Einführung in das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht
Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist. Episode 421 vom vergeben Teil drei.
Ich möchte abschließend noch ein paar Gedanken zu dem Gleichnis bringen, das wir in den letzten beiden Episoden betrachtet haben. Das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht will vor allem Gottes Umgang mit denen zeigen, die selbst Vergebung erfahren haben, aber nicht bereit sind, Vergebung zu gewähren. Das ist der zentrale Vergleichspunkt.
Matthäus 18,35: So wird auch mein himmlischer Vater euch tun, wenn ihr nicht ein jeder seinem Bruder von Herzen vergebt.
Dieser Vergleichspunkt dürfte den meisten Christen schwer im Magen liegen. Das liegt daran, dass wir den Begriff Gnade häufig auf eine eher triviale Weise verstehen. Gnade heißt dann: „Gott beschenkt mich.“
Jetzt kommt Jesus und zeigt dem Petrus, dass dieses Verständnis falsch ist. Gnade ist viel mehr als nur ein Geschenk. Gnade ist eine Macht, die in mein Leben tritt, um mich zu verändern.
Die transformative Kraft der Gnade
Deshalb kann Paulus schreiben, dass Gnade dort herrscht, wo vorher die Sünde geherrscht hat. Er sagt auch, dass Gnade die Gläubigen erzieht (Titus 2,11-12).
Denn die Gnade Gottes ist erschienen und bringt Heil für alle Menschen. Sie unterweist uns, damit wir die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnen. Außerdem sollen wir besonnen, gerecht und gottesfürchtig leben in der jetzigen Zeit.
Gnade ist eine Lehrerin, eine Königin. Wenn ich mich auf sie einlasse, sage ich Ja zu ihrem Programm für mich. Und was sie will, ist ganz einfach: Sie will mich verändern. Ich soll denselben Charakter entwickeln, den Gott hat.
Gottes Charakter als Vorbild für Gnade und Barmherzigkeit
Und wie ist Gott? Hören wir kurz auf einen frustrierten Propheten. In Jona 4,2 betet er zum Herrn und sagt: „Ach Herr, war das nicht meine Rede, als ich noch in meinem Land war? Deshalb floh ich schnell nach Tarsis, denn ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langsam zum Zorn, groß an Güte und einer, der sich das Unheil gereuen lässt.“
Gott ist ein gnädiger und barmherziger Gott. Wer sich von ihm beschenken lässt, sagt persönlich Ja zu einem Lebensstil, der von Gnade und Barmherzigkeit geprägt ist.
Bei Gott gibt es keine folgenlose Vergebung von Sünde.
Vergebung als Auftrag zur Nachfolge und Nachahmung
Wenn Gott uns unsere Schulden vergibt, macht er uns zu Botschaftern des Lichts. Dann werden wir zum Salz der Erde, indem wir beginnen, in der Kraft Gottes seinen Charakter zu imitieren.
Ein gnädiger und barmherziger Gott vergibt mit dem Ziel, dass alle, denen er vergibt, ein Vorbild in Gnade und Barmherzigkeit werden. Wer dazu nicht bereit ist, weil es ihm nur um die Vergebung geht, aber nicht um die Christusebenbildlichkeit, wer nur die Gaben, aber nicht den Geber will, dem nimmt Gott die Vergebung wieder weg. Dieser bekommt seine Sünden und Schulden zurück.
Darf Gott das? Natürlich! Wir sollten keinesfalls denken, dass wir zu unseren eigenen Konditionen ins Reich der Himmel kommen.
Die Bedeutung von Glaube und Lebensstil im Umgang mit Vergebung
Es geht in diesem Gleichnis nicht um den Glauben, sondern darum, die Gnade Gottes und das Thema Vergebung hervorzuheben. Dennoch ist leicht zu erkennen, wie der Glaube hier ins Bild passt.
Wer sich als Christ mit Vergebung schwer tut, verleugnet durch diesen Mangel an Barmherzigkeit seinen Gott. Mein Lebensstil zeigt entweder meinen Gott auf – man kann also an meinen Taten erkennen, wer mein Gott ist – oder meine Handlungen verleugnen Gott. Das bedeutet, ich lebe auf eine Weise, die nicht zu meinem Gott passt. Durch mein Verhalten widerlege ich die Behauptung, an Gott gläubig zu sein.
