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Das Evangelium nach Johannes

Das Johannes-Evangelium [CGH], Teil 1/4
09.02.2025
SERIE - Teil 1 / 4Das Johannes-Evangelium [CGH]

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir wollen zum ersten Lied aufstehen. Ja, einen wunderschönen guten Morgen! Schön, dass du da bist und schön, dass du hergekommen bist, um gemeinsam mit allen hier diesen Gottesdienst zu feiern.

Ich möchte zwei Verse aus Psalm 100 mit uns lesen, die ersten beiden Verse. Dort steht: „Jauchzet Jahwe, alle Welt! Dient dem Herrn mit Freude! Kommt mit Jubel vor sein Angesicht!“

Ich habe heute Morgen kein Jubeln bei euch gesehen, aber ich hoffe doch, dass jeder von euch ein Stück weit diese Einstellung mitgebracht hat. Denn es darf genau so sein, dass wir Gottesdienst feiern dürfen. Er soll geprägt sein von Freude und Dankbarkeit.

Das wollen wir heute gemeinsam tun und gemeinsam umsetzen – im Gesang und im Gebet. Wir werden jetzt noch zwei Lieder singen. Das zweite Lied wird wirklich ein Spitzenklasse-Kinderlied sein. Da dürfen die Kinder dann nach vorne kommen und uns mal richtig zeigen, wie man kräftig für Gott singen kann.

Nachdem wir die Lieder gesungen haben, darf Sebastian nach vorne kommen, und wir dürfen von ihm die Predigt hören. Im zweiten Teil wollen wir noch gemeinsam das Abendmahl feiern. Dabei wollen wir daran denken, was Gott für uns getan hat.

Lasst mich aber davor noch beten, und dann können wir die zwei Lieder singen.

Eröffnung und Gebet zum Gottesdienstbeginn

Vater im Himmel, ich möchte dir von Herzen danken, dass du uns diesen sonnigen Sonntag schenkst. Danke, dass jeder einzelne von uns den Weg hier gut gefunden hat und dass du uns hierher gebracht hast.

Ich bitte dich, dass unser Kommen nicht umsonst ist. Bereite unsere Herzen vor, damit wir die vergangene Woche hinter uns lassen können. Lass uns unseren Fokus ganz auf dein Wort richten.

Ich bitte dich auch, Sebastian die richtigen Worte zu schenken. Und ich wünsche mir, dass heute jeder etwas mitnehmen darf.

Für die Kinder, die im Kindergottesdienst sind, bitte ich dich ebenfalls um deinen Schutz. Lass sie schon früh in ihrem Leben Geschichten von dir hören. Möge das, was sie hören, sie prägen und ihnen zeigen, dass sie dich brauchen.

Segne jetzt den Vormittag und die Gemeinschaft. Amen.

Gut, dann lasst uns singen. Das nächste Lied heißt „Groß ist unser Gott“, und dabei darf auch geklatscht werden. Jetzt sind die Kinder dran.

Einführung in die Predigt und thematische Ausrichtung

Mir wurde gesagt, ich soll das Pult wieder dahin stellen, wo es stand. Das hat bei mir die Frage ausgelöst: Wo genau stand es denn?

Ja, ihr könnt mir gern schon mal die erste Folie zeigen, Jungs. Ich habe heute etwas Spannendes vor. Wir werden sehen, ob das euch wach hält und in der Predigt mündet.

Ich möchte ins Johannesevangelium einsteigen. Dabei halte ich es für sinnvoll, vor allem wenn man in so ein großes Buch hineingeht, auch eine gewisse Einleitung zu geben. Das bringt jedoch die Schwierigkeit mit sich, dass man sich auch mit der Struktur beschäftigen muss und ähnlichen Dingen.

Ich versuche, das heute zweigeteilt zu machen: Am Anfang gibt es ein paar Einleitungssachen. Wer wach bleibt, also nicht anfängt, seine Woche zu planen oder über den Mittagsbraten nachzudenken, bekommt dann noch etwas für das persönliche Leben mit.

Denn ich werde anschließend noch auf den Johannesprolog eingehen. Diesen habe ich zwar an Weihnachten vor einem Jahr schon einmal gepredigt, deshalb werde ich ihn nur anreißen und uns ein paar Gedanken mitgeben. Zumal der Prolog auch gut zu dem großen Thema passt, das Johannes setzen will.

Die zentrale Frage des Johannesevangeliums: Wer ist Jesus?

Johannes stellt uns eine große Frage, die die Menschheit eigentlich seit zweitausend Jahren beschäftigt: Wer ist Jesus?

Ich habe zwei Zitate mitgebracht. Das erste stammt von Albert Einstein. Er sagte: „Ich bin Jude, aber ich bin gefesselt von der leuchtenden Figur des Nazareners. Jesus ist zu kolossal für den bloßen Stift von Phrasentreschern, und dennoch ist er so kunstvoll. Kein Mensch kann das Evangelium lesen, ohne die Gegenwart von Jesus Christus zu spüren. Seine Persönlichkeit pulsiert in jedem Wort, keine Legende ist von so einem Leben erfüllt, alle Helden hinken im Vergleich mit Jesus also.“

Man kann sagen, hier schätzt ihn jemand schon sehr wert und stellt fest, dass er irgendwie besser ist als alle anderen tollen Menschen der Weltgeschichte, die so im Angebot stehen. Und derjenige, der das gesagt hat, war nicht jemand, der auf den Kopf gefallen war – so zumindest mein Eindruck.

Das zweite Zitat ist ebenfalls spannend. Man würde nicht unbedingt erwarten, dass sich jemand wie Michail Gorbatschow mit Jesus beschäftigt hätte. Er sagte: „Jesus war der erste Sozialist, der erste, der ein besseres Leben für alle Menschen erwirken wollte.“

Damit sieht Gorbatschow Jesus als den großen Sozialrevolutionär, der sich um die Armen gekümmert hat. Wer in die Evangelien eintaucht, wird feststellen: Ja, da ist schon auch was dran.

Die Frage ist: Werden diese Aussagen – Jesus als der bessere Held, Jesus als der Sozialrevolutionär – und man könnte noch ein paar andere Zitate hinzunehmen, etwa von Mahatma Gandhi, der Jesus als den großen moralischen Lehrer gesehen hat und gesagt hat, dass dies eigentlich ein guter Pfad der Tugend sei, dem es nachzufolgen gilt – werden diese der Person Jesus gerecht?

