe handeln. Rebekka, die Mutter von Jakob, wurde am Brunnen erkannt durch ihre Bereitwilligkeit zu dienen.
Wir haben es noch einmal bei Mose. Dort lernte er Zippora kennen. Zippora wurde von den anderen Hirten mit Ellbogen weggestoßen. „Schickt die Frau mal weg! Was tut die hier?“ Die Hirten meinen, das müssen die Männer machen. Dann kommt Mose und sagt: „Lasst die Frau zuerst mal ran!“
Hier begegnen sich Jakob und Rachel. Schön, wenn sie Gottes Führung auch erleben. Aber man vermisst in der ganzen Liebesgeschichte einen Punkt, an dem Jakob mal fragen würde: „Gott, ist der Stein wirklich weg?“
Wir reden so schnell von Führung, aber haben wir auch den Mut, das vor Gott ganz kritisch zu prüfen? Denn diese herrliche Liebesgeschichte endet ja plötzlich im Chaos, im Grauen, im Schrecken.
Betrug und Enttäuschung im Haus Labans
Zunächst: War Jakobs Onkel, der ein harter Geizkragen war, ein böser Mensch? Jakob sagte dazu: „Ja, wie soll ich dich eigentlich einstufen? Soll ich dich bei der Krankenkasse als Dienstverhältnis anmelden? Wie machen wir das? Bist du steuerpflichtig? Läufst du als Verwandter? Wenn du Verwandter bist, bekommst du keinen Lohn.“ Jakob hätte gerne einen Lohn gehabt, wollte aber natürlich kein Dienstverhältnis eingehen. Er wollte ja nicht Knecht im Hause seines Schwiegervaters sein.
So einigen sie sich darauf, dass Jakob sieben Jahre dient, damit er als Brautpreis Rachel „auslösen“ kann. Dann steht es in der Bibel – schöner kann man es in keiner Literatur sagen: Jakob dient die sieben Jahre, und es kam ihm vor, als wären es nur wenige Tage, so sehr liebte er sie. Er hat alles für seine Rachel getan, um sie zu gewinnen.
Dann wird das Hochzeitsfest gefeiert. Am nächsten Morgen, wenn das Licht anbricht, wird die Braut enthüllt. Doch es zeigt sich nicht Rachel, sondern ihre Schwester Lea. So etwas hat hoffentlich noch niemand von Ihnen erleben müssen. Ich hatte einen Schwiegervater, der vier Töchter hatte, und ich habe auch mit der Jüngsten begonnen. Die anderen hat er mir immer wieder versichert, dass ich keine Angst haben muss, dass ich nach der gleichen Methode „verheiratet“ werde.
Ein Bibelausleger schreibt, dass man beim Lesen der biblischen Geschichte den Eindruck bekommt, Jakob sei von seiner Sinnlichkeit getrieben gewesen. Darum hat er am Morgen gemerkt, dass es nicht die richtige Braut war.
Was war das für Lea? Sie hatte ein schweres Leben. Man merkt ja jedem an, wenn einem die jungen Männer nicht so nachlaufen. In einer Kinderbibel heißt es schön und gut übersetzt: Glas- und farblos war ihr Blick. Eine ganz furchtbare Not.
Ein Mensch, mit dem man nicht zusammenleben kann – das ist eine Not unserer Tage. Wie viele erleben Liebe nur so plötzlich und merken dann, dass es leer ist. Neulich sagte mir ein Beirat der Frau: „Wissen eigentlich Singles, wie sehr sie von verheirateten Frauen beneidet werden?“ Erschütternd. Wenn man plötzlich merkt, dass das, was sich in Liebe und Leidenschaft geheiratet hat, leer ist. Glanzlos, farblos und leer.
Jetzt kommt noch einmal die ganze Leidenschaft Jakobs zum Ausdruck. Er geht zu seinem Schwiegervater und sagt: „Du hast mich getäuscht, du hast mich betrogen!“ Ich sehe ihn vor mir, mit hochrotem Kopf, die Adern geschwollen, wie er mit lauter Stimme schreit. Der Schwiegervater war noch ein Schlitzohr, grinst und sagt: „Wir machen es ja nicht so wie ihr.“
Dieser Satz genügt schon, um Jakob vor Scham rot werden zu lassen. „Wie ihr macht, machen wir es nicht.“ Was heißt das? Ihr nehmt ja den Jüngeren vor dem Älteren. Wahrscheinlich hat Jakob ihm irgendwann einmal von dem Geheimnis der Berufung Gottes erzählt. Das ist ja ein Geheimnis Gottes, dass der Jüngere vor dem Älteren kommt.
