Einführung in das Thema Familienverantwortung
Ja, darf ich euch bitten, die Lampen wieder etwas auszumachen und vielleicht die Vorhänge zu schließen? Dann brauche ich euch nicht so anzuleuchten.
Das Thema heute Abend lautet: Lasst uns aufeinander Acht geben. Wir wollen uns heute mit dem dritten Thema beschäftigen: Hab Acht auf deine Familie.
Ich freue mich, dass auch Kinder und Teenies dabei sind. Passt also genau auf, ob eure Eltern das richtig machen. Ihr lieben Eltern, ihr steht jetzt unter Beobachtung.
Manchmal bin ich in russischen und deutschen Gemeinden, und da ist das besonders heftig. Dort kommt die ganze Gemeinde zu solchen Vorträgen, zu Erziehungsvorträgen. Die Regel ist: Vorne sitzen die Kinder, dahinter die Großeltern und hinten die Eltern.
Dann fange ich in der Regel so an: „Ihr Kinder, passt auf, wie eure Eltern euch erziehen. Ihr Großeltern, passt auf, was ihr alles falsch gemacht habt.“ Und an euch richte ich mich jetzt nicht.
Bei euch ist das jetzt etwas andersherum: Die Kinder sitzen hinten, also passt gut auf.
Wir fangen wieder mit dem Vers aus Hebräer 10,24-25 an: „Lasst uns aufeinander achten und uns gegenseitig zur Liebe und zu guten Taten anspornen. Wir wollen uns gegenseitig ermutigen, und das umso mehr, je näher ihr den Tag heranrücken seht, an dem unser Herr kommt.“
Vision und Ziele in der Kindererziehung
Ich möchte mit einer Frage beginnen: Wie möchtest du, dass dein Kind mit achtzehn Jahren ist? Könnt ihr euch später gemeinsam im Zimmer darüber unterhalten? Vielleicht können die Teenager auch überlegen, wie ihre Eltern sie mit achtzehn Jahren sehen möchten und ob sie damit einverstanden sind oder nicht.
Welche Vision hast du für dein Kind? Welchen Lebenssinn möchtest du ihm vermitteln? Drei Fragen zum Einstieg:
Überlegt als Ehepaar:
Erstens: Welche Ziele habt ihr für eure Kinder?
Zweitens: Hatten deine Eltern Ziele für dich, und wie hast du das empfunden?
Drittens: Welche Ziele habt ihr für euer eigenes Leben, also als Eltern?
Ich glaube, es ist wichtig, dass ihr als Eltern euch miteinander Gedanken macht und euch austauscht. Das möchte ich euch nicht abnehmen – das müsst ihr selbst tun.
Die meisten Paare fangen im Grunde so an: Sie heiraten und leben glücklich bis ans Ende. Und plötzlich kommen die Kinder. Bei uns ging das ganz plötzlich: Wir kamen aus dem Hochzeitsurlaub zurück, und Erika fing an zu spucken. Unsere ersten drei Kinder kamen dann Schlag auf Schlag.
Ich muss sagen, wir haben unseren Kindern immer gesagt: Ihr wart nicht geplant, aber ihr wart alle erwünscht. Vielleicht ist es euch anders ergangen. Heutzutage sind die Menschen ja meist besser aufgeklärt als früher. Aber ich glaube, dass es nicht davon abhängt, wie aufgeklärt wir als Eltern sind, sondern von unserer inneren Einstellung.
Die Bedeutung der inneren Einstellung zur Erziehung
Ist euch schon einmal aufgefallen, dass Gott über Abraham etwas sagt, als er noch keine Kinder hatte? Er sagte, er habe Abraham erkannt als jemanden, der seine Kinder in seinem Namen erziehen wird. Das heißt, Kindererziehung ist eine Einstellung, die man eigentlich schon vorher haben muss.
Bei uns geschieht das meistens erst, wenn man das nasse Bündel im Arm hält. Neun Monate trägt die Frau das Kind, und dann neun Monate der Mann. Danach einigt man sich, wer nachts aufsteht und das Kind schuckelt.
Welche Ziele hast du? Hast du schon einmal über dem Kinderbettchen gestanden und zu Gott gesagt: „Was soll einmal aus dem Kind werden?“ Wie war das bei Mose, als er geboren wurde? Das waren schwierige Zeiten. Söhne waren in Israel oft ungewollt. Man machte Abtreibung nach der Geburt – Entschuldigung, in Ägypten. Abtreibung nach der Geburt, denn alle Jungen wurden getötet.
Dann wird Mose geboren. Wisst ihr, sie hatten damals noch keinen Ultraschall, oder? Deshalb war die Geburt eine Überraschung. Und es steht geschrieben: „Und sie sahen, dass er schön war für Gott.“ Wie können Eltern das am Baby erkennen? Wahrscheinlich ist das bei euch genauso wie bei uns: Wenn man sein eigenes zerknittertes kleines Bündel sieht, ist das Baby immer schön, oder?
Aber da steht nicht einfach, Mose war schön, sondern sie erkannten, dass er schön für Gott war. Sie sahen sofort: „Gott will dieses Kind haben. Du hast gar nicht gestört. Es hat keiner etwas gemacht.“
Das Erziehungsdreieck und die Verantwortung der Eltern
Und die Frage ist: Welche Überlegungen haben wir für unsere Kinder?
Ihr habt heute Morgen das Dreieck gelernt, oder? Hängt das schon an eurem Kühlschrank? Ich wurde dann gefragt – ich sage jetzt nicht von wem – ob da etwas beim Dreieck fehlt. Wo sind denn die Kinder? Ich habe gesagt: Die kommen heute Abend.
Du kannst dieses Dreieck genauso für die Familie aufzeichnen, wenn du mit deiner Frau oder deinem Mann in der Erziehung eins bist. Das heißt: Deine Beziehung zu Gott wird deine Erziehung prägen. Gott überträgt dir die Verantwortung, und zwar in erster Linie den Vätern.
Im Alten Testament finden wir immer wieder, dass die Väter aufgefordert werden, für die Erziehung ihrer Kinder zuständig zu sein. Wenn deine Kinder dich fragen, dann sollst du antworten. Hier sind die Männer angesprochen.
