Einzug der Braut als Bild für den Beginn von Römer 8
Warten Sie hier schon einmal auf einer Hochzeit, bei der die Eingangsmusik perfekt auf den Einzug der Braut abgestimmt war. Es ist ja kein Muss, dass alles so genau passt. Ich möchte damit keine verlobten Paare unter Druck setzen, jetzt unbedingt darauf achten zu müssen.
Es gibt jedoch Paare, die eher perfektionistisch sind und auf jedes Detail achten. Dort wird der Einzug auch vorher geprobt. Meistens sieht das so aus: Der Bräutigam ist schon da, er ist ja meistens als Erster vor Ort. Die Gäste sind ebenfalls da. Die Braut kommt immer ein bisschen zu spät – planmäßig zu spät. Die Gespräche im Saal laufen noch angeregt, und plötzlich beginnt die Musik. Dann verstummen die Gespräche, weil jeder weiß: Jetzt geht es los.
Das Musikstück baut sich langsam auf, nach und nach. Es beginnt nicht mit einem Höhepunkt, sondern steigert sich allmählich. Die Brautjungfern kommen nacheinander herein, wenn es mehrere sind, eine nach der anderen. Schließlich erreicht die Musik ihren Höhepunkt, und in diesem Moment betritt die Braut den Saal.
Selbst diejenigen, die sich nicht die ganze Zeit umgedreht haben, um zu beobachten, wann die Braut kommt, wissen jetzt aufgrund des musikalischen Höhepunkts: Jetzt kommt sie herein.
Würde man einen Soundtrack zu einem Lied über den Römerbrief schreiben, käme jetzt der musikalische Höhepunkt. Ich predige seit einigen Monaten durch den Römerbrief, und die Botschaft baut sich, wie ihr vielleicht bemerkt habt, immer weiter auf. Nun beginnt Kapitel 8. Dieses Kapitel ist wie ein feierlicher Einzug in den Saal, bei dem wir uns alle umdrehen müssen.
John Piper, ein bekannter Pastor und Theologe, hat einmal gesagt: Das großartigste Buch der Welt ist die Bibel. Das großartigste Buch in der Bibel ist der Römerbrief. Und das großartigste Kapitel im Römerbrief ist Kapitel 8. Viele Pastoren und Theologen würden ihm zustimmen – ich persönlich auch.
Die Bedeutung von Kapitel 8 im Römerbrief
Was macht Kapitel 8 im Römerbrief zu so einem wunderbaren Kapitel? Zum einen ist es der Inhalt. Ich werde drei Predigten zu Römer 8 halten. Dabei werden wir Aussagen betrachten, die so gewaltig sind, dass sie manchmal zu gut erscheinen, um sie sofort vollständig zu erfassen. Vielleicht wird es euch genauso ergehen.
Zum anderen ist es die Stellung von Kapitel 8 im Römerbrief, die es so besonders macht. Kapitel 8 folgt auf Kapitel 7. Da fragt man sich: Was ist daran so besonders?
Meine letzte Predigt über Römer 7 trug den Titel „Gottes Anspruch und mein ständiges Versagen“. Paulus nimmt uns in Kapitel 7 mit in seine eigene Situation – eine Situation, die wir als Christen gut kennen. Er beschreibt den ständigen Kampf und das immer wiederkehrende Versagen. Paulus sagt in Römer 7: „Das Gute, das ich tun will, das tue ich nicht, sondern das, was ich hasse, das tue ich.“ Wenn wir ehrlich sind, entspricht das doch häufig unserer Alltagserfahrung als Christen.
Am Ende von Kapitel 7 stellt sich die Frage: Was machen wir jetzt damit? Leben wir für immer in diesem Dilemma?
Dann kommt Kapitel 8. Mein Predigtthema heute lautet: „Gottes Lösung für ein siegreiches Leben“. Gott ist die Lösung für ein siegreiches Leben. Ihr merkt, ich bin schon zu Beginn der Predigt recht emotional, weil in diesem Brief so viele wunderbare Wahrheiten enthalten sind.
In dieser Predigt schauen wir uns die Verse 1 bis 17 an. Gott hat eine dreifache Lösung, und wir beginnen mit dem ersten Punkt.
Erste Lösung: Keine Verdammnis durch Gottes Tat
Der erste Punkt lautet: Keine Verdammnis durch Gottes Tat. Ich lese Vers 1: „Also gibt es jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.“
Man muss erst einmal innehalten, um die Aussagekraft dieser Worte zu erfassen. Denn Verdammnis bedeutet Gottes finales Gerichtsurteil über den Sünder. Und damit hat der Römerbrief ja im Prinzip begonnen. In Römer 1, Vers 18 lesen wir: „Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen.“
Damit begann der Römerbrief. Paulus sagt, jeder Mensch steht zunächst einmal unter dem Zorn Gottes, weil er Gott nicht als Gott in seinem Leben anerkennt. Aber jetzt heißt es in Kapitel 8, Vers 1: keine Verdammnis. Da muss man sich doch die Frage stellen: Wie können beide Aussagen in einem Brief stehen? Gottes Zorn wird offenbart – keine Verdammnis. Was ist dazwischen passiert? Wieso kann Paulus diese fulminante Aussage in Kapitel 8, Vers 1 treffen?
Es wird ab Vers 2 erklärt. Schaut mal, Vers 2 beginnt mit einem „Denn“. Jetzt kommt die Begründung: „Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat dich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.“ Das Gesetz der Sünde und des Todes meint die Macht der Sünde und die darauf folgende Strafe.
