Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart. Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zum theologischen Denken anregen.
Am Mikrofon hört ihr Thomas Powileit, und mir gegenüber sitzt wieder einmal Antonia. Antonia, schön, dass du dir noch einmal Zeit genommen hast, um zu einem Podcast vorbeizukommen.
Ja, vielen Dank. Ich freue mich, dass ich wieder da sein darf.
Antonia, wir haben ja schon einen Podcast zusammen gemacht. Heute geht es um einen weiteren Podcast und ein ganz spannendes Thema, nämlich um den christlichen Erziehungspodcast „in Bindung“.
Das Wort „in Bindung“ ist dabei bewusst zusammengeschrieben. Es ist kein Schreibfehler, den ihr in den Show Notes lest. Die beiden Worte sind buchstäblich „in Bindung“ – also eng miteinander verbunden.
Diesen Podcast „in Bindung“ kann man auf allen gängigen Plattformen hören. Er wird immer beliebter, vor allem in freien Gemeinden, in denen die Besucher ihre Kinder christlich erziehen wollen.
Aber in Bindung vertritt vor allem einen Ansatz – und zwar sehr stark. Man hat den Eindruck, dass in Bindung polarisiert. Die Podcasterinnen betonen, Jesus habe einen bindungs- und bedürfnisorientierten Ansatz vorgelebt, den wir als Eltern übernehmen sollten. Alles andere scheint für sie nicht wirklich akzeptabel zu sein.
Wer den Podcast länger hört, fragt sich: Stimmt das, was die Sprecherinnen über die kindliche Entwicklung und die Reifungsprozesse sagen? Natürlich sind auch wir polarisierend. Wir haben diesen Podcast ja bewusst so genannt – das ist bei Inbindung nicht in Ordnung. Und „in Ordnung“ haben wir dann auch gleich so geschrieben wie „in Bindung“, nämlich zusammen.
In diesem Podcast werden wir auch kritische Punkte ansprechen. Das finde ich wichtig. Mich hat letztens jemand angerufen und erzählt, dass es in seiner Gemeinde bereits Gruppen gibt, die nach dem Konzept von Inbindung erziehen, und andere, die es nicht tun. Die beiden Gruppen können kaum noch gut miteinander. Hier gibt es also tatsächlich schon zwei Pole. Natürlich kann man das nicht allein Inbindung anlasten, aber es hat doch mit der Gedankensaat zu tun.
Uns geht es heute darum, wie der geistliche Inhalt des Podcasts zu bewerten ist. Kann man diesen Podcast guten Gewissens hören? Sollte man besser die Finger davon lassen? Oder liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen?
Also fangen wir mal von vorne an.
Antonia, du hast ja einige der Inbindung-Podcasts gehört. Erzähl doch mal, wer diese Podcasts macht und was das Ziel der Podcaster ist.
Das Team von Inbindung besteht aktuell aus vier Mamas. Seit Anfang 2020 sind sie auf Instagram aktiv, wo sie regelmäßig Impulse und Denkanstöße rund um das Thema Elternschaft und christlicher Glaube weitergeben. Kürzlich ist auch ihr Buch „Inbindung wachsen“ erschienen.
Die vier Mamas machen zudem einen Podcast, um den es jetzt geht. Wie du schon gesagt hast, habe ich mir einige, aber nicht alle Podcastfolgen von Inbindung angehört. Das, was ich heute ansprechen werde, sind Gedanken zu diesen Folgen. Ich werde nicht auf alles eingehen, was mir wichtig wäre, denn dazu fehlt einfach die Zeit.
Für jetzt habe ich versucht, herauszuarbeiten, was die Grundlage des gesamten Podcasts bildet. Dabei möchte ich die wichtigsten Punkte nennen.
Wenn du eine Podcastfolge startest, wirst du von der jeweiligen Sprecherin folgendermaßen begrüßt: „Herzlich willkommen zu In Bindung, der christliche Podcast für bindungs- und bedürfnisorientierte Erziehung. Wir wollen Kinderherzen verstehen, Elternherzen erreichen, Gott mit neuen Augen sehen.“
In den neueren Folgen starten sie mit: „Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von In Bindung – in Verbindung leben, zu deinem Kind, dir selbst und zu Gott.“
Das ist auch die Kurzfassung ihrer Vision.