Ich habe heute den Eindruck, dass viele christliche Familien denken: „Wenn deine Kinder dich fragen, dann ist das Schicksal der Sonntagsschule.“ Sie meinen, Sonntagsschule, Kinderstunde und so weiter, Jugendstunde, Teeniekreis – die übernehmen die geistliche Erziehung unserer Kinder.
Nein, das sind nur flankierende Maßnahmen. Sonntagsschule, Kinderstunde, Teeniekreis, Junge Erwachsenenkreis, Jugend und wie sie alle heißen – das ist jeweils eine Stunde in der Woche. Damit kannst du Kinder nicht geistlich erziehen.
Das ist genauso wie bei euch Eltern: Es reicht nicht, nur sonntags in der Gemeinde zu sein. Stell dir vor, du würdest deine Kinder nur eine Stunde in der Woche in die Schule schicken. Die Kinder würden „Hurra!“ schreien, klar, aber daraus wird nichts werden, oder?
Was erwartest du? Du bist verantwortlich für die geistliche Entwicklung deiner Kinder. Das bedeutet: Wenn ich meine Kinder erziehen soll, dann muss ich ein Stück weiter sein als sie.
Das Wort „erziehen“ kommt ja von „ziehen“. Ich kann jemanden nur bis dahin ziehen, wo ich selber bin. Wenn ich möchte, dass meine Kinder weiterkommen als ich, dann muss ich sie drücken. Das ist Erdrückung.
Erziehung bedeutet: Ich kann sie nur bis dahin ziehen, wo ich bin. Wenn ich möchte, dass sie weiterkommen, muss ich selber weiterkommen.
Erziehung als Vorbildfunktion und persönliche Weiterentwicklung
Ihr kennt das wahrscheinlich noch aus dem Schulunterricht: Wir hatten einen Turnlehrer, der sich fest vorgenommen hatte, dass wir – wir waren eine Knabenrealschule, also Jungs – alle einmal erleben sollten, wie es dort oben unter der Turnhallendecke ist. Er wollte, dass wir die Kletterstange hochklettern.
Ihr wisst ja, dass das bei vielen völlig unterschiedlich ist. Manche klettern ganz oben bis nach oben, andere hängen eher wie ein Klammeraffe daran und bekommen den Hintern nicht hoch. Der Turnlehrer hat dann immer von unten gefasst und die Schüler hochgeschoben, damit sie mal die Höhenluft dort oben schnuppern konnten. Sobald er aber die Hand wegmachte, plumpsten sie wieder runter.
So kommt mir manche Erziehung vor. Eltern versuchen, ihre Kinder irgendwohin zu drängen, und wehe, wenn sie losgelassen werden – dann plumpsen sie wieder runter. Das ist keine echte Erziehung. Das bedeutet: Ich kann Kinder nur bis zu dem Punkt führen, an dem ich selbst stehe. Und das ist eine große Herausforderung.
Im Epheserbrief Kapitel 6, Verse 1 bis 4, den ihr wahrscheinlich sehr gut kennt, steht: „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern im Herrn, denn das ist recht. Ehre deinen Vater und deine Mutter, das ist das erste Gebot mit Verheißung, damit es dir wohlgehe und du lange lebst auf der Erde. Und ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern zieht sie auf in der Zucht und Ermahnung des Herrn.“
Was geht aus diesen vier Versen hervor? Paulus schreibt nicht nur: „Ihr Eltern, sagt euren Kindern zu Hause, sie sollen gehorsam sein.“ Sondern genauso wie heute Morgen gibt Gottes Wort auch den Kindern die Hausaufgaben, die sie machen sollen. Er spricht die Kinder direkt an: „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern.“
Was heißt das? Als dieser Brief in Ephesus vorgelesen wurde – wo waren die Kinder? In der Gemeinde, oder? Sonst hätten sie nicht angesprochen werden können. Das heißt: Kinder gehören in die Gemeinde.
Kinder in der Gemeinde und die Bedeutung verständlicher Predigten
Bei uns ist es häufig so – ich weiß nicht, wie das bei euch ist. Parallel zur Gemeindestunde findet die Kinderstunde statt. Außerdem gibt es Mutter-Kind-Räume mit schallisolierten Kabinen, damit ja niemand gestört wird. Ich glaube nicht, dass die Geschwister in Ephesus solche schalldichten Mutter-Kind-Räume hatten.
Zum anderen stelle ich fest, dass es Eltern gibt, die ihre Kinder mit in die Gemeinde bringen. Als Erstes packen die Kinder dann Comic-Hefte aus, lesen Lucky Luke oder Mickey Maus. Und ich frage mich, warum das so ist. Das ist auch die Herausforderung: Die Prediger müssen so predigen, dass die Kinder etwas verstehen. Ich bin überzeugt, wenn die Kinder etwas von der Predigt verstehen, verstehen es auch die Eltern. Das ist so, oder?
Wir brauchen gar nicht über die Köpfe hinweg zu predigen. Jesus hat so gepredigt, dass auch die Kinder etwas verstehen konnten. Und ich glaube, so müssen wir auch predigen.
Wir haben uns in unserer Gemeinde umstellen müssen, vor allem als die Jungs von der Gefährdetenhilfe dazu kamen. Die hatten null Ahnung von der Bibel. Da kannst du nicht sagen: „Wie wir ja alle aus der Sonntagsschule wissen.“ Und dann kommt hinterher jemand und sagt: „Sei doch nicht so unbarmherzig, ich war nicht in der Sonntagsschule.“
Das heißt, wir mussten uns daran gewöhnen, wenn wir Beispiele aus der Bibel bringen, diese auch kurz zu erzählen und nicht vorauszusetzen, dass alle sie kennen. Das war für uns manchmal sehr schwierig.
Wir hatten also nicht nur auf der einen Seite die Jungs von der Gefährdetenhilfe, sondern auf der anderen Seite auch einen Professor Doktor Doktor, der an der kirchlichen Hochschule Hebräisch und Altes Testament unterrichtete. Das war schon herausfordernd.
Du konntest nichts einfach so sagen. Ich habe es gerne so gemacht, dass ich mir die Bibelstellen immer oben rechts oder unten links gemerkt habe, da ich optisch veranlagt bin. Doch dann kam Robert, unser Professor Doktor Doktor, und sagte: „Eberhard, so leicht kommst du mir nicht davon. Wo stand das?“
Man musste also immer die Absicherung in der Tasche haben – auch für Robert. Das ist schon eine Herausforderung.
