Du, Herr, weißt, was jeder von uns braucht, und gibst es uns jetzt. Danke dafür. Amen.
Einführung in das Thema Sabbat und Sonntag
Wir sind dabei, nach dem biblischen Text aus dem zweiten Buch Mose, Kapitel 20, die zehn Gebote zu besprechen. Heute geht es um das vierte Gebot. Ich lese den ganzen Text:
„Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun, aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darin ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn.“
Ich vermute, dass Sie als Unterhaltungslektüre nicht das Grundgesetz oder die nordrhein-westfälische Verfassung lesen. Deshalb kann wohl nicht vorausgesetzt werden, dass bekannt ist, was diese beiden Dokumente über den Sonntag schreiben.
Im Grundgesetz steht ein Satz, der aus der Weimarer Verfassung übernommen ist. Er lautet: „Der Sonntag, die Sonntage und staatlich anerkannte Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung geschützt.“
In Nordrhein-Westfalen geht es dann noch ein bisschen frommer zu. In der Verfassung von Nordrhein-Westfalen heißt es in Artikel 25: „Werden alle Sonntage und Feiertage als Tage der Gottesverehrung, der seelischen Erhebung, der körperlichen Erholung und der Arbeitsruhe anerkannt und gesetzlich geschützt.“
Ich weiß jetzt nicht, wie Sie das, was wir hier gerade machen, einordnen – ob eher unter körperliche Erholung oder unter seelische Erhebung. Vielleicht sagen Sie aber, wenn man morgens schon um halb neun irgendwo in Gottesdienst sitzen muss, dann kann das auf keinen Fall unter körperliche Erholung fallen.
Hoffentlich wenigstens unter seelische Erhebung – was auch immer das wohl sein mag.
Die weltliche und historische Dimension des Sonntags
Ja, mit dem Sonntag ist das eigentlich eine weltweite schwierige Angelegenheit. Je näher man sich anschaut, was da eigentlich los ist, desto verworrener und komplizierter wird es.
In Israel, so haben wir in dem Gebot gerade gelesen, war der siebte Tag nach der Schöpfungsordnung mit einer ganz strikten Regelung der Ruhe und Heiligung belegt. Die Christen im ersten, zweiten und auch im dritten Jahrhundert im Römischen Reich konnten daran gar nicht denken. Die Römer pfiffen darauf, denn die Christen kamen zum großen Teil auch aus dem Bereich der Sklaven. Die sagten: So fromm kann einer alleine gar nicht sein, dass er an irgendeinem Tag nicht arbeiten müsste.
Also mussten die Christen damals sieben Tage durchgehend malochen. Es gab keine Diskussion über Sabbatruhe oder Sonntagsruhe. Von Anfang an hielten sie den Sonntag als den ersten Tag der Woche und trafen sich zum Gottesdienst. Wenn die Schicht um sechs Uhr begann, war der Gottesdienst eben um halb fünf morgens. Sonntagsruhe oder Regelungen für Arbeitgeber gab es nicht. Die Lords wollten ihren Six O’Clock Tea, die Ladies ihren Early Morning Tea ans Bett bekommen, und die Diener mussten dafür antreten – koste es, was es wolle.
Erst im Jahr 321 nach Christi Geburt führte Kaiser Konstantin, der Christ geworden war, den Sonntag als gesetzlichen Ruhetag ein – also erst 300 Jahre nach Christus.
Der Sonntag als Auferstehungstag war in der Urgemeinde ein wichtiger Tag. Im Neuen Testament finden wir Hinweise darauf, und bei Paulus wird er erwähnt als „Tag des Herrn“. Man nannte ihn nicht Sonntag, denn es ging ihnen weniger um die Sonne als um die Auferstehung.
Bei den Italienern und Franzosen heißt der Sonntag bis heute Dominica beziehungsweise Dimanche. Das kommt von „Dies Dominicus“, dem Tag des Herrn, und nicht vom Wort Sonne, wie bei Sonntag oder Sunday.