Das Ziel der Frauen ist es, so sagen sie selbst, Eltern aufzuzeigen, wie sehr der bindungs- und bedürfnisorientierte Ansatz von Elternschaft dem entspricht, was Jesus vorgelebt hat. Sie zeigen, wie sehr es dem entspricht, wie Gott die Beziehung zu uns möchte – nicht nur im Umgang mit unseren Kindern, sondern auch im Umgang mit uns selbst und anderen.
Grundlage dabei sind unter anderem das Wissen aktueller Gehirnforschungen sowie Erkenntnisse über die kindliche Entwicklung. Besonders berücksichtigt wird die Arbeit von Gordon Neufeld, einem kanadischen Entwicklungspsychologen.
Worum geht es im Podcast? Was ist der Schwerpunkt? Im Mittelpunkt steht die Entwicklung und Begleitung von Kindern in den ersten sechs bis sieben Lebensjahren. Bei Kindern mit Hochsensibilität verschiebt sich dieser Zeitraum etwas nach hinten, also auf etwa acht bis neun Jahre.
Diese Zeit ist besonders wichtig, da das menschliche Gehirn in diesem Alter den größten Veränderungs- und Lernprozessen unterliegt. Außerdem ist diese Phase prägend für das weitere Leben. Trotzdem lassen sich viele Erkenntnisse auch auf die folgenden Erziehungsjahre übertragen.
Die Sprecherinnen arbeiten mit dem Konzept der gewaltfreien Kommunikation. Sie beziehen christliche Literatur mit ein und forschen in Gottes Wort. Dabei laden sie immer wieder dazu ein, Jesu Umgang mit uns als Vorbild für den Umgang und die Begleitung unserer Kinder zu sehen.
Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Der Podcast richtet sich nicht an Eltern von Teenagern oder Ähnlichem, sondern ausschließlich an die Begleitung in der Spanne der ersten sechs bis sieben Jahre – beziehungsweise bei hochsensiblen Kindern bis etwa acht bis neun Jahre.
Ja, von welchen Aussagen in dem Podcast kann ich denn profitieren? Was kann ich als christliche Mutter oder christlicher Vater vom Inbindungspodcast mitnehmen?
In unserem letzten Podcast, den wir zusammen gemacht haben, haben wir darüber gesprochen, dass Kindheit eine Zeit intensiver und starker Entwicklung ist. Kindheit ist eine Phase, in der Wachstum hin zur Reife stattfinden darf und soll. Sie ist eine notwendige Vorbereitung auf die nachfolgenden Lebensphasen. Deshalb brauchen wir als Eltern ein Verständnis über Sinn und Bedeutung der Kindheit, um unsere Kinder richtig begleiten und anleiten zu können.
An dieser Stelle können wir uns viel Wissen zunutze machen, das uns die Sprecherinnen weitergeben. Das Wissen über kindliche Entwicklung, über Reifungsprozesse, über Emotionen, deren Entwicklung und Sinn sowie über Bindungsverhalten ist eine große Hilfe, um das Verhalten unserer Kinder besser zu verstehen. Damit können wir sie besser in ihrer Entwicklung und Reifung begleiten und anleiten.
Wenn wir dieses Hintergrundwissen haben, dass unsere Kinder in vielen Bereichen noch unreif sind, kommen wir ins Nachdenken. Wir fragen uns, ob wir vielleicht zu viel von unseren Kindern erwarten. Fähigkeiten wie Impulskontrolle, logisches Denken, Empathie und Rücksichtnahme müssen sich erst noch entwickeln.
Darauf basierend dürfen wir unsere Einstellungen zu Themen wie Teilen, Sich-entschuldigen oder dem Nein eines Kindes überdenken. Wir beginnen, hinter das Verhalten zu blicken, anstatt es einfach zu bewerten und zu verurteilen. Wir kommen zu dem Entschluss, dass es unsere Verantwortung als Eltern ist, unsere Kinder in diesen Prozessen zu unterstützen. Wir begleiten und fördern unsere Kinder darin, Schritt für Schritt in diesen Bereichen zu reifen, anstatt nur ein reifes Verhalten einzufordern.
Das sind also alles Dinge, die du jetzt aufgezählt hast, die ich durch Inbindung lernen kann, oder?