Ich bin überzeugt, gute Predigten sind so, dass Kinder etwas verstehen. Von daher sollten wir... Danke, es kommen noch weitere. So ein Pech, ist es aufgefallen, oder? Also wir üben das morgen noch mal, dann kommst du nach. Du kannst das hinterher ausschneiden, ne?
Vorbildfunktion der Eltern in der Erziehung
Wir prägen als Eltern unsere Kinder, und das hängt davon ab, wie deine Kinder dein Leben mit dem Herrn Jesus kennenlernen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Wehe den zwei Gesichtern, die manche Eltern zeigen: Sie setzen kurz vor dem Gemeindebesuch ein frommes Gesicht auf und lassen es danach wieder fallen. Deine Kinder merken das ganz genau, und sie werden es nachahmen. Das ist das Schwierige bei der Erziehung. Was nützt alle Erziehung, wenn unsere Kinder uns doch nur nachmachen?
Auf der anderen Seite ist das aber auch eine Chance. Das biblische Prinzip für Erziehung lautet: Vorbild sein, nicht nur predigen. Vorbild sein.
Dazu gehört auch, dass wir uns gemeinsam überlegen, wie viel Liebe ein Kind in der Erziehung braucht, wie viel Disziplin, wie viel Strenge, wie viel Milde und wie viel Geduld. Welche Art von Erziehung trägt unsere Kinder durchs Leben? Gibt es Werte und Tugenden, die zeitlos sind?
Die Lebensgeschichte von Mose als Beispiel für frühe Erziehung
Mich fasziniert immer wieder die Lebensgeschichte von Mose. Mose wird geboren, und eigentlich müsste er hingerichtet werden, weil er ein Junge ist. Der Pharao hat das so angeordnet. Die Eltern von Mose, Amram und Jochebed, versuchen, ihn heimlich aufzuziehen.
Könnt ihr euch vorstellen – und ich glaube, die Mütter können das besonders gut nachempfinden – wie die ersten Monate im Leben von Mose gewesen sein mögen? Versucht mal, ein Baby stillzuhalten, damit die Nachbarn nicht hören, dass da ein Neugeborenes ist. Das bedeutete, dass die Mutter von Mose die Monate davor, mindestens die sechs Monate vorher, nicht mehr das Haus verlassen konnte, damit niemand bemerkte, dass ein Kind unterwegs war.
Das heißt, sie musste im Haus bleiben. Amram musste für die Familie einkaufen gehen, ebenso die anderen beiden Kinder. Dann wird Mose geboren, und sie wollen ihn am Leben erhalten. Man kann sich vorstellen, wie sehr sie sich bemüht haben, das Kind still zu halten.
Dann heißt es, dass sie ihn nicht länger verbergen konnten. Man kann nachempfinden, welche Angst dahintersteckte. Kinder, sagt ihnen mal, ihr dürft niemandem erzählen, dass wir noch ein Baby bekommen haben. Das ist fast unmöglich, oder? Kinder in dem Alter sprudeln geradezu vor Freude. Sie sind stolz darauf, ein Geschwisterchen bekommen zu haben.
Dann geschieht die Geschichte, dass Mose im Schilf am Nil ausgesetzt wird. Die Tochter des Pharao entdeckt ihn. Die große Schwester von Mose vermittelt, dass die Mutter von Mose ihn aufziehen darf.
Wie lange Mose im elterlichen Haus war, steht nicht in der Bibel. Gehen wir bestenfalls davon aus, dass er drei oder vier Jahre zu Hause war. Ich weiß nicht, wie lange damals die israelischen Mütter gestillt haben. Und dann, danach, gebe ich meinen Sohn in die heidnische Welt.
Das, was die Eltern in der Kleinkindererziehung der ersten drei bis vier Jahre dem kleinen Mose beibrachten, war das Einzige, was sie tun konnten, damit er gegen die spätere Erziehung gewappnet war. Die Bibel sagt, er wurde unterrichtet in aller Weisheit der Ägypter. Das, was die Eltern ihm als Kleinkind beigebracht haben, hat ihn durchgetragen.
Und merkt ihr, das sagen heute auch Wissenschaftler: Die wichtigsten Jahre der Erziehung sind die ersten sechs Lebensjahre. Von daher ist es eine Katastrophe, wenn bei uns in Deutschland jetzt Kinderhorte und ähnliche Einrichtungen eingeführt werden sollen. Da tragen wir eine große Verantwortung. Und das wisst ihr auch.
Gottes Zusage und die Bedeutung der frühen Prägung
Danach gebt ihr sie in die Schule, wo sie humanistisch erzogen werden und mit allerlei weltlichem Gedankengut konfrontiert werden. Eure Erziehung muss eure Kinder durchs Leben tragen.
Das Wichtigste sind die ersten Jahre. In dieser Zeit wird der Grundstock für die weitere Entwicklung gelegt. Wenn wir gerade bei Mose sind, dann sehen wir später, dass Mose mit achtzig Jahren die Begegnung mit Gott am Dornbusch hat.
Wie stellt sich Gott Mose damals vor? Als Mose fragt, wer er sei, antwortet Gott: „Ich bin der ich bin.“ Das ist jedoch erst die zweite Antwort. Zuvor sagt Gott: „Ich bin der Gott deines Vaters.“ Erst danach folgt: „Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“
Gott knüpft an die Erziehung in der Kindheit an: „Ich bin der Gott deines Vaters, ich bin der Gott von Amram.“ Das zeigt, dass Mose in den 80 Jahren nicht vergessen hat, was seine Eltern ihm beigebracht haben.
Der Grundstock wurde gelegt: Er ist kein Ägypter, obwohl er einen ägyptischen Namen erhalten hat, sondern ein Israelit.
Ich finde das faszinierend. Merkt euch: Die Erziehung in der Kleinkindphase ist die wichtigste Phase für die Erziehung.
Aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen in der Erziehung
Ich habe neulich einen Artikel in der Zeitung gesehen, der über verpflichtende Erziehungskurse berichtete. Fast jeder zweite Bundesbürger ist für solche Kurse für werdende Eltern, die im Sinne eines sogenannten Elternführerscheins angeboten werden. Rund 46 Prozent der Deutschen sprechen sich dafür aus, dass Paare, die ein Kind erwarten, verpflichtet werden sollten, an einem Erziehungskurs teilzunehmen.