Diese Frage hat Johannes damals schon gestellt bekommen.

Die persönliche Dimension der Frage nach Jesus

Aber es ist nicht nur eine Frage der Philosophie oder der Geschichte, sondern eine Frage, die dein Leben betreffen wird, wenn du dich mit ihm beschäftigst. Es ist eine Frage, die du nicht nur theoretisch beantworten kannst, sondern eine, die dich persönlich treffen wird: Wer ist Jesus für dich?

Ich bin überzeugt davon, dass jeder, der sich mit ihm auseinandersetzt, um diese Frage nicht herumkommt. Man kann sich mit Jesus nicht beschäftigen und dabei nur eine philosophische Theorie entwickeln. Am Ende steht diese Frage vor dem eigenen Leben.

Wie können wir zu einer Antwort kommen? Ich glaube, ein valider Weg ist es, auf die Menschen zu hören, die ihn gekannt und erlebt haben. Und ich denke, das ist in den Evangelien der Fall.

Ja, ich bin mir bewusst, dass es Diskussionen gibt. Zum Beispiel wird gefragt, ob das Johannesevangelium wirklich von Johannes geschrieben wurde, oder ob es erst zweihundert Jahre später entstanden ist. Es gibt auch Theorien, dass eine johannäische Schule dahintersteckt oder ein anderer Johannes der Verfasser ist.

Damit möchte ich euch jetzt nicht mit diesen Diskussionen langweilen. Ich setze voraus und glaube, dass das Evangelium des Johannes tatsächlich von Johannes dem Apostel überliefert wurde, dass er ein Augenzeuge war und dass es gute Gründe gibt, daran zu glauben.

Wer Fragen dazu hat, kann gerne auf mich zukommen. Vielleicht bekommt man im Religionsunterricht oder anderswo auch andere Erklärungen. Es gibt aber gute Antworten, warum man davon ausgehen kann, dass Johannes der Verfasser ist.

Das soll aber heute Vormittag nicht der Schwerpunkt sein. Vielmehr möchte ich darauf eingehen, wer dieser Johannes war, der das Evangelium geschrieben hat. Ich glaube, es ist hilfreich, sich mit dem Autor eines Buches auseinanderzusetzen, um ihn an der einen oder anderen Stelle besser zu verstehen.

Herkunft und familiärer Hintergrund des Johannes

Das Erste wäre, dass man uns mal fragt, aus welcher Familie Johannes denn stammt. Spannenderweise taucht Johannes im Johannesevangelium nicht auf, zumindest nicht vordergründig. In den anderen Evangelien lernen wir ihn jedoch ein wenig kennen.

Zum Beispiel berichtet Markus etwas über die Berufung. Er beschreibt, wie Jesus Johannes als seinen Jünger ruft. Markus schreibt: „Als Jesus ein Stück weitergegangen war, sah er Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, in einem Boot, die Netze in Ordnung bringen. Auch sie forderte er gleich auf, mit ihm zu kommen. Da ließen sie ihren Vater Zebedäus mit den Lohnarbeitern im Boot zurück und folgten ihm nach.“

Hier sehen wir einige interessante Details. Zum einen wird Johannes als Sohn des Zebedäus bezeichnet. Deshalb wird Johannes der Apostel manchmal auch der „Zebedäer“ genannt. Wenn euch dieser Begriff irgendwo begegnet, hängt er damit zusammen, dass Johannes einer der Söhne des Zebedäus war. Das dient dazu, ihn von Johannes dem Täufer abzugrenzen.

Was steckt noch in dieser Beschreibung? Man muss die damalige Zeit im Blick haben. Es war nämlich nicht üblich, dass Fischer Lohnarbeiter beschäftigten. Johannes und seine Familie hatten ein eigenes Boot und Lohnarbeiter. Das deutet darauf hin, dass sie ein eher größeres Fischereigeschäft betrieben.

Später, auf eine andere Stelle gehe ich jetzt nicht näher ein, sieht man wahrscheinlich, dass Johannes derjenige war, der Petrus in den Hof des Hohenpriesters mit hineinnahm, als Jesus gefangen genommen wurde. Johannes war dort bekannt.

Einige Forscher gehen davon aus, dass Johannes mit seiner Familie ein so großes Fischereigeschäft hatte, dass sie in höhere Kreise hinein Fisch lieferten. Dadurch könnte Johannes den Zugang zum Haus des Hohenpriesters gehabt haben.

Die Tendenz ist also sehr stark, dass Johannes aus einer wohlhabenden Familie kam. Trotzdem waren er und sein Bruder bereit, alles stehen und liegen zu lassen, um Jesus nachzufolgen.

Die Rolle der Mutter von Johannes und Jakobus

Ein zweites Thema betrifft die Mutter von Johannes, die später eine interessante Rolle spielt. Das werden wir gleich noch sehen. Wahrscheinlich wissen wir auch aus den anderen Evangelien etwas über sie. Ich hoffe, der Text ist groß genug, damit ihr ihn lesen könnt, denn man muss drei Stellen nebeneinanderlegen, um einige Aussagen zusammenzuführen.

Zunächst einmal berichten Markus und Matthäus dieselbe Situation. Der eine nennt den Namen, der andere erwähnt, dass es die Mutter der Zebedeussöhne war. Matthäus berichtet, dass bei der Kreuzigung Jesu, also der Situation, in der Jesus gekreuzigt wird, unter den Frauen, die am Kreuz standen, auch die Mutter der Zebedeussöhne war.

Markus erwähnt die Mutter der Zebedeussöhne nicht direkt, nennt aber Salome. Die Wahrscheinlichkeit ist recht hoch, dass die Mutter von Johannes und Jakobus Salome war. Das ist spannend, weil sie immer wieder mit den Leuten unterwegs ist, die Jesus nachfolgen.

In Lukas 8 wird erwähnt, dass einige Frauen Jesus nachfolgen. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass die Mutter von Jakobus und Johannes ebenfalls Teil dieser Gefolgschaft war. In Markus 16,1 lesen wir, dass Salome auch dabei war, zum Grab zu gehen, um den Leichnam Jesu zu salben.

Wahrscheinlich war die Mutter von Jakobus und Johannes also in einer sehr engen Nachfolgebeziehung zu Jesus unterwegs.