Die Sünde hat die Kapazität, uns zu versklaven – das will sie. Und das spüren wir in unserem Leben, wenn wir der Sünde Raum geben. Sie entwickelt eine Macht, sie legt uns Ketten an, und die Folge ist eigentlich der Tod – das ist der Zustand eines Menschen ohne Gott.
Jetzt sagt Paulus aber: Im Leben eines Christen gibt es ein anderes Gesetz, und das ist das Gesetz des Geistes des Lebens. Wenn der Geist Gottes bei der Bekehrung in das Leben eines Menschen kommt, dann ist der Sieg über das Gesetz der Sünde möglich. Dann sind die Ketten abgetan, dann muss das Gesetz der Sünde, das uns immer wieder versklaven möchte, uns nicht dominieren. Es muss nicht das letzte Wort in unserem Leben haben, denn wir als Christen sind befreit. Befreit von der Macht der Sünde und befreit von der Strafe der Sünde – das wäre nämlich die Verdammnis. Und Paulus sagt: Ihr seid befreit worden.
Da stellt sich die Frage: Wie ist das möglich? Wie ist das möglich, dass wir befreit wurden von dem Gesetz der Sünde? Das erklärt Paulus in den nächsten beiden Versen. Schaut mit mir in den Text, die Verse 3 und 4: „Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem er seinen eigenen Sohn in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und für die Sünde sandte und die Sünde im Fleisch verurteilte, damit die Rechtsforderung des Gesetzes erfüllt wird in uns, die wir nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln.“
Das Gesetz, also Gottes Anspruch, kann das Sündenproblem nicht lösen. Nicht weil das Gesetz schlecht ist, sondern weil der Mensch schwach ist – das ist die Argumentation hier im Text. Weil der Mensch so tief in der Sünde steckt, ist er gar nicht moralisch in der Lage, Gottes Willen zu tun, nach dem Gesetz zu leben. Das heißt, das Gesetz kann den Menschen aus dem Loch der Sünde nicht rausholen.
Es gibt einige Moorgebiete in Deutschland, vor allen Dingen in Norddeutschland, aber auch in Bayern. Einige Moorgebiete sind zugänglich gemacht worden über einen Holzpfad. An diesen Holzpfaden stehen in der Regel natürlich auch Warnschilder, die da beispielsweise lauten: „Achtung, Moor, bitte auf dem Weg bleiben.“
Jetzt stellt euch mal vor, jemand missachtet dieses Schild und sagt: Ich gehe trotzdem, ich übertrete das Gebot. Er geht weg, er geht ins Moor, und es kommt, wie es kommen muss: Er versinkt mehr und mehr. Das Moor zieht ihn völlig runter, und er schreit um Hilfe. Ein anderer Fußgänger kommt vorbei, aus dem Holzpfad, sieht diesen Mann im Moor versinken und verweist auf das Schild, so in guter, typisch deutscher Manier: „Da ist doch ein Gebot. Achtung Moor, nicht den Weg verlassen!“
Schaut mal, das hilft dem Mann, der im Moor ist, doch reichlich wenig – ein Verweis auf das Gebot. Er weiß, er steckt mittendrin. Das Gebot hilft da wenig, es kann ihn nicht rausholen. Das, was er braucht, ist nicht jemand, der ihn auf das Gebot aufmerksam macht. Das, was er braucht, ist ein Retter. Das ist das, was er braucht. Er braucht jemanden, der ihn da herauszieht, weil er anders von selbst nicht rauskommen kann.
Das ist doch der Punkt. Und schaut mal, genau das sagt Vers 3: „Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, das tat Gott.“ Das tat Gott. Gott ist derjenige, der rettet.
Da heißt es weiter in Vers 3: „Er sandte seinen Sohn in der Gleichgestalt des Fleisches der Sünde.“ Das heißt, Jesus wird wahrer Mensch, er nimmt einen Körper an. Warum musste Jesus im Fleisch kommen? Weil im Fleisch das Problem steckt. Im Fleisch steckt bei den Menschen dieser ständige Hang zur Sünde. Jesus nimmt Fleisch an, er wird Mensch, er lebt in perfekter Übereinstimmung mit dem Gesetz, er erfüllt das Gesetz, er geht ans Kreuz im Körper, nimmt unsere Sünde auf sich.
Und in dem Moment, wo die Sünde auf Jesus liegt, bestraft Gott die Sünde – und zwar da, wo sie ihren Ursprung hat, im Fleisch. Damit vernichtet Gott, er verurteilt die Sünde, er bezahlt dafür. Und diese wunderbare Wahrheit – das ist Evangelium pur. Das, was wir nicht tun konnten, das tat Gott. Er tat es.
Diese wunderbare Wahrheit hat zwei Dinge zur Folge: Jesu Gehorsam. Er hat im Fleisch gehorsam gelebt, er hat im Fleisch das Gesetz erfüllt. Sein Gehorsam wird uns angerechnet, als ob wir dieses Leben gelebt hätten. Damit wird die Rechtsforderung des Gesetzes erfüllt, wenn wir in Christus sind, wenn wir unser Vertrauen auf ihn setzen.
Und es hat auch zur Folge: Schaut mal, wenn Gott die Schuld ja schon bestraft hat in seinem Sohn, wenn die Sünde im Fleisch gerichtet wurde, dann wird sie nicht ein zweites Mal bestraft. Denn eine Schuld muss nur einmal bestraft werden, eine Schuld muss nur einmal beglichen werden.
Deswegen lautet die logische Schlussfolgerung: Jetzt gibt es keine Verdammnis mehr, es gibt keine weitere Bestrafung für die, die in Christus Jesus sind. In Christus zu sein bedeutet, Christ zu sein. In Christus zu sein bedeutet, das angenommen zu haben, was er getan hat.