Bei Frauen ist die Zustimmung sogar noch größer als bei Männern. 34 Prozent der Befragten sind gegen eine solche Maßnahme. Das ergab eine Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach. Keine schlechte Idee, oder? Entscheidend ist nur, wer diese Kurse durchführt. Ebenso wichtig ist, welcher Inhalt in den Kursen vermittelt wird.
Ein zweiter Artikel, den ich fand, berichtet, dass Beratungsstellen einen Ansturm überforderter Eltern verzeichnen. Nach einer Umfrage des Emnid-Instituts geben 91 Prozent der Eltern zu, Erziehungsfehler zu machen. 59 Prozent gestehen, ihre Kinder anzuschreien, und 40 Prozent geben zu, ihre Kinder zu schlagen.
Wir könnten jetzt eine Umfrage bei euren Teenagern und Kindern machen? Nein, das tun wir heute Abend nicht, aber diese Zahlen machen etwas deutlich. Wahrscheinlich haben viele von euch die Geschichte mit Wilfried Block mitbekommen und wie er in die Pfanne gehauen wurde, weil er seine Kinder geschlagen hat. Damals gab es das entsprechende Gesetz in Deutschland noch gar nicht.
In den 40 Prozent, die zugeben, ihre Kinder zu schlagen, sind nicht nur Christen gemeint, sondern die gesamte Bevölkerung – also durchaus auch Anhänger von Grünen, SPD und CDU. Alle schlagen sie ihre Kinder. Die Eltern fühlen sich hilflos.
Einen interessanten Artikel dazu schrieb ein Redakteur in der Westdeutschen Zeitung. Er meint, dass das liberale Erziehungskonzept der 68er-Generation gescheitert sei. Kinder brauchen Zeit, Liebe, Geduld und ein stimmiges Weltbild. Das sind neue Töne, oder?
Die 68er-Generation hatte behauptet, man müsse die Kinder sich selbst entwickeln lassen. Das basiert auf dem humanistischen Ansatz: Der Kern des Menschen ist gut, und wenn man ihn sich frei entwickeln lässt, kommt etwas Gutes dabei heraus.
Doch auch Nichtchristen merken heute, dass das nicht funktioniert. Wenn es funktionieren würde, dann hätten Deutschland und Österreich die besten Kinder.
Biblische Perspektiven auf Erziehung und Wertevermittlung
Was sagt die Bibel? Die Bibel ist sehr modern.
Im 2. Timotheusbrief, Kapitel 3, schreibt Paulus: „Dies aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten sein werden. Denn die Menschen werden selbstsüchtig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig, lästern, den Eltern ungehorsam, undankbar, unheilig, lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, unenthaltsam, grausam, das Gute nicht liebend, Verräter, unbesonnen, aufgeblasen, mehr das Vergnügen liebend als Gott, die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen. Von diesen aber wende dich weg.“
Man hat den Eindruck, als ob Paulus hier die neueste Ausgabe einer modernen Zeitung beschreibt. Doch nein, die Menschen haben sich nicht verändert. Der Ruf nach Werten, die Bestand haben, wird immer stärker.
Was aber sind diese Werte? Woher nehmen wir den Maßstab für die Erziehung unserer Kinder? Haben Sie sich als Eltern schon einmal darüber Gedanken gemacht? Jeder von uns ist erzogen worden und trägt die eigene Erziehung im Hinterkopf mit sich.
Die meisten Eltern erziehen ihre Kinder aus der Reflexion dessen, was sie selbst damals erlebt haben. Wenn Sie sich als Eltern einmal darüber unterhalten würden, wie Sie zu Hause erzogen wurden, würden Sie feststellen, dass das sehr unterschiedlich ist. Meine Frau wurde anders erzogen als ich.
Doch jeder von uns geht in der Erziehung von seinen eigenen Erfahrungen aus: Was war bei der Erziehung meiner Eltern gut? Was möchte ich überhaupt nicht übernehmen? Was habe ich als schlecht empfunden?
Wenn jeder sozusagen aus dem Bauch heraus handelt, leiden unsere Kinder darunter. Denn dann sind Vater und Mutter oft nicht einmütig. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns als Eltern darüber austauschen: Wie bist du erzogen worden? Wie bin ich erzogen worden? Und wie wollen wir gemeinsam unsere Kinder erziehen?
Vielleicht sagen Sie jetzt, das sei ein bisschen spät für uns. Aber vielleicht könnten Sie heute Abend noch zu Ihren Kindern sagen: „Kinder, ab heute wird es anders.“ Vielleicht sagen sie dann: „Endlich!“
Einmütigkeit der Eltern und Auswirkungen auf die Kinder
Ich erinnere mich an eine Situation, als wir unseren Sohn an der Schule anmeldeten. Bei dem Schulkomplex befanden sich auf der einen Seite die Realschule und auf der anderen Seite das Gymnasium. Vor uns ging ein Elternpaar, und dazwischen hatten sie ihren Jungen. Jeder zog an einem Arm: Der Vater wollte zum Gymnasium, die Mutter zur Realschule. Der Junge stand dazwischen.
Da hätte ich am liebsten ein Foto gemacht. Ich habe die Situation nur ein bisschen gezeichnet. Kinder befinden sich oft in einer Zerreißprobe. Der Vater will in die eine Richtung, die Mutter in die andere. Weil die Wünsche unterschiedlich sind, reagieren beide Elternteile oft unterschiedlich.
Vielleicht ist das bei euch ähnlich: Der Vater ist streng, also versucht die Mutter auszugleichen und ist etwas weicher. Bei Mädchen ist es meistens andersherum: Die Mutter ist streng, und der Vater versucht auszugleichen. Die Mädchen wissen das ganz genau, mit einer Träne im Knopfloch schmilzt der Vater dahin. Das scheint auch in Österreich so zu funktionieren.
Und seht, das ist ein Problem. Als Eltern müssen wir einmütig sein. John Dobson sagt in einem seiner Bücher: Das Beste, was Eltern für ihre Kinder tun können, ist, ihre Mutter zu lieben. Kinder müssen mitbekommen, dass sich die Eltern lieben und verstehen. Das ist das Beste, was ihr euren Kindern mitgeben könnt. So können sie begreifen: „Wir möchten auch einmal solch eine Ehe haben wie meine Eltern.“
Aber für wie viele Kinder ist das Vorbild der Eltern eher abschreckend? Sie fliehen so schnell wie möglich aus dem Haus, werden flügge und sind dennoch noch nicht erwachsen.
