Stolz als wunde Stelle im Herzen
Liebe Gemeinde,
es gibt einen wunden Punkt in unserem Herzen, an dem die Hässlichkeit der Sünde besonders deutlich wird. Eine bestimmte Haltung in unserem Leben macht das Wesen der Schuld besonders klar. Dieser wunde Punkt, diese innere Haltung, hat einen Namen: Stolz.
Wenn wir von Stolz sprechen, meinen wir nicht den Stolz in seiner umgangssprachlichen Bedeutung. Damit ist nicht gemeint, wenn sich jemand dankbar über etwas freut, zum Beispiel über ein Geschenk oder einen Erfolg. So sagt man etwa: „Ich bin stolz darauf, dass das so gut geklappt hat“, und ist dabei dankbar.
Hier ist jedoch nicht dieser Stolz gemeint, sondern der Stolz im theologischen, biblischen Sinn – der selbstgerechte Hochmut. Im Gegensatz zur Demut steht dieser Stolz. Das griechische Wort dafür lautet Hybris.
Dieser Stolz hat viele Gesichter, und das Tückische daran ist, dass wir nicht immer offen erkennen, wo wir selbst stolz sind. Dieser Stolz kann sich sogar hinter einer Fassade der Demut verstecken.
Es ist nicht immer so leicht zu erkennen wie bei einem jungen Kollegen, der im Krankenhaus gelegen hatte, fast gestorben wäre und dann doch wieder von Gott durchgebracht wurde. Es ging ihm wieder besser. Ein älterer Pastor besuchte ihn, freute sich mit ihm und sprach mit ihm über all die Möglichkeiten des Wirkens und Dienstes, die Gott in der Zukunft noch für ihn bereithält.
Da kam es dem jungen Geistlichen so über die Lippen: „Ja, ich fühle es auch, der Herr bedarf meiner.“
Daraufhin sagte der ältere Pfarrer: „Mein lieber Freund, in meiner Bibel stehen die Worte: ‚Der Herr bedarf seiner nur einmal‘ – und da sind sie bezogen auf einen Esel.“
Sie wissen, das ist der Esel, auf dem Jesus in Jerusalem eingeritten ist, kurz vor dem Passahfest.
Gottes Unabhängigkeit von uns Menschen
Da ist es relativ einfach, den Stolz aufzudecken. Gott bedarf unserer nicht; er braucht keinen von uns, keinen. Gott kann sein Werk auch ohne uns tun. Wir sind alle ersetzbar, von heute auf morgen. Gott kann uns morgen beiseite stellen und einen anderen an unsere Stelle setzen. Er braucht uns nicht. Und wir können einfach nur dankbar sein, wenn wir bei ihm mitarbeiten dürfen.
Es ist das größte Privileg, das es für einen Menschen gibt. Aber wir müssen wissen: Gott bedarf unserer absolut nicht. Er könnte ganz genauso gut ohne uns auskommen. Diese Art von Stolz ist schnell aufzudecken.
Oft ist es jedoch schwieriger, den Stolz zu erkennen. Der Sitz des Stolzes ist nämlich unser Herz. Wie Jesus gesagt hat: „Aus dem Herzen kommen die bösen Gedanken.“ Das ist die Schaltzentrale unseres Denkens und Fühlens.
Beim Nichtchristen zeigt sich der größte Stolz darin, dass er sich nicht vor Gott beugen will. Er will nicht zugeben, dass Gott Recht hat. Er will nicht zugeben, dass er ein Sünder ist und die Vergebung durch Jesus Christus braucht. Ohne diese Vergebung hätte er keine Chance, der Hölle zu entkommen. Das ist das Problem des Basisstolzes des Nichtchristen.
Aber auch beim Christen gibt es noch Restbestände von Stolz. Damit machen wir unseren Mitchristen das Leben schwer. Noch viel schlimmer ist, dass wir dadurch gegen Gott sündigen.
Die große Frage ist nun: Wie werden wir dieses Problems Herr? Wie können wir damit umgehen und ihm beikommen?
Nebukadnezar als Beispiel für Gottes Umgang mit Stolz
Da haben wir jetzt unseren Predigttext über Nebukadnezar. Das ist ein wunderbares Fallbeispiel dafür, wie ein Stolzer gebeugt wird. Und das wird auch das Thema heute Morgen sein: Besser spät als nie – oder wie ein Stolzer gebeugt wird. Das werden wir an Nebukadnezar heute Morgen sehen.