Die französische Revolution wollte den Sonntag gerne abschaffen, um jede Erinnerung daran auszulöschen. Sie führten stattdessen die Dekade ein: Alle zehn Tage sollte es einen Ruhetag geben. Das hielt sich aber nicht lange. Ob die Christlichkeit dagegen war, weiß ich nicht – wahrscheinlich war es eher Faulheit.
Die sowjetische Revolution war da menschenfreundlicher und wollte eine gleitende Fünf-Tage-Woche einführen, also alle fünf Tage einen Ruhetag. Auch das bewährte sich nicht, und man kehrte wieder zur Sieben-Tage-Woche zurück.
Heute ist der Sonntag in unserer Gesellschaft weitgehend belanglos geworden. Die Gesellschaft nicht, aber der Sonntag wurde völlig ersetzt durch das Wochenende. Kaum jemand redet noch vom Sonntag, sondern vom Wochenende.
Das ist das Paket von Freitagnachmittags, wenn man auf die Autobahn fährt und sich in den Stau stellt, oder von Freitagnachmittags vier Uhr bis Montagmorgen, wenn die Schicht beginnt. Es ist Wochenende.
Ob das nun wirklich eine seelische Erhebung ist, ist fraglich. Es gibt Zweifel, ob es überhaupt körperliche Erholung bringt, was da so passiert. Manche müssen am Wochenende so schwer schuften, dass das, was am Montagmorgen passiert, keine seelische Erhebung mehr ist.
Zum Wochenende gehören auch die Montagsgespräche und die Montagsproduktion, und wer davon profitiert, hat auch keine seelische Erhebung.
Es ist also ein ganz kompliziertes Durcheinander mit dem Sonntag. Da möchte man eigentlich energisch dazwischenrufen: Nun ist aber Sabbat!
Die Redensart verwenden wir aber nicht im wörtlichen Sinne, dass wir für die Einhaltung des Sabbats eintreten wollen. Trotzdem nehme ich es als Titel für all das, was wir da so durcheinander praktizieren und meinen unter dem Stichwort „Nun ist aber Sabbat“.
Hören wir uns an, was Gott uns zu seiner Wegweisung, dem vierten Gebot, sagt.
Persönliche Anmerkungen und Herausforderungen bei der Predigt
Erstens habe ich jetzt auch ein gewisses Gewissenswissen und Schwierigkeiten, ob das, was ich im Folgenden erkläre, in irgendeiner Weise zu ihrer Erholung und Erhebung beiträgt. Ich habe mich in dieser Woche zwei Tage lang, genauer gesagt zweieinhalb Tage, damit beschäftigt. Es ist ein bisschen schwierig, und mir sind heute nur sehr wenige Beispiele und Geschichten eingefallen. Außerdem habe ich wenig zum Lachen zu bieten.
Deshalb weiß ich nicht, ob vielleicht der eine oder andere ab der Mitte des zweiten Teils beschließt, die Sonntagserholung in Form des Kirchenschlafs zu praktizieren. Aber spätestens nach dem Lied nach dem zweiten Teil werden wir wieder wach sein.
Jetzt versuche ich zu erklären, wie das mit Sabbat und Sonntag ist. Zuerst, was der Sabbat für Israel bedeutet, was der Sabbat für das Volk Israel bedeutet. Ich sehe drei wichtige Gründe, weshalb Gott den Sabbat für Israel in einer so strikten Regelung eingeführt hat. Drei Gründe.
Die Bedeutung des Sabbats für Israel: Erinnerung und Hoffnung
Das Erste, was man hier in diesem Gebot sieht, ist dessen besondere Bedeutung im Zusammenhang. Der siebte Tag hat ein besonderes Gewicht, weil er in der prophetischen, rückwärtsgewandten Rede von der Schöpfung als der siebte Schöpfungstag bezeichnet wird. Er ist der Tag der Vollendung des Werkes Gottes, an dem es heißt, dass Gott ruhte.
Diese Aussage ist eine ungewöhnliche Ausdrucksweise. Es klingt fast so, als hätte sich Gott müde gearbeitet und müsse nun verschnaufen. Doch diese Ruhe Gottes ist eine menschliche Art, den Sieg, das vollendete Werk Gottes sowie die Harmonie und Majestät seines Schöpfungswerks zu beschreiben.