Der Schwiegervater sagt: „Ich mach’s anders, bei mir kommt die Ältere zuerst.“ Das ist das Geheimnis bei der biblischen Erzählung, dass Gott auf ganz menschliche Weise jemanden zur Erkenntnis seiner Fehler führt. Man kann durchs Leben laufen, ganz stolz und eingebildet, und sagen: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen, ich mache alles richtig.“
Dann kommt man plötzlich unter Menschen, und da gehen einem Dinge auf. Man sieht ja immer nur die Fehler der anderen, nie die eigenen. Aber es ist gut, wenn man über die Fehler der anderen auch die eigenen Fehler erkennt.
Jakob kann erst jetzt sehen, wie schuftig und hinterhältig ein Betrug ist. Er selbst hat ja seinen Vater betrogen, und jetzt muss er den Betrug seines Schwiegervaters in aller Bitterkeit durchleiden. Gottes Methode.
Ich habe vorhin gesagt: Sie müssen Gott in Ihrem Leben suchen. Gott ist nicht in nebelhafter Ferne. Sie empören sich über so viel Unrecht in der Welt und regen sich über schwierige Kollegen und Mitmenschen auf. Haben Sie schon einmal daran gedacht, sich selbst in vielem zu sehen, was Sie an anderen ärgert?
Es ist bekannt, dass Eltern am meisten an ihren Kindern das kritisieren, womit sie bei sich selbst kämpfen. Darum sind wir bei den Kindern oft so gnadenlos.
Und Jakob? Er muss es spüren – in seiner Empörung sagt er: „Du hast mich getäuscht.“ Ja, ich habe getäuscht. Der Schwiegervater lenkt ein und sagt: „Du bekommst Rachel. Wir feiern am Ende der siebentägigen Hochzeit noch die Vermählung mit Rachel, aber dann musst du nochmal sieben Jahre dienen.“
Das macht Jakob noch einmal mit. Wichtig ist mir, einfach festzuhalten, wenn wir eine biblische Geschichte entlanggehen, dass das bei Gott Methode hat. Dass er uns ganz bewusst führt. Wir sagen immer, Führung Gottes ist Führung – gerade wenn ich mit schwierigen Menschen zusammengeführt werde, um meine Mängel zu erkennen.
Bei Jakob war es Gottes Weg, 20 Jahre in der Ferne, im Haus bei Laban zu sein. Laban war ein gerissener Schlitzohr, ein gemeiner Betrüger. Jakob musste durchhalten, durchsehen und alles ausprobieren.
Kinderlosigkeit und Eifersucht
Und dann geht die Führung Gottes noch weiter. Ich muss noch einmal an die Wunde rühren, ich weiß, wie viel Neulich schon verwundet war. Als wir über die Geburt Jakobs und Esaus sprachen, wurde deutlich, dass das Problem viel größer ist, als alle ahnen. Viele unter uns würden am liebsten davonlaufen. Aber das ist wichtig.
Es ist gut, das zuzulassen, dass die geliebte, hübsche, wunderbare Frau Rachel keine Kinder bekommt, obwohl sie für die Heilsgeschichte Gottes eine bedeutende Rolle spielt. Wir kennen das ja von vielen biblischen Frauen. Und jetzt kommen alle schrecklichen Eigenschaften zum Vorschein. Die Bibel ist ein wunderbares Erziehungsbuch.
Hier leidet Rachel so sehr, dass sie kaum Eindruck auf ihren Mann macht. In einer fanatischen Eifersucht versucht sie, Kinder zu bekommen – so sehr, wie es nur geht – und bei jedem Versuch wird ein Kind geboren. Jetzt will sie den Mann für sich haben, ihn an sich binden. Gott sei Dank gibt es heute keine Mehrehen mehr. Was wäre das für eine Höhle, wie sie damals miteinander umgingen.