Gefahren gegensätzlicher Erziehung
Gegensätzliche Erziehung
Die Bibel ist keineswegs weltfremd. Das zeigt sich an vielen Beispielen darin. Ein typisches Beispiel für gegensätzliche Erziehung finden wir bei Isaak und Rebekka mit ihren Kindern Jakob und Esau.
Wie heißt es dort? Isaak hatte Esau lieb, denn Wildbret war nach seinem Geschmack. Liebe ging durch den Magen. Rebekka hingegen hatte Jakob lieb. Er war ein lieber Junge, der immer in der Küche half. Er lief seiner Mutter ständig hinterher, hing ihr am Rockzipfel und tat alles, was sie wollte.
Wer seine Bibel kennt, weiß, wie katastrophal die weitere Geschichte verläuft. Gegensätzliche Erziehung ist für die Kinder tödlich.
Deshalb sei achtsam in deiner Familie und sei ein Vorbild.
Die Kraft des Vorbilds im Familienalltag
Tja, sie hat ein Foto aus eurem Wohnzimmer. Ist euch das schon mal aufgefallen? Kinder machen uns nach.
Wir hatten vor Jahren einen Bruder, der wahrscheinlich früher Offizier bei der Bundeswehr war. Er ging immer nur rechtwinklig, so wie im Stechschritt. Wenn er in die Gemeinde kam, tippte er tipp, dritte Reihe von links, dritter Stuhl, hinsetzen, Beine übereinander, Taschentuch raus, wieder rein – und die Stunde konnte anfangen.
Sein Sohnemann, vier Jahre genau dahinter, trat in dieselben Fußstapfen wie sein Vater. Er hatte, genau wie der Papa, die Kinderbibel unterm Arm, setzte sich genauso rechtwinklig in die dritte Reihe neben Papa, Beine übereinander, Taschentuch – und es konnte losgehen. Man brauchte keinem erzählen, wessen Sohn das war.
Übrigens ist das ein schönes Quizspiel. Vielleicht könnt ihr das mal bei einem Klinikreis beim bunten Abend machen: Schauspieler spielen Kinder nach, und die anderen müssen raten, wem das Kind gehört. Filmt das und lasst es bei der nächsten Gemeindefreizeit als Quiz laufen.
Sei ein Vorbild. Wisst ihr, die Bibel sagt sehr deutlich: Sei ein Vorbild. Ich könnte jetzt den ganzen Abend darüber reden, aber ich überspringe das jetzt, sonst kommt er heute Abend nicht mehr ins Bett.
Sei ein Vorbild deiner Kinder. Lebe transparent. Sei ein Vorbild nicht nur in ihrer Gegenwart, sondern auch in deiner Ehe. Sei ein Vorbild in der Wertschätzung deiner Frau, sei ein Vorbild in der Unterordnung als Frau, sei ein Vorbild in deiner Arbeitsweise, sei ein Vorbild in der Abhängigkeit von der Versorgung.
Sei ein Vorbild in der Einigkeit als Ehepaar, sei ein Vorbild im Umgang mit Gott. Lass eure Kinder am Gebetsleben teilnehmen. Sei ein Vorbild im Vergeben – wie sollen sonst deine Kinder es lernen? Sei ein Vorbild im Frieden stiften, sei ein Vorbild im Bibellesen, sei ein Vorbild in deiner Sprache.
Sei ein Vorbild im Gemeindebereich, sei ein Vorbild in der geistlichen Versorgung deiner Familie. Sei ein Vorbild in der Geduld, sei ein Vorbild im missionarisch-diakonischen Lebensstil und sei ein Vorbild in der Bewahrung vor Gefahren.
Sei ein Vorbild in der Zurüstung, mit Gefahren umzugehen, und sei ein Vorbild deinen Kindern vierundzwanzig Stunden am Tag. Da könnten wir eine ganze Bibelwoche draus machen.
Aber Erziehung ist ja auch nicht einfach nur eine Sache von einer Stunde wie heute Abend, sondern eine Sache, die mindestens zwanzig Jahre andauert. Biologisch gesehen ist der Mensch ein Nesthocker. Er ist vielleicht erst nach zwanzig Jahren flügge.
Es hat mal jemand gesagt: Erwachsen ist ein Mensch erst dann, wenn er seine Rechnungen selbst bezahlt.
Grundprinzipien für eine gelingende Erziehung
Aber ich möchte euch ein paar Schwerpunkte für die Erziehung mitgeben. Was ist der wichtigste Paragraph für die Erziehung? Was ist das Allerwichtigste?
In jedem Hotel hängt hinter der Zimmertür ein Schild mit dem Verhalten im Brandfall. Paragraph eins: Ruhe bewahren. Das ist auch Paragraph eins aller Erziehung.
Ich war in einer Gemeinde und wurde eingeladen, bei Geschwistern zu übernachten. Ich fuhr mit ihnen nach Hause. Als die Wohnungstür zuging, war das Verhalten in dieser Familie ganz anders als zuvor in der Gemeinde. Die Mutter schrie die Kinder an, und die Kinder schrien die Mutter an. Der Vater saß vor der Glotze im Wohnzimmer.
Ich habe die Mutter gefragt: „Warum schreist du?“ Sie antwortete: „Die Kinder hören nicht.“ Ich fragte weiter: „Hören sie, wenn du schreist?“ – „Nein!“ – „Warum schreist du dann?“
Dann fragte ich die Kinder: „Warum schreit ihr eure Mutter an?“ Sie sagten: „Wieso? Das ist bei uns immer so.“
Dann ging ich ins Wohnzimmer und sagte zum Vater: „Männer, warum schreien deine Kinder deine Frau an?“ Er drehte sich um und sagte: „Hä?“ Er hatte die Ohren schon runtergeklappt und hörte das gar nicht mehr.