Gott gibt nun, nachdem die Menschen dieses Schöpfungswerk bereits zerstört haben – es ist eine gefallene, zerrissene Schöpfung, geprägt vom rebellischen, gegen Gott gerichteten Menschen –, seinem Volk Israel eine besondere Anordnung. Mit diesem Volk beginnt er, etwas neu aufzubauen und zu reparieren.
Der Sabbat ist diese besondere Anordnung. Er soll mitten in einer kaputten Welt ein doppeltes Signal setzen: Zum einen ist er ein Stück Erinnerung an das Paradies, an die heile, sehr gute Schöpfung Gottes. Zum anderen ist er ein Hoffnungssignal. „Da will ich wieder hin mit dieser Welt“, so lautet die Botschaft.
Gott beginnt zu wirken, damit diese Welt wieder zum Aufatmen wird und nicht zum Verzweifeln. Das ist der Sinn der Einrichtung des Sabbats. Gott weiß, dass er mit Worten allein bei uns wenig erreichen kann. Deshalb schafft er eine Einrichtung, die alle sieben Tage für vierundzwanzig Stunden durch strikte Ruheregelung dem Menschen sozusagen einprägt: Diese kaputte Welt ist nicht alles. Gott hat sie anders gedacht. Er hat sie vollendet geschaffen und will sie wieder so herstellen.
Nun soll es einen Tag in jeder Woche geben, an dem die Menschen teilhaben an Gottes Feiern, an seinem Sieg und seiner Vollendung. Das war der erste Grund, warum Gott den Sabbat einrichtete. Er sollte eine Wohltat für Gottes Volk in einer Welt sein, in der Mühe, Schweiß, Last und Arbeit herrschen. Eine Wohltat.
Die Bedeutung des Sabbats für Israel: Widerstand gegen menschliches Tun
Der Sabbat war für Israel eine Einrichtung, um dem Widerstreben der Menschen entgegenzuwirken. Die Menschen haben sich im Laufe der Zeit nicht verändert. Das ist auch heute noch so. Wir arbeiten und arbeiten, schaffen ständig etwas, und selbst wenn wir nichts Vernünftiges tun, muss immer irgendetwas geschehen. Zur Ruhe zu finden fällt uns sehr schwer.
Der Grund dafür ist, dass wir den Sinn unseres Lebens durch das, was wir tun, ständig bestätigen müssen. Wir müssen uns immer wieder beweisen, dass wir jemand sind. Wenn wir einmal die Hände in den Schoß legen, überkommt uns sofort die Angst, wir könnten wertlos werden.
Gegen diesen Drang des Menschen, sich durch eigenes Tun wichtig und sinnvoll zu machen – „Ich schaffe etwas“ – setzt Gott einen Widerstand. Er sagt: Einen Tag in der Woche stoppe ich euch, um euch etwas zu demonstrieren und damit ihr lernt.
Diese Ruhe fiel den Israeliten nicht leicht. Deshalb kamen sie im Laufe ihrer Geschichte zu einer schwierigen Weichenstellung: Sie statteten den Sabbat mit strengen Ruheregeln aus. Diese Regeln waren wirklich zum Seufzen. Es war das Langweiligste vom Langweiligen. Man durfte überhaupt nichts mehr tun, 24 Stunden lang absolut still sitzen und nichts machen. Das war furchtbar, schlimmer als jede Arbeit. Wer kann das schon aushalten?
Aber genau das fällt uns eben schwer. Gott wollte ein Signal geben: Ihr sollt begreifen, dass ihr nicht davon lebt, selbst etwas zu schaffen. Ihr lebt von der geschenkten Barmherzigkeit Gottes, von seinen Gaben. Selbst die Fähigkeit zu arbeiten ist ein Geschenk Gottes. Und was daraus entsteht, ist ebenfalls ein Geschenk Gottes.