Das ist die Grundlage für Paulus’ wunderbare Aussage in Vers 1: „Also gibt es jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.“ Schaut mal, wie die Aussage beginnt. Wenn ihr genauer hinschaut, beginnt Vers 1 mit einem „Also“. Das ist eine Schlussfolgerung. Man könnte auch sagen, Paulus sagt: Ich komme nun zu dem Ergebnis. Das heißt, er fasst auch den gesamten Römerbrief hier zusammen. Hier kommt die Gleichung zu ihrem Ergebnis.
Ich habe euch mal eine Gleichung mitgebracht, eine mathematische Gleichung. Ich muss sagen, ich habe sie von Daniel Siemens, er hat ein Buch über den Römerbrief geschrieben, das ich euch sehr empfehlen kann. Das Buch heißt „Solafide“. In diesem Buch stellt er die Gleichung auf. Daniel, ich habe sie an zwei Stellen leicht verändert, ich habe das nochmal durchgerechnet, komme aber auf das gleiche Ergebnis.
Was steckt hinter dieser Gleichung? Vg plus Vs plus El plus Frf plus Gd hoch zwei mal L hoch drei plus Uh plus SMS plus Bss gleich Kv. Was steckt hinter dieser Gleichung?
Vergebung plus Versöhnung plus Erlösung plus forensische, also richterliche Rechtfertigung plus Gnade hoch zwei mal Glaube mal Liebe hoch drei plus unsterbliche Hoffnung plus Sieg über die Macht der Sünde plus Befreiung von der Strafe der Sünde gleich keine Verdammnis.
Das ist die Gleichung, die Paulus hier aufstellt. Von Römer 3 bis Römer 7 baut er diese Gleichung auf, und hier kommt das Ergebnis in Römer 8, Vers 1. Das ist ein Vers, wo viele Theologen sagen, das ist eigentlich der wichtigste Vers in der ganzen Bibel, wenn man die Aussage von Piper nochmals zu Ende denkt.
Die Bibel ist das großartigste Buch der Welt, das großartigste Buch der Welt ist der Römerbrief, das großartigste Kapitel im Römerbrief ist Kapitel 8, und der großartigste Vers in Römer 8 ist Vers 1. Denn hier kommt die Gleichung des Evangeliums auf den Punkt: Also gibt es jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.
Ihr Lieben, das ist die Mathematik des Evangeliums. Das ändert doch alles in unserem Leben als Christ.
Jetzt ist meine Frage: Glaubst du das als Christ? Glaubst du das wirklich, dass wenn du stirbst, du im Himmel bist? Glaubst du das wirklich, dass dein Heil sicher ist in Christus? Oder lebst du in einer ständigen Angst, von Gott vielleicht doch noch abgelehnt zu werden? Lebst du in einer ständigen Angst, vielleicht es doch nicht zu schaffen, in den Himmel zu kommen? Lebst du in einer ständigen Angst, dass Gott, nachdem er dich gerettet hat, dich einfach wieder verwerfen wird? Lebst du in dieser Angst?
Viele Menschen leben in dieser Angst. Und weißt du, was Gott möchte? Dass du Sicherheit hast. In 1. Johannes 5, Vers 13 sagt Johannes: „Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt, die ihr an den Namen des Sohnes glaubt.“
Wie kann es aber dennoch dazu kommen, dass gläubige Menschen Zweifel an ihrem Heil haben? Das kann mehrere Gründe haben. Ich kann hier nicht in einer Predigt alle aufführen, aber ich glaube, einer der häufigsten Gründe ist Leistungsdenken.
Leistungsdenken: Wenn es heißt, keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind, dann betrachten Menschen das so als temporären Zustand, der von meiner Leistung abhängig ist. Dieses In-Christus-Sein, so nach dem Motto: Ja, gestern hatte ich einen guten Tag, gestern habe ich in der Bibel gelesen, gestern hatte ich Zeit mit Gott, gestern war ich in Christus. Aber der Tag heute war nicht gut, ich habe nicht in der Bibel gelesen, ich habe gesündigt, ich habe über meinen Arbeitskollegen gelästert, ich war abends nicht in der Gebetsstunde. Heute war ich nicht in Christus.
Wäre Jesus gestern wiedergekommen, wäre ich dabei gewesen. Wäre er heute wiedergekommen, wäre ich heute gestorben, wäre ich nicht dabei gewesen.
Ihr Lieben, das ist ein falsches Verständnis von In-Christus-Sein. In Christus sein ist nicht ein temporärer Zustand, mal ja, mal nein, der von meiner Leistung abhängig ist. Es geht darum, was er getan hat, nicht was wir tun.
Unser Heil liegt nicht darin begründet, was wir tun oder was wir lassen. Unser Heil liegt darin begründet, was er getan hat – das ist der Punkt. Das bedeutet nicht, dass wir uns ausruhen und einfach darauf loszündigen. Das hatten wir in Kapitel 6: Die Gnade ist kein Freibrief für die Sünde.
Aber Gott möchte dir heute Sicherheit geben, und das ist mein Hauptziel mit dieser Predigt, dass du ermutigt wirst als Christ, dass du sagst: Das sind wunderbare Wahrheiten, die gelten für mich, die nehme ich an, es gibt keine Verdammnis auch für mich, ich nehme das jetzt an und klammere mich daran.
Natürlich will Satan uns immer wieder Zweifel einreden. Nicht umsonst sagt Paulus in Epheser 6: „Zieht an den Helm des Heils.“ Ja, warum denn den Helm des Heils? Weil Satan auf unser Heil schießt, weil er uns Unsicherheit streuen will. Deswegen sagt Paulus: Zieh an den Helm des Heils.