Ich sagte ihm: „Weißt du, wenn meine Kinder meine Frau so anschreien würden, würde ich ihnen etwas anderes sagen. Ich würde sagen: Ihr könnt das später mit eurer Frau machen, aber nicht mit meiner. Das ist meine Frau, und mit meiner Frau geht ihr anders um. Also seid vorsichtig, wenn ihr mich erinnert.“
Damit das zu Hause ein bisschen besser funktioniert: Vor zwei Jahren habe ich im Allgäu ein schönes Foto gemacht. Ihr werdet es ja auf der Präsentation als BDF dabei haben und könnt es euch ausdrucken. Es hing an einer Kuhstalltür. Die Fliegen waren echt.
Ich habe gedacht: Das könnte eigentlich auf jeder Zimmertür in der Wohnung hängen, oder? Ruhe im Stall – Paragraph eins.
Die fünf Säulen der Erziehung
Ja, wie sollen wir unsere Kinder erziehen? Ich möchte euch fünf Säulen nennen, fünf Säulen der Erziehung.
Unsere Kinder brauchen als Erstes Liebe. Ich verzichte jetzt auf all die Bibelstellen, da es sonst zu lange dauern würde. Sie brauchen Wärme, Trost und Wohlwollen. Sprüche 22,6 sagt: „Erziehe den Knaben seinem Alter gemäß, und er wird nicht davon ablassen, auch wenn er alt geworden ist.“ Zephanja 3,17 ist eine Stelle, die unsere Pflegetochter mir mal zum Geburtstag geschenkt hat. Sie hat Bibelstellen in der Bibel gefunden, die ich vorher nie gelesen habe, muss ich sagen. Dort steht: „Gott freut sich über dich, er frohlockt über dich und er schweigt in seiner Liebe.“ Diese Aussage fand ich faszinierend. Manchmal muss Gott schweigen, weil er mich lieb hat. Wahrscheinlich hätte er allen Grund dazu, mal kräftig dazwischenzuhauen. Und ich muss sagen, ich bin dankbar, dass Gott in meinem Leben an vielen Stellen geschwiegen hat.
Liebe – unsere Kinder brauchen Liebe. Meine Mutter hat uns damals mal gesagt, als unsere Kinder noch so klein waren und es richtig im Kinderzimmer krachte: „Du musst nicht jeden Streit im Kinderzimmer kommentieren, manches regelt sich auch von alleine.“ Manchmal ist es auch gut zu schweigen.
Zweitens: Unsere Kinder brauchen Achtung, Anerkennung, Lob und Respekt. Ist euch schon mal aufgefallen, dass das meiste, was wir als Eltern in der Erziehung tun, Taten sind? Das erste Wort, das Kinder lernen, ist „Nein“. Das hören sie am meisten. Die Frage ist: Kann ich meine Kinder wirklich auch loben und danke sagen? Sie wirklich respektieren als Menschen und nicht immer nur als Kind betrachten? Für manche Eltern ist es sehr schwierig, wenn die Kinder siebzehn, achtzehn, neunzehn werden und ihren Eltern deutlich machen wollen, dass sie langsam erwachsen werden. Aber für uns Eltern sind sie immer noch die Kinder.
Es ist euch ja auch nervig, wenn eure Eltern, die vielleicht heute über achtzig sind, meinen: „Du bist ein Kind, mein Kind.“ Oder: „Ach Kind, in deinem Alter hatte ich das auch.“ Vielleicht denkt ihr: „Ach Mutter, hättest du doch mal den Mund gehalten.“ Vielleicht denken eure Teenies auch manchmal so. Lobt sie auch mal.
Zum anderen brauchen sie Kooperation. Das heißt, sie müssen lernen, ihrem Alter entsprechend Verantwortung zu übernehmen. Ich weiß, das ist oft schwierig. Wenn du die Kinder etwas machen lässt, dauert das oft länger, als wenn du es selber machst. Also sagst du: „Du bist noch zu klein, lass die Finger davon, ich mache es selbst.“ Das ist dumm, dadurch lernen die Kinder nicht.
Ich denke an eine Begebenheit, die uns ein lieber Freund erzählt hat. Er wohnte in einem Dorf neben Anba. Ein Bauer schickte seinen Fünfjährigen zum Bauernladen, er sollte eine Palette Eier holen. Er hatte ihm das Geld ins Portemonnaie getan. Der Junge ging ganz stolz zum Bauern, kam mit der Palette Eier zurück, sah den Vater in der Haustür stehen, fing an zu laufen und machte Eiersalat. Wie reagierst du dann? „Das ist der dumme Junge.“ Nein, nein! Der Vater sagte: „Schön, aber wir probieren es jetzt noch mal.“ Er gab ihm wieder Geld und der Junge ging noch einmal zum Bauernladen. Seht ihr, das ist super, oder?
Ich habe unseren Jüngsten hinterher mal gefragt. In dem Buch über Erziehung hat er das letzte Kapitel geschrieben. Ich fragte ihn: „Wie ist für dich die Erziehung gewesen?“ Er sagte: „Als ich geheiratet habe, Vater, danke für deine Erziehung. Sie war manchmal hart, aber sie war nötig. Danke.“ Ich muss sagen, seit dem Moment sind wir Freunde. Und er schreibt darin, dass ihm am meisten Mut gemacht hat, wenn ich zu ihm gekommen bin und gesagt habe: „Junge, ich habe ein neues Programm für den Computer, ich arbeite dir das und du bringst es mir dann bei.“ Das geht schneller, als wenn ich es mir selber beibringe. Wir Eltern sind ja nicht so schnell vom Computer wie die Jugendlichen, die tüfteln rum und finden das sowieso auch ohne Gebrauchsanweisung. Und dann ist es schneller, wenn er das auf dem Computer eingerichtet hat und mir dann beigebracht hat. Er sagt, das fand ich toll, dass du mich gebraucht hast. Ich glaube, das ist gar nicht so schwer, dass unsere Kinder merken: Die Eltern brauchen mich, ich bin nicht der Dummijon.
Kooperation!
Viertens: Kinder brauchen Struktur. Sie brauchen Regeln, Rituale, Grenzen und Konsequenzen. Besonders kleine Kinder brauchen ganz feste Regeln, wie man zu Bett geht, regelmäßiges Essen und Rituale. Sie müssen Grenzen gesetzt bekommen. Das gibt Kindern Sicherheit.