Alle sieben Tage wollte Gott, dass die Menschen verstehen: Ihr lebt nicht von dem, was ihr euch mühsam zusammenkrampft, sondern von dem, was ich euch schenke. Setzt in eurem Leben keine falschen Prioritäten!
Das ist der zweite Gesichtspunkt für dieses Geschenk Gottes an Israel, den Sabbat.
Die Bedeutung des Sabbats für Israel: Soziale Schutzfunktion
Und dann war das Dritte nicht unwesentlich. Das kommt hier sehr deutlich im Gebot zum Ausdruck: Der Sabbat ist eine soziale Schutzeinrichtung.
Deshalb heißt es hier ganz betont, dass nicht nur du keine Arbeit tun sollst, sondern auch dein Sohn und deine Tochter. Die Familie war damals im Wesentlichen ein Wirtschaftsbetrieb. Deshalb hatte man gerne viele Kinder, das heißt viele Arbeitskräfte. Das war immer ganz praktisch.
Wer wenig hatte, musste alles selber machen. Und diese Menschen mussten alle hart arbeiten. Da heißt es, wenn ihre Kinder arbeiten sollten – heute kann man das kaum übersetzen, außer dass Eltern wegen des Numerus Clausus ihre Kinder pausenlos dazu antreiben, den ganzen Sonntag Schularbeiten zu machen. Aber das ist höchstens die moderne Form dieser Treiberei.
Die Kinder nicht, die Angestellten nicht, nie der Chef macht ein Wochenende. Die Firma arbeitet inzwischen, damit es gut weitergeht und wird. Die Knechte und Mägde nicht, die Gastarbeiter nicht. Das gab es in Israel auch. Da sagten sie sich, die wollen ja ihr Moos machen und sind sowieso nur gekommen, um hier sieben Tage, 24 Stunden zu arbeiten.
Und die Gastarbeiter nicht, und das Vieh nicht – das steht ja auch noch im Gebot. Der Mensch und das Geschöpf sind keine Arbeitsmaschinen. Nur Arbeit war sein Leben – das ist ein heidnischer Satz und wird noch nicht einmal dem Vieh gerecht nach Gottes Willen.
Denn im Sabbatgebot heißt es heute noch: Nicht einmal ein Vieh soll arbeiten. Auch das Vieh soll am Sabbat Ruhe haben. Also: Nur Arbeit war sein Leben – das haben wir immer gesagt – ist ein schöner Spruch für ein Pferd, aber nach Gottes Schöpfung ist das noch nicht einmal für ein Pferd angemessen, geschweige denn für einen Menschen.
Nach Gottes Willen ist der Sabbat sozialer Schutz. Die, die es sich leisten können und ihre Zeit selbst einteilen, sorgen schon dafür, dass sie immer auch ihre Muße kriegen. Hier ist ein sozialer Schutz für die, die in abhängiger Arbeit stehen.
Der Sabbat ist ein wichtiges Signal, eine Erinnerung sozusagen ans Paradies und ein Hoffnungssignal. Da will Gott hin. Gott will eine neue harmonische Welt schaffen – und das inmitten einer zertrümmerten Welt, die von der Rebellion des Menschen gegen Gott gezeichnet ist.
Das ist das Erste, das ist der Sinn, das ist die Bedeutung des Sabbats für Israel.
Die Erfüllung des Sabbats durch Jesus Christus
Zweitens: Das Sabbatgebot ist durch Jesus erfüllt. Wir müssen uns jedoch die Frage stellen: Gilt das jetzt ganz direkt für uns? An dieser Stelle gibt es großen Streit, und zwar sehr extrem.
Es gibt Gruppen, wie zum Beispiel die Sieben-Tage-Adventisten, die sagen, dass Christen, die den Sabbat nicht mehr halten, verloren sind. Deshalb müsse man unbedingt den Sabbat halten. Andere hingegen behaupten, das sei egal, man könne machen, was man wolle.
Was ist nun richtig? Gilt das Sabbatgebot noch oder nicht?