Genau, ja. Ein weiterer Punkt, der darauf aufbaut, ist zum Beispiel, dass Inbindung sogenannte Erziehungserfolge hinterfragt. Hier klärt der Podcast darüber auf und zeigt, was im Kind selbst passiert.
Nehmen wir als Beispiel: Das Kind wird nach einem Wutanfall, bei dem es körperlich gegen das Geschwisterkind vorgegangen ist, zur Strafe auf sein Zimmer geschickt. Es soll über sein Verhalten nachdenken und darf wiederkommen, wenn es sich beruhigt hat und wieder lieb ist. Das Kind kommt nach einer Weile zurück, offensichtlich ruhig. Die Erziehungsmaßnahme scheint also erfolgreich.
Oder vielleicht doch nicht? Hat ein Kind, das noch dabei ist, Fähigkeiten wie den Umgang mit seinen Gefühlen, Impulskontrolle und Empathiefähigkeit zu entwickeln, wirklich darüber nachgedacht, dass es nicht lieb war? Abgesehen davon: Was heißt überhaupt „lieb sein“ oder „nicht lieb sein“? Hat es nicht vielmehr erlebt, dass es nicht mehr willkommen und liebenswert ist, so wie es gefühlt und gehandelt hat? Hat es nicht eher erfahren, dass es in seiner Not allein gelassen wurde, weil es sich nicht anders ausdrücken konnte?
Hat das Kind wirklich eine Strafe gebraucht, um zu begreifen, dass Hauen nicht die beste Lösung ist? Oder hat es vielleicht etwas ganz anderes gebraucht?
Dass die Podcasterinnen in diesem Alter von Autonomie statt von Trotzphase sprechen, finde ich echt super. Denn es ist nichts anderes als das Streben nach Autonomie. Dieses Streben ist völlig normal, gesund und notwendig auf dem Weg zum Großwerden. Es ist ein Zeichen der Reifung.
Wir dürfen diese Phase, in der alles Nein ist, in der unsere Kinder alles selbst machen wollen und wir als Eltern „eigentlich alles verkehrt machen und gar nichts richtig machen können“, als Streben nach Autonomie betrachten. Das ist zunächst eine wertfreie Beobachtung: Unser Kind löst sich von uns.
Wir betrachten das Verhalten unseres Kindes nicht mehr als gegen uns gerichtet. Die Fragestellung darf jetzt sein: Wie kann ich mein Kind in diesem Bestreben begleiten? Wie kann ich gleichzeitig Grenzen setzen und liebevoll führen, damit es bei all dem Ausprobieren sicher ist?
Ich finde es gut, Antonia, dass du benennst, was auch an dem Podcast hilfreich ist. Das ist so ein bisschen eine Krankheit von Evangelikalen, dass Kritik oft sehr pauschal rüberkommt und gar nicht deutlich wird, was auch gut ist. Gut ist also, dass der Podcast den Schwerpunkt mehr auf die Veränderung der Einstellung des Kindes setzt als nur auf bloße Verhaltensänderung.
Gibt es noch etwas, das man lernen kann, wenn man den Podcast hört?
Ja, die Podcasterinnen fordern uns Eltern immer wieder auf, uns mit dem großen Thema Emotionen auseinanderzusetzen. Aufgrund der Unreife des Gehirns sind Kinder in den ersten Lebensjahren nämlich primär von Emotionen gesteuert. Die Möglichkeit, Logik und Worte zu nutzen, um Gefühle auszudrücken, entwickelt sich erst mit der Zeit.
Deshalb ist es so wichtig, dass unsere Kinder ihre Gefühle ausdrücken und erleben dürfen. Es ist wichtig, sie mit ihren Gefühlen auszuhalten, sie zu begleiten und sie darauf aufbauend sprachfähig zu machen. Nur wenn sie wissen, was warum in ihnen vor sich geht und dass grundsätzlich jedes Gefühl in Ordnung ist, können sie mithilfe unserer Anleitung lernen, einen konstruktiven Umgang damit zu finden.
Nur wenn sie ein Vokabular für ihr emotionales Erleben haben, können sie sich entsprechend mitteilen.
Das Wissen über Emotionen an sich darf uns Eltern eine große Hilfestellung im Verständnis des kindlichen Verhaltens sein und daraus folgend in der Begleitung unserer Kinder.