Außerdem habe ich noch eine Anmerkung zur Stelle in Johannes 19,25: Einige vermuten, dass Salome und Maria, die Mutter von Jesus, möglicherweise Schwestern waren. Das würde bedeuten, dass Johannes und Jakobus Cousins von Jesus waren. Diese Annahme ist allerdings etwas unsicher, aber nicht völlig unwahrscheinlich. Für die Vorträge und Predigten soll dieser Punkt jedoch keine zu große Rolle spielen.

Die Ambitionen der Mutter und der Charakter der Söhne

Diese Salome, die Mutter von Jakobus und Johannes, ist eine interessante Frau, weil wir in den Evangelien einiges über sie erfahren. Besonders berichtet Matthäus darüber. In Matthäus 20 lesen wir, dass die Frau des Zebedäus mit ihren Söhnen, also die Mutter von Jakobus und Johannes, zu Jesus kam. Sie warf sich vor ihm nieder und wollte ihn um etwas bitten.

Jesus fragte sie: „Was möchtest du?“ Sie antwortete: „Erlaube doch, dass meine beiden Söhne in deinem Reich neben dir sitzen, der eine an deiner rechten Seite und der andere an deiner linken Seite.“ Jesus entgegnete ihr: „Ihr wisst nicht, um was ihr da bittet. Könnt ihr den bitteren Kelch trinken, den ich trinken werde?“ Sie erklärten: „Das können wir.“ Darauf sagte Jesus zu ihnen: „Meinen Kelch werdet ihr zwar auch trinken, aber darüber zu verfügen, wer an meiner rechten und an meiner linken Seite sitzen wird, steht nicht mir zu. Wer dort sitzen wird, hat mein Vater bestimmt.“

Ich möchte jetzt nicht ausführlich über diesen Text sprechen, aber das Spannende ist, dass die Mutter von Jakobus und Johannes etwas mit ihren Kindern vorhat. Sie will, dass sie etwas erreichen. Deshalb kommt sie zu Jesus und bittet ihn, dass ihre beiden Söhne eine wichtige Rolle in seinem Reich spielen, nämlich an seiner rechten und linken Seite zu sitzen – das sind die wichtigsten Berater.

Die Frau scheint also zielstrebig zu sein. Markus berichtet diese Szene ebenfalls, erwähnt jedoch nicht die Mutter. Wahrscheinlich ist Matthäus einfach detaillierter, da er zuerst die Mutter nennt, die bittet, während die Söhne dahinterstehen. Das könnte uns auch zeigen, wie Jakobus und Johannes geprägt waren: Sie wussten, wohin sie wollten und was sie im Leben erreichen wollten.

Bei ihrer Berufung erhalten sie von Jesus, wie Markus berichtet, einen besonderen Beinamen. Dort heißt es, Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und Johannes, der Bruder des Jakobus, wurden von Jesus „Boanerges“ genannt. Merkt euch das für das nächste Bibelquiz: „Boanerges“ bedeutet „Donnersöhne“.

Ich weiß nicht, was ihr denken würdet, wenn ich meine Jungs „Donnersöhne“ nenne. Wahrscheinlich würdet ihr darin eine Aussage über ihren Charakter vermuten. Ich denke, das passt auch gut zu Jakobus und Johannes. Der Beiname sagt etwas aus: Die beiden wussten wahrscheinlich genau, was sie wollten, und konnten auch mal loslegen, wenn es nötig war.

Charakterzüge und frühe Eindrücke von Johannes

Interessant ist, dass wir von Johannes weder in den Evangelien noch in den Apostelgeschichten viel reden hören. Doch dort, wo wir ihn hören, passt es genau in diese Linie, die in den Evangelien dargestellt wird.

Schauen wir uns das einmal genauer an. Zum Beispiel lesen wir in Lukas 9,54: Als seine Jünger Jakobus und Johannes das hörten, sagten sie: „Herr, sollen wir befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet?“ Dabei geht es darum, dass Leute Jesus angegriffen haben. Das ist eine der wenigen Aussagen, die wir von Johannes im Evangelium haben. Es klingt nicht nach einem kurzen Kompromiss. Es klingt nicht unbedingt danach, dass er alle Seiten anhört und abwägt, ob das richtig ist. Vielmehr klingt es nach einem entschiedenen, schnellen Handeln – Vollgas, sozusagen.

Ein anderes Beispiel ist ähnlich und findet sich in Markus 9,38: Johannes sagte zu Jesus: „Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austreibt. Wir haben versucht, ihn daran zu hindern, weil er sich nicht zu uns hält.“ Hier sagt Johannes, dass jemand, der nicht zur eigenen Gruppe gehört, keine Macht haben darf, Dämonen auszutreiben. So ungefähr: Der hat noch nicht die Mitgliedschaft unterschrieben, das geht ja nicht, dass der im Reich Gottes mitwirkt.

Jesus antwortet darauf: „Hindert ihn nicht, denn wer in meinem Namen ein Wunder tut, kann nicht gleichzeitig schlecht von mir reden. Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“ Außerdem sagt Jesus: „Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil er Christus angehört, der wird, das versichere ich euch ganz gewiss, nicht ohne Lohn bleiben.“

Jesus muss Johannes hier also ein wenig zurückhalten. Diese wenigen Szenen zeigen uns ein Bild von Johannes, der tough ist, würde ich sagen. Er weiß, wo es langgeht, vielleicht hat er sogar eine kurze Zündschnur. So wird er uns als erstes geschildert.

Wandel und Nähe zu Jesus im engsten Kreis

Und dann entdecken wir aber auch andere Dinge, bei denen vielleicht eine Veränderung stattgefunden hat.

Das Erste ist, dass Johannes interessanterweise neben Petrus und Jakobus zum engsten Kreis um Jesus gehörte. Jesus nimmt in besonderen Situationen nur diese drei mit. Es gibt drei Ereignisse, bei denen er ausschließlich die drei dabei hat.

Das erste ist die Auferweckung der Tochter des Jairus, bei der Jesus zum ersten Mal jemanden von den Toten zurück ins Leben holt. Das zweite Ereignis ist die Verklärung Jesu, bei der Elia und Mose erscheinen und nur die drei Jünger dabei sind. Das dritte ist die Szene in Gethsemane, wo Jesus sich vom Rest der Jünger noch weiter zurückzieht, um seinen Todeskampf im Gebet vorzubereiten. Dabei nimmt er Johannes, Jakobus und Petrus mit.