Wir können uns im Neuen Testament Hilfestellung holen. Diese Frage war sehr akut, als in der Türkei und in Mazedonien Menschen Christen wurden, die keine Juden waren. Da stellte sich die Frage: Gilt das Sabbatgebot für uns, die wir bisher den Sabbat nicht gehalten haben, jetzt oder nicht?
Es gab Leute, die sagten, natürlich gilt das gesamte jüdische Gesetz, auch das Sabbatgebot – besonders in der damaligen Türkei, im Vorderen Asien. In einer Stadt gab es darüber hitzige Auseinandersetzungen. Daraufhin schrieb Paulus einen Brief nach Kolossä.
Dort steht ein interessanter Satz, den ich vorlese: "So lasst euch nun niemand von niemandem ein Gewissen machen über Speisen, was man essen und trinken darf, über bestimmte Feiertage oder Neumondtage oder Sabbate, ob man Sabbat halten muss oder nicht. Lasst euch kein Gewissen machen über Sabbate. Das alles ist nur der Schatten von dem, was zukünftig sein soll. Aber leibhaftig ist es in Christus."
Paulus sagt also: Das Sabbatgebot in Israel ist eine terminierte Verheißung Gottes. Die Einrichtung des Sabbats ist eine organisierte Verheißung, mit der Gott immer wieder wachhalten will – sozusagen in einer punktierten Linie, denn die Bündchen kommen alle sieben Tage wieder.
Gott will sagen: "Ich will euch die Ruhe schenken." Das heißt die neu geordnete, heile Welt, euer Leben neu zum Aufatmen bringen, neu entlasten von der Qual der Zerrissenheit, von Egoismus, Schufterei und Pein. Dorthin will Gott führen.
So sagt Paulus: Das vierte Gebot, das Sabbatgebot, ist ein Gebot, das in sich eine Verheißung trägt. Dass Israel es praktiziert, ist eine institutionalisierte Verheißung, ein Versprechen, ein Schatten.
Das Ganze, so Paulus, ist ein Schatten, der auf Jesus vorauswirft. In Jesus aber ist nicht nur der Schatten dieser Verheißung da, sondern leibhaftig die Realisierung.
In Jesus kommt Gott in diese Welt und schafft das Aufatmen. In der Schwerarbeit der Passion und des Sterbens bricht Gott durch zum Auferstehungstag. Dieser Gekreuzigte und Auferstandene lädt ein und sagt: "Kommt her zu mir, alle, die müde und ausgelaugt sind, ich will euch Ruhe geben."
Dieses Aufatmen, dieses Neuleben in der Gemeinschaft mit Gott – das ist die Erfüllung des Sabbatgebots.
So ist Jesus in Person leibhaftig das, was das Sabbatgebot und die Einrichtung dieses strikten Sabbats in Israel als Schatten vorauszeigt, als punktierte Linie vorbereitet und als Hinweis darstellt.
Noch in einer anderen Weise ist es das. Das kann man so übersetzen, was ich vorhin über Israel sagte: Nun will Gott noch einmal demonstrieren mit Jesus, dass nicht dadurch, dass wir arbeiten und schuften, wir unser Leben bauen.
Sondern nur da, wo man Stille hält, ruhig wird und untätige Hände zum Geschenk ausstreckt, kann einem geholfen werden. Jesus schafft unser Leben, und wir dürfen die Empfänger sein.
Auch dieser Sinn des Sabbats in Israel, dass alles von Gottes Geschenken lebt und nicht vom Tun des Menschen, dass man deshalb einen Tag ganz an seine Verfügung stellt, wird in Jesus eindrücklich erfüllt.
Ende aller krampfhaften Mühsal! Endlich begreifen wir: Nur wer sich beschenken lässt mit Vergebung, nur wer sich beschenken lässt mit der Fürsorge und der Gemeinschaft mit Jesus, nur der kann aufatmen.
Jesus sagt: "Kommt hier zu mir, alle, die im Mühseligen beladen sind, ich will euch Ruhe geben." Das ist es.
Jesus hat ja in der Bergpredigt gesagt: "Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzulösen, sondern zu erfüllen." Das ist hier beim Sabbatgebot passiert.