Der letzte Satz auf Ihrem Gottesdienstzettel, auf dieser Darstellung des Predigttextes, also Vers 34 – Sie finden ihn auf der Rückseite –, ist ein Zitat Nebukadnezars selbst. Er sagt dort: „Und wer stolz ist, den kann er, nämlich Gott, demütigen.“ Das ist der letzte Vers, und damit ist alles eigentlich zusammengefasst. Das ist das letzte Wort, das wir von Nebukadnezar überhaupt erfahren, aus seinem Munde.
Nebukadnezar stellt das hier nicht nur so in den Raum als eine allgemeine These, sondern dahinter steckt seine ganze leidvolle, schmerzliche Erfahrung. Aber er sagt es am Ende dann auch fröhlich und dankbar: „Wer stolz ist, den kann er demütigen, und ich bin Gott dankbar, dass er es an mir getan hat.“
Wir fragen uns natürlich jetzt: Wie kommt ein Weltherrscher dazu, gegen Ende seines Lebens dankbar zu bekennen, dass Gott den Stolzen demütigen kann? Wie kommt ein Weltmonarch dazu, so etwas zu bekennen? Die Antwort finden Sie hier in Ihrem Predigttext, Daniel 4. Das ist das Finale von Nebukadnezars Herrschaft und Nebukadnezars Leben.
Nebukadnezars Traum und Gottes Botschaft
Letzten Sonntag haben wir die ersten 24 Verse von Daniel Kapitel 4 gemeinsam betrachtet und gesehen, dass wir uns etwa im Jahr 570 vor Christus befinden. Inzwischen ist Nebukadnezar der mächtigste Mann der Welt, der Führer der einzigen Supermacht.
In 35 Jahren Machtpolitik hat er sein Reich stabilisiert und ausgebaut. Den Menschen in diesem Reich geht es nach allem, was wir wissen, durchaus nicht schlecht. Sie sind recht gut versorgt. Während Nebukadnezar nun selbstzufrieden einen glanzvollen Lebensabend erwartet, stört erneut ein Traum seine Ruhe.
Was für ein Traum das war, haben wir letzten Sonntag gesehen. Sie können es in den ersten 24 Versen nachlesen. Nebukadnezar merkt, dass dieser Traum denselben Urheber hat wie ein anderer Traum, der dreißig Jahre zurückliegt. Dieser Traum wird in Daniel 2 berichtet und handelt von den verschiedenen Weltreichen, die sich gegenseitig ablösen.
Nebukadnezar weiß, dass es der Gott des Alten Testaments ist, der Gott der Juden, der hier zu ihm spricht. Dieser Gott hat sich als so souverän und überlegen erwiesen. Es ist der Gott, zu dem sein Chefberater Daniel täglich betet. Daniel selbst ist inzwischen etwa fünfzig Jahre alt.
Letzten Sonntag hatten wir gesehen, dass dieser Traum unter der Überschrift „Bäume wachsen nicht in den Himmel“ steht. Es geht um einen riesigen, mächtigen Baum mit weltweiter Ausdehnung. Dieser Baum steht für die Macht und das Reich Nebukadnezars.
Dann tritt ein heiliger Wächter auf und setzt diesem mächtigen Baum seine Grenze. Der Baum wird abgehauen. Er muss seine ganze Pracht und Macht einbüßen. Am Ende bleibt nur ein kleiner Stumpf mit den Wurzeln in der Erde übrig.
Daniels Deutung des Traumes und die Warnung an Nebukadnezar
Als Daniel von diesem Traum erfährt, erfasst ihn ein eiskalter Schrecken. Ihm ist sofort klar, dass auf seinen König quälende Zeiten zukommen werden. Behutsam versucht er nun, Nebukadnezar die Bedeutung dieses Traumes nahezubringen.
Wir hatten gesehen, wie mitleidig und vorsichtig Daniel dabei vorgeht. Er sagt in Vers 17: „Der Baum, den du gesehen hast, der groß und mächtig wurde und dann zusammenbrach, das bist du, o König!“
Anschließend erklärt er in den Versen 21 und 22, was das bedeutet. Es heißt nämlich, dass du schwer krank werden wirst. Man wird dich aus der Gemeinschaft der Menschen verstoßen. Du musst bei den Tieren des Feldes bleiben, und man wird dich Gras fressen lassen wie die Rinder. Du wirst unter dem Tau des Himmels liegen und nass werden.
