Die entscheidende Wende: Gottes Reden an Hiob
Wir kommen zu den letzten Kapiteln in diesem Buch Hiob, jenen Kapiteln, die die Wende herbeiführen: das Reden Gottes. Das ist das Entscheidende. Und genau das braucht jeder von uns auch in seinem Leben – Gottes Reden.
Wir schlagen auf in Hiob Kapitel 38. Ich lese hier die ersten elf Verse:
Hiob 38,1-11:
Der Herr antwortete Hiob aus dem Sturm und sprach:
„Wer ist es, der den Rat verdunkelt mit Worten ohne Erkenntnis?
Gürte doch deine Lenden wie ein Mann, so will ich dich fragen, und du belehre mich!
Wo warst du, als ich die Erde gründete?
Tu es kund, wenn du Einsicht hast!
Wer hat ihre Maße bestimmt, wenn du es weißt?
Oder wer hat über sie die Messschnur gezogen?
In was wurden ihre Grundfesten eingesenkt,
oder wer hat ihren Eckstein gelegt,
als die Morgensterne miteinander jubelten
und alle Söhne Gottes jauchzten?
Wer hat das Meer mit Toren verschlossen,
als es ausbrach und hervorkam aus dem Mutterschoß,
als ich ihm eine Wolkendecke zum Gewand machte
und Dunkelheit zu seiner Windel,
und ich ihm eine Grenze bestimmte,
und Riegel und Tore setzte
und sprach: Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter,
hier sei deine stolze Welle gebrochen?“
Mit diesen Worten beginnt Gott seine Antwort oder seine Reden an Hiob.
Wenn wir die Reden Gottes in diesen Kapiteln lesen, sind wir vielleicht ein wenig enttäuscht. Mir ging es lange Zeit immer wieder so. Ich fand hier einfach keine Antwort. Ich begriff die Antwort nicht. Wo ist hier eine Antwort auf das Problem, das sich stellt – das Leiden der Gerechten?
Es wird nichts direkt erklärt. Und doch ist es Gottes Reden, das Hiob dahin bringt, wo das Geschöpf hingehört: nämlich vor Gottes Angesicht in den Staub. Dort gehört das Geschöpf hin – vor Gott.
Nachdem Gott zweimal geredet hat, liegt Hiob auf seinem Angesicht vor Gott.
Hiobs Klage und Gottes unerwartete Antwort
Nun, Hiob hatte sich auf Gott berufen, damit Gott schiedsrichterlich entscheide und ihm Recht verschaffe gegenüber seinen Freunden, die ihm Unrecht getan hatten. Hiob hatte wirklich nicht gesündigt. Er war Gottes Knecht und wurde zu Unrecht beschuldigt.
Gott handelt und greift ein. In gewissem Sinn geht Hiobs Wunsch in Erfüllung, aber ganz anders, als er es sich vorgestellt hatte. Zuerst redet Gott mit Hiob – und nicht so, wie Hiob es sich gewünscht hatte: dass Gott erschienen wäre, im Donner zu seinen Freunden gesprochen und sie zurechtgewiesen hätte. Das wünschen wir uns manchmal.
Stattdessen redet Gott direkt mit Hiob. Zuerst muss er Hiob überführen. Danach wendet er sich den Freunden Hiobs zu und bringt auch sie durch sein Reden zur Einsicht.
Doch was ist es an Gottes Reden, das Hiob dahin bringt, wo er gehört? Gott gibt Hiob keine einzige Antwort auf sein neunmaliges „Warum“. Neunmal hat Hiob gefragt, warum – darauf antwortet Gott nicht. Er ist uns keine Rechenschaft schuldig.
Gott spricht ausschließlich von seiner Allmacht und seiner Unumschränktheit, die sich in der Schöpfung und in seinem Regiment dieser Welt offenbart, hauptsächlich aber in der Schöpfung. In Kapitel 38 und 39 redet er zuerst von der unbelebten, dann von der belebten Schöpfung.
Das muss Hiob genügen. Und wenn diese Antwort Gottes ihm nicht genügt, dann hat er das einzige Licht verworfen, das ihm leuchtet.
Wenn wir nicht bereit sind, uns Gott zu unterwerfen, weil er der Schöpfer ist, sondern Gründe, Begründungen und Ursachen fordern, weshalb wir es tun sollten, dann haben wir das einzige Licht verworfen, das wir haben.
Dann wird Gott uns preisgeben unserem verfinsterten Denken. Wir werden in der Finsternis enden. Paulus spricht davon in Römer 1.
Am Ende werden wir dem Geschöpf mehr Verehrung und Dienst geben als dem Schöpfer, der gepriesen ist in Ewigkeit. Das ist eine schlimme Verwirrung des Urteils – schlimmer gibt es nicht.
Denn sie geben dem Schöpfer nicht den Platz, der ihm gebührt, und stattdessen schenken sie dem Geschöpf die Aufmerksamkeit, die nur dem Schöpfer zusteht.
Die Grundlage des Glaubens: Gottes Schöpfung und Macht
Hebräer 11 beginnt ebenfalls so. Dieses Kapitel, das uns vom Glauben der Glaubenszeugen im Lauf der Heilsgeschichte berichtet, spricht zuerst von Gottes Schöpfung. Das ist das Erste und Oberste, was wir an ihm anerkennen müssen.
Wenn Gott Schöpfer ist, dann ist mein einziger angemessener Platz vor ihm der, mich ihm zu beugen und anzuerkennen: Du hast die Macht und das Recht, über alles zu verfügen – auch über mich – nach deinem Wohlgefallen. Hier müssen wir einen Punkt setzen.
Offensichtlich hat auch alles Handeln Gottes an Hiob dazu führen müssen, dass Hiob dahin kam, sich unhinterfragt unter Gottes mächtige Hand zu demütigen. Die erste Rede Gottes, in den Kapiteln 38 und 39, handelt von der unbelebten Schöpfung. Danach spricht er von der belebten Schöpfung, der Tierwelt.
In der unbelebten Schöpfung offenbart Gott seine Macht, seine Allmacht und seine Weisheit. Das werden wir in der belebten Schöpfung noch mehr sehen – nicht nur von seiner Weisheit, sondern auch von seiner Fürsorge. Er macht es ganz deutlich: Die ganze Schöpfung, sowohl die belebte als auch die unbelebte, hat er für den Menschen erschaffen.
Das ist ein wirklich unglaublicher Gedanke. Aber genau so stellt Gott in seinem Wort die Schöpfung dar: Die ganze Schöpfung ist auf den Menschen hin angelegt, damit der Mensch in dieser Schöpfung, indem er Gott untertan ist, die ganze Schöpfung für Gott verwaltet.