Er kommt nicht und sagt: "Quatsch, das gilt nicht mehr." Sondern er kommt, um es zu erfüllen, was dort im Sabbatgebot angekündigt ist.
Das schafft er in seiner Person, in seinem Leiden und Sterben für uns – die Sabbatruhe Gottes.
Daher kommt es, dass die ersten Christen dann zweierlei taten: Einerseits praktizierten sie die Freiheit, vom Sabbat auf den Sonntag umzusteigen, den Auferstehungstag.
Denn das, was am Sabbat angekündigt ist – die Ruhe Gottes –, ist mit der Auferstehung Jesu erfüllt, nach der Schufterei und der Schwerarbeit der Passion.
Deshalb feierten sie den Tag des Herrn als den Tag, an dem man sich in besonderer Weise Gott zuwandte und von ihm beschenken ließ – im Hören auf sein Wort, im Erfahren der Gemeinschaft, im gemeinsamen Loben und Beten, in der Feier des Mahles des Herrn.
Das war eine Freiheit.
Woher kam diese Freiheit? Woher hatten sie das Recht dazu? Sie waren erfüllt in Jesus. Sie standen nicht mehr unter dem strikten Gebot des siebten Tages und auch nicht mehr unter den strikten Regelungen der Ruhevorschriften, was man tun darf und was nicht.
Sie waren in der Freiheit der Erfüllung.
Aber das Sabbatgebot ist nicht abgetan, sondern jetzt geht es darum, dieses Gebot durch Jesus hindurch zu sehen.
Praktische Bedeutung des Sonntags heute
Und da kommen wir jetzt zum dritten Punkt. Was bedeutet das praktisch für unseren Sonntag? Was gilt an diesem Tag für uns?
Zunächst singen wir zwischendurch zum Aufatmen das Lied 108. Das ist ein Lied, das wir gut auf den Sonntag beziehen können. Die erste Strophe lautet:
„Heute wollen wir feiern, heute wollen wir danken, heute wollen wir singen und spielen dem Herrn.
Heute wollen wir feiern, heute wollen wir danken, heute wollen wir singen und spielen dem Öl.
Stimme unsere Härte, leite die Gedanken, lasse uns verstehen, was wir haben an dir.
Einer kennt unsere Träume, die wir träumen, einer trägt allein unsere Schuld, die wir versäumen,
einer zählt mit Blei unsere Tränen, die wir weinen und preisen wir.“
Was gilt für uns heute? Wir haben gefragt, was das Gebot bei Israel bedeutete. Zweitens haben wir gesehen, dass in Jesus das Sabbatgebot erfüllt ist. Es war eine Verheißung, die erfüllt wurde.
Drittens: Was bedeutet das für uns heute? Wir schauen dieses Gebot an und betrachten es immer durch Jesus hindurch. Jesus hält es in der Hand, erfüllt es und verändert seine Bedeutung für uns. Gleichzeitig macht er es in diesem Sinne gültig.
Was bleibt praktisch wichtig? Ganz klar: der Ruhetag als soziale Schutzeinrichtung, die Gott gegeben hat. Insofern ist Gott gewissermaßen ein Gewerkschaftsführer. Es geht ihm wesentlich darum, dass gerade diejenigen geschützt sind, die nicht selbst bestimmen können, wie ihre Arbeit eingeteilt und organisiert ist.
Von Gott her gibt es eine Verpflichtung zur angemessenen Ruhe. Ich kann das jetzt nicht in sehr komplizierten Zusammenhängen auslegen. Das ist vielleicht etwas unbefriedigend, aber ich möchte zumindest andeuten, dass ich meine, in unserer modernen Industriegesellschaft ist an dieser Stelle noch manches zu tun und zu überlegen.
Von Christen merkt man an dieser Stelle, dass der christliche Glaube unser Miteinanderleben nicht ausreichend geprägt hat. Es herrschen ganz andere Vorstellungen. Ob man wirklich ein Schichtsystem, in dem Ehen, Familien und wer weiß was noch alles leiden, damit rechtfertigen kann, dass Anlagen ausgenutzt werden müssen, ist fraglich.