Sieben Zeiten werden über dich hingehen – sieben Jahre, wie wir gesehen hatten. Diese Zeit dauert so lange, bis du erkennst, dass der Höchste Gewalt über die Königreiche der Menschen hat und sie gibt, wem er will.
Doch Daniel sagt auch, dass das nicht das endgültige Ende deiner Herrschaft sein wird. Sobald du erkannt hast, dass der Himmel Gewalt hat, dass der Himmel die Macht besitzt und der allmächtige Gott regiert, wird dir dein Reich – dein weltliches Reich – zurückgegeben werden. Das geschieht, sobald du dies erkannt und eingesehen hast (Daniel 4,17-23).
Die zentrale Botschaft Gottes an Nebukadnezar
Das war der Traum. Und wir hatten gefragt: Warum macht Gott das? Warum redet Gott so laut? Was will er Nehemia damit sagen? Was will er uns damit sagen?
Wir hatten herausgefunden, dass die Antwort klipp und klar im Bibeltext steht, zum Beispiel hier in Vers 22: „Bis du erkennst, du sollst erkennen, dass der Höchste Gewalt hat über die Königreiche der Menschheit und sie gibt, wem er will.“ Dieser Satz kam immer wieder vor und zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen Text hindurch.
Vers 23 ist ganz ähnlich, später noch einmal Vers 31, Vers 34 und schon in Vers 14 war es zu sehen: Gott regiert, das ist die Botschaft. Gott ist Gott, nur Gott ist groß, nur Gott ist gut. Der Höchste hat alle Macht, und kein Mensch – auch der mächtigste nicht, auch der größte Weltmonarch – kann vor diesem Gott bestehen. Gott ist Gott.
Nun kann man die ganze Geschichte der Menschheit als einen andauernden Versuch beschreiben, gegen diese Wahrheit anzurennen. Das begann im Garten Eden und setzt sich fort bis in die Machtzentren unseres Jahrhunderts. Ihre Geschichte und meine Geschichte sind davon nicht ausgenommen. Wir rennen an gegen diesen Anspruch des lebendigen Gottes.
Von Natur aus können wir diese Tatsache, diese Wahrheit nicht ertragen. Nur Gott ist Gott, nur Gott ist gut, und keiner sonst. Das heißt: Du stehst vor einem heiligen Gott. Du stehst vor einem heiligen Gott, der alle Macht und alles Recht in seinen Händen hält, und du kannst ihm auf nichts antworten. Das ist die Situation.
Unsere kleinen „Bäume“ und Nebukadnezars Lebensgeschichte
Und da stehen wir nun, mit unseren Plänen, unseren Ansprüchen und unseren Erwartungen. Wir sind zwar keine Weltherrscher, aber unsere kleinen Bäumchen, Büsche und Rosensträucher sollen zumindest Richtung Himmel wachsen. Zumindest sollen sie über unseren Gartenzaun hinauswachsen – das ist die Höhe, die wir uns vorstellen.
Gott soll uns dabei bitte nicht stören. Im Gegenteil: Gott möge uns die Gesundheit erhalten, den Frieden, den Arbeitsplatz und unsere kleine Welt bewahren. Wir haben nicht diesen großen Palast wie Nebukadnezar, aber wir sagen: „My home is my castle“ – unser Zuhause ist eben unser Schloss, unser Platz. Und das möge Gott uns alles erhalten, damit wir noch lange so weitermachen können wie bisher, so wie wir wollen, so wie es immer war.
Genau so denkt auch Nebukadnezar, nur ein paar Nummern größer als wir. Er ist mächtiger, hat mehr Geld, mehr Macht und mehr Einfluss und kann äußerlich mehr bewirken. Aber im Prinzip denkt er ganz ähnlich.
So rückt uns nun seine Lebensgeschichte, besonders die letzten Stationen, besonders nahe. Hier können wir wie in einer Fallstudie sehen, wie der lebendige Gott den Stolzen beugt und ihm sagt: Nicht deine Pläne zählen, sondern meine. Nicht deine Ansprüche gelten, sondern meine. Das ist die Wahrheit.
Gottes erste Handlung: Er redet
Und das Erste, was Gott tut, wenn er einen Stolzen beugt, hatten wir letztes Mal gesehen: Der erste Schritt ist, dass Gott redet. Gott redet – das war das Erste.