Nun, er hat dem Menschen diese Schöpfung gegeben. Darum hat er dem Meer eine Schranke gesetzt – davon spricht er –, darum sendet er sein Licht und lässt an jedem Morgen hell werden, darum sendet er Regen. Er tut all das, was der Mensch nicht vermöchte.
Er bändigt starke Tiere wie Ochsen und Pferde und macht sie zu seinen Dienern. So wie er für Löwen und Raben sorgt, sorgte er erst recht für die Menschen.
Das erinnert uns natürlich an eine Rede, die der Sohn Gottes hielt, als er auf der Erde war. Er sprach über Gottes Regierung, über Gottes Reich und über Gottes gerechte Forderungen an den Menschen. Danach sagte er: „Schaut die Lilien an und schaut die Vögel an.“
Entsprechenderweise hat er auf die Schöpfung hingewiesen und damit deutlich gemacht: Weil Gott der Schöpfer ist, hat er Recht und Macht und sorgt für alles, was seinem Willen unterworfen ist.
Gottes Regierung und die Ohnmacht des Menschen
In der zweiten Rede, das sind die Kapitel 40 und 41, spricht Gott von seiner Regierung. Er erklärt, wie er diese Welt regiert und wie er in seiner Regierung das Böse lenkt, den Bösen wehrt und das Böse erniedrigt.
Dabei zeigt er die Ohnmacht des Menschen angesichts des Bösen in dieser Welt. Der Mensch kann das Böse nicht besiegen, es nicht erniedrigen und sich selbst nicht aus der Macht des Bösen befreien. Dies wird anhand von zwei Monstern demonstriert: dem Behemot und dem Leviathan. Dabei handelt es sich vermutlich um zwei Saurier, die damals noch lebten.
Wir gehen nun diese Kapitel durch und betrachten einige Verse genauer.
In Kapitel 38 lesen wir in Vers 1: „Der Herr antwortete Hiob aus dem Sturm.“ Dieses steht auch in Kapitel 40, Vers 1 beziehungsweise Vers 6 – je nach Kapitelteilung – wo Gott seine zweite Rede beginnt. Dort heißt es ebenfalls: „Der Herr antwortete Hiob aus dem Sturm und sprach.“ Dies steht zweimal.
Was will das anderes besagen, als dass jener Sturm, der Hiob erfasst und niedergeworfen hatte, die ganze Zeit ein Reden Gottes war? Erst jetzt hört Hiob es. Er hatte mehrfach darüber geklagt, dass Gott ihn wie im Sturm hinwegträgt und niederwirft. Doch das war Gottes Reden, das Hiob einfach nicht wahrgenommen hatte. Jetzt erst hört er es.
In Kapitel 9, Verse 16 und 17, sagt Hiob noch: Wenn ich rief und er mir antwortete, würde ich nicht glauben, dass er meiner Stimme Gehör schenkte, er, der mich zermalmt durch ein Sturmwetter.
In Kapitel 21, Vers 18, heißt es von Menschen, dass sie wie Stroh werden vor dem Wind und wie Spreu, die der Sturmwind hinwegführt. Das sagt auch Hiob, und er meint damit auch sich selbst.
In Kapitel 30, Vers 22, heißt es: „Du hebst mich empor auf den Wind, du lässt mich dahinfahren und zerrinnen im Sturmgetöse.“
Daher redet jetzt der Herr aus dem Sturm, und Hiob hört seine Stimme. Hätte er sie vorher schon hören können? Elihu sagte: Hättest du dich unter Gottes Hand gedemütigt und dich nicht aufgebäumt, dann hättest du seine Stimme längst gehört. Jetzt hört Hiob sie.
Gottes Fragen und Hiobs Erkenntnis der eigenen Begrenztheit
Und dann sagt Gott im Vers 2: Wer ist es, der den Rat mit Worten und Erkenntnis verdunkelt? Beachten wir, wie Gott hier das Urteil des Elihu exakt bestätigt. Elihu hat Hiob als Einziger vorgehalten: „Mit deinen Worten sündigst du!“ Und genau das sagt Gott ihm auch. Hiob hat mit Worten ohne Erkenntnis gesündigt. Das zeigt noch einmal, dass Elihu wirklich ein Knecht Gottes war, der von Gott gesandt wurde, diesen notwendigen Dienst an Hiob zu tun.
Jetzt beginnt Gott, lauter Fragen an Hiob zu richten. Hiob kann auf keine einzige Frage antworten. Das heißt, er könnte nur sagen: „Gott, du weißt es“, „Gott, du vermagst es“, „Gott, du hast das Recht“, „Ich weiß es nicht“, „Ich vermag nicht“, „Ich kann nicht.“ Gott stellt also viele Fragen an Hiob, und hier muss Hiob an sich selbst erleben, was er seinen Freunden gesagt hatte. Mit ziemlich kesser Zunge hatte er geredet und selbstbewusst gesagt: „So, ihr Leute, wenn Gott euch ausfragen würde, auf tausend Fragen könntet ihr ihm nicht eine beantworten.“ Und jetzt muss Hiob erleben, dass es für ihn genauso ist. Frage um Frage richtet Gott an ihn, und Hiob muss immer sagen: „Ich weiß es nicht“, „Ich vermag es nicht“, „Ich verstehe es nicht.“
In Hiob 9,3 heißt es: „Wenn Gott Lust hat, mit dem Menschen zu rechten, so kann er ihm auf tausend nicht eins antworten.“ Die erste Frage lautet im Vers 2: „Wer ist es, der den Rat verdunkelt?“ Gott fragt also gewissermaßen: „Hier, wer bist du?“ Diese Frage macht Hiob schlagartig bewusst, vor wem er eigentlich so geredet hat. So wie Gott einmal Jakob fragte: „Jakob, wie heißt du? Wer bist du?“ Wer ist es, der so redet? Wer bist du? Ja, wer sind wir, dass wir vor Gott so Großes, so Weites, so Erhabenes reden?
Die weiteren Fragen, die Gott an Hiob stellt, machen ihn immer kleiner und Gott immer größer. So erscheint ihm seine Anmaßung in immer grellerem Licht. Vers 4 fragt: „Wo warst du, als ich die Erde gründete? Warst du dabei?“ Wir waren ja nicht dabei, als Gott die Erde gründete. Was wollen wir denn so Großes sagen? Solche Urteile fällen wollen, wo wir doch die Urgründe, die Anfänge der Dinge gar nicht wissen können: wie Gott alles schuf, unter welchen Umständen, wie er den Menschen schuf, wozu er den Menschen schuf und welche Bedingungen er ihm stellte, wie und warum der Mensch so wurde, wie er ist. All das müssen wir wissen, ehe wir solche großen Worte aussprechen.