Diese Begebenheiten sind besonders. Jesus lässt diesen „Donnersohn“ oder die beiden „Donnersöhne“ nah an sich heran. Offenbar hat das eine Veränderung mit sich gebracht, denn etwas Spannendes ist der Fall.

Im Johannesevangelium wird der junge Johannes nie namentlich genannt. Dennoch ist immer wieder von einem Jünger die Rede, den Jesus liebte. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass es sich dabei um Johannes selbst handelt.

Hier einige Beispiele oder Szenen, die das deutlich machen: Ganz am Ende des Johannesevangeliums gibt es die Szene, in der Petrus mit Jesus noch einmal unterwegs ist. Jesus stellt Petrus mehrfach die Frage: „Hast du mich lieb?“ Am Ende stellt Petrus, der gerne die anderen im Blick hat, Jesus die Frage: „Was ist denn mit diesen anderen Jüngern?“ Jesus antwortet ungefähr: „Kümmere dich nicht um sie, bleib bei dir.“

Vier Verse später heißt es im Johannesevangelium, dass der Jünger, von dem Jesus das gesagt hat, auch derjenige ist, der all diese Dinge bezeugt hat. Er hat sie niedergeschrieben, und wir wissen, dass sein Bericht wahr ist. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass dieser Jünger, den Jesus lieb hatte, tatsächlich Johannes ist.

Heißt das, dass Jesus nur Johannes lieb hatte? Nein. Es bedeutet einfach, dass Johannes für sich erlebt hat, dass Jesus ihn liebhatte.

So wenig wir über Johannes wissen, erkennen wir doch, dass jemand, der zu den „Donnersöhnen“ gehörte, ein Evangelium schreibt, in dem für ihn im Zentrum steht, dass Jesus ihn liebhatte. Später werden wir noch sehen, dass Johannes eine starke Betonung auf die Liebe Jesu zur Welt legt und dass er Wert darauf legt, Liebe zu leben.

Wir wissen nicht genau, wie das verstanden wurde, aber ich denke, weil Johannes Jesus erlebt hat, ist in seinem Leben eine Veränderung passiert.

Weitere Lebensstationen und Wirken des Johannes

Ein paar weitere Details zu seinem Leben, was wir von ihm wissen:

Johannes ist Zeuge des Todes Jesu. Zusammen mit Petrus ist er der erste Jünger am Grab. Er erkennt als Erster den auferstandenen Jesus in Tiberias am See.

Lebt er ewig? Johannes selbst sagt ganz klar, dass das ein Missverständnis ist. Dennoch ist diese Vorstellung damals wohl unter den Jüngern aufgekommen.

In der Apostelgeschichte spielt Johannes am Anfang noch eine stärkere Rolle. Er war Teil der Jünger, die auf Pfingsten gewartet haben. Zusammen mit Petrus heilt er einen Gelähmten und steht mit ihm vor dem Hohen Rat. Dort nimmt er Schläge hin.

Er begleitet Petrus nach Samarien, das ist gerade erwähnt worden. Außerdem gehört er zu den Säulen der Gemeinde, wie im Galaterbrief beschrieben.

Danach taucht Johannes nicht mehr in der Apostelgeschichte auf, sondern erst wieder mit seinen Briefen und in der Offenbarung. Diese Schrift wird ebenfalls Johannes zugeschrieben. In der Offenbarung leidet Johannes wegen der Verkündigung des Evangeliums. Er berichtet, dass er auf die Insel Patmos verbannt wurde, weil er das Wort Gottes verkündet hat.

Gott schenkt ihm Trost, denn in dieser Zeit auf Patmos darf er einen Blick in die Zukunft und in Gottes ewige Welt werfen.

Wenn man den Schriften der Kirchenväter glauben darf, dann ist Johannes wohl wieder aus Patmos freigekommen. Danach war er als Ältester in Ephesus tätig. Dort hat er wahrscheinlich auch das Evangelium geschrieben.

Ich würde mich an diejenigen halten, die vermuten, dass dieses Evangelium relativ spät, ungefähr um 85 nach Christus, geschrieben worden ist.

Aufbau und Besonderheiten des Johannesevangeliums

Um was geht es in dem Evangelium? Was ist Johannes wichtig?

Ich möchte euch eine Gliederung vorstellen. Eine Gliederung eines Bibelbuches ist immer mit einem Problem verbunden. Sie entspricht nicht unbedingt der des Autors. Wir haben das Bibelbuch vor uns und können uns Mühe geben, Strukturmerkmale zu erkennen. In jeder Einleitungsliteratur, in jedem Kommentar und bei jedem Bibelwissenschaftler findet man unterschiedliche Gliederungen.

Ich fand die folgende Gliederung ganz sinnvoll, weil sie relativ stark strukturiert ist: Johannes beginnt mit einem Prolog. Danach beschreibt er das Wirken Jesu vor der Welt. Dieses lässt sich in mehrere Abschnitte unterteilen: die Vorbereitungszeit und dann drei verschiedene Wirkgebiete. Diese drei Wirkgebiete hängen jeweils mit einer Jerusalem-Reise zusammen.

Das ist bei Johannes besonders, denn er ist der einzige Evangelist, bei dem Jesus viermal nach Jerusalem reist. In den anderen Evangelien sind diese Reisen zusammengefasst, darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

Nach diesen ganzen Reisen Jesu und seinem Wirken sehen wir ein Wirken Jesu vor seinen Jüngern. Johannes widmet diesem Abschnitt besonders viel Zeit, und zwar in den Kapiteln 13 bis 17. Das ist ein sehr großer Block, in dem Jesus seine Abschiedsrede hält und das ausführliche sogenannte hohepriesterliche Gebet spricht. In diesem Gebet betet Jesus für seine Jünger und seine Gemeinde. Dieser Abschnitt ist bei Johannes besonders ausgeprägt.

In den Kapiteln 18 bis 21 folgen dann Passion, Auferstehung und weitere Ereignisse.

Diese Gliederung orientiert sich an den Reisen und Situationen im Evangelium und gibt so eine gewisse Struktur vor.

Charakteristische Merkmale und theologische Schwerpunkte

Was ist besonders am Johannesevangelium, insbesondere im Vergleich zu den sogenannten Synoptikern? Die Synoptiker sind Matthäus, Markus und Lukas, die inhaltlich und stilistisch relativ ähnlich sind.