Wie machen wir das? Indem wir Römer 8, Vers 1 glauben. Wir haben das Heil, und es ist sicher. Es ist sicher, weil Christus es alles vollbracht hat.
Deswegen lautet mein Punkt: Keine Verdammnis durch Gottes Tat. Das ist der erste Teil der Lösung für ein siegreiches Leben. Gott befreit uns von der Macht der Sünde, von der Strafe der Sünde, und deswegen lautet das Ergebnis: Keine Verdammnis durch Gottes Tat.
Zweite Lösung: Innere Befähigung durch Gottes Geist
Was ist der zweite Teil der Lösung? Mein zweiter Punkt lautet: Innere Befähigung durch Gottes Geist.
In den Versen 5 bis 13 haben wir eine ständige Gegenüberstellung von Fleisch und Geist. Fleisch und Geist. Der Geist ist der Heilige Geist, das Fleisch unsere sündige Natur, die noch an uns haftet. Ja, das ist das Fleisch. Paulus beginnt in Vers 5 mit einer Gesetzmäßigkeit. Dort heißt es: „Denn die, die nach dem Fleisch sind, sinnen auf das, was des Fleisches ist; die aber, die nach dem Geist sind, auf das, was des Geistes ist.“
Wichtig ist, dass wir verstehen: Dieses Sinnen, das hier im Text erwähnt wird, ist nicht nur ein Gedanke, sondern eine beständige Haltung. Es ist nicht so nach dem Motto: „Ach, jetzt habe ich fleischlich gedacht.“ Vielmehr wird hier eine Lebensausrichtung deutlich. Paulus sagt: Je nachdem, in welchem Zustand du dich befindest, bestimmt das deine Lebensausrichtung.
Die, die nach dem Fleisch sind, das sind hier Ungläubige. Das ist ganz klar, hier sind Ungläubige mitgemeint. Und die, die nach dem Geist sind, das sind Gläubige. Diese Gegenüberstellung macht Paulus, weil er in Vers 9 zu den Christen sagt: „Ihr seid nicht im Fleisch.“ Das heißt, hier geht es um zwei unterschiedliche Zustände: Die, die im Fleisch sind, also Ungläubige, und die, die im Geist sind, also Gläubige.
Dann führt er das weiter aus in den Versen 6 bis 8: „Denn die Gesinnung des Fleisches ist Tod, die Gesinnung des Geistes aber Leben und Frieden; weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft gegen Gott ist, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht untertan und kann es auch nicht. Die aber, die im Fleisch sind, können Gott nicht gefallen.“
Also hat diese gegenübergestellte Lebensausrichtung in Vers 5 unterschiedliche Konsequenzen. Das Leben eines Christen, der sich vom Geist leiten lässt, hat Folgen für ihn. Er lebt mit einem inneren Frieden, in der Gewissheit, von Gott angenommen zu sein und das ewige Leben zu haben. Aber das Leben eines Menschen, der im Fleisch ist, das heißt, der sich von seiner Sünde dominieren lässt und seinen sündigen Wünschen nachgeht, bringt ewige Trennung von Gott mit sich.
Und warum ist das so? Paulus sagt hier im Text: weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft gegenüber Gott ist. Das müssen wir uns mal auf der Zunge zergehen lassen. Das heißt: Menschen, die ihr Leben noch nicht Jesus übergeben haben, leben in Feindschaft gegenüber Gott. Du kannst Gott gegenüber nicht neutral sein, du kannst Jesus gegenüber nicht neutral sein. Entweder du bist von ihm angenommen und er ist dein Retter, oder du bist sein Feind. Nur diese beiden Kategorien kennt die Bibel, nur diese beiden.
Paulus sagt dann weiter in Vers 8: „Die aber, die im Fleisch sind, können Gott nicht gefallen.“ Menschen können sich noch so bemühen, irgendwie religiös zu sein, und viele Menschen in den Religionen wollen die jeweilige Gottheit irgendwie zufriedenstellen. Die Bibel sagt: Wenn du den Geist Gottes nicht in dir hast, kannst du tun, was du willst, du hast nicht die Fähigkeit, Gott zu gefallen.
Natürlich gibt es auch Nichtchristen, die viele gute Dinge tun, aber sie tun es nie, um Christus zu verherrlichen. Christus wird das nie als ein Wohlgeruch, als eine Dankbarkeit auffassen, selbst wenn die Dinge formal richtig und gut sind.
Dann kommt Paulus ab Vers 9 auf die Christen zu sprechen und sagt: „Ihr seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, das ist euer Zustand.“ Der Zustand eines Christen lautet: Er ist im Geist. Wenn wirklich Gottes Geist in euch wohnt, wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.
Paulus sagt: Ihr seid im Geist, weil der Geist Gottes in euch ist. Das ist der Zustand eines Christen. Es gibt keinen Christen, der den Geist Gottes nicht hat. Das ist ganz wichtig zu verstehen. Es gibt keinen geistlosen Christen. Jeder, der Christ ist, hat den Geist Gottes in sich. Warum? Weil der Geist Gottes bei unserer Bekehrung in unser Leben kommt.
Das sagt Epheser 1,13: „In ihm seid auch ihr, nachdem ihr das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils, gehört habt und gläubig geworden seid, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist der Verheißung.“ Der Heilige Geist ist voll da, da braucht es keine übernatürliche zweite Erfahrung. Mit der Bekehrung kommt der Heilige Geist ganz in dein Leben und beginnt, dein Leben zu verändern.