Nur einige Beispiele: Vers 8 fragt: „Wer hat das Meer mit Toren verschlossen?“ Wir haben uns einfach daran gewöhnt, dass das Meer immer schön an seinem Platz bleibt – außer man lebt in den Niederlanden. Dort hat man ein Bewusstsein dafür, dass man das Meer dämmen muss. Gott ist es, der dem Meer eine Schranke gesetzt hat, damit es die Erde nicht überspült.
Wir fühlen uns hier so sicher auf dem Land. Hier sind wir ja am Rand des Schwarzwalds, und besonders wenn man in der Schweiz am Bodensee lebt, auf etwa 400 Meter über Meer, fühlt man sich ziemlich sicher. Wenn wir jetzt aber den Erdball einmal aus der Distanz ansehen, stellen wir fest, dass die Erdoberfläche, auf der die Menschen leben, eine ganz dünne, schmale Erhebung ist, die sich aus dem Meer erhebt. Das Meer ist um ein Vielfaches größer, die Wasserfläche ist vielfach größer als das Land. Das gibt uns einen Eindruck davon, dass Gott tatsächlich dem Wasser seine Grenzen gesetzt hat und dafür sorgt, in seiner Vorsehung und durch seine Macht, dass der Lebensraum des Menschen erhalten bleibt.
Das ist nur ein Beispiel für seine Fürsorge. Oder dann die Frage im Vers 12: „Hast du seitdem du lebst einem Morgen geboten?“ Es wird Morgen für Morgen hell. Wir haben kaum noch Augen für das Wunder, dass Gott die Finsternis vertreibt und es hell wird. Soll mal einer machen! Kannst du das? Hast du einmal einem Morgen geboten? Nicht ein einziges Mal.
Oder Vers 16: „Bist du gekommen zu den Quellen des Meeres? Hast du die Gründe der Tiefe durchwandert?“ Das heißt, es gibt so vieles in dieser weiten Schöpfung, von dem wir keine Ahnung haben. Vielmehr wurden dir die Pforten des Todes enthüllt. Sahst du die Pforten des Todesschattens? Alles, was mit dem Tod zusammenhängt, ist dir völlig unbekannt und du bist absolut hilflos.
Oder Vers 19: „Welches ist der Weg zur Wohnung des Lichts?“ Was ist denn Licht überhaupt? Man hat sich lange den Kopf darüber zerbrochen, kluge Köpfe haben das getan. Dann hat man gesagt: Licht sind Wellen, die sich ausbreiten. Andere haben gesagt: Nein, Licht sind kleine Korpuskeln, keine Karpelchen, die sich ausbreiten. Ja, beides ist es wahrscheinlich. Es soll also beides sein. Das ist nur ein Eingeständnis dessen, dass man gar nicht weiß, was es ist.
Und selbst wenn man das Phänomen beschreiben kann, wie sich Licht ausbreitet, wissen wir immer noch nicht, was Licht ist. Was ist das, das hell wird und uns Orientierung gibt? Ein einziges Geheimnis. Woher kommt das Licht und die Finsternis? Wo ist ihre Stätte?
Oder Vers 24: „Welches ist der Weg, auf dem das Licht sich verteilt?“ In der Schöpfung ist es ja schon so: Die Schöpfung lehrt uns beständig über Gott und seine Wege. In der Erlösung ist das noch viel mehr so. Wo ist das Licht? Welcher Weg zum Licht? Kannst du den Weg beschreiben, auf dem das Licht sich einen Weg bahnt durch die Finsternis? Mach es einmal!
Je länger und je mehr ich darüber nachdenke, wie Gott es fertigbrachte, sein Licht in mein Herz zu bringen, desto mehr muss ich seine Weisheit bewundern. Wie hat er das geschafft? Ich wollte das Licht nicht. Ich habe das Licht von mir gewiesen. Ich war wie alle Menschen, die in Johannes 3,19 beschrieben werden: „Dies ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht.“ Wie bringt Gott es fertig, ein Herz, das die Finsternis liebt, so zu verändern, dass es das Licht liebt und sich öffnet? Wie bringt er das fertig? Das ist für mich unbegreiflich. Wir müssen einfach sagen: Wir wissen es nicht. Gott, du weißt es. Gott, du verstehst es. Gott, du vermagst es, du großer Gott!
Oder Vers 31: „Kannst du knüpfen das Gebinde des sieben Gestirns? Oder lösen die Fesseln des Orion?“ Der Orion, der diesen schönen Gürtel hat. An hellen, klaren Winternächten sieht man in den schönen Gürteln sogar das Schwert mit bloßem Auge. Man nennt ihn ja den Gürtel des Orion – diese drei Sterne, die etwas schräg dieses Viereck einschneiden.
Kannst du den Gürtel des Orion lösen? Kannst du den Großen Bären spazieren führen? Gott führt ihn an seiner Hand Nacht für Nacht, und wir schauen ihm nach. Kannst du die Bilder des Tierkreises zur rechten Zeit hervortreten lassen und den Großen Bären leiten samt seinen Kindern? Ja, wir schauen hinauf in den Raum, und allein schon die Tatsache des Raumes zeigt uns die Grenzen unseres Fassungsvermögens. Wir versuchen, uns den Raum vorzustellen. Dieser Raum dehnt sich aus. Wo hört er auf? Ja, irgendwo muss er ja aufhören. Gut, also ist er begrenzt. Was ist denn hinter der Grenze? Wir merken, unser Verstand steht still – allein schon vor dieser Tatsache. Und wie viel mehr dann vor dem, der all das ins Dasein gerufen hat!
Im Vers 36 die Frage: „Wer hat Weisheit in die Nieren gelegt?“ Das ist eine Ausdrucksweise des Hebräischen, bei der von Herz und Nieren gesprochen wird. Man spricht von Organen und meint seelische Anlagen. Wer hat dem Menschen Verstand gegeben? Was ist überhaupt Verstand?
Ich stelle mir manchmal solche Fragen. Dann frage ich manchmal meine Kinder, und sie schütteln alle einfach den Kopf. „Was ist denn Gedanke? Erklär das einmal!“ Wir denken zwar immer – wahrscheinlich nicht genug, wir sollten wahrscheinlich mehr und besser denken –, aber wir denken beständig über irgendwelche Dinge nach. Aber was ein Gedanke ist, können wir nicht erklären, dieses Phänomen Denken geschweige denn die Fähigkeit zu denken erzeugen. Wer hat das alles gemacht? Ein unbegreifliches Wunder.