Ja, in unserem letzten Podcast haben wir auch darüber gesprochen, dass Erziehung im liebevollen, vertrauten Rahmen einer familiären Beziehung stattfinden sollte. Ich vermute, auch das müsste ein großes Thema bei der Entbindung sein, oder?
Ja, da hast du recht. Die Podcasterinnen betonen klar, welchen hohen Stellenwert die intime, vertrauensvolle Beziehung zwischen Eltern und Kind in der Erziehung hat – für die gesunde Reifung eines Kindes. Ich finde es sehr wertvoll, dass sie immer wieder die Liebe zu unseren Kindern hervorheben.
In einer Folge wird gesagt: Nicht jedes Kind, das von seinen Eltern geliebt wird, spürt diese Liebe auch.
Unsere Kinder leben im Hier und Jetzt. Daher müssen sie beständig und unabhängig von dem, was sie tun, wissen, spüren und fühlen, dass sie bedingungslos geliebt und angenommen sind. In der Bindung stellt sich die Frage: Muss sich mein Kind für Liebe, Wertschätzung, Respekt, Zuneigung und Beziehung anstrengen? Muss es sich diese Bedürfnisse regelrecht mit Gehorsam beziehungsweise dem, was wir darunter verstehen, verdienen? Oder erfülle ich den Hunger nach diesen grundlegenden Bedürfnissen, ohne dass es etwas dafür tun muss?
Auch wertvoll ist der Hinweis darauf, dass unser Umgang mit unseren Kindern deren Selbstbild und außerdem deren Gottesbild prägt. Was leben wir ihnen vor? Wie vermitteln wir ihnen unsere Liebe und Wertschätzung? Wie leben wir unsere elterliche Autorität und wie gestalten wir Beziehung, bauen und halten Vertrauen?
Das ist die alte Wahrheit: Wir können unseren Kindern erzählen, was wir wollen, sie machen uns doch alles nach. Deshalb ist es wichtig, nicht nur das Kind zu erziehen, sondern auch zu hinterfragen, was mich in meiner Erziehung antreibt.
Genau, diese Frage stellen die Podcasterinnen auch immer wieder: Warum erziehe ich eigentlich so, wie ich erziehe? Was leitet meine Gedanken und mein Handeln gegenüber meinen Kindern? Sie laden dazu ein, diesen Fragen nachzugehen: Welche Ängste stecken hinter meinem Verhalten? Welche Glaubenssätze habe ich? Sind sie förderlich oder schränken sie mich, meine Beziehung zu meinen Kindern und meine Kinder in Wirklichkeit nur ein?
Ich finde es auch wichtig, dass im Zusammenhang mit Bindung die Thematik von Belohnung und Bestrafung beleuchtet wird. Hier braucht es einen neuen Blick auf das Konzept und die Sinnhaftigkeit von Belohnung beziehungsweise Lob sowie auf das der Bestrafung.
Sind Eltern möglicherweise zu oft und zu schnell dabei, Strafen auszusprechen, weil sie meinen, Kinder würden nur auf diese Weise lernen, gehorsam zu sein? Kann ein Kind ein Gespür dafür bekommen, was richtig ist, nur durch Konsequenzen wie Trennung, Entzug von Privilegien, Beschämung und Liebesentzug? Oder gibt es auch andere Wege, einem Kind bewusst zu machen, dass sein Verhalten nicht in Ordnung war, ohne dass die Bindung und Beziehung darunter leiden? Dabei sollte das Vorgehen dem Entwicklungsstand des Kindes entsprechen.
Wichtig und richtig finde ich auch die Anregung, die eigene Sprache zu reflektieren. Denn meine Sprache drückt beispielsweise die Haltung meinem Kind gegenüber aus. Vermittle ich meinem Kind durch das, was ich sage, Wertschätzung und Respekt? Oder beschäme ich es eher?
Hier können wir beispielsweise auf Äußerungen wie „immer“, „nie“, „ständig“ verzichten und wertende Aussagen vermeiden. So kann Entbindung dazu beitragen, eine respektvolle und unterstützende Kommunikation zu fördern.
Was wir aus diesem Podcast lernen können
Trotzdem gibt es einige kritische Punkte, die auf den ersten Blick nicht sofort auffallen. Sie sind jedoch vorhanden, und wir wollen auch darüber sprechen. So wird deutlich, dass man bei allem Positiven in diesem Podcast diese Punkte nicht einfach unreflektiert übernehmen sollte. Andernfalls merkt man möglicherweise nicht, wie sich das eigene Denken in einigen wesentlichen Bereichen verändert.