Im Johannesevangelium spricht Jesus deutlich ausführlicher und länger. In Matthäus, Markus und Lukas sind die Aussagen oft sehr zusammengefasst und komprimiert. Das Spannende ist, dass man davon ausgeht, dass die Art und Weise, wie Jesus im Johannesevangelium spricht, eher der Realität entspricht. Dies liegt daran, dass es ein typischer orientalischer Stil ist. Jesus verwendet dort viel mehr Wiederholungen, viele Beispiele und kommt nicht so schnell auf den Punkt.

Im Gegensatz dazu haben Matthäus, Markus und Lukas die Reden wahrscheinlich zusammengefasst und komprimiert. Außerdem ist Johannes wahrscheinlich chronologischer unterwegs, während die anderen Evangelisten die Ereignisse eher nach Regionen zusammenfassen. Bei ihnen ist Jesus beispielsweise nur einmal in Jerusalem.

Während Matthäus, Markus und Lukas mehr den Fokus auf Gleichnisse legen, konzentriert sich Johannes stärker auf die Reden Jesu. Es gibt vier Wunder, die nur im Johannesevangelium vorkommen: die Hochzeit zu Kana, die Heilung am Teich Bethesda, die Heilung des Blindgeborenen und die Auferweckung des Lazarus. Diese Wunder spielen im Johannesevangelium eine zentrale Rolle, weshalb Johannes darauf einen besonderen Schwerpunkt setzt.

Nur zwei Wunder sind in den Synoptikern und im Johannesevangelium gleich: die Speisung der 5000 und dass Jesus auf dem See geht. Man sagt, dass Johannes etwa 80 Sondergut hat – ein Fachbegriff, der einfach bedeutet, dass diese Inhalte nur im Johannesevangelium vorkommen und nicht in den anderen Evangelien.

Zudem verwendet Johannes einen einfacheren Wortschatz. So viel zur Theorie. Doch was ist Johannes wirklich wichtig? Was will er mit seinem Evangelium erreichen?

Zielsetzung des Johannesevangeliums

Johannes macht es uns leicht, denn wir müssen nicht einfach nur schauen, was sein Hauptthema ist. Er nennt es selbst in Johannes 20,30-31. Dort sagt er, dass Jesus in der Gegenwart seiner Jünger noch viele andere Wunder tat, durch die er seine Macht bewies, die aber nicht in diesem Buch aufgezeichnet sind.

Er erklärt, dass er bewusst eine Auswahl getroffen hat, was er aufschreibt, und begründet, warum. Was hier berichtet ist, wurde aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes. Außerdem sollt ihr durch den Glauben an ihn in seinem Namen das Leben haben.

Johannes verfolgt also zwei Ziele mit seinem Evangelium. Er möchte den Leuten klar machen – und das ist unsere Eingangsfrage – dass Jesus eben nicht nur ein moralischer Lehrer oder ein Sozialrevolutionär war, der die Armut der Welt lösen wollte. Zwar hat Jesus solche Dinge angesprochen, aber der große Punkt ist, dass Johannes zeigen will, dass Jesus der Christus ist. Im jüdischen Verständnis bedeutet das, dass er der Messias ist und wirklich der Sohn Gottes.

Johannes legt großen Wert darauf, in seinem ganzen Evangelium zu zeigen, dass Jesus wirklich Gott ist. Er stellt Jesus in seiner Herrlichkeit als Gottessohn dar.

Das Ganze bleibt aber nicht abgekoppelt von der Frage, die es für unser persönliches Leben mit sich bringt. Es fordert uns heraus, ob wir diesem Jesus unser Vertrauen schenken wollen, ob wir den Mut haben, anzuerkennen, wer er ist, und ihm zu vertrauen. Es geht darum, an ihn zu glauben und ihm die Kontrolle über unser Leben zu überlassen.

Genau das will Johannes erreichen, weil er überzeugt ist, dass Jesus Leben schenkt.

Zielgruppe und missionarischer Fokus

Man kann davon ausgehen, dass Johannes aufgrund seines gesamten Stils viele Anspielungen aus dem Alten Testament verwendet. Wahrscheinlich möchte er Juden oder Proselyten, die in der sogenannten Diaspora leben – das heißt, die nicht mehr in Israel sind, sondern vermutlich in römischen, heidnischen Gebieten –, davon überzeugen, dass Jesus der Messias ist, und sie zum Glauben auffordern.

Das ist das große Thema. Johannes hat dieses Evangelium wohl mit einem starken missionarischen Fokus geschrieben, um Menschen aus seinem Volk, also Juden oder solche mit einem engen Bezug zu ihnen, zu erreichen. Für jemanden, der in Rom aufgewachsen ist und Römer war, war es zunächst unwichtig, wer der Messias ist. Diese Frage stellte sich für ihn erst, wenn er mit dem Christentum in Berührung kam. Doch anfangs war das nicht sein Hauptinteresse.

Bei Johannes zieht sich das Thema „Wer ist der Messias?“ stark durch das Evangelium. Er betont mehrfach die Gottheit Jesu und dass Jesus der von Gott Gesandte ist. Jesus ist für ihn die Erfüllung der Hoffnung und Sehnsucht Israels. Immer wieder grenzt Johannes Jesus ab von dem, was das Judentum zu bieten hat, und zeigt, dass Jesus wirklich der Sohn Gottes ist. Das ist eine starke rote Linie, die sich durch das gesamte Evangelium zieht.

Daneben enthält das Evangelium auch sehr bekannte Elemente, wie die sogenannten Ich-bin-Worte. Hier sagt Jesus, wer er ist: das Brot des Lebens, das Licht der Welt, die Auferstehung und das Leben und so weiter. Johannes hat noch weitere Themenschwerpunkte. Man sagt, es sei das Evangelium der Liebe, weil er immer wieder Bezug darauf nimmt. Er beschreibt wie kein anderer die Beziehung zwischen Jesus und seinem Vater sowie die Beziehung, die Jesus zu seinen Nachfolgern hat.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der starke Kontrast zwischen Glaube und Unglaube. Bei Johannes endet vieles von dem, was Jesus in Gesprächen sagt, damit, dass offenbleibt oder gezeigt wird, dass die einen mit Glauben reagieren, die anderen aber mit Unglauben. Hier kommt wieder sein Hauptanliegen zum Vorschein: Er möchte, dass die Menschen glauben.