Gottes Fürsorge in der Tierwelt als Zeichen seiner Macht
Und dann stellt er Fragen über die Tierwelt, Kapitel 39, Vers 1: Weißt du die Gebärzeit der Steinböcke? Nein, zuerst die Verse 39 bis 41.
Erjagst du der Löwin den Raub? Stillst du die Gier der jungen Löwen, wenn sie in den Höhlen kauern, im Dickicht auf Lauer sitzen? Wer bereitet dem Raben seine Speise, wenn seine Jungen zu Gott schreien, um Hirn ohne Nahrung?
Gott erhält alles am Leben. Er ernährt alles, sagen wir hier zuerst gefährliche und unreine Tiere. Und wenn Gott solche sogar ernährt, wie viel mehr dann den Menschen, wenn sie ihm um ihr tägliches Brot bitten. Er wird für sie sorgen und auch all ihre weiteren und höheren Bedürfnisse stillen, wie Vergebung der Sünden und Befreiung aus der Macht des Bösen, so wie der Herr uns beten lehrte.
Dann redet Gott von unbegreiflichen und von ungebändigten Tieren, vom Steinbock und vom Wildesel. Weißt du die Gebärzeit der Steinböcke? Wenn man Steinböcke einmal sieht, nur von ferne sieht man sie meistens, wie sie über die Felsen hüpfen – das ist ja ein Wunder.
Dann denkt man: Wie geht das? Wenn man sie anschaut, denkt man, das sind doch so bocksteife Tiere, die werden ausrutschen und abstürzen. Aber dass sie ihren Fuß haargenau setzen und ungeheure Sätze wagen, von Fels zu Fels springen, nie ausrutschen – ein Wunder! Und was wissen wir schon von diesen Tieren? Kaum etwas.
Wie das überhaupt funktioniert, wie das möglich ist, oder wer hat dem Wildesel freie Zähne gegeben – das finde ich eine interessante Frage. Es gibt Esel und Wildesel, worauf redet Gott vom Wildochsen? Es gibt Ochsen und Wildochsen.
Schauen wir uns einmal den Wildesel an. Er hat die gleichen Anlagen, die gleichen Fähigkeiten wie der brave Esel, der schön seine Arbeit tut, der Säcke schleppt und Menschen trägt – der Esel und der Wildesel. Ja, wer hat dem Wildesel freie Zähne gegeben? Da muss jemand sagen: Ja, Gott hat das so gemacht. Das ist nicht schwer zu beantworten.
Aber die andere Frage, die sich hier stellt, ist ein bisschen schwerer zu beantworten: Warum macht Gott einen Unterschied zwischen Esel und Wildesel? Ich weiß nicht, wahrscheinlich hat Hiob darüber auch nachgedacht.
Warum macht Gott solche Unterschiede zwischen Esel und Wildesel? Beide sind gleich, beide wären gleich nützlich für die Arbeit, wären auch beide gleich tauglich für das freie Leben. Den einen bindet Gott an den Menschen, den anderen lässt er in der Steppe herumstreifen.
Sollte Gott etwas darüber sagen wollen, wie er auch an Menschen handelt, wie er Menschen in seiner Gnade heimsucht, errettet aus solchen, die wild herumstreifen, und sie an sein Haus bindet und sie zu seinen Dienern macht? Lehrt uns hier nicht die Natur? Will sie uns nicht das lehren, was Paulus die Korinther fragte?
Wer unterscheidet dich? Die Korinther haben sich etwas auf sich eingebildet. Zunächst haben sie als Christen auf die übrigen Korinther herabgeschaut: Wir sind besser als ihr, wir sind Christen geworden. Da fragt Paulus: Wer unterscheidet dich? Ist jemand von euch besser als die anderen? Es ist Gottes Gnade. Gottes Gnade macht den Unterschied.
Dann redet Gott vom Wildochsen. Der Wildochse ist so stark, dass wir ihn am liebsten vor den Pflug spannen würden. Stark genug wäre er, der könnte wahrscheinlich zwei oder drei Pflüge ziehen und nicht nur einen. Warum lässt er sich nicht einspannen?
Nachher redet Gott von anderen Tieren, die sind stärker und wilder eigentlich als der Ochse, nämlich das Tier, das Schlachtross. Das Schlachtross dient aber dem Menschen.
Hat der Mensch die Tiere gebändigt? Nun, das wird uns ja eingeredet. Und kleinauf wird uns eingeredet: Der Mensch habe die Tiere domestiziert, heißt das. Gott hat die Tiere so geschaffen: die einen dem Menschen zum Nutzen, und die anderen hat er wild belassen. Das hat der Schöpfer getan.
Das sind Einteilungen von ihm gemacht. Und so will uns hier die Natur lehren, dass wir in allem auf Gottes Hand angewiesen sind. Der Mensch vermöchte kein einziges Tier zu domestizieren. Kein Tier würde ein Haustier werden, ein Nutztier werden und ein braver Diener des Menschen werden, wie der brave, gutmütige Ochse, der trottet und brav den Pflug zieht – und zum Lohn dafür sich nachher den Kopf abschlagen lässt und gesotten wird.
Gott hat ihn wirklich so gemacht zum Dienst des Menschen. Und dann lesen wir von der Straußin und nachher weiter unten von anderen Vögeln. Von der Straußin lesen wir: Gott gab ihr keinen Verstand. Das ist ein interessanter Satz.
Hiob 38,17: Gott ließ sie der Weisheit vergessen. Dann redet er von anderen Vögeln, die Verstand haben. Vers 26: Schwingt sich der Habicht durch deinen Verstand empor? Nein, durch Gottes Verstand. Aber Gott hat diesen Tieren einen gewissen Verstand gegeben, sich so zu verhalten. Und sie verhalten sich ja viel klüger.
Sie machen nicht so wie die Strauße, die ihre Eier in den Sand legen und sie zudecken und dann vergessen, wo die Eier sind und sie sogar vertrampeln. Sondern sie legen ihr Nest so an, dass es ganz sicher ist, dass niemand herankommt, und sie sorgen für ihre Jungen.
Ja, wer hat ihnen diesen Verstand gegeben? Schwingt sich der Habicht durch deinen Verstand empor, breitet seine Flügel aus gegen Süden oder erhebt er sich auf deinen Befehl? Oder erhebt sich auf deinen Befehl der Adler und baut in der Höhe sein Nest?
In den Felsen wohnt er und verweilt auf Felsenzacken und den Spitzen der Berge. Von dort aus erspäht er Nahrung, in die Ferne blicken seine Augen, und seine Jungen schlürfen Blut. Und wo Erschlagene sind, da ist er.
Als ein Vogel mit Verstand und der andere ohne Verstand – will uns hier die Natur nicht auch lehren, dass es in der Macht, in der Hand Gottes liegt, verständig zu machen oder töricht zu belassen?