Die Bibel gibt auch eine ganz wichtige Begründung im dritten Buch Mose. Dort wird erklärt, dass Schwestern nicht heiraten dürfen. Das ist auch der Grund, warum sich eine Eheform durchgesetzt hat. Das ist eine große Erkenntnis der Liebe. Manche wollen diese Erkenntnis bei uns wieder zurückdrehen. Für die Bibel kann Liebe nur geteilt werden mit einem Menschen, der ganz einem gehört.
Gott gibt Lea die Fruchtbarkeit, und so werden ihre Kinder geboren: Ruben, Simon, Levi. Wir haben das nicht im Detail gelesen, aber man sollte es sich noch einmal anschauen. Dann geht es weiter und man sieht in der biblischen Geschichte vieles, das auch unserem Leben so deutlich entspricht.
Plötzlich sieht Rachel, dass der älteste Sohn der Konkurrentin Lea Liebesäpfel vom Feld mitbringt. Was ist das? Früher gab es ja, und es gibt heute noch, viele Aberglauben. Zum Beispiel glaubten die Menschen an bestimmte Nachtschattengewächse, wie die sogenannte "Tregara Offizialis" mit lateinischem Namen. Man glaubte, wenn Frauen dieses Gewächs essen, bekommen sie Kinder. Natürlich hat das nicht funktioniert.
Rachel bittet: "Gib mir die Liebesäpfel, ich will sie essen! Ich will doch Kinder gebären!" Doch es geschieht erst zu der Stunde, in der Gott es will. Wir meinen oft, aufgeklärt zu sein in sexuellen Dingen, aber wir wissen wahrscheinlich doch nicht alles. Gott spricht über viele Dinge allein, das gilt ganz besonders für das Leben unserer Kinder.
Rachel gebiert schließlich Josef, der später so wichtig für das Volk Israel wird. Rachel bekommt nur noch ein Kind, das im Straßengraben von Bethlehem geboren wird. Die sterbende Rachel kann noch den Namen für dieses Kind bestimmen. Sie nennt ihn "Schmerzenskind". Es war brutal, dass sie hochschwanger noch über diese Straßen getrieben wurde. Das geschah viel später.
Das Glückskind Benjamin bekam seinen Namen von ihr, doch Rachel starb. Heute ist ihr Grab eine Stätte, in die Touristen immer noch einen Blick werfen. Das war die Rachel.
Gottes Führung trotz menschlicher Schwächen
Und uns ist das alles geschrieben. Ein Jakob erlebt all diese Dinge mit, um Gottes Führung zu verstehen – trotz all der schrecklichen Geschichten. Wie gut ist es, wenn man plötzlich aus dem Wort hört, wie Gott sagt: „Ich bin der Gott, der dein Leben lenkt.“ Und das will ich noch einmal betonen, sowohl über kinderreiche als auch über kinderlose Menschen. Sie stehen allein vor dem Herrn, der ihr Leben führt und sie segnet, wie er will. Manchmal zeigt er ihnen auf schwere Weise, dass er ihnen einen anderen Segen bereitet.
Kaum war das geschehen, will Jakob wieder nach Hause. Er sagt: „Ich will heim, ich will heim.“ Doch dann sagt Laban: „Jetzt muss ich dir noch mal sechs Jahre dienen, um den Lohn zu erhalten. Was möchtest du als Lohn?“ Jakob war in diesem Fall wirklich demütig. Er sagt: „Du hast große Herden, ich will nur die gefleckten und bunten Tiere, also die schwarz-weiß gefleckten oder die ganz schwarzen Tiere.“
„Gut“, sagt Laban, „ich bin einverstanden.“ Aber was macht Laban, dieses Schlitzohr? In der Nacht nimmt er alle bunten und gefleckten Tiere aus der Herde, gibt sie seinen anderen Schafen und lässt sie drei Tage weit wegziehen. Was ist der Grund? Damit er nach den mendelschen Vererbungsgesetzen keine bunten und gefleckten Tiere mehr finden kann, die dann geboren werden.
Was macht Jakob? An dieser Stelle rätselt man etwas: Was hat er denn getan? Bis ins letzte Jahrhundert hinein glaubte man bei uns, dass man durch bestimmte Handlungen bei den Tieren Einfluss auf das Aussehen der Nachkommen nehmen könne. Zum Beispiel weiße Tücher in offenen Ställen aufhängen. Jakob macht etwas Ähnliches, aber es ist kein Naturzauber. Es ist die Vorstellung, dass bei der Befruchtung eine Züchtung erfolgen könnte. Er schält bestimmte Baumrinden und legt sie in die Tränken, wenn die Tiere trinken.