Bei Nebukadnezar redet er durch den Traum, durch die Deutung des Traumes und durch diese Kurz-Buchspredigt von Daniel, Vers 24. Und bis heute hat Gott nicht aufgehört zu reden – bis heute. Im Gegenteil: Seit sein Sohn Jesus Christus hier auf der Erde erschienen ist, redet Gott noch lauter und noch deutlicher als zuvor. Wir können ihn noch viel deutlicher hören. Wir wissen inzwischen viel mehr von Gott, als Daniel wissen konnte. Das ist unser großer Vorteil.
Und es ist dieselbe Botschaft. Die Botschaft lautet: Gott ist groß, nur Jesus ist der Herr, er ist der König und keiner sonst. Ist er auch der König in meinem Leben und deinem Leben?
Übrigens hat Jesus die Sache mit dem Baum aufgegriffen. Nebukadnezzars Weltmachtbaum wird ja umgehauen und plattgewalzt. Aber ein anderer Baum, von dem Jesus redet, wird sich ewig ausbreiten und bestehen. Eine ganz interessante Parallele.
Ich denke, dass Jesus hier Daniel 7 indirekt zitiert, nämlich in Matthäus 13,31-32. Dort vergleicht Jesus sein Reich mit einem kleinen Senfkorn, das sich zu einem riesigen Baum auswächst. Und dann sagt Jesus: Das Reich der Himmel ist zwar am Anfang klein wie ein Senfkorn, aber es wächst und wird ein Baum, so dass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten.
Das sind dann auch alle Heiden, die dazukommen und in diesem Baum des Reiches Jesu Christi Heil und Zuflucht finden. Das ist der Baum, der wächst und wächst.
Sie müssen sich vorstellen: So eine Senfpflanze in Israel konnte bis zu vier Meter hoch werden – ein riesiger Baum, wenn man davor steht. Damit vergleicht Jesus sein Reich, das aus einem kleinen Senfkorn zu solcher Macht und Herrlichkeit wächst.
Und im Schutz dieses Baumes gibt es eine ewige Zuflucht – eine ewige Zuflucht für alle, die sie bei Jesus suchen. Aber wer seine Hoffnung auf seine eigenen Bäume und Bäumchen setzt, wer an seinem eigenen Stolz festhält, der wird an Gott scheitern.
Gottes fortwährende Ansprache und unser Umgang mit Stolz
Und darum redet Gott bis heute. Er konfrontiert uns mit der Bibel und schickt uns Boten, die wie Daniel sein Wort auslegen und erklären. Gott attackiert unser Gewissen, versetzt uns in Unruhe und fordert uns auf, endlich seine Gottheit anzuerkennen.
Er verlangt, dass wir seine Macht und seine Ehre anbeten und unser kleines Leben vor ihm beugen. Das ist der erste Schritt, mit dem Gott den Stolzen beugt: Er redet. Wie oft hat er zu ihm geredet?
Gottes zweiter Schritt: Er wartet
Und dann folgt der zweite Schritt, den wir ebenfalls am Beispiel Nebukadnezars studieren können. Wenn Sie mitschreiben möchten: Zweitens wartet Gott. Gott wartet – das ist der zweite Schritt.
Das sehen wir hier in Vers 25, wo es zunächst so lapidar heißt: „Dies alles widerfuhr dem König Nebukadnezar“, also alles, was im Traum vorhergesagt wurde. Vom Zusammenhang her könnte man ergänzen: Es widerfuhr ihm nicht sofort. Man könnte auch sagen, es hätte ihm nicht unbedingt widerfahren müssen. Gott wartet.
Denn wir sehen in Vers 26: Erst nach zwölf Monaten handelt Gott wieder. Erst nach zwölf Monaten, als der König auf dem Dach des königlichen Palastes war, geht es weiter. Aber überlegen Sie mal: Zwölf Monate Frist. Das, was Daniel ihm hier gesagt hatte, war eine bedingte Prophetie. Das heißt, wäre Nebukadnezar umgekehrt, wäre es ihm so ergangen wie den Leuten in Ninive.
Wir haben das gerade in der Lesung durch Bruder Nordzig gehört. Dort hat Gott ebenfalls gewartet. Er setzte eine Frist von vielen Tagen, und innerhalb dieser Frist kehrten die Leute um – und Gottes Gericht kam nicht. So wartet Gott auch hier bei Nebukadnezar.
Gott spricht, wenn er einen Stolzen beugt, und dann wartet er. Viele Menschen ziehen aus der Geduld und dem Warten Gottes jedoch naive Konsequenzen. Sie denken: Gott wartet, also wird er wohl nichts unternehmen.