Das ist wie eine Brücke, die keine Geländer hat. Stell dir vor, eine Brücke ohne Geländer. Wir würden sagen, das ist doch das Symbol für Freiheit, ohne Eingrenzung. Fantastisch! Wie würdest du über eine Brücke gehen, die kein Geländer hat? Wahrscheinlich ganz in der Mitte. Aber sobald eine Brücke Geländer hat, kannst du bis zum Geländer gehen und runtergucken. Das ist wichtig. Grenzen grenzen nicht ein, sondern geben Sicherheit. Dafür sind ja Leitplanken auch da, nicht damit man mit ihnen in Berührung kommt, aber sie geben Sicherheit.
Kinder brauchen Konsequenzen. Und es ist leichter, wenn sie das in jungem Alter bekommen, als erst im späten Alter. Als unsere Pflegetochter zu uns kam, war sie neunzehn oder knapp zwanzig. Zwei, drei Tage nach ihrem Einzug fragte sie: „Darf ich abends noch mal raus?“ Ich sagte: „Ja, aber komm nicht so spät.“ Bei unseren Kindern war klar, was das heißt, bei ihr nicht. Sie kam um halb zwei nachts. Am nächsten Morgen sagte ich: „Entschuldige bitte, ich habe versäumt, dir zu sagen, was das heißt: komm nicht so spät. Bei uns heißt das halb elf. Wenn du später kommst, wird die Haustür zu sein.“ Ihr könnt euch vorstellen, was an dem Abend dann passiert ist. Verbote und Grenzen testet man aus, oder? Es wurde halb elf und sie war nicht da. Was machst du dann? Wir haben die Tür abgeschlossen. Um fünf Minuten nach halb elf klingelte es. Und wie reagierst du dann? Wir haben gewartet, bis sie noch mal geklingelt hat. Dann bin ich zur Tür gegangen, habe sie geöffnet, kein Wort gesagt, sondern sie nur angeschaut. Sie hat verstanden. Sie hat gemerkt, wir sind konsequent, und sie hat es nicht noch mal versucht.
Ich glaube, dass es wichtig ist, konsequent zu sein. Unser jüngster Sohn hatte eine Zeit im Teeniealter, in der er uns immer vor vollendete Tatsachen stellte, also nicht fragte, sondern sagte: „Ich bin mit den anderen Jugendlichen im Kino.“ Ich sagte: „Mich interessiert nicht, ob du ins Kino gehst, mich interessiert, in welche Filme du gehst. Und ich möchte gefragt werden.“ Dann kam er einmal und sagte: „Da gibt es so eine Pray and Praise Worship Nacht in einer Kirche. Eine ganze Nacht durch. Ich gehe mit den anderen Jugendlichen da hin. Hat 50 Euro gekostet.“ Damals dachte ich: „Was ist das für ein Worship, so teuer?“ Ziemlich teurer Bursche.
Dann sagte ich ihm: „Ich bin dagegen.“ Aber er: „Papa, diese anderen sind doch auch alle da.“ Ich sagte: „Plattes Kinder durften noch nie alles. Ich weiß, das ist keine gute Argumentation. Aber du kannst deinen Kollegen sagen, du hättest so einen komischen Vater.“ Er sagte: „Nee, im Ernst, Papa, ich habe die Eintrittskarte schon bezahlt.“ Da sagte ich: „Ist das mein Problem? Du hättest mich vorher fragen können.“ Ich machte ihm den Vorschlag, die Eintrittskarte abzukaufen. Er rang lange mit sich und schob mir die Eintrittskarte rüber. Ich dachte: Für den Zettel 50 Mark zu bezahlen? Aber ich gab ihm das Geld, nahm die Eintrittskarte und er saß da und sagte: „Papa, das sind 40 Mark!“ Ich fragte: „Sagt deins oder meins?“ Er antwortete: „Ja, aber ich habe dir eben gesagt, du hast einen komischen Vater.“ Und ich muss sagen, das ging ihm unter die Haut. Er hat nicht vergessen, dass Vater so konsequent war, 40 Mark durchzureißen, um ihm deutlich zu machen, dass Gehorsam etwas anderes ist.
Wie weit geht unsere Konsequenz? Vielleicht sagt ihr Teenies jetzt: Den hätte ich nicht gerne als Vater gehabt.
Fünftens brauchen unsere Kinder Förderung. Förderung nicht nur im Glauben, sondern auch in Natur, in Wissenschaft und in allen Bereichen. Ich glaube, es ist wichtig, dass unsere Kinder mitbekommen, in was für einer Welt wir leben.
Ich bin dankbar, dass mein Vater mir die Augen geöffnet hat für die Schönheit der Natur. Er hat sich mit mir an den Waldrand gesetzt und mit mir Aquarell gemalt. Er lehrte mich, wie die Farben beim Sonnenuntergang zu mischen sind und wie sich alle zwei Minuten die Farben verändern. Es hat mich fasziniert, wenn mein Vater mir die Natur erklärt hat.
Es hat mich fasziniert, wenn mein Vater mir Musik erklärt hat, klassische Musik, wie Bach komponiert hat. Wir sind zusammen ins Konzert gegangen und haben den „Messias“ von Händel gehört. Beim großen Halleluja aufzustehen – das geht unter die Haut, das bleibt hängen.
Ich muss sagen, ich bedaure die heutige Jugend, die das nicht mehr kennt, die die Natur im Grunde nur an der Mattscheibe erlebt und nicht in der Natur. Die heute meinen, dass Kühe lila sind und die zarteste Versuchung selbst Schokolade hätten.
Erziehungsstile und ihre Auswirkungen
Ich möchte euch noch einige Grundsätze mitgeben. Es gibt vier Arten der Erziehung.
Die erste Art ist die nachlässige Erziehung. Das bedeutet wenig Liebe und wenig Disziplin. Ich habe dafür zwei Symbole gewählt: das Herz für Liebe und den Gewichtsstein für Disziplin. Nachlässige Erziehung lässt die Kinder einfach laufen, macht keine Kommentare und setzt keine Grenzen. Es gibt wenig Liebe und wenig Disziplin. Solche Kinder sind in unserer Welt nicht belastungsfähig, haben Probleme mit sich selbst und sind sehr stark suchtgefährdet.
Die zweite Art ist die nachgiebige Erziehung. Ihr seht das schon an den Symbolen: viel Liebe und wenig Disziplin. Diese Art ist heute in Österreich und Deutschland weit verbreitet. Man meint, mit viel Liebe dürfen Kinder alles, und sie werden kaum gefordert. Solche Kinder würden später keine guten Väter oder Mütter sein und sind ebenfalls nicht belastungsfähig.