Wir sind von Natur Toren, Toren verfinstert. Wir haben es nicht in unserer Hand, uns Weisheit zu geben, uns weise zu machen. Es ist in Gottes Hand. Und darum sagt Salomo, dass wir Weisheit anfangen zu lernen, wo wir Gott fürchten.
Anerkennen, dass alles in seiner Hand ist, nicht in unserer Hand. Die Furcht des Herrn, das ist der Weisheitsanfang. Das will uns lehren, dass wir uns vor diesem großen Gott und Schöpfer und Erlöser demütigen, vor ihm demütigen, beugen und bekennen, dass wir in allem auf ihn angewiesen sind – auf seine Begabung, auf seine auch Vergebung zuerst, auf sein Wirken, auf sein Handeln, auf seine Güte.
Hiobs demütige Antwort auf Gottes Reden
Nun führt diese erste Rede Gottes zu folgender Antwort Hiobs. Das ist Kapitel 39, Vers 31 in einigen Bibeln, in anderen Kapitel 40, Vers 1.
Und der Herr antwortete Hiob und sprach: „Will der Tadler rechten mit dem Allmächtigen, der da Gott so Recht weist? Antworte darauf!“
Hiob antwortete dem Herrn und sprach: „Siehe, zu gering bin ich, was soll ich dir erwidern? Zu gering bin ich.“
Das ist ein großes Bekenntnis, das Zeugnis einer großen, aber notwendigen Einsicht: „Ich bin zu gering.“
Es erinnert uns an Jakob, der in jener Nacht Gott niederrang – oder kurz vorher. In diesem Zusammenhang, wo Gott diesen Mann durch seine Erziehungswege wirklich klein gemacht hatte, sagt Jakob wenige Stunden vor dieser Nacht am Jabbok: „Ich bin zu gering, ich bin zu gering, zu gering all der Gütigkeiten und all der Treue, die du deinem Knecht erwiesen hast.“
Wir verdanken Gott wirklich alles, wirklich alles.
Gottes Herausforderung an Hiob zur Anerkennung seiner Macht
In der zweiten Rede Gottes geht es um die Macht und die Gerechtigkeit seiner Regierung. Ich lese aus Kapitel 40, Vers 1 an, das entspricht nach anderer Einteilung Vers 6.
Der Herr antwortete Hiob aus dem Sturm und sprach: „Gürte doch wie ein Mann deine Lenden! Ich will dich fragen, und du belehre mich. Willst du gar mein Recht zunichte machen und mich verdammen, damit du gerecht seiest? Oder hast du einen Arm wie Gott? Kannst du donnern mit deiner Stimme wie er?“
„Schmücke dich doch mit Habenheit und Hoheit, und kleide dich in Pracht und Majestät! Gieße aus die Ausbrüche deines Zorns, und sieh an alles Hoffwertige und erniedrige es! Sieh an alles Hoffwertige, beuge es! Reiß nieder die Gesetzlosen, und verbirg sie an ihrer Stelle in den Staub! Schließe ihre Angesichter in Verborgenheit ein, dann werde auch ich dich preisen, dass deine Rechte dir Hilfe schafft.“
Das ist eine interessante Frage, die zum Nachdenken anregt. Versuche einmal, einen Hoffwertigen, einen stolzen, einen ruchlosen, einen rücksichtslosen Menschen zu demütigen. Versuche es einmal! Je mehr du es versuchst, desto heftiger wird sich sein Stolz gegen dich aufbäumen. Er wird dir ins Gesicht speien, er wird dir die Augen auskratzen, er wird dich treten und sich an dir rächen. Er wird dir alles Böse tun, das er noch kann.
Erniedrige einmal den Bösen, mach es einmal! Nun, wir haben ja im Staat unsere liebe Mühe damit. Einen ungeheuren Polizeiapparat müssen wir dazu aufbieten, bewaffnet, mit Gefängnissen, und solche Leute einschließen. Aber dadurch werden sie ja nicht gedemütigt, sondern einfach irgendwie in Verwahrung gebracht.
Aber den gesetzlosen Demütigen – wer kann das? Versuch es einmal, versuch es einmal, mit dem Bösen und den Bösen fertig zu werden! Wenn du das kannst, dann werde ich dich preisen.
Hiob muss empfunden haben, wie unangemessen es war, dass er Gottes Wege, Gottes Regierung sowie Gott die Gesetzlosen und die Gerechten je verschieden behandelt hat. Er war damit ja nicht zufrieden gewesen. Und er schämt sich – er schämt sich, solches gedacht zu haben.
Die Demonstration der Ohnmacht des Menschen am Beispiel von Behemoth und Leviathan
Und dann spricht Gott von zwei Tieren. Zuerst vom Behemoth, in Kapitel 40, Vers 10 oder Vers 15. Sieh doch den Behemoth – man belässt es am besten bei diesem hebräischen Wort. Behemoth ist eine Mehrzahlform, Behemah bedeutet Vieh, Behemoth ist die Mehrzahl davon und heißt einfach ein Geviech, also ein gewaltiges Vieh. Die Mehrzahl von Vieh, ein riesiges Vieh, ein Monster von einem Vieh – und wahrscheinlich ein Saurier.
Ganz sicher kein Nilpferd, denn das Nilpferd hat nicht einen solchen Schwanz, wie es im Vers 12 steht: Er biegt seinen Schwanz gleich einer Zeder und haut mit dem Schwanz glatt alles um, dieser Behemoth. Aber das Nilpferd hat ja nur ein kleines Schwänzchen, das ist läppisch. Die Beschreibung passt also überhaupt nicht auf ein Nilpferd. Es muss ein Saurier gewesen sein, und die Saurier lebten ja noch eine Zeit nach der Flut.
Gott hat natürlich solche Saurier in der Schöpfung belassen. Wir dürfen annehmen, dass sie erst nach dem Sündenfall zu solchen Monstern und Raubtieren wurden, denn vor dem Sündenfall gab es das nicht: fressen, töten und verderben. Durch den Sündenfall ist die ganze Schöpfung in Mitleidenschaft gezogen worden. An diesen Monstern demonstriert Gott die Ohnmacht des Menschen vor der Macht des Bösen.
Der Behemoth ist mehr ein Hinweis auf den Teufel als auf den Urheber des Bösen, der von nichts berührt wird. Es heißt von ihm hier ausdrücklich im Vers 18: „Siehe, der Strom schwillt mächtig an, er flieht nicht ängstlich davon, er bleibt wohlgemut, wenngleich eine Sturzflut sich gegen sein Maul hervorbricht.“ Es ist das zweite Mal, dass wir in diesem Buch von einem Strom lesen. In Kapitel 22 spricht Eliphas davon; er redet von der Sintflut, welche die Menschen hinraffte.