Paulus sagt in Römer 2,4: „Verachtest du denn den Reichtum von Gottes Güte, Geduld und Langmut? Verachtest du das vielleicht sogar als Schwächlichkeit Gottes, dass er so lange wartet und so viel Geduld hat?“ Dann fragt Paulus weiter: „Weißt du nicht, dass Gottes Güte dich zur Umkehr treiben will?“
Gottes Geduld und sein Warten können dazu führen, dass er dich ziehen will, dass er dich leicht trifft und dann wartet und wartet. Bis heute ziehen leider viele Menschen daraus den naiven Schluss, dass sie folgenlos, also ohne Konsequenzen, fortlaufend sündigen können.
So hat wohl auch Nebukadnezar gedacht. Dabei hätte er eigentlich aufgerüttelt sein müssen – nach allem, was er erfahren hatte. Man fragt sich unweigerlich: Menschenskinder, nach diesem Traum und nach der eindeutigen Auslegung durch Daniel – und er wusste, dass Daniel Recht hatte. Er kannte diesen Gott und erkannte die Seriosität Daniels.
Nach diesen massiven Erfahrungen von Gottes Macht – er hatte doch noch vor Augen, wie die drei Freunde Daniels aus dem Feuerofen gerettet wurden, gegen alle menschliche Vernunft und Wahrscheinlichkeit. Er hatte alles gesehen, alles erfahren. Musste er das nicht ernst nehmen?
Die Schwierigkeit der Umkehr und die Haltung des Stolzes
Es ist sehr schwer verständlich, und wir fragen uns: Warum hat Nebukadnezar nicht anders reagiert? Warum hat er dieses Warten Gottes nicht genutzt? Warum hat er die Warnung nicht ernst genommen? Ich habe mich das lange gefragt.
Ich kann mir vorstellen, dass er möglicherweise am Anfang gute Vorsätze gefasst hat. Ja, nach dem Traum hat er gesagt: Ja, ich will mal etwas ändern. Und wir wissen ja, wie das ist: Je länger der Traum zurücklag, desto mehr verblasste er. Irgendwann hat er sich dann wahrscheinlich gesagt: Na ja, das war schon mit dem Traum ganz beeindruckend, aber soll ich wirklich mein ganzes Leben neu ausrichten? Soll ich mich wirklich ausschließlich zu diesem einen Gott bekennen?
Der Traum lag immer weiter zurück, Wochen, Monat um Monat, und irgendwann wird er gesagt haben: Ach, es wird schon nicht so schlimm kommen wie im Traum. Es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Wir wollen mal schön gelassen bleiben, wir wollen es mit den Glaubensdingen auch nicht zu ernst nehmen, wir wollen das nicht übertreiben, wir wollen nicht fanatisch werden. Bei allem Respekt für Daniel, dessen Seriosität und Verlässlichkeit ich immer noch hoch schätze – natürlich –, aber er ist eben ein Ausnahmefall. Und es kann ja wohl nicht sein, dass wir unser ganzes Leben von diesen religiösen Dingen bestimmen lassen. Das geht zu weit.
Kennen Sie diese Haltung auch von sich selbst? Am Ende dieses Dramas wird Nebukadnezar dieser Haltung einen Namen geben: Stolz. Das ist Stolz. Nicht so sehr, dass ich mir auf irgendetwas zu viel zugute halte, sondern das ist Stolz im Sinne von: Ich nehme Gottes Wahrheit nicht ganz, nicht wirklich bis ins Letzte ernst. Verstehen Sie, das ist Stolz, das ist sehr, sehr differenziert.
Ich weiß, dass Gott bestimmte Dinge sagt und fordert und von mir will, das weiß ich. Aber ich reserviere mir das Recht auf eine kleine Differenz. Ich reserviere mir das Recht auf eine kleine Differenz zwischen dem, was Gott sagt und will, und dem, was ich will und wirklich tue. Diese kleine Differenz, dieses Recht, das nehme ich mir raus.
Oder anders ausgedrückt: Ich nehme mir Gott gegenüber das Recht heraus, selbst zu bestimmen, wie weit ich seinen erklärten Willen ernst nehme und wo ich meine kleinen Vorbehalte einbaue. Ich bestimme das selbst, ich behalte mir das Recht vor. Ich will schon in der Nachfolge Jesu Christi leben, aber ohne die Hingabe meines Lebens. Ich will Nachfolge ohne Hingabe, Nachfolge mit dem Rest auf die selbstbestimmte Differenz, auf den selbstbestimmten Vorbehalt. Das ist Stolz.