Was sind solche kritischen Punkte? Was ist dir aufgefallen, Antonia?
Ganz am Anfang habe ich erwähnt, dass die Podcasterinnen in der Besprechung einzelner Themen christliche Literatur heranziehen, um Aussagen zu untermauern oder zu vertiefen. Dabei gibt es allerdings unterschiedliche Arten christlicher Literatur. Bei genauerem Hinschauen habe ich festgestellt, dass die christlichen Autoren, die zitiert werden, hauptsächlich dem Glauben der Siebenten-Tags-Adventisten angehören. Zum Beispiel Alan Goldwight, Ty Gibson oder Larry Crabb. Auf meine Rückfrage konnte mir eine Sprecherin bestätigen, dass auch das Team selbst den Siebenten-Tags-Adventisten angehört.
Wir wissen, dass der Glaube der Siebenten-Tags-Adventisten auch falsche Lehren enthält. Das betrifft beispielsweise das Verständnis von Erlösung und Sündenvergebung. Da diese Lehren für die Anhänger der Siebenten-Tags-Adventisten zum grundlegenden Glaubensverständnis gehören, muss geistliche Literatur aus diesem Umfeld sicherlich sorgfältig geprüft werden.
Das ist ein sehr wichtiger Punkt, Antonia. Natürlich muss man vorsichtig sein mit zu allgemeinen Behauptungen gegenüber Adventisten, denn es gibt viele Adventisten, die wiedergeborene Christen sind. Die eigentliche Lehre der Adventisten kennt jedoch keine Hölle und damit auch keinen strafenden Gott. Sie geht davon aus, dass Menschen komplett ausgelöscht werden. Für manche ist Erlösung mehr Werkgerechtigkeit als alles andere. Gerade das Halten des Sabbats spielt für die meisten eine große Rolle, ebenso wie das Befolgen verschiedener alttestamentlicher Gebote. Auch Speisegebote sind für Adventisten wichtig. Gesundheits- und Ernährungsfragen sind für sie enorm bedeutend, ebenso wie die quasi prophetischen Schriften von Ellen G. White, die von nicht wenigen Adventisten als prophetisch verehrt werden.
Es gibt also einiges sehr Fragwürdiges an der Lehre der Adventisten. Ich finde es wichtig, dass du das ansprichst, denn das ist der theologische Hintergrund, aus dem die Podcasterinnen kommen.
Deshalb würde ich auch die im Podcast angeführten Bibelstellen grundsätzlich prüfen. Ich würde schauen, ob sie richtig ausgelegt sind und ob sie wirklich zum Kontext der jeweiligen Aussage passen. Nur weil etwas sinnvoll klingt, heißt das nicht, dass hier korrekt gearbeitet wurde.
Ein Beispiel ist die Stelle aus Hesekiel 36,26, die in Folge 4.6 „Ich will dir alles erzählen“ zitiert wird.
Es werden immer wieder Aussagen gemacht, die nicht ganz stimmen. Beispielsweise zitiert die Sprecherin in Folge 4.4 aus dem Buch „Schritte zu Jesus“ von Alan Goldwight, dass Jesus nie ein hartes Wort gesprochen und die Unreife der Menschen nicht getadelt hätte. Dieser Punkt taucht immer wieder auf. Wenn wir jedoch in die Bibel schauen, lesen wir etwas ganz anderes. Es klingt gut und fügt sich wunderbar in den Kontext der Folge ein, ist aber nicht wahr.
Diese Unreife hat nichts mit entwicklungsbedingter Unreife von Kindern zu tun. Möglicherweise wäre es hier sinnvoll gewesen, anzusprechen, dass es bei Jesus ein eindeutiges Nein zur Sünde und gleichzeitig ein eindeutiges Ja zur Person gibt. Daraus hätte sich die Frage ergeben können, wie man das in der Elternschaft leben kann.