Er baut auch einen Kontrast zwischen Licht und Finsternis auf, was wir gleich noch kurz im Prolog sehen werden. Bei allen Zeichen und Wundern, die Johannes berichtet, liegt ein starker Fokus auf der Gottheit Jesu. Der Heilige Geist spielt bei ihm eine größere Rolle als in den anderen Evangelien. Zusätzlich behandelt Johannes intensiv die Frage, wer zu Gottes Volk gehört. Dabei spielt die Wiedergeburt, also das Empfangen eines neuen Herzens, eine große Rolle.

Einstieg in den Prolog des Johannesevangeliums

Soweit dazu, wer jetzt durchgehalten hat. Nun schauen wir noch kurz in den Bibeltext, und ich hoffe, es wird ein bisschen praktischer.

Ihr dürft Johannes 1 aufschlagen, und wir sehen uns noch kurz den Prolog an. Wie gesagt, am 24.12. gab es bereits eine ausführliche Predigt, die sich nur damit beschäftigte. Wer die Begründungslinien und weitere Details nachvollziehen möchte, die ich jetzt nicht erläutern werde, kann gerne nachschauen. Die Predigt ist online verfügbar.

Zunächst betrachten wir die ersten drei Verse: „Am Anfang war das Wort, das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Der, der das Wort ist, war am Anfang bei Gott. Durch ihn ist alles entstanden; es gibt nichts, was ohne ihn entstanden ist.

Wenn ihr das lest, merkt ihr wahrscheinlich, dass ihr den Text noch vier- oder fünfmal lesen müsst, um ganz zu verstehen, was Johannes damit alles meint. Er ist unheimlich reich an Inhalt.

Die Bedeutung des Wortes und die Göttlichkeit Jesu

Johannes beginnt sein Evangelium auf eine interessante Weise: Er startet nicht mit der Geburt Jesu, wie es zum Beispiel Lukas tut. Dieser Beginn würde den Fokus auf die Menschlichkeit Jesu legen. Stattdessen beginnt Johannes mit der Schöpfung und bezieht sich bewusst auf den ersten Vers der Bibel, wo es heißt: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“. Er schreibt: „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott.“ Damit verknüpft er die Entstehung der Welt mit Jesus.

Wenn man diesen Anfang mit einem Konzert vergleicht, dann startet Johannes mit voller Kraft. Er bringt gleich zu Beginn alle Instrumente zum Einsatz. So legt er im Prolog seines Evangeliums einen kraftvollen Start hin, um später im Verlauf seines Textes etwas leiser zu werden.

Die erste wichtige Aussage, die Johannes macht, ist, dass Jesus nicht einfach nur ein Mensch war, der irgendwann geboren wurde. Vielmehr existierte Jesus schon vor Raum und Zeit. Er ist sogar derjenige, durch den die Schöpfung mitbewirkt wurde, durch den die Welt geschaffen wurde. Für Johannes ist Jesus nicht nur Mensch. Für ihn ist Jesus Gott, der selbst das Leben schafft und selbst das Leben ist.

Diese Göttlichkeit Jesu will Johannes gleich zu Beginn klar herausstellen. Er legt Wert darauf, die Gottheit Jesu direkt am Anfang zu betonen. Es ist, als ob Shakespeare seinem Hamlet begegnet, wobei Hamlet selbst nie die Chance hätte, Shakespeare zu erkennen. Shakespeare ist auf jeder Seite seines Buches präsent, aber Hamlet kann nicht zu ihm durchdringen, weil Shakespeare so viel größer und höher ist.

So beschreibt Johannes, dass Jesus der Autor dieser Welt ist und dass der Autor selbst in die Welt kommt.

Licht und Finsternis als Grundkontrast

Wir lesen weiter die Verse 4 bis 9: In ihm war das Leben, und dieses Leben war das Licht der Menschen. Das Licht leuchtet in die Finsternis, und die Finsternis hat es nicht auslöschen können.

Nun tritt ein Mensch auf, der von Gott gesandt war und Johannes hieß. Er kam als Zeuge; sein Auftrag war es, auf das Licht hinzuweisen, damit durch ihn alle daran glauben. Er selbst war nicht das Licht, sondern sein Auftrag war es, auf das Licht hinzuweisen. Derjenige, auf den er hinwies, war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet – das Licht, das in die Welt kommen sollte.

Johannes, der Apostel, um den es hier nicht geht, baut textlich einen Kontrast auf, der sich durch sein ganzes Evangelium zieht. Er zeigt auf der einen Seite die Finsternis und sagt, dass die Welt, in die Jesus kommt – den er mit dem Licht identifiziert –, eine Welt der Finsternis ist.

Man könnte sagen: „Na ja, sieht gerade nicht so aus.“ Wenn ich hinausblicke, ist schönes Wetter. Aber auch wenn es uns persönlich vielleicht gut geht und wir viele schöne Momente haben, müssen wir nur manchmal die Decke des Schweigens an der einen oder anderen Stelle lüften, um zu sehen, wie abgrundtief diese Welt ist.

Ich habe diese Woche eine Podiumsdiskussion gehört, bei der ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter und eine Frau, die viel Frauenarbeit im Prostitutionssektor macht, beteiligt waren. Dort wurde darüber gesprochen, wie gigantisch groß diese Zahl in Deutschland ist und wie riesig der Menschenhandel dahinter steckt. Das hat mich einfach umgehauen.

In Städten gab es teilweise Schätzungen, dass es etwa hundert Prostituierte gibt. Dann hat man genauer erhoben, und die pessimistischen Zahlen lagen bei 800 – das waren die niedrigsten Zahlen. Man hat nur eine Ahnung von dem Ausmaß dessen, was Realität ist und was da tatsächlich geschieht.

Allein das war für mich in dieser Woche ein Ereignis, bei dem man die Decke ein wenig gehoben hat und die Dunkelheit und Finsternis der Welt sehen konnte. Und es geht noch viel weiter.

Wie sieht das aus, wenn wir Kriege sehen? Wenn wir beobachten, wie Menschen miteinander umgehen? Man braucht nur eine Bundestagsdebatte zu verfolgen, um zu erkennen, wie viel Freundlichkeit und Liebe zueinander dort herrscht. Das ist oft wirklich Finsternis.