Das ist etwas ganz anderes, als wenn jemand immer wieder an seinen Unzulänglichkeiten scheitert und daran sozusagen fast zugrunde geht, wie Paulus in Römer 7. Das ist ganz etwas anderes, wenn er sagt: Herr, ich will dir doch ganz unvorbehaltlos dienen, aber ich merke immer wieder schmerzhaft meine Grenzen, und da bin ich schon wieder reingefallen, und da war ich schon wieder zu inkonsequent. Herr, bitte hilf mir, vergib mir, ändere das. Und so ein Gebet erhört Gott gern, geduldig und immer wieder, denn es kommt nicht aus einem stolzen Herzen.
Aber verstehen Sie, was der Unterschied ist? Das stolze Herz baut die Differenz beziehungsweise – wir könnten auch ganz einfach sagen – den Ungehorsam von vornherein in seine Überlegungen ein. Das stolze Herz rechnet mit dieser Differenz, mit diesem menschlichen Vorbehalt. Das stolze Herz leidet darum auch nicht an seiner Sünde und an seinem Ungenügen. Das stolze Herz leidet nicht daran.
Und wissen Sie, das stolze Herz – und das ist ein ganz sicherer Indikator – kennt nicht die Sorge, Gott zu betrüben. Kennen Sie diese Sorge, Sie könnten den lebendigen, heiligen Gott betrüben mit Ihrem Leben? Das stolze Herz kennt diese Sorge nicht. Es ist so ganz mit sich zufrieden. Das stolze Herz kennt höchstens die Sorge, selbst etwas zu kurz zu kommen. Diese Sorge kennt das stolze Herz.
Und wie Gott zu einem stolzen Herzen steht, sagt Petrus in seinem ersten Brief, Kapitel 5, Vers 5: Gott widersteht den Stolzen. Also, wenn Gott zu einem Stolzen redet, so zeigt unser Fallbeispiel, dann wird es oft geschehen, dass Gott wartet. Nebukadnezar erhält Raum, erhält Frist zu einer angemessenen Reaktion.
Aber was macht er? Anstatt diese Frist zu nutzen, lässt er sie zwölf Monate lang verstreichen. Je mehr die Wirkung des Traumes verblasst, desto stärker macht sich das alte Ego des Nebukadnezar wieder breit.
Es ist doch nicht so, dass wir bei Null bleiben, wenn wir Gott nicht gehorchen. Wenn wir nicht umkehren, dann entfernen wir uns immer mehr. Wir halten nicht den Level, auf dem wir uns mal befanden. Es wird immer schlimmer, der alte Mensch kommt immer deutlicher wieder durch.
Und schließlich heißt es in Vers 26: Nach diesen zwölf Monaten, als der König auf dem Dach des königlichen Palastes in Babel sich erging, da hob er an und sprach: Das ist das große Babel, das ich erbaut habe zur Königsstadt, durch meine große Macht, zu Ehren meiner Herrlichkeit.
Diese Worte sagen, wer für Nebukadnezar der Wichtigste ist, wer für ihn der Größte und Verehrungswürdigste ist. Natürlich Nebukadnezar selbst. Und das wird deutlich. Es ist auch typisch an dem Punkt, der ihm besonders am Herzen liegt, wo sozusagen sein Herz schlägt, wo er sein Herzblut reinsetzt. Bei Nebukadnezar war das die monumentale Architektur. Da schlug sein Herz. Das kann man auch aus der Archäologie und aus verschiedenen anderen Quellen ganz gut bestätigen.
Von den sieben Weltwundern der Antike verdanken wir zwei dem architektonischen Ehrgeiz Nebukadnezars. Das ist interessant. Zum Beispiel die sogenannten hängenden Gärten. Diese stufenförmige Prachtanlage hatte er für seine Frau errichten lassen und natürlich auch zur Mehrung seines eigenen Ruhmes.
Und dann das zweite Weltwunder, das von ihm stammt, war dieser riesige Stadtwall, länger als acht Kilometer. Herodot sagt, dass dieser Stadtwall so viel Platz bot, dass ein Wagen mit vier Pferden darauf wenden konnte. Ein Wagen mit vier Pferden kann auf einer Stadtmauer wenden, die acht Kilometer lang ist. Das ist erstaunlich.