Die Sprecherinnen begründen ihre Sichtweisen mit biblischen Wahrheiten, die ich so in der Bibel nicht finden kann. Ein Beispiel: Ich hatte vorhin schon die Thematik um Bestrafung erwähnt. Die Sprecherinnen lehnen Strafe, besonders Strafe durch Trennung, grundsätzlich ab, weil Gott nicht durch Trennung strafen würde. Sie sprechen nicht an, dass Gott Ungehorsam straft, sondern bleiben dabei, dass Gehorsam immer aus Liebe geschieht.
Allerdings kann Gehorsam auch aus Angst geschehen. Ich habe den Eindruck, dass hier die adventistische Theologie mitschwingt: Gott ist immer nur Liebe, er straft nicht, die Hölle gibt es nicht.
Du hast zum Beispiel über Trennung gesprochen. Ganz am Anfang der Bibel ist die Trennung ja eine Strafe, als Gott sagt, ihr sollt aus diesem Garten hinausgehen.
Genau. Die Bibel spricht deutlich davon. Dein Beispiel ist die Vertreibung aus dem Paradies. Das war eine Strafe. Auch im Psalm 78 wird beschrieben, wie Gott Israel gestraft hat, weil sie ungehorsam waren.
Die Behauptung von Entbindung „Gott straft nicht“ passt zwar in den Kontext der entsprechenden Folgen und erscheint sinnvoll. Dennoch finde ich es sehr wichtig, das Konzept des Strafens zu überdenken. Im Umkehrschluss heißt das für uns Eltern nämlich nicht, dass wir strafen müssen, nur weil Gott straft, oder dass jegliches Fehlverhalten geahndet werden muss.
Strafe ist biblisch, und die Begründung, die Entbindung bringt, ist falsch. Diese Spannungen müssen angesprochen werden. Sollen wir unsere Kinder strafen? Was soll ich strafen? Was ist Ungehorsam, was ist Gehorsam? Ist mein Kind wirklich ungehorsam oder handelt es einfach unreif? Wie kann ich meinem Kind Gehorsam lehren im Sinne der Punkte, die wir in der vorangegangenen Podcastfolge besprochen haben?
Das sind entscheidende Fragen, die bei Entbindung gar nicht vorkommen, weil Strafe dort nicht vorkommt mit der Begründung: Gott straft nicht.
Aus biblischer Sicht müsste Bindung aber auch anerkennen, dass wir als Menschen von Natur aus Sünder sind. Auch Kinder können sich ab einem bestimmten Alter nicht einfach für das Gute entscheiden, weil die Sünde in ihrem Leben eine Macht ist, gegen die sie nicht allein ankommen.
In Bindung wird diese Frage aufgegriffen. Zum Beispiel in Folge 6 wird über die Aussage gesprochen, ein Kind werde böse geboren – das biblische Menschenbild.
Hier finde ich es wirklich schade, dass der Podcast bei diesem konkreten Thema um den heißen Brei herumredet. Die Spannung, die zwischen dem Konzept kindlicher Unreife und dem Konzept „Sünder von Geburt an“ entsteht, wird mehr oder weniger umgangen.
Gerade hier wäre es notwendig gewesen, diese Spannung anzusprechen. Was bedeutet es, dass der Mensch in Sünde geboren ist? Was ist der Unterschied zwischen der Sünde und der Tatssünde? Welche Rolle spielt die Unreife meines Kindes dabei?
Das Wissen um kindliche Entwicklung und Unreife trägt zum einen dazu bei, zu wissen, was ich in welchem Alter erwarten kann. Zum anderen hilft es, das Verhalten unserer Kinder besser einzuordnen. Außerdem unterstützt dieses Wissen, Fehler oder falsches Verhalten entwicklungsentsprechend anzugehen.
Fehlt dir in den Podcastfolgen noch etwas? Man muss ja nicht immer nur fragen, was falsch dargestellt wird, sondern auch, was fehlt. Wenn bestimmte Dinge nie vorkommen, sollte man skeptisch werden und sich fragen: Warum wird dieser Gedanke nie angesprochen, obwohl es doch so viele Folgen, auch von Entbindung, gibt?
Mir fehlt insgesamt in den Podcast-Folgen die geistliche Perspektive auf unseren Erziehungsauftrag als gläubige Eltern. Ich stimme dem Podcast darin zu, dass Hintergrundwissen zum Verstehen und Begleiten unserer Kinder notwendig ist. Ebenso halte ich es für richtig, dass stabile, liebevolle Beziehungen und ein guter Umgang mit Emotionen die Grundlage für eine gesunde Entwicklung bilden.