Die Sintflut hat die Bösen hinweggerafft, der Urheber des Bösen blieb wohlgemut. Ihn hat das gar nicht beunruhigt oder aufgestört. Was will der Mensch gegen den Urheber des Bösen? Er kann ihn nicht fangen. Vers 19: „Fängt man ihn wohl vor seinen Augen, durchbohrt man ihm die Nase mit einem Fangseil?“ Tja, das kann man nicht fangen.
Und danach, in Vers 20 oder Vers 25 nach anderer Verszählung, siehst du den Leviathan herbei mit der Angel. Auch hier sollten wir diesen Ausdruck Leviathan beibehalten. Luther übersetzte noch mit Krokodil, aber auch hier passt die Beschreibung nicht auf ein Krokodil. Es ist ein Tier, das man mit keinen Waffen töten kann, man kommt ihm mit keinen Waffen bei.
Aber ein Krokodil hat man ja schon seit Urzeiten umgebracht. Tarzan schwingt mit seinem Messer zwischen den Zähnen ein Krokodil los und schlitzt es am Bauch. Man kann also ein Krokodil töten, man muss nur an der richtigen Stelle stechen. Hier ist jedoch von einem Monster die Rede, das über jede Waffe lacht – ein Monster, das der Mensch nicht bezwingen kann. Es muss also auch eine Art Saurier gewesen sein, ein inzwischen ausgestorbenes Tier.
Nun, dieser Ausdruck Leviathan kommt im Buch Hiob in Kapitel 3 schon einmal vor, zweimal im Buch der Psalmen und einmal in Jesaja. Schauen wir uns diese Psalmenstellen und danach die Jesaja-Stelle an, denn dort bekommen wir ganz deutliche Auskunft über die Bedeutung des Leviathan.
Psalm 74, Vers 14 beschreibt die Erlösungstaten Gottes: „Du zerschmettertest die Häupter des Leviathan.“ Das ist eine Umschreibung dafür, wie Gott den Bösen niederrang und Israel der Macht des Bösen entriss.
Psalm 104, Vers 26 sagt vom Meer: „Dort ziehen Schiffe ein, ein Heer von Leviathan, den du gebildet hast.“ Also irgendein Meersaurier im Meer.
Dann kommt Jesaja 27, und hier wird es ganz deutlich: Jesaja 27, Vers 1: „An jenem Tage wird der Herr mit seinem Schwert, dem harten, großen und starken, heimsuchen den Leviathan, die flüchtige Schlange, den Leviathan, die gewundene Schlange, und wird das Ungeheuer töten, welches im Meer ist.“
Hier ist ganz deutlich: Leviathan ist ein Hinweis, ein Platzhalter für den Satan, für den Verderber. Das hebräische Wort „Livjathan“ heißt so viel wie „der Gewundene“ – also ein Hinweis auf den Leviathan als „die Schlange, der Gewundene“.
Wir können den Leviathan nicht bändigen, wir können den Leviathan nicht töten. In Vers 20 heißt es eben, wir können ihn nicht bändigen, wenn wir ihn mit der Angel herbeiziehen. Nein, wir können es nicht. Wir können ihn nicht töten. Vers 25 oder Vers 30 nach anderer Erzählung: „Werden die Fischergenossen ihn verhandeln, ihn verteilen unter Kaufleute? Kannst du seine Haut mit Speeren füllen und seinen Kopf mit Fischharpunen? Lege deine Hand an ihn, gedenke des Kampfes, tue es nicht wieder.“
Versuche es nicht, mit ihm aufzunehmen, mit diesem Monster – und noch viel weniger mit dem Verderber, mit Satan selbst.
Schauen wir uns noch weiter diese Beschreibung an, Kapitel 41, Vers 5: „Wer tat die Pforte seines Angesichts auf? Der Kreis seiner Zähne ist Schrecken.“ Er verbreitet Schrecken und ist ein Verderber, wie der Drache im Buch der Offenbarung.
Und dann im Vers 13: „In seinem Hals wohnt die Stärke, die Angst hüpft vor ihm her.“ Durch die Gewalt Satans sind die Menschen lange ihr Leben in der Knechtschaft der Todesfurcht unterworfen, sagt Hebräer 2,14. Er ist der König des Schreckens.
Und dann heißt es im Vers 15: „Sein Herz ist hart wie Stein, hart wie ein unterer Mühlstein, erbarmungslos hart.“ Das bedeutet auch, dass sein Herz sich nie ändern wird. Menschenherzen kann Gott verändern, er verändert sie auch. Er macht aus steinernen Herzen fleischerne Herzen, sagte Hesekiel. Aber hier haben wir das Herz des Widersachers, das nur böse ist, immer böse war und immer böse bleiben wird – ein erbarmungsloser, furchtbarer Feind.
Und jetzt, mitten in dieser Beschreibung, sind zwei Sätze eingestreut, die scheinbar gar nicht in den Zusammenhang passen. Lesen wir von Kapitel 40 ab Vers 27 oder Vers 32 nach anderer Verszählung: „Lege deine Hand an ihn, gedenke des Kampfes, tu es nicht wieder! Siehe, eines jeden Hoffnung wird betrogen, wird man nicht schon bei seinem Anblick niedergeworfen, niemand ist so kühn, dass er ihn aufreize.“
Und dann kommen diese beiden Sätze: „Und wer ist es, der sich vor mein Angesicht stellen dürfte? Wer hat mir zuvor gegeben, und ich werde ihm vergelten?“
Wie passt das in diesen Zusammenhang? So: Schau dir diesen Leviathan an. Du bist vor ihm hilflos, es gibt nur eine Hoffnung – Gott. Und jetzt stellt Gott die Frage: Wer darf sich vor mein Angesicht stellen? Und die zweite Frage: Wer hat mir zuvor gegeben, und ich werde ihm vergelten?
Womit haben wir es verdient, dass wir zu Gott sagen können: Schau, ich habe das und das geleistet, darum darf ich mich vor dich stellen und von dir Hilfe erbitten? Nein, wir haben es alle nicht verdient. Wir sind nicht allein hilflos, wir sind auch rechtlos.
Das bedeutet, dass wir wirklich auf Gottes freie Gnade angewiesen sind. Das ist der einzige Grund, auf den wir uns an Gott wenden können. Wir können ihm nichts bringen. Wir können ihm nicht sagen: Du musst mir helfen, ich habe es verdient, ich habe etwas geleistet, dass du mir jetzt hilfst. Nein, wir können ihm nur sagen: Um deinetwillen, um deiner Gnade willen, um deiner Güte willen, dass er Menschen errettet aus der Macht dieses furchtbaren Verderbers.