Ja, und darauf war er stolz, natürlich. Diese gesamte Ummauerung soll knapp neunzig Kilometer betragen haben, umgeben von einem riesigen Gürtel dreifacher Gräben und Wälle. Dazu kamen noch die Paläste und Tempel. Man hat Inschriften von circa fünfzig Bauprojekten gefunden. Das war Nebukadnezar. Da schlug sein Herz. Babylon sollte die Perle, die architektonische Perle der ganzen Welt sein.
Und nun steht da der alte Herrscher auf dem begehbaren Flachdach seines Palastes. Das ist Vers 26. Von hierher hat er eine herrliche Aussicht, wahrscheinlich auch auf die hängenden Gärten. Man kann sich vorstellen, vielleicht kommt noch ein bisschen Abendsonne dazu. Dann steht er da und ist ganz ergriffen von seiner Leistung. Und dann kommt so das aus ihm heraus, was längst in seinem Herzen schlummert: Das ist das große Babel, Vers 27, das ich erbaut habe zur Königsstadt, durch meine große Macht, zu Ehren meiner Herrlichkeit.
Kein Dank an Gott, sondern die pure Selbstvergötzung macht sich hier deutlich. Bis dahin hatte Gott gewartet, wahrscheinlich um Nebukadnezar zu überführen, um den Stolz in seinem Herzen so richtig ausreifen zu lassen. Und jetzt geht es plötzlich sehr schnell. Wir sind beim Dritten: Was passiert, wenn Gott einen Stolzen beugt?
Gott redet, Gott wartet, Gott schlägt. Gott schlägt. Jetzt Vers 28: Ehe noch der König diese Worte ausgeredet hatte, kam eine Stimme vom Himmel, dir, König Nebukadnezar, wird gesagt: Dein Königreich ist dir genommen. Man wird dich aus der Gemeinschaft der Menschen verstoßen, und du sollst bei den Tieren des Feldes bleiben. Gras wird man dich fressen lassen wie die Rinder, und sieben Zeiten, sieben Jahre, sollen hingehen, bis du erkennst, dass der Höchste Gewalt hat über die Königreiche der Menschen, auch über deine ganzen Prachtbauten, und sie gibt, wem er will.
Im gleichen Augenblick, im gleichen Augenblick, wo Gott es sagt, wurde das Wort an Nebukadnezar erfüllt. Er wurde verstoßen aus der Gemeinschaft der Menschen, und er fraß Gras wie die Rinder. Sein Leib lag unter dem Tau des Himmels und wurde nass, bis sein Haar wuchs so groß wie Adlerfedern – ein ziemlich fürchterlicher Anblick – und seine Nägel wie Vogelklauen wurden. Das ist ein Bild.
Überlegen Sie mal: So schnell, wie Gott sein Urteil ankündigt, so zügig setzt er es um. Nebukadnezar verfällt offensichtlich dem Wahnsinn. Die Symptome hier deuten auf eine Krankheit hin, die in der Medizin als Lykanthropie bezeichnet wird oder lateinisch Insania zooanthropica. Das soll in der Antike häufiger aufgetreten sein. Insania zooanthropica oder Lykanthropie ist die Zwangsvorstellung eines Menschen, er sei ein Tier. Das steckt dahinter.
Bei Nebukadnezar sehen wir das hier. Er konnte jetzt nicht mehr im Palast leben, er verwahrloste, ließ sich kaum pflegen. Er muss ein furchtbar abstoßendes Bild abgegeben haben. Es war sozusagen zum Wohl seiner Menschenwürde, dass man ihn möglichst fernhielt von der Öffentlichkeit. Er selbst hatte wohl auch dieses Bedürfnis, draußen wild zu leben.
Das ist interessant: Vor etwa sechzig Jahren, 1946, wurde aus einer britischen Nervenheilanstalt von einem vergleichbaren Fall berichtet. Da berichtet man von einem jungen Mann, so um die zwanzig Jahre alt. Er war physisch weitgehend gesund, wurde aber von einer zwanghaften Unruhe ständig ins Freie getrieben und lebte gewissermaßen wild in den Gärten. Er riss mit der Hand Gras aus, um es zu verschlingen, und zeigte auch einen ganz abnormal wilden Haarwuchs. Natürlich. Das ist genau das, was wir offensichtlich hier bei Nebukadnezar auch haben.