Die Voraussetzungen haben sich total verändert im Leben eines Christen. Er hat eine innere Befähigung bekommen, er hat den Geist Gottes in sich.
Dann sagt Paulus in Vers 10: „Ist aber Christus in euch, so ist der Leib zwar tot der Sünde wegen, der Geist aber Leben der Gerechtigkeit wegen.“ Das heißt, im Leben eines Christen gibt es jetzt zwei Wahrheiten. Natürlich lebt er noch im sterblichen Leib. Aufgrund der Sünde Adams ist sein Körper nach wie vor sterblich. Aber durch den Geist haben wir als Christen Leben in uns. Wir haben Anteil an Jesu Auferstehung, weil er uns für gerecht erklärt hat.
Das wird dann in Vers 11 weitergeführt: „Wenn aber der Geist dessen, der Jesus aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird der, der Christus aus den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen wegen seines in euch wohnenden Geistes.“
Gott hat Jesus von den Toten auferweckt, Gottes Geist ist in uns, also wird er auch uns aus den Toten auferwecken. Paulus sagt hier: Ihr habt eine lebendige Hoffnung, weil ihr Gottes Geist in euch habt. Das garantiert zugleich eure Auferstehung. Nicht der Tod hat das letzte Wort in eurem Leben, sondern die Gemeinschaft mit Gott.
Und das hat Auswirkungen. Jetzt wird es praktisch. Paulus sagt in den Versen 12 und 13: „So sind wir nun Brüder nicht dem Fleisch schuldig, um nach dem Fleisch zu leben.“ Mit anderen Worten: Ihr müsst nicht ständig in diese Sünde fallen. Ihr seid dem Fleisch nicht schuldig. Eigentlich kann die Sünde euch nichts mehr anhaben.
Leider lassen wir uns immer wieder von der Sünde betrügen und gehen ihr doch nach, aber eigentlich hat sie kein Anrecht auf uns. Ihr seid nicht schuldig, um nach dem Fleisch zu leben. Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben. Wenn ihr aber durch den Geist die Handlungen des Fleisches tötet, so werdet ihr leben.
Paulus sagt: Wir als Christen, wir sind nicht Gefangene der Sünde. Und schaut mal, das ist die Antwort auf Kapitel 7. In Kapitel 7 bist du echt frustriert, wenn du das liest. Auf der einen Seite frustriert, auf der anderen Seite ermutigt, weil Paulus diese Kämpfe auch kannte, die wir kennen.
Aber die Frage ist ja: Was ist die Lösung? Und die Lösung kommt hier in Kapitel 8. Paulus sagt: Ihr könnt gegen die Sünde ankämpfen, ihr könnt die Sünde besiegen, weil der Geist Gottes in euch ist. Die Voraussetzungen haben sich geändert. Ihr seid nicht mehr so wie vor der Bekehrung, dass ihr nicht anders konntet. Jetzt habt ihr eine innere Befähigung.
Damit fordert Paulus jetzt auf, das zu realisieren, was in Vers 2 gesagt wurde: „Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat dich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.“
Bis hierhin habe ich mich als Teenager eine Zeit lang dafür interessiert, auch Pilot zu werden – wie mein Vater. Ich habe mir von ihm ein Buch geben lassen, damals habe ich angefangen, Band eins der Privatflugzeugführer zu lesen. Als Teenager habe ich das Buch aufgeschlagen. Gleich ziemlich am Anfang wird das Gesetz der Aerodynamik erklärt.
Ich muss sagen, ich habe es nicht hundertprozentig verstanden. Das Technische liegt mir nicht ganz, deswegen bin ich wahrscheinlich auch kein Pilot geworden. Aber ich habe mich zumindest bemüht, mich da hineinzuversetzen. Mir ist klar geworden: Auf ein Flugzeug wirken immer mehrere Kräfte.
Zum einen ist da das Gesetz der Schwerkraft. Das kennen wir: Wenn ich jetzt das Buch hier fallen lasse, fällt es runter, weil es das Gesetz der Schwerkraft gibt. Die Erde zieht alles automatisch nach unten.
Da stellt sich uns die Frage: Wie kann ein Flugzeug fliegen? Hast du dir die Frage auch schon mal gestellt? Ich habe euch dazu ein Bild mitgebracht. Das ist eine Boeing 747. Wenn sie voll besetzt, voll beladen und voll getankt ist, wiegt dieses Flugzeug 440 Tonnen. Das ist ein Gewicht von über 100 Autos zusammengepackt.
Mir fällt es schon schwer zu glauben, dass mein Auto irgendwie fliegen könnte. Kann es auch nicht. Aber 100 Autos zusammengenommen – wie kann so etwas fliegen?
Schaut mal, es gibt eine ganz wichtige Wahrheit: Das Gesetz der Aerodynamik überwindet das Gesetz der Schwerkraft. Das heißt, wenn das Flugzeug genug Geschwindigkeit hat – es wird ausgerechnet, je nachdem, wie schwer das Flugzeug ist, bekommen die Piloten eine Info, wie schnell sie beim Start sein müssen – dann ist die Kraft des Auftriebs größer als die Schwerkraft. In dem Moment fängt das Flugzeug an zu fliegen.
Wie das aussieht, schauen wir uns jetzt mal kurz an.
Das ist Wahnsinn, oder? Wie so ein Koloss abhebt.
Aber schau mal, genau das ist eine wunderbare Illustration für die geistliche Wahrheit in unserem Leben. Das Gesetz der Sünde ist da wie das Gesetz der Schwerkraft und will uns immer wieder runterziehen. Aber es gibt ein anderes Gesetz, das wir haben: das Gesetz des Geistes. Wir haben eine innere Befähigung, und wir können durch den Geist – nicht alleine, nicht in unserer Kraft, aber durch den Geist – das Gesetz der Sünde besiegen. Wir können im Prinzip geistlich gesehen fliegen.