Wenn die Tiere dann mit ihren Augen auf diese gefleckten, geschälten Baumstämme schauen, wo weiß und dunkel hervorkommt, bringen sie tatsächlich nur bunte und gefleckte Tiere zur Welt. Auch die Bibel sagt das. Wenn man es noch einmal liest, steht dort ganz deutlich: Es ist doch der gute Herr, der das bewirkt. Es sind nicht unsere Tricks, wie Jakob immer noch meint, dass man den Segen Gottes nur erbt, wenn man ganz besondere Dinge anwendet.
Wann wird Jakob endlich Gott ganz vertrauen und sein Leben vollständig in Gottes Hand legen? Er hilft noch nach, damit nur starke Tiere gezüchtet werden. Schließlich besitzt er einen unermesslichen Reichtum an bunten, gefleckten Tieren.
Dann kommt der Befehl Gottes: „Jetzt sieh doch in dein Land, eindeutiger in dein Land.“ Was ist dein Land? Dort, wo Gott dich hinstellt, um Segen zu sein. Wenn man diese ganze Geschichte liest, muss man sagen: Das gibt es doch nicht, dass ein Mensch immer nur halbherzig Gott dient und dennoch von Gott als Zeuge auserwählt ist.
Das ist doch für uns geschrieben. Merken Sie, welch ein Evangelium im Alten Testament steht und warum wir diese Geschichten brauchen? Es zeigt uns das ganze Evangelium ganz wunderbar. Je tiefer Jakob sinkt, desto größer wird die Güte Gottes sichtbar. Gott rechnet nicht mit uns nach unseren Werken ab, sondern er vergilt uns nicht nach unseren Sünden.
Gott will schenken, dass wir seine Güte erfahren – mit dem biblischen Fachwort Gnade. Unverdient, wie er es Jakob zeigt. Und dass die Herden groß werden, liegt nicht daran, dass Jakob etwas gemacht hat. Man hört heute manchmal Leute sagen: „Ich bin 80 oder 85 Jahre alt geworden, weil ich so vernünftig gelebt habe.“ Nein, das liegt an Gottes Güte. Gottes Güte hat sie beschenkt. Das sollte man auch sagen. Natürlich ist es gut, vernünftig zu leben. Aber deshalb hat man noch lange nicht garantiert, alt zu werden – und so ist es auch bei Jakob.
Gottes Segen geht mit ihm in die Ferne. Diese ganze Erfahrung, die er in Haran machen muss, ist für sein Glaubensleben sehr wichtig. Er ist noch nicht „bankrott“. Es ist noch ein ganzes Stück Weg, bis er sich ganz in die Arme Gottes wirft und eine klare Bekehrung erlebt.
Ich frage mich, wie es bei Ihnen ist. Es ist schön, wenn jemand in seinem Leben plötzlich merkt: „Ich bin vor Gott ein verlorener Mensch“ und die Gnade Gottes in einem Augenblick ergreift. Für manche ist das ein langwieriger Prozess, ein Ringen über viele Jahre hinweg, über alle dunklen Kompromisse.
Ich möchte Ihnen heute einfach sagen, wie groß die Güte Gottes ist. Selbst als Jakob noch ein Hausgötzenbild mitlaufen lässt – für alle Fälle – zeigt Gott Geduld. Jakob denkt: „Wenn mein Gott nicht richtig hilft, habe ich noch einen Ersatzgott in der Tasche.“ Man will immer noch eine Notlösung. Doch Gott wird nicht müde mit seinen Leuten.
Die Jakobsgeschichte ist so wunderbar. Sie erinnert mich an die Geschichte vom verlorenen Sohn, nur mit ganz anderem Lebensinhalt. Und ich sage es noch einmal: Sie können Gott in Ihrem Leben erfahren. Gott ist nicht irgendwo in der Ferne. Er sucht Sie in Ihren Lebensproblemen, angefangen bei Ihren Schwierigkeiten, Ihrem Versagen, Ihren Enttäuschungen und Schmerzen.
In all diesen schweren Geschehnissen ist Gottes Führung mit dabei. Er sucht Sie, zieht Sie ganz nah zu sich und will Ihnen seine Güte erfahren lassen. Amen.