Doch hier dürfen wir als Eltern nicht stehenbleiben. Was ist unser höchstes Ziel? Sicherlich möchten wir, dass unsere Kinder zu reifen Persönlichkeiten heranwachsen. Und ja, wir sind als Erwachsene dafür verantwortlich, ihnen den bestmöglichen Nährboden dafür zu geben. Aber als gläubige Eltern wollen wir doch mehr, als unsere Kinder in Anführungszeichen „nur gut“ zu erziehen.
In der vorangegangenen Folge habe ich davon gesprochen, dass Gott die Herzen unserer Kinder darauf vorbereitet hat, an ihn zu glauben. Hier könnten wir uns fragen: Wie genau kann das Erreichen der Herzen unserer Kinder aussehen? Die Podcasterinnen betonen wiederholt, dass der von ihnen vorgeschlagene Erziehungsweg Umdenken und Veränderung erfordert. Besonders meine eigene innere Veränderung ist dabei gemeint. In diesem Punkt stimme ich ihnen voll zu.
Aber woher kommt diese Veränderung in mir selbst? Bestenfalls von kurzer Dauer, denn wahre Veränderung kommt von Gott – sowohl meine eigene als auch die meiner Kinder. In den einzelnen Folgen wirkt es manchmal so, als würde gute Erziehung die Notwendigkeit der Erlösungsbedürftigkeit unserer Kinder überflüssig machen. So nach dem Motto: „Pumpe nur genug Gutes rein, dann kommt auch Gutes raus, Erlösung überflüssig.“ Das wäre fatal.
Laut Bibel ist es nicht unsere Aufgabe, das Böse und Sündige aus unseren Kindern herauszubekommen. Unser Auftrag ist es vielmehr, sie zu Gott, zur Quelle des Lebens und der Liebe, zu führen – dorthin, wo all ihre Bedürfnisse gestillt werden können. Es ist unsere Aufgabe, ihre Herzen darauf vorzubereiten, eine Entscheidung für Gott zu treffen.
Aber das müssen und dürfen wir niemals aus eigener Kraft tun. Wir haben den Heiligen Geist als Beistand und Führung. Wir dürfen darum bitten, dass beispielsweise Galater 5 oder 1. Korinther 13 im Umgang mit unseren Kindern Realität werden. Gerade in der Erziehung unserer Kinder haben wir das unglaubliche Privileg, in vollkommenem Vertrauen und vollkommener Abhängigkeit von Gott zu handeln.
Denn wir selbst können es nicht schaffen. Vielmehr dürfen wir uns als Gottes Werkzeuge gebrauchen lassen. Diese Aspekte werden selten, wenn nicht sogar gar nicht angesprochen. Dabei halte ich sie für sehr wichtig. Gute Erziehung ist wichtig, ja, das stimmt. Aber die Erlösungsbedürftigkeit unserer Kinder bleibt.
Als Eltern können wir das Herz unserer Kinder nicht verändern, das kann nur Gott. Das ist völlig richtig. Deshalb ist es so wichtig, für unsere Kinder zu beten, mit leeren Händen dazustehen und auf Gottes Handeln an unseren Kindern zu warten – aber auch damit zu rechnen.
Wenn wir zusammenfassen, gibt es bei Entbindung hilfreiche Ansätze und auch Dinge, die kritisch betrachtet werden müssen. Es gibt Aussagen, hinter denen man stehen kann, und solche, die problematisch sind.
Zu den Aussagen, die ich unterstütze, gehört zunächst, dass Erziehung damit beginnt, dass Gott mich verändert, indem er mir mein Denkmuster zeigt. Bin ich bereit zu fragen: Warum werde ich wütend, wenn meine Kinder dieses oder jenes tun? Warum lösen immer wieder dieselben Situationen etwas in mir aus? Bin ich bereit, an mir zu arbeiten?
Außerdem ist es wichtig, die Unreife unserer Kinder im Blick zu haben und sie als etwas Entwicklungsbedingtes zu betrachten. Wir sollten unsere Kinder bindungs- und bedürfnisorientiert auf ihrem Weg zur Reife begleiten. Das ist weder neoliberales noch antiautoritäres oder antibiblisches Verhalten. Es entspricht einfach der Natur unserer Kinder und der Art, wie Gott sie geschaffen hat.