Und schau mal, das ist es, was ich dir mitgeben möchte: Das ist die wunderbare Nachricht des Verses. Vielleicht bist du niedergeschlagen, vielleicht liegst du am Boden, vielleicht hast du aufgehört zu kämpfen und sagst: Ich schaffe es nicht. Römer 7 ist so sehr die Realität in meinem Leben. Ich falle immer wieder, und du hast angefangen zu glauben, dass das Gesetz der Schwerkraft, das Gesetz der Sünde, das letzte Wort in deinem Leben hat.
Römer 7 könnte das im ersten Moment vermuten lassen. Aber dann kommt Römer 8, und Paulus sagt: Ihr – die Lösung für ein siegreiches Leben, das Gott für uns bereitet, ist der Geist. Und durch den Geist Gottes können wir das Gesetz der Sünde besiegen. Das ist möglich in unserem Leben.
Vielleicht stellst du dir jetzt die Frage: Wie kann das praktisch aussehen, wie kann das gehen, dass ich durch den Geist das Gesetz der Sünde besiege, durch den Geist die Handlungen des Körpers, die Handlungen des Fleisches, kreuzige, töte? Wie kann es sein, dass der Geist mir hilft, ganz praktisch gegen die Sünde zu siegen?
Es ist gar nicht so spektakulär, wie du vielleicht denkst. Die Lösung liegt darin, dass du auf den Geist hörst und nicht auf das Fleisch. Paulus bezeichnet das Wort Gottes als das Schwert des Geistes. Das heißt, wenn du dich vom Geist Gottes leiten möchtest, ist das eigentlich gleichzusetzen mit, dich vom Wort Gottes leiten zu lassen.
In dem Moment, wo die Versuchung anklopft und uns einreden möchte: Sünde ist ja immer attraktiv, sonst wäre es keine Versuchung. Sünde hat etwas Attraktives, sonst wäre es keine Versuchung. Und in dem Moment, in dem Satan uns einreden möchte, dass die Sünde attraktiver ist als das, was Gott für uns bereithält, da ist es wichtig, auf den Geist zu hören.
Wir müssen uns die Verheißungen vor Augen führen, dass Gott so viel mehr für uns bereithält als die Sünde, dass die Sünde eigentlich nur ein Köder ist, der gut aussieht, aber einen Haken hat und uns kaputtmachen will. Und Gott meint es wirklich gut mit unserem Leben.
Schreib dir vielleicht mal einzelne Bibelverse mit Verheißungen auf. Wenn die Versuchung anklopft, höre auf den Geist, höre auf das Wort, mach dir bewusst, was Gott durch seinen Geist sagt, und höre auf den Geist. Höre nicht darauf, wenn du manchmal den Eindruck hast, du kannst nicht anders als zu sündigen.
Ich habe mal mit einer Person gesprochen, die eine gewisse Sucht in ihrem Leben hatte. Ich sagte: „Du kannst, du musst das nicht tun. Es ist deine Entscheidung, immer wieder dieser Sünde nachzugehen.“ Sie sagte: „Das fühlt sich aber nicht so an.“ Ich sagte: „Ich weiß, kenne ich von mir. Manchmal fühlt sich das nicht so an. Manchmal haben wir den Eindruck, jetzt können wir nicht anders.“ Doch, wir können immer anders, und das sagt uns der Geist in seinem Wirken.
Gott wird alles dafür tun, um uns zu helfen, wenn wir vor der Sünde fliehen.
Das möchte ich dir mitgeben: Du hast eine innere Befähigung. Nimm das mit, wenn du in die nächste Woche gehst. Du musst nicht sündigen. Du hast den Geist Gottes in dir, und das Gesetz der Aerodynamik, das Gesetz des Geistes, besiegt das Gesetz der Sünde, das Gesetz der Schwerkraft.
Dritte Lösung: Völlige Annahme als Gotteskind
Es gibt eine dritte wunderbare Wahrheit in unserem Text, und das ist eine wunderschöne, völlige Annahme als Gotteskind. Völlige Annahme als Gotteskind – so heißt es in Vers 14: „Denn so viele, durch den Geist Gottes geleitet werden, die sind Söhne Gottes.“ Anstatt „Söhne“ kann man hier auch „Kinder“ sagen. Alle Frauen sind hier mit eingeschlossen. Luther übersetzt ebenfalls mit „Kinder“, und die Begriffe Sohn und Kind werden in diesen Versen austauschbar verwendet.
Wichtig ist, diese Aussage im Kontext zu sehen. Paulus sagt: Wir als Gläubige haben den Geist. Vom Geist Gottes geleitet zu werden, ist nicht unbedingt etwas ganz Spektakuläres. Der Geist Gottes leitet uns, wenn er in uns ist. Paulus will den Schwerpunkt jetzt eher darauf setzen, dass diejenigen, die den Geist haben, also von dem Geist geleitet werden, Kinder Gottes sind. Dieses Thema taucht nun zum ersten Mal im Römerbrief auf. Paulus erwähnt hier zum ersten Mal in diesem wunderbaren, großartigen Brief, dass wir Kinder Gottes sind. Was für eine wunderbare Wahrheit!