Und wenn wir bedenken, auf welchem Wege er es tat, um bei diesem Bild zu bleiben: Er hat dem Rachen dieses furchtbaren Verderbers das Lamm Gottes preisgegeben, das um unseretwillen vom Tod verschlungen wurde und so den Tod zunichte machte und den, der die Macht des Todes hat – den Satan.
Hiobs endgültige Erkenntnis und Gottes Versöhnung mit den Freunden
Dann folgt Kapitel 42. Zunächst hören wir Hiobs Antwort auf das Reden Gottes zu ihm.
Hiob antwortete dem Herrn und sprach: „Ich weiß, dass du alles vermagst und kein Vorhaben dir verwehrt werden kann. Wer ist es, der den Rat verhüllt ohne Erkenntnis? So habe ich denn beurteilt, was ich nicht verstand, Dinge zu wunderbar für mich, die ich nicht kannte. Höre doch, und ich will reden; ich will dich fragen, und du belehre mich. Mit dem Gehör des Ohres hatte ich von dir gehört, aber nun hat mein Auge dich gesehen. Darum verabscheue ich mich und bereue in Staub und Asche.“
Jetzt ist Hiob endlich dort, wo er als Geschöpf und auch als Erlöster hingehört. Er liegt vor dem Angesicht Gottes. Er bekennt nun, was mehrere hundert Jahre nach ihm David bekannte (Psalm 119, Vers 75). Ich nenne ihn einfach David, auch wenn dort kein Autor in der Überschrift steht. In Psalm 119, Vers 75 sagt David, der ja auch manches erlitt – manche Bosheiten wurden ihm angetan, Jahre der Drangsal, der Angst, der Verfolgung, der Bedrohung –, er war seines Lebens nie sicher. Und er hatte auch einige Anlässe zu fragen: „Womit habe ich das verdient? Was habe ich denn Böses getan?“
Es waren Gottes Erziehungswege mit David, und David sagt einmal in Psalm 119, Vers 75: „Ich weiß, Herr, dass deine Gerichte Gerechtigkeit sind und dass du mich gedemütigt hast in Treue.“ Ja, das ist das Ziel aller Erziehung Gottes seit dem Sündenfall.
Seit dem Sündenfall, seit der Mensch sich gegen Gott aufgelehnt hat und sein eigener Herr sein will, handelt Gott am Menschen mit diesem einen Ziel: dass er sich Gottes Willen und Thron unterwirft. Das letzte Buch der Bibel, das Ziel der Heilsgeschichte, zeigt uns, wie alles Gottes Thron unterworfen ist. Das ist das Ziel von allem Handeln Gottes an dir und mir persönlich. Das ist das Ziel von Gottes Handeln an der ganzen Menschheit. Am Ende wird alles Gottes Thron unterworfen sein.
Das wird für die einen ewige Glückseligkeit bedeuten und für die anderen ewige Verdammnis. Aber alles wird am Ende Gottes Thron unterworfen sein. Auf dieses Ziel hin arbeitet er, wirkt er – das ist sein Erziehungsziel mit uns.
Dann sagt Hiob etwas ganz Wunderbares im Vers 2: „Ich weiß, dass du alles vermagst.“ Aber das bedeutet in seinem Munde jetzt etwas ganz anderes als vorher, wo er von Gottes Allmacht einfach redete. Gott ist allmächtig, er macht dies und jenes, er kann alles. Aber er hat das nie auf sich bezogen. Jetzt sagt er: „Ich weiß, dass du alles vermagst, Herr. Du vermagst zu demütigen, du vermagst auch durchzutragen, und du vermagst wieder aufzurichten.“
Nichts kann dir, kein Vorhaben kann dir verwirrt werden. Gott verwirklicht sein Vorhaben mit uns. Er tut es wirklich. Er wird nie davon abkommen. Das hat Hiob jetzt an sich selbst erfahren. Gott hatte vor, Hiob durch Drangsal zu demütigen. Er hat es getan. Gott hatte den Vorsatz, Hiob zu erhöhen. Er hat es getan.
Wenn Gott Drangsal über uns bringen will, dann wird er es tun. Wir können uns noch so dagegen auflehnen. Gott wird sich nie bekehren, wir müssen uns bekehren. Gott wird nicht umkehren und sagen: „Es tut mir leid, ich habe falsch an dir gehandelt.“ Er wird es nicht tun. Wir müssen umkehren.
Hier sieht Hiob diese Erkenntnis und sagt: „Ja, ich hatte von dir gehört, aber jetzt sehe ich dich.“ Nun, Sehen ist ein höherer Grad der Erkenntnis als Hören – das ist hier die Bedeutung. Wir haben ja das Evangelium gehört, und das hat uns gerettet. Jetzt wandeln wir durch Glauben, ohne zu sehen. Aber wir werden den Herrn erst wirklich erkennen, wenn wir ihn sehen, wie er ist.
So bedeutet also Sehen einen höheren Grad der Erkenntnis – das meint Hiob hier: „Jetzt erkenne ich dich erst wirklich.“ Er ist also gewachsen in der Erkenntnis Gottes durch Gottes Erziehung an ihm. Und er ist dadurch auch gewachsen in der Selbsterkenntnis. Diese beiden gehen immer Hand in Hand. Er erkennt Gott, und dann erkennt er sich, wie er ist: „Ich verabscheue mich, ich bin all deiner Wohltaten nicht würdig.“
„Ich bin zu gering“, so sieht er sich jetzt.
Dann werden Hiobs Freunde auch mit Gott und mit Hiob versöhnt. Ich finde das großartig, großartig. Wir sehen hier die Treue Gottes. Wir hätten wahrscheinlich die Freunde Hiobs abgeschrieben und gedacht: „Ach, diese Lästerlichen, diese Plagegeister, die sollen spüren ihre Bosheit.“ Aber Gott redet zu ihnen und bringt sie zurecht, denn er will auch sie segnen.
Es geschah, nachdem der Herr diese Worte zu Hiob geredet hatte, da sprach der Herzog Eliphas dem Themaniter: „Mein Zorn ist entbrannt wider dich. Gott ist gerecht, er überführt der Sünde, er demütigt den Sünder und den, der gesündigt hat, auch den Heiligen, der gesündigt hat. Nicht geziemend habt ihr von mir geredet wie mein Knecht Hiob. Und nun nehmt euch sieben Pfarren und sieben Widder und geht zu meinem Knecht Hiob, opfert ein Brandopfer für euch. Hiob, mein Knecht, möge für euch bitten, denn ihn will ich annehmen, damit ich nicht an euch tue nach eurer Torheit. Denn nicht geziemend habt ihr von mir geredet wie mein Knecht Hiob.“
Also sagt Gott hier indirekt: Er wird nicht an ihnen tun nach ihrer Torheit. Bringt das Opfer, bringt dieses Opfer dar, dann will ich nicht tun nach eurer Torheit. Er bringt auch sie zurecht.