Dabei schließt sich das keinesfalls aus mit dem Ziel, Gott Ehre zu machen und an biblischen Wahrheiten festzuhalten. Im Gegenteil: Es bedeutet, unseren Kindern ein Stück davon vorzuleben, wie unser himmlischer Vater mit uns umgeht.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Erziehung bedeutet nicht, dass unsere Kinder möglichst viele Regeln und Verbote sofort und immer befolgen müssen. Es bedeutet auch nicht, ihnen mit Druck und Zwang das aufzuzwingen, was wir Eltern gerade möchten. Erziehung benötigt Beziehung.
Worauf liegt unser Fokus? Wir reden oft von der Liebe und Gnade Gottes zu uns Menschen, aufgrund derer wir zur Umkehr bewogen werden. Bei unseren Kindern ist unser Blick jedoch zu oft darauf gerichtet, ihr Verhalten zu ändern oder zu stoppen. Wir ringen unseren Kindern bei Fehlverhalten eine Entschuldigung ab und fügen noch eine Strafe hinzu, damit sie es auch wirklich begreifen.
Vielleicht sagen wir dabei noch so etwas wie: „Eigentlich will ich das gar nicht, aber du warst ungehorsam, und Gott straft Ungehorsam.“ Das ist extrem fragwürdig. Ist das das Bild, das wir unseren Kindern von Gott vermitteln wollen? Ist das das Bild, das wir von Gott haben?
Unser Ziel sollte sein, unsere Kinder entwicklungsentsprechend zu führen. Dabei sollten wir ihnen biblische Werte, Korrektur und liebevoll-konsequente Disziplin auf eine dem Entwicklungsstand des Kindes entsprechende Art und Weise vermitteln. Außerdem sollten wir ihre Herzen erreichen und sie auf einen Weg mit Gott vorbereiten.
Das sind einige sehr wichtige Punkte, die du ja auch beim eigenen Bibelstudium entdeckt hast und die auch von Inbindung betont werden.
Wir haben aber auch einige kritische Punkte angesprochen. Welche davon sind dir besonders wichtig, um das noch einmal zusammenzufassen?
Ich finde es schade, dass viele Spannungsfelder einfach umgangen werden, warum auch immer. Es geht um Fragen, die mit Sicherheit viele christliche Eltern haben. Vielleicht passt das nicht zur adventistischen Theologie.
Allgemein kritisch sehe ich, dass die Wahrheit der Entbindung oft ohne Frage weitergegeben wird, gepaart mit Halbwahrheiten oder Fehlinformationen – besonders was den geistlichen Aspekt angeht. Man muss oft sehr genau hinhören, um das Wahre vom Falschen unterscheiden zu können. Das bedeutet, dass hier differenziertes Zuhören und Mitdenken nötig ist.
Vielleicht ist es deshalb gut, den Podcast mehrfach zu hören. So fallen die falschen biblischen Bezüge eher auf, wenn man anschließend darüber spricht.
Inbindung ist also eine Quelle, aus der meiner Meinung nach sowohl Gutes als auch Falsches kommt.
Vielen Dank, Antonia, dass wir uns so ausführlich über diesen immer beliebter werdenden Podcast unterhalten konnten. Es wurde auch deutlich, dass es Dinge gibt, die bei der Einbindung tatsächlich nicht in Ordnung sind, trotz allem, was ich dort lernen kann.
Wer es nicht gewohnt ist, kritisch hinzuhören, dem empfehle ich, erst gar nicht hineinzuhören. Und wer kritisch hören kann, der wird sortieren müssen.
Ja, das war er wieder, der Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Wir hoffen, ihr konntet einige Erziehungsimpulse für euch mitnehmen. Gleichzeitig solltet ihr aber auch verstanden haben, dass nicht alle Erziehungskonzepte mit der Bibel übereinstimmen.
Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns gerne unter podcast@efa-stuttgart.de. Wenn ihr Fragen direkt an Antonia habt, könnt ihr sie ebenfalls an uns senden. Wir leiten sie dann gerne an sie weiter.
Wir wünschen euch Gottes Segen und freuen uns, wenn ihr am nächsten Mittwochmittag wieder dabei seid, wenn unser neuer Podcast erscheint.