Dann gibt es den Gegensatz: die autoritäre Erziehung. Sie bedeutet wenig Liebe und viel Disziplin. Die Kinder müssen parieren, wie in einer Zirkusarena: springen! Und dann gibt es das Zückerchen. Man sagt allgemein: Im Schatten großer Bäume wachsen nur mickrige Schwammerl. Jemand, der einen starken Vater hat, wird ein schwacher Junge. Unsere Vorfahren sind im Grunde so erzogen worden. Im Dritten Reich herrschte Kadavergehorsam. Weil das so war, kam als Gegenreaktion die nachgiebige Erziehung. Man war vorher auf der einen Seite vom Pferd gefallen, nach dem Krieg auf der anderen.
Jetzt könnte man fragen: Was ist die richtige Erziehung? Es bleibt noch eine Art übrig, die ich die autoritative Erziehung nenne. Das heißt viel Liebe und viel Disziplin. Kinder brauchen beides. So erzieht Gott.
Wir finden das im Alten Testament, als Gott zu David spricht und über seinen Sohn Salomo redet. Da heißt es in 2. Samuel 7,14: „Ich will ihm, also dem Salomo, Vater sein, und er soll mir Sohn sein. Wenn er verkehrt handelt, werde ich ihn mit einer Menschenrute und mit Schlägen der Menschenkinder züchtigen.“ Das ist Disziplin, oder?
Aber Gott sagt nicht: „Wenn Salomo verkehrt handelt, dann werde ich göttlich dazwischen schlagen.“ Stattdessen sagt er: „Ich werde mit einer Menschenrute züchtigen.“ Er begibt sich also auf die menschliche Ebene, das heißt, die Strafe ist dem Verhältnis entsprechend. Und das ist meistens unser größtes Problem, wenn wir strafen.
Wir Väter kommen nach Hause, sind frustriert, weil unser Chef uns zum Wiener gemacht hat. Unsere Kinder merken schon, wie wir die Autotür zuknallen. Papa ist schlecht drauf, und schon verschwinden sie in den Kinderzimmern. Wenn dann etwas passiert, geht es richtig zur Sache. Wir merken, dass wir den Frust vom Tag an unseren Kindern auslassen. Unsere Kinder sind die Leidtragenden. Das ist keine Strafe im richtigen Maßstab.
Aber da hört der Satz Gottes nicht auf. Gott diszipliniert, aber er liebt auch. Im gleichen Satz heißt es: „Aber meine Gnade soll nicht von ihm weichen.“ Das bedeutet: Wenn ich mein Kind diszipliniere, muss es wissen, dass Papa und Mama es tun, weil sie es lieb haben und nicht, weil sie Frust haben oder selbst Ärger im Herzen tragen. Die Kinder müssen merken: Im Grunde tut es den Eltern mehr weh als dem Kind. So erzieht Gott.
Die Bedeutung von Blickkontakt und nonverbaler Erziehung
Aber uns ist aufgefallen, dass Gott noch eine zweite Erziehungsmethode hat. Ich bin dankbar, dass ich selbst so von meinem Vater erzogen worden bin.
Im Psalm 32,8 sagt Gott zu Israel: „Ich will dich mit meinen Augen leiten.“ Das ist eine Erziehungsmethode, die ich immer empfehle.
Das setzt Folgendes voraus: Wenn wir etwas angestellt hatten, brauchte unser Vater uns nur anzuschauen, und wir wussten, wo die Glocken hängen. Er musste überhaupt nichts sagen. Er schaute uns nur an, und alles war gesagt.
Wir haben versucht, unsere Kinder auch so zu erziehen. Es ist nicht immer gelungen. Aber das setzt voraus, dass wir im Kleinkindalter damit anfangen. Voraussetzung ist, dass wir Blickkontakt mit Gott haben, wenn er uns mit seinen Augen leiten will.
Du kannst nur jemanden mit den Augen leiten, wenn er Blickkontakt hat. Das weißt du als Lehrer auch. Wenn du die Klasse vor dir hast, sind die besten Lehrer diejenigen, die nur schauen mussten. Die Lehrer, die schreien mussten, wurden nicht ernst genommen. Ein einziger Blick reichte.
Das ist eine ganz wichtige Sache – nicht nur für Väter und Mütter, sondern auch, wenn wir predigen. Guckt die Zuhörer an! Das hat auch Jesus gemacht, in der Synagoge von Nazareth. Die Leute warteten darauf, was er mit dem Kranken am Sabbat machen würde. Was hat Jesus gemacht? Er blickte jeden einzelnen im Zorn an.
Ich glaube, die wären am liebsten unter den Tischen versunken. Da brauchte Herr Jesus keine theologische Abhandlung zu machen. „Ich will dich mit meinen Augen leiten.“
Wenn deine Kinder im Kleinkindalter lernen, dass man sich ansieht, wenn man miteinander spricht, ist das eine große Hilfe.
Außerdem hatten wir in unserer Familie so ein Hilfsmittel: einen Familienpfiff. Wenn wir irgendwo in der Stadt im Getümmel waren, hörten wir den Pfiff und schauten sofort hin. Da brauchte der Vater nur über hundert oder zweihundert Meter zu gucken, und du wusstest Bescheid.
Da brauchst du keine SMS, und du sparst dir viele Worte. Wenn du mit deinen Augen leitest, wirst du nicht heiser. Ich kann das nur empfehlen – auch in der Gemeinde. Manche Geschwister brauchst du nur anzuschauen, und alles ist gesagt.
Deswegen schließen manche „Geschwister“ während der Predigt die Augen, weil sie erwischt werden.
Okay, nehmt das mit und unterstreicht euch Psalm 32,8.
Abschluss und Ausblick
Damit möchte ich schließen. Ich glaube, ich habe Überstunden gemacht. Ein Vorteil ist, dass ich hier im Interview die Uhr nicht richtig erkennen kann. Aber ich habe den Eindruck, ihr seid noch nicht eingeschlafen.
An diesem Punkt möchte ich für heute Schluss machen. Wer noch fit ist und einen Bericht über Ungarn hören möchte, kann jetzt noch Überstunden machen. Das ist aber freiwillig. Macht, wie ihr denkt! Ok.