Dieses Thema entfaltet er in den Versen 15 bis 17 weiter. Dort heißt es zunächst in Vers 15 und 16: „Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wieder zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, indem wir rufen: ‚Abba, Vater!‘ Der Geist selbst bezeugt zusammen mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.“
Paulus sagt, der Heilige Geist knechtet euch nicht. Das macht nicht der Heilige Geist. Der Heilige Geist führt nicht zu Zwängen und Zwangshandlungen. Das ist nicht seine Handlungsweise. Paulus erklärt, dass vor der Bekehrung Menschen häufig in Furcht lebten, in einer berechtigten Angst vor Verdammnis und Strafe. Aber das muss jetzt nicht mehr euer Leben dominieren. Gottes Lösung für ein siegreiches Leben ist nicht Furcht, sondern ein Geist der Sohnschaft. Ein Geist, der uns immer wieder innerlich bezeugt: Du bist ein Kind Gottes, du bist völlig angenommen durch Gott.
Er erinnert uns an ein vertrautes Verhältnis, das wir mit Gott haben können. Er legt uns sogar die Worte „Abba, Vater“ in den Mund. Das Wort „Abba“ kommt aus dem Aramäischen und wurde von kleinen Kindern für ihren Vater verwendet. Es ist ein Wort, das nicht formell ist. Jesus benutzt dieses Wort im Garten Gethsemane in seiner schwersten Stunde, als er seinen Vater anredet: „Abba, Vater, wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorübergehen.“ Es ist also ein vertrautes, kindliches Wort, kein formelles „Herr“ oder „Vater“ im Sinne von Höflichkeitsanrede.
Das, was der Geist Gottes in uns wirkt, ist ein vertrautes Verhältnis zu Gott, dem Vater – eine kindliche Liebesbeziehung ohne Angst. Er führt uns dahin, Gott „Abba, Vater“ zu nennen. Irgendwie erinnert mich dieses „Abba, Vater“ an einen Film mit Mel Gibson, den ich in meiner Jugendzeit gesehen habe. Der Film heißt „Der Patriot“ und handelt vom Unabhängigkeitskrieg Amerikas gegen England. Mel Gibson spielt einen verwitweten Vater mit einer großen Familie, ich glaube sechs Kindern. Wer den Film gesehen hat, wird sich vielleicht in das kleine blonde Mädchen, die jüngste Tochter, verliebt haben.
Doch dieses Mädchen hat ihn im Film nie „Vater“ genannt, obwohl sie seine Tochter war. Er hat sich immer wieder bemüht, doch sie hat es nicht gesagt. Sie konnte sprechen, aber nannte ihn nicht „Vater“. Gegen Mitte oder Ende des Films entscheidet sich der Vater, in den Krieg zu ziehen. Er nimmt Abschied von seinen Kindern, auch von der jüngsten Tochter, und fragt sie: „Kannst du nicht einmal ‚Papa‘ sagen, nur einmal für mich?“ Sie antwortet nicht, und er nimmt Abschied auf seinem Pferd. Dann kommt eine sehr emotionale Szene, in der es schließlich ausbricht – sie kann es nicht länger zurückhalten und sagt doch „Papa“.
An diese Szene muss ich denken, wenn ich an dieses „Abba, Vater“ denke. Irgendwann bricht es einfach heraus. Und genau das möchte der Heilige Geist in dir bewirken in Bezug auf Gott: Dass du Gott nicht als den entfernten Richter ansiehst, sondern als deinen Vater, dass du eine Liebesbeziehung zu ihm hast. Das möchte Gottes Geist dir immer wieder vor Augen führen.
Wie wunderbar, dass wir den Geist Gottes so sehr brauchen, damit er uns das immer wieder vor Augen führt! Paulus benutzt hier den Begriff „Geist der Sohnschaft“. Dieses Wort kann man auch mit „Adoption“ übersetzen. Wir wurden von Gott adoptiert. Das heißt, wir waren nicht immer seine Kinder. Nicht jeder Mensch ist automatisch Kind Gottes. Johannes 1,12 sagt: „Diejenigen, die ihn aufnahmen, denen gab er das Recht, Gottes Kinder zu sein.“
Was dieses Wort meint, ist, dass Gott uns im vollen Sinne in seine Familie aufgenommen hat – mit allen Rechten. Darauf zieht Vers 17 ab: „Wenn aber Kinder, so auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir wirklich mitleiden, damit wir auch mitverherrlicht werden.“
Als Kind genießt man gewisse Privilegien. Als Teil der Familie ist man rechtlich immer Miterbe. Genau diesen Aspekt denkt Paulus hier zu Ende und sagt: Als Kind Gottes sind wir jetzt sogar Erben. Stell dir vor, ein reicher Millionär würde dich adoptieren – du wärst Erbe. Aber wie viel wunderbarer ist es, von Gott adoptiert worden zu sein! Wir erben jetzt alles als Kinder Gottes.
Wir sind Kinder im vollen Sinne dieses Wortes. Wir erben alles, was Gott uns zugesagt hat, vor allem das ewige Leben. Und auch wenn das Leben hier mit Leiden verbunden ist – Vers 17 ist schon eine Überleitung zur nächsten Predigt, in der es um Leiden geht – haben wir als Kinder Gottes ein wunderbares Erbe im Blick. Wir sind voll und ganz seine Kinder.
Ich habe euch eine kleine Gegenüberstellung mitgebracht, um das Verhältnis von Rechtfertigung und Adoption beziehungsweise Kindschaft zu illustrieren. Es sind zwei unterschiedliche Aspekte unserer Errettung, beide sind voll wahr und sehr wichtig.