Das ist vielleicht auch noch nicht das Letzte, was man von der Bibel her dazu sagen muss. Nun, das ist ganz kompliziert. Im Neuen Testament gibt es nicht mehr das strikte Verbot jeglicher Tätigkeit am Sonntag, wie es in der frühen Kirche üblich war. Die ersten Christen mussten 300 Jahre lang hart arbeiten, aber es gibt nicht mehr das strikte Verbot, am Sonntag zu arbeiten. Das ist im biblischen Sinne wirklich nicht zu begründen.
Aber es muss eine Anstrengung geben – und zwar eine soziale, gesellschaftlich organisierte Anstrengung. Es darf nicht nur dem guten Willen jedes Einzelnen überlassen bleiben, dass der Ruhetag eingehalten wird – nach Gottes Schöpferwillen.
Das viel wichtigere Problem darüber hinaus ist die Frage: Wie soll so ein Ruhetag gehalten werden? Das ist gar nicht so einfach. Allein dadurch, dass man ihn einrichtet, ist nicht gewährleistet, dass er auch wirklich zur Ruhe führt.
Am besten zeigt das die moderne Wochenend-Hektik, die alles andere ist als Ruhe. Denn das, was uns im Alltag und Werktag beschäftigt – die ganze Angst und Unsicherheit, der Druck von der Aufgabe her, vom Chef her, von Mitarbeitern oder den Zwängen des Betriebs – diese Probleme machen Sorgen und Haarausfall. Ängste, Ehrgeiz, Machthunger, Geldgier – all diese Dinge schalte ich ja nicht ab, wenn der Sonntag beginnt. Sie sind ja in mir, ich lasse sie nicht im Büro oder in der Werkstatt zurück.
Deshalb ist es so schwer. Man kann nicht einfach umschalten. Es fällt uns im Grunde viel leichter, das Schwungrad, das einmal läuft, weiterlaufen zu lassen oder auf eine andere Spur umzupolen – etwa in eine Spur von Freizeithektik.
Die große Erfahrung vieler Menschen ist jedoch, dass Sonntag und Wochenende sie erschöpfen. Viele haben große Mühe, durch regelmäßigen Mittagsschlaf während der Woche diesen Erschöpfungszustand auszugleichen. Das zeigt, wie schwierig das ist.
Deshalb bleibt unheimlich wichtig, was im vierten Gebot steht: „Du sollst den Feiertag heiligen.“ Heiligen heißt nicht, auf faule Haut zu legen. Heiligen bedeutet, dass Gott den Tag mit Beschlag belegt. Wir stellen diesen Tag Gott zur Verfügung.
Es gibt kein echtes Aufatmen am Sonntag, es sei denn, wir kommen in Berührung mit dem, der uns die Lasten abnehmen kann. Es sei denn, wir können zu dem gelangen, der uns vergibt, wenn wir in den Teufelskreis von Hass, Vergeltung, Rechthaberei und Austricksen geraten sind – in diesen Teufelskreis, der uns auch am Sonntagmorgen überfährt und kaputt macht.
Der Sonntag wird zur Wohltat, die Gott uns gewährt, wenn wir an diesem Tag in vielfältiger Ruhe und schöpferischer, spielerischer oder sonstiger Betätigung etwas tun, was uns Freude und Spaß macht. Aber es wird erst dann wirklich wohltuend, wenn wir an diesem Tag die Möglichkeit geben und auch wahrnehmen, diesen Tag Gott zur Verfügung zu stellen.
Wir lassen Gott Einfluss nehmen, damit wir aufatmen können unter der Vergebung der Sünden, unter dem Zuspruch seines Wortes und unter seiner Wegweisung.
Luther und die Bedeutung des Ruhetags
Luther war ein eher vornehmer Mensch und scheute sich nicht, sehr deutliche Ausdrücke zu gebrauchen. Ich möchte Ihnen nicht vorenthalten, was er im berühmten großen Katechismus zu diesem Thema geschrieben hat.