Solche Menschen, die zwar irgendwie gläubig sind, sich vielleicht auch bekehrt haben und davon ausgehen, dass ihre Sünden vergeben sind, in deren Leben aber kein Wunsch nach Heiligung zu finden ist, haben nicht verstanden, welche Verantwortung aus Vergebung erwächst. Praktisch spiegeln sie mit ihrer Lebensweise nicht Gott wider, sondern ihren Egoismus – so wie der Knecht im Gleichnis, dem es nur um sich selbst geht.
Wer so lebt, darf sich nicht wundern, dass Gott zornig auf ihn wird und ihm seine Schuld zurückgibt. Darf Gott das? Ja, natürlich. Ist das unfair? Nur dann, wenn ich denke, dass Vergebung bedingungslos ist – aber das ist sie nicht.
Gottes universelles Angebot und die Grenzen der Errettung
Gottes Angebot der Vergebung ist universal, doch Errettung ist nicht bedingungslos. Gott liebt alle Menschen und möchte, dass alle gerettet werden. Er starb als Sühnung für die Schuld aller Menschen. Die Verheißung aus Joel gilt weltweit: Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden.
Gottes Angebot der Errettung richtet sich an alle Menschen, auch wenn er in seiner Vorkenntnis weiß, wer sich bekehrt. Dennoch bleibt er unparteiisch im Angebot der Vergebung.
Es ist jedoch Vorsicht geboten, wenn wir glauben, dass bedingungslose Liebe automatisch eine bedingungslose Vergebung bedeutet. Das ist nicht der Fall. Dieses Prinzip wird besonders deutlich im Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht.
Vergebung gegenüber Ungläubigen und Feinden
Letzte Frage: Wenn das Gleichnis sich auf den Umgang von Geschwistern in der Gemeinde bezieht, gilt das Prinzip der Vergebung auch für Ungläubige? Soll ich auch meinen Feinden einfach so vergeben? Ich würde sagen: Ja.
Das, was sich in Bezug auf Sünde bei ungläubigen Menschen unterscheidet, ist nicht der Aspekt der Vergebung, sondern der der Korrektur. Ich muss nicht unbedingt hingehen und sie von ihrer Sünde überführen. Trotzdem muss ich ihnen vergeben.
Warum denke ich das? Ich denke das, weil sich der Charakter Gottes nicht verändert, nur weil ich es mit ungläubigen Menschen zu tun habe. Wenn meine geistlichen Geschwister Vergebung brauchen, wie viel mehr braucht dann mein ungläubiger Nachbar Vergebung?
Ich denke dabei immer an den Auftrag, den Jesus mir im Blick auf meine Feinde gibt. Wir kennen die Stelle schon aus Episode 212: „Aber euch, die ihr hört, sage ich: Liebt eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen, segnet die, die euch fluchen, betet für die, die euch beleidigen.“
Welchen größeren Segen kann ich meinem Feind zuteilwerden lassen, als dass ich ihm vergebe und Gott darum bitte, ihm seine Sünde nicht anzurechnen? Stephanus tut genau das, als er stirbt.
Die Praxis der Vergebung im Alltag
Herzigkeit ist für mich keine Frage des Glaubens. Ich möchte mit allen Menschen so umgehen, wie Gott es mir aufträgt. Das klingt im Gleichnis so:
Matthäus 18,33: „Solltest nicht auch du dich deines Mitknechtes erbarmt haben, wie auch ich mich deiner erbarmt habe?“
Ich kann jeden verstehen, der jetzt denkt: „Aber ich kann doch nicht einfach allen Menschen ihr böses Tun vergeben.“ Dazu kann ich abschließend nur zwei Dinge sagen.
Erstens: Doch, das kann ich. Einfach deshalb, weil Vergebung eine Entscheidung ist, die ich treffe. Und wenn es sein muss, treffe ich diese Entscheidung jeden Tag neu. Manchmal braucht Vergebung nämlich Zeit.
Zweitens: Vergebung kann, muss aber nicht zur Versöhnung führen. Ob ich einen bösen Menschen in mein Leben oder das Leben meiner Familie hineinlasse, ist völlig unabhängig vom Thema Vergebung.
Wer für mich oder meine Familie eine Gefahr darstellt, bleibt draußen. Niemand hat ein Recht auf Gemeinschaft mit mir, wenn er meine Vergebung nur ausnutzen will.
Jemand, der dieses Prinzip deutlich zu spüren bekommt, ist der unbarmherzige Knecht.
Abschlussgedanken und Segenswünsche
Was könntest du jetzt tun? Denke noch einmal über den Unterschied zwischen Vergebung und der Wiederherstellung einer Beziehung nach.
Das war es für heute. Ich habe eine Predigt über bedingungslose Vergebung gehalten. Der Link dazu befindet sich im Skript.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.