Bei der Rechtfertigung wird der forensische Aspekt betont, bei der Adoption – oder Kindschaft – der familiäre Aspekt. Die Rechtfertigung basiert auf dem Gesetz, die Adoption basiert auf Liebe. Bei der Rechtfertigung ist Gott vor allem Richter, bei der Adoption ist er Vater. Bei der Rechtfertigung erklärt Gott den bußfertigen Gläubigen für gerecht, bei der Adoption nimmt Gott den Gläubigen in seine Familie und Gemeinschaft auf.
J. I. Packer, ein bekannter Theologe, schreibt dazu: Von Gott, dem Richter, für gerecht erklärt zu werden, ist eine großartige Sache. Aber von Gott, dem Vater, geliebt und umsorgt zu werden, ist etwas viel Großartigeres.
Meine Frau und ich waren ein Jahr lang in Texas für mein Theologiestudium. Dort haben wir viele vorbildliche Christen kennengelernt, auch unsere Dozenten und Lehrer an der Bibelschule, wo ich studiert habe. Besonders beeindruckt hat mich ein Mann, Dr. Owens, vor allem in der Weise, wie er über seine Frau und seine Kinder sprach.
Seine Frau unterrichtete ebenfalls und bot Kurse für Frauen an, an denen auch meine Frau teilnahm. Irgendwann waren wir als Familie bei den Owens zu Hause eingeladen. Es war für uns etwas ganz Besonderes, bei diesen Menschen zu Gast zu sein, die wir nicht verehren, aber als Vorbilder hochschätzen. Es gibt keine Bilderbuchehe, keine perfekte Familie, aber wenn es sie gäbe, wäre es Familie Owens.
Wir haben bei ihnen gegessen und Gemeinschaft gehabt. Was mich am meisten beeindruckt hat, war, wie liebevoll Dr. Owens mit seiner adoptierten Tochter umging – einem kleinen asiatischen Mädchen. Wenn man sich in ihr Einzelschicksal hineinversetzt, wird klar, was für ein anderes Leben sie hätte haben können, wenn sie nicht adoptiert worden wäre. Ich weiß nicht, wie sie in Asien aufgewachsen wäre, ob sie in einem Heim gelandet oder in Zwangsprostitution geraten wäre.
Wenn man sich das vor Augen führt, bewegt das bis heute. Sie trägt den Namen Owens, ihre Geburtsurkunde wurde geändert. Sie ist angenommen, geliebt und umsorgt von Eltern, die sie im vollen Sinne des Wortes adoptiert haben.
Aber wisst ihr, was noch eine viel wunderbarere Wahrheit ist? Gott hat dich angenommen. Gott hat dich in seine Familie im vollen Sinne des Wortes aufgenommen – mit allen Rechten. Wir haben zu Gott eine Vater-Kind-Beziehung. Das ist so wunderbar, oft haben wir das gar nicht richtig vor Augen.
Ich möchte noch einmal J. I. Packer zu Wort kommen lassen. Er sagt: Wollen wir feststellen, wie sehr jemand mit dem Christentum vertraut ist, dann sollten wir herausfinden, wie viel ihm der Gedanke bedeutet, ein Kind Gottes zu sein und Gott zum Vater zu haben. Wenn dieser Gedanke nicht seine Gottesbeziehung, sein Beten und seine ganze Lebenseinstellung motiviert und beeinflusst, beweist das nur, dass er das Christsein noch nicht richtig verstanden hat.
Was Packer sagt, ist: Wenn du das Christsein auf eine Wahrheit herunterbrechen möchtest, dann lautet diese Wahrheit: angenommen als Gottes Kind. Wie sehr ist dir diese Wahrheit bewusst? Was macht es mit dir, wenn du dir das vor Augen führst – ich habe einen Vater im Himmel!
Vielleicht hast du einen sehr guten leiblichen Vater. Gott ist so viel vollkommener als jeder leibliche Vater. Vielleicht hast du keinen guten leiblichen Vater. Gott ist ganz anders als dein leiblicher Vater. Vielleicht sitzen einige hier, die ohne Vater aufgewachsen sind. Jetzt hast du einen: einen himmlischen Vater. Und das ist eine so wunderbare Wahrheit, die wir uns immer wieder vor Augen führen müssen.
Wisst ihr, was eine Amnesie ist? Eine Amnesie bezeichnet eine völlige oder teilweise Unfähigkeit, sich an Ereignisse zu erinnern. Ich habe den Eindruck, wir als Christen leiden manchmal an einer Identitätsamnesie. Wir vergessen, wer wir in Christus sind. Wir vergessen so oft, oder halten es für selbstverständlich, dass wir Kinder des allerhöchsten Gottes sind – des einzig wahren Gottes –, dass wir angenommen sind, geliebt werden, dass er uns beschützt, versorgt und bei uns ist.
Der Heilige Geist erzeugt uns immer wieder das Bewusstsein, dass wir Gottes Kinder sind.
Abschluss und Ermutigung
Ich komme zum Abschluss. Vielleicht hattest du in letzter Zeit viele Zweifel und viele Fragen. Vielleicht warst du als Christ häufig entmutigt.
Ich hoffe, dass dich die heutige Predigt und diese wunderbaren Wahrheiten neu ermutigt haben. Gott hat eine Lösung für ein siegreiches Leben für dich bereit. Du musst sie nur persönlich annehmen.
Die Lösung lautet: Keine Verdammnis durch Gottes Tat, innere Befähigung durch Gottes Geist und völlige Annahme als Gottes Kind.
Ich möchte dir als Christ zusprechen – ich predige heute für Christen: Du bist befreit von der Strafe der Sünde, du bist befähigt zum Gehorsam, du bist angenommen als Kind Gottes.
Nimm das mit, geh damit nach Hause und geh damit in die nächste Woche. Amen.