Johannes beschreibt nun, dass Licht in diese Finsternis kommt. Und die Finsternis, so heißt es in der Übersetzung, ist nicht in der Lage, das Licht auszulöschen. Ich finde das genial, denn wenn du Licht einschaltest, hat die Finsternis keine Chance mehr. Sie kann sich nicht dagegen wehren.

Finsternis ist in dem Moment weg, in dem das Licht angeht. Ich weiß nicht, ob ihr schon einmal in einer dunklen Höhle wart, wo es stockfinster ist. In dem Moment, in dem Licht angeht, wird es hell. Egal, wo du bist, das Licht durchleuchtet alles.

Johannes beschreibt, dass Jesus genau dieses Licht ist, das in die Welt kommt – in alle Dunkelheit hinein. Wenn wir uns mit Jesus auseinandersetzen, werden wir erkennen, dass er ganz anders ist. Du wirst einen Unterschied merken.

Wenn du Menschen richtig kennenlernst, stellst du auch dunkle Seiten in ihrem Leben fest, selbst wenn sie noch so nett sind. So geht es uns allen. Oft ist man erst einmal super begeistert, wenn eine neue Freundschaft beginnt, weil alles himmelhoch jauchzend ist. Das kann auch in Ehen vorkommen.

Dann lebt man mit der Person ein bisschen länger zusammen oder teilt mehr vom Leben, und man entdeckt die Kanten und Ecken. Ich bin von einer Sache überzeugt: Bei Jesus ist das nicht der Fall.

Deshalb bildet er so einen krassen Kontrast zu allen anderen – weil er einfach perfekt ist, weil er schön ist. Und deswegen haben wir diesen Gegensatz: Finsternis und Licht.

Wenn aber Licht die Finsternis erleuchtet, dann bleibt kein Graubereich mehr, sondern es wird viel sichtbar.

Reaktionen auf das Licht und die Einladung zum Glauben

Wir lesen weiter die Verse 10 bis 13, weil wir die Reaktion sehen wollen – was passiert, wenn Licht hereinkommt. Die Frage ist, ob wir Menschen das überhaupt wollen.

Es heißt: Er war in der Welt, aber die Welt, die durch ihn geschaffen wurde, erkannte ihn nicht. Er kam zu seinem Volk, aber sein Volk wollte nichts von ihm wissen. All denen jedoch, die ihn aufnahmen und an seinen Namen glaubten, gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden. Sie wurden es weder aufgrund ihrer Abstammung noch durch menschliches Wollen oder den Entschluss eines Mannes. Sie sind aus Gott geboren worden.

Meine Kinder haben überhaupt kein Problem, wenn man das Scheinwerferlicht in das Zimmer der jeweils anderen richtet, um zu schauen, ob ordentlich aufgeräumt wurde. Wenn man mit einer Taschenlampe vielleicht um das Bett leuchtet, um zu sehen, ob wirklich aufgeräumt wurde oder ob die Unordnung nur von einer Stelle zur anderen verschoben wurde.

Sie haben aber Schwierigkeiten damit, wenn dieses Licht in ihrem eigenen Zimmer leuchtet. Ich glaube, das beschreibt ziemlich genau, wie wir sind – wie Menschen zur Zeit Jesu waren und wie es bei uns heute ist.

Wir haben überhaupt kein Problem, wenn dieses helle Licht von Jesus, der so perfekt ist und andere Ansprüche hat als wir, auf andere Menschen fällt. Wir wünschen uns doch alle, dass Gott mal so richtig aufräumen wird in dieser Welt. Dass die Kriege aufhören und die Menschen, die diese verursachen, zur Vernunft kommen. Dass diejenigen, die uns das Leben schwer machen, irgendwie auf die Seite geräumt werden oder in Ordnung kommen. Wir haben alle unsere Vorstellungen und sind gut darin, uns hinzustellen und zu sagen, was alles schlecht läuft in der Welt und was besser werden müsste. Das kriegt jeder gut hin.

Aber wenn dieses Scheinwerferlicht auf mein eigenes Leben fällt und die schmutzigen Ecken meines Lebens beleuchtet, dann mag ich dieses Licht nicht. Dann ist es eher so wie am Morgen, wenn ich gut geschlafen habe und plötzlich jemand das Licht im Zimmer anmacht. Kein netter Moment, sorgt nicht für beste Laune, sondern meist für Abwehrreaktionen.

So ist es oft, wenn Gottes Licht auf mein Leben fällt: Abwehrreaktionen. Ich will nichts damit zu tun haben. Und genau das passiert oft bei uns Menschen, wenn sie mit Jesus in Berührung kommen. Sie merken diese Helligkeit, diese Perfektion, wie er so anders ist, und wie dieser Anspruch, der dadurch an uns herangetragen wird, unsere Unvollkommenheit zeigt. Das kratzt am Leben, und man will vielleicht erst einmal nichts mehr damit zu tun haben.

Johannes beschreibt aber in den Versen 12 bis 13 eine andere Gruppe. Eine Gruppe, die das ausgehalten hat – sich diesem Licht auszusetzen, sich darauf einzulassen, Jesus an sich heranzulassen und ihm zu vertrauen. Diese Gruppe hat etwas erfahren, nämlich dass sie Gottes Kinder werden durften. Menschen, die Jesus ihr Vertrauen geschenkt haben, was nichts anderes bedeutet, als ihm zu glauben, ihm ihr Leben anzuvertrauen und sein Licht zuzulassen.

Jesus sagt später im Johannes-Evangelium 11,25: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.“

Das ist die zentrale Frage, die Johannes in seinem Prolog stellt und in seinem ganzen Evangelium: Wie reagieren wir auf diesen Jesus, der so viel perfekter und anders ist als wir? Wie reagieren wir? Lassen wir ihn an uns heran?

Die Menschwerdung und Offenbarung Gottes in Jesus

Johannes beantwortet in seinem Evangelium – und auch gleich im Prolog – die Frage, wie das geschehen kann. Das Interessante ist, dass die Menschen, die sich diesem Licht aussetzen, etwas erfahren.

Das lesen wir in den Versen 14 bis 18, wo Johannes beschreibt, was er selbst erlebt hat. Er erzählt, wie er mit diesem Licht gelebt hat. Er, der das Wort ist, wurde ein Mensch aus Fleisch und Blut und lebte unter uns.

Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit. Nur er, der einzige Sohn, besitzt diese Herrlichkeit. Er kommt vom Vater, darauf wies Johannes die Menschen hin. „Er ist es“, rief er.

Von ihm sagte Johannes: „Der, der nach mir kommt, ist größer als ich, denn er war schon vor mir da.“ Wir alle haben aus der Fülle seines Reichtums Gnade und immer wieder neue Gnade empfangen.

Denn durch Mose wurde uns das Gesetz gegeben, aber durch Jesus Christus sind Gnade und Wahrheit zu uns gekommen. Niemand hat Gott je gesehen. Der einzige Sohn hat ihn uns offenbart. Er selbst ist Gott und sitzt an der Seite des Vaters.

Die Einheit von Wahrheit und Gnade in Jesus Christus

Johannes beschreibt hier sehr viel Inhalt, aber zwei zentrale Dinge stechen hervor.

Das erste findet sich ganz am Ende, in Vers 18: Wer mit Jesus in Berührung kommt, sieht Gott. Wir können Gott erst vollständig in Jesus Christus erkennen. Alles andere sind nur Andeutungen und schwache Schatten. In Jesus entscheidet sich Gott, selbst Mensch zu werden und das tiefste Innere seines Wesens zu offenbaren. Wir können Gott nicht von Jesus trennen, so als wären Gott und Jesus unterschiedliche Wesen. Sie sind eins. Sie denken gleich und handeln gleich.

Das zweite, was Johannes beschreibt, steht in den Versen davor. Wenn wir Jesus ansehen, dann sehen wir eine Besonderheit, nämlich Gnade und Wahrheit, die zusammenkommen. Das ist etwas, das uns oft schwerfällt. Warum? Weil Wahrheit eigentlich gnadenlos ist. Johannes spricht hier von dem Licht, das das Leben erleuchtet. Wenn ich Gottes Maßstäbe und Wahrheit an mein Leben heranlasse, dann gibt es eigentlich nur die Kategorien „genügend“, „ungenügend“ oder „nicht erfüllt“. Das ist eine ziemlich einfache Sache, vielleicht mit ein paar Graubereichen. Aber grundsätzlich ist Gnade etwas, das ich erfahre, obwohl ich nicht perfekt bin. Gnade bedeutet, dass jemand, der schuldig ist, nicht das volle Gericht trifft.

Johannes sagt nun, dass in Jesus beides vereint ist. In Jesus wird einerseits der perfekte Maßstab sichtbar – die Wahrheit, was wirklich richtig und falsch ist. Andererseits wird dort auch Gnade sichtbar. Im Johannesevangelium wird das besonders deutlich, und ich hoffe, das wird klar: Nirgendwo sonst wird das so sehr sichtbar wie auf Golgatha. Dort wird alle Schuld der Welt völlig offensichtlich. Es wird klar, dass Gott selbst sterben muss für die Schuld dieser Welt. Dieses helle Scheinwerferlicht offenbart die Sünde, die nicht mehr zu leugnen ist.

Hier stirbt jemand, weil die Menschheit seit jeher die Maßstäbe und Wahrheiten Gottes verfehlt hat. Gleichzeitig wird nirgendwo so sehr Gnade sichtbar, weil Gott selbst es ist, der dieses Gericht auf sich nimmt. Er ist es, der das „Ungenügend“ wegräumt.

Nirgendwo sonst wird der Kontrast zwischen Wahrheit und Gnade so deutlich sichtbar wie auf Golgatha. Und nirgendwo sonst wird sichtbar, dass beides in einer Person zusammenkommt: Jesus Christus.

Die Einladung zur persönlichen Entscheidung für Jesus

Mit dieser Erkenntnis fordert Johannes seine Zuhörer auf, sich im Evangelium mit der Frage auseinanderzusetzen, wer dieser Jesus für sie ist. Die Frage, die Johannes stellt, und die Behauptung, die er in den Raum stellt, lautet: In Jesus betritt Gott selbst die Bühne des Weltgeschehens.

Heute stellt sich dir die Frage, wie du zu diesem Jesus stehst. Schenkst du ihm dein Vertrauen? C. S. Lewis hat eine ganz berühmte Aussage getroffen, ohne die man das Thema eigentlich nicht abschließend behandeln kann. Er sagt: Ein Mann, der als bloßer Mensch die Aussagen von Jesus macht, wäre kein großer moralischer Lehrer. Er wäre entweder verrückt – ungefähr so wie jemand, der behauptet, er sei ein Spiegelei – oder er wäre der Teufel persönlich.

Du musst dich entscheiden: Entweder war und ist dieser Mann der Sohn Gottes, oder er ist verrückt oder schlimmer. Man kann ihn einsperren, anspucken und als Dämon töten, oder man kann zu seinen Füßen fallen und ihn Herr und Gott nennen. Aber komm mir nicht mit diesem moralisierenden Quatsch, er sei ein großer menschlicher Lehrer. Diese Option hat er uns nicht offen gelassen, das wollte er nie.

Die Frage ist, wie wir auf Jesus reagieren. Sehen wir in ihm Gott, der selbst Mensch wird, um die Schuld der Welt zu sühnen? Sehen wir ihn als jemanden, der dich herausfordert, ihm zu vertrauen und ihm dein Leben zu geben? Oder sehen wir ihn nur als jemanden, von dem wir ein bisschen Moral lernen können? Ja, das ist dabei, aber das war nicht das große Ziel.

Jesus lädt dich ein, dich auf ihn einzulassen. Das, was du entdecken wirst, ist viel mehr, als wir Menschen je hätten erdenken können. Du wirst staunend begeistert sein und herausgefordert. Dort, wo du das Scheinwerferlicht, das Jesus mit sich bringt, auf dein Leben zulässt, wirst du erkennen, wie er Dinge heilt, verändert und besser macht als je zuvor.

Dort wirst du erkennen, dass du in der Person der Wahrheit gleichzeitig der Person der Gnade begegnest. Dort wirst du erkennen, dass diese Person wirklich das Leben selbst ist. Diese Person ist einzig würdig, Sinn und Zweck deines Lebens zu sein. Du wirst dein Leben in ganzem Vertrauen und ganzer Hingabe für diese Person leben – deinem Schöpfer, der Mensch wurde mit einem einzigen Ziel: Golgatha, um dich zu retten und zu erkaufen. Amen!