Und das Schöne ist, dass Eliphas, der lässig sagt, er habe ein offenes Ohr für Gottes Reden, für ihn muss es wirklich schwierig gewesen sein, ausgerechnet zu Hiob zu kommen und ihm zu verstehen geben: „Bitte bete für uns, dass wir wiederhergestellt werden.“ Das war für ihn furchtbar demütigend. Nämlich das Eingeständnis: „Wir haben uns an dir versündigt, wir haben dir Böses unterstellt und dir Unrecht getan.“
Aber wir sehen, dass die Abscheu vor diesem demütigenden Gang so groß war, seine Scheu vor Gott war größer, und darum tat er es. So werden alle wiederhergestellt: Hiob ist wiederhergestellt, seine Freunde sind mit Gott versöhnt und mit Hiob ausgesöhnt.
Dann besteht Gott darauf, das steht im Vers 10: „Der Herr wendete die Gefangenschaft Hiobs, als er für seine Freunde betete.“ Warum erst dann? Warum steht das erst hier? Wir denken doch, er sei ja schon gewendet, die Gefangenschaft.
Nein, erst hier. Denn auch Hiob muss mit seiner Fürbitte für seine Freunde zeigen, dass er ihnen nicht gram ist, ihnen nicht grollt, ihnen keine Sünde vorhält. Er wünscht ihnen Gutes. Wenn wir Fürbitte für jemanden tun, wünschen wir ihm Gutes. Er wünscht nicht so sehr, dass sie gesegnet werden.
Und Gott besteht darauf, dass auch Hiob aus seinem Herzen alle Bitterkeit entfernt. So sind alle mit Gott miteinander ausgesöhnt.
Nun, die Heilsgeschichte wird genau dieses Ende haben. Wenn wir dieses Ende haben, dann werden die Heiligen alle mit Gott vollkommen im Reinen sein, ehemalige Sünder mit Gott versöhnt und auch alle Heiligen untereinander vollkommen ausgesöhnt.
Was wird das sein? Was wird das sein?
Hiobs Wiederherstellung und die Ehre der Töchter
Ja, und Hiob bekam mehr als das Doppelte zurück. Noch zwei, drei Gedanken dazu, ich muss jetzt darauf achten, zum Schluss zu kommen.
Im Vers 10 heißt es: „Der Herr mehrte alles, was Hiob gehabt hatte, um das Doppelte.“ Danach wird aufgezählt: In Vers 12 segnete der Herr die Hände Hiobs mehr als seinen Anfang. Er bekam 14.000 Stück Kleinvieh. Zuvor hatte er 7.000 gehabt, wie in Kapitel 1 beschrieben. Außerdem 6.000 Kamele, 1.000 Jochrinder und 1.000 Eselinnen – von allem das Doppelte.
Außerdem wurden ihm sieben Söhne und drei Töchter geboren. Sieben Söhne – wie viele Töchter hatte er vorher? Drei. Warum werden hier nicht 14 Söhne und sechs Töchter genannt? Kann man den Wert einer Menschenseele einfach zählen? Sind zwei Menschen doppelt so viel wert wie ein Mensch?
Ein Mensch ist in Gottes Augen so wertvoll, dass selbst ein einzelner Mensch so viel wert ist wie alle anderen zusammen. Deshalb kann man den Wert von sieben Söhnen und drei Töchtern nicht einfach verdoppeln, indem man 14 Söhne und sechs Töchter gibt. Er bekommt auch hier das Doppelte.
Das Schöne ist, dass hier ausdrücklich etwas über die Töchter gesagt wird – das ist doch bemerkenswert. Hier ein Tipp für jemanden, der einen Namen für eine mögliche Tochter sucht: Jemima klingt gut, ist nicht allzu häufig und hat eine schöne Bedeutung – „Taube“. Kezia klingt etwas exotischer, und Keren-Happuch ist wahrscheinlich nicht gerade unser Geschmack.
Dann steht dort: „So schöne Töchter wurden im ganzen Land nicht gefunden.“ Nur von den Töchtern werden die Namen genannt, von den Söhnen nicht. Damit werden die Töchter vor den Söhnen geehrt.
Wird es nicht so sein, dass erst in der Wiederherstellung aller Dinge auch die Töchter, das heißt die Frauen, das bekommen werden, was ihnen im Laufe der ganzen Menschheitsgeschichte vorenthalten wurde – die Ehre, die wir ihnen zu geben schuldig sind?
Nun, ich bin wirklich kein Feminist, und ich glaube, das Schlimmste, was man Frauen antun kann, ist eben dieser Feminismus. Schlimmer kann man Frauen kaum erniedrigen, als es dadurch geschieht. Aber wir haben den Auftrag in 1. Petrus 3, Vers 7: „Ihr Männer, wohnt gleicherweise bei ihnen nach Erkenntnis als bei einem schwächeren Gefäß, dem weiblichen, und gebt ihnen Ehre.“
Ja, so sehen wir, dass 1. Petrus 3 begründet, warum wir ihnen Ehre geben sollen. Denn sie sind auch Miterben der Gnade des Lebens. In Hiob 42, Vers 15 steht: „Ihr Vater gab ihnen ein Erbteil inmitten ihrer Brüder.“ Sie sind Erben, Miterben, und darum sollen wir sie ehren.
Hiob lebte noch 140 Jahre nach diesem Unglück. Er sah Kinder und Kindeskinder, vier Geschlechter. Hiob starb alt und völlig gesättigt. Er lebte nach seinem Unglück so lange, dass die kurze Zeit seines Leids bald vergessen war. Sein Glück war so groß, dass alles Unglück damit nicht verglichen werden konnte.
Der Blick auf die zukünftige Herrlichkeit und das ewige Ziel
Ich schließe mit Versen, einem aus dem Alten und zwei aus dem Neuen Testament:
„Und die Befreiten des Herrn werden zurückkehren und nach Zion kommen mit Jubel, und ewige Freude wird über ihrem Haupte sein. Sie werden Wonne und Freude erlangen, und Kummer und Seufzen werden entfliehen.“ Jesaja 35,10.
„Denn ich halte dafür, dass die Leiden der Jetztzeit nicht wert sind, verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll.“ Römer 8,18.
Und schließlich: „Er wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ Offenbarung 21,4.