Darum sündigen gegen dieses Gebot nicht nur diejenigen, die den Feiertag gröblich missbrauchen und verunreinigen. Auch diejenigen sündigen, die aus Geiz oder Leichtfertigkeit das Hören des Wortes Gottes vernachlässigen. Sie meinen, sie könnten die Gottesdienste nicht besuchen, weil sie noch ein bisschen Geld verdienen müssen, die Steuererklärung am Sonntagmorgen erledigen oder Schularbeiten machen müssen.
Es sind also nicht nur diejenigen, die aus Geiz oder Leichtfertigkeit das Hören des Wortes Gottes versäumen oder in Tavernen liegen, toll und betrunken sind – wie die Tavernen und Kneipen und Diskotheken auch nicht allein schuld sind. Sondern auch der andere Haufen, der das Gotteswort wie eine belanglose Pflicht hört, nur aus Gewohnheit zur Predigt geht und dann wieder hinausgeht.
Luther warnt eindringlich davor. Er sagte, der fromme Trott sei genauso eine Entweihung des Sonntags, inklusive des wiederholten Vollsaufens in der Kneipe.
Der Ruhetag ist ein Geschenk Gottes. Gott möchte durch sein Wort, den Gottesdienst, das Gebet und das Lob der Menschen zur Entlastung und Befreiung führen. Er schenkt die Erfahrung der Vergebung der Schuld, eine Neuorientierung auf seine Wegweisung, Stärkung in der Gemeinschaft der Christen und eine Reinigung der Luft durch das Lob Gottes.
Nur dort, wo ich das zulasse, wo ich Jesus an mein Leben heranlasse und mich zur Inspektion stelle, anstatt weiterhin irgendwo „fortzutanken“, wird auch mein Alltag eine schöpferische Kraft haben.
Uns allen bleibt nicht erspart, dass wir viel Unbequemes und Unliebsames in unserem Alltag zu bewältigen haben. Gott aber möchte uns diese im wirklichen Sinne schöpferische Atempause geben. Dazu gehört, dass man Atem holen kann. Und der Atem kommt immer aus der Vergebung, die Gott schenkt, aus der frischen Luft seines Wortes.
Zusammenfassung und Schlussgedanken
Darf ich zusammenfassen: Wir stehen im neuen Bund nicht mehr unter den Buchstaben des Gesetzes, wie zum Beispiel dem Sabbatgebot. Dieses Gebot ist in Jesus erfüllt. Die Freiheit zeigt sich darin, dass nicht mehr der siebte Tag, sondern der Auferstehungstag unser Ruhetag geworden ist – für uns Christen.
Durch Jesus ist die Wohltat Gottes für uns nicht aufgehoben, sondern erst recht in ihrer vollen Bedeutung möglich geworden. Die Ruhe ist jetzt keine gesetzliche Vorschrift mehr, die ich mir mühsam auferlegen muss, obwohl ich eigentlich gar nicht zur Ruhe kommen kann. Stattdessen ist die Erfüllung in Jesus da: Durch die Vergebung der Schuld, durch sein Wort und dadurch, dass er in unser Leben eintritt, ermöglicht er uns Ruhe und Aufatmen.
Daher gewinnt der Sonntag eine ganz neue, wichtige und wohltuende Bedeutung. Gott möchte feiern, dass sein Leiden, Kreuz und seine Auferstehung vollendet sind. Er möchte diese Freude in Gemeinschaft mit uns teilen – auch wenn wir manchmal am Rand stehen.
Lassen Sie uns beten: Herr, wir danken Dir, dass Du bis in die praktischen Fragen unserer Lebensgestaltung und Zeiteinteilung Gedanken der Liebe und Güte mit uns hast. Nun hilf uns, dass wir von ganzem Herzen umgestaltet und erfüllt werden von Deiner Liebe. Lass dies auch bis in die Äußerlichkeiten unserer Zeiteinteilung hineinwirken. Hilf uns, denn Du weißt, wie viel krampfhafte Unordnung bei uns herrscht. Deine Barmherzigkeit kann uns weiterhelfen. Amen.