Wenn wir den Bericht über Nebukadnezars Wahnsinn lesen, dann lässt noch etwas aufhorchen. Das habe ich bei der Vorbereitung gefunden und es ist hochinteressant: Etliche antike Schriftsteller machen Andeutungen über eine eigenartige Situation im Leben Nebukadnezars. Viele antike Schriftsteller beziehen sich darauf, und sie zitieren meistens den griechischen Schriftsteller Megastines, der um 300 vor Christus geschrieben hat.
Also: 570 ist dieses Geschehen, Megasthenes schrieb etwa 300 vor Christus. In diesem Bericht von Megasthenes heißt es, Nebukadnezar sei nach seinen verschiedenen Eroberungen auf die Königsburg gestiegen und habe von einem Gott begeistert – also von irgendeiner übernatürlichen Macht offensichtlich ausgelöst – ausgerufen und gesagt: Hier, Nebukadnezar kündige euch den Eintritt des Unheils an. Dann kündigt er an, dass ein Perser kommen wird und ihnen die Herrschaft abnehmen wird.
Der Wunsch dieses Persers sei, er möge doch durch die Einöde gejagt werden, wo weder Stätte noch die Fußspur eines Menschen angetroffen werden, aber wilde Tiere mögen schreien und Vögel umherschweifen.
Dann heißt es in dieser Quelle: Nachdem er diese Weissagung getan hatte, verschwand er plötzlich. Das ist interessant. Hier ist von demselben Ort die Rede, von der Königsburg, von einer irgendwie übernatürlich ausgelösten, plötzlichen Verwandlung, Veränderung Nebukadnezars. Es ist von diesen wilden Tieren und der Einöde die Rede.
Es ist gut denkbar, dass diese Quelle das beschreibt, was hier passiert in dem Moment, als Gottes Stimme zu Nebukadnezar redet, wo es heißt in Vers 28: Es kam diese Stimme vom Himmel, und im gleichen Augenblick wurde erfüllt das Wort an Nebukadnezar.
Es ist durchaus denkbar, dass sozusagen dieser Ausbruch Nebukadnezars, der dann von seinen Zeitgenossen auch als Wahnsinn gleich eingeordnet wurde, an dieser Stelle erfolgte und dass Nebukadnezar gewissermaßen aus dem Verkehr gezogen wurde, dass er auch im öffentlichen Hofleben nicht mehr auftreten konnte.
In diesen Momenten beginnt, was Nebukadnezar dann im Rückblick so zusammenfassen wird mit diesem einfachen Satz: Wer stolz ist, den kann er demütigen.
Das ist das Dritte, was Gott tut, wenn er einen Stolzen beugt: Gott redet, Gott wartet, und das Dritte ist: Gott schlägt.
Das heißt natürlich nicht, dass jedes schlimme Ergehen, das Gott zulässt, bei uns heute oder auch bei anderen, immer Strafe oder Züchtigung sein muss. Aber Gott kann das tun, auch heute noch.
Und wenn Gott einem Stolzen noch einmal Gnade schenken will, dann wird Gott ihn irgendwie zum Innehalten bringen. Die Art und Weise, wie Gott das macht, kann ganz verschieden sein.
Aber das Schlimmste, was einem Stolzen passieren kann, wäre, dass Gott ihn nicht mehr bremst, dass Gott ihn nicht mehr schlägt, sondern dass Gott den Stolzen einfach in die falsche Richtung weiterlaufen lässt, in die er schon unterwegs ist. Das wäre das Schlimmste.
Nebukadnezar wird geschlagen. Das ist der Gnadenakt Gottes. Im Nachhinein wird Nebukadnezar das kapieren und Gott aus vollem Herzen dafür danken, dass er ihn geschlagen hat.
Und ich denke, das ist auch einer der Gründe, warum Nebukadnezar dieses Dokument geschrieben hat. Sie haben ja vor sich ein Dokument aus der Feder Nebukadnezars, das Daniel in seinem Buch dann aufgenommen hat, das haben wir letztes Mal gesehen.
Ich denke, dieser Dank über das, was er von Gott erfahren hat, ist einer der Gründe. Denn hätte Gott den König nicht zum Innehalten gezwungen, wäre auch das Letzte und Vierte nicht passiert, was wir hier noch entdecken: Gott redet, Gott wartet, Gott schlägt und das Vierte am Ende: Gott verändert.
Und das sind jetzt eigentlich die schönsten Verse in dem ganzen Kapitel. Die lesen wir zum Schluss noch.
Vers 31: Nach dieser Zeit hob ich, Nebukadnezar, meine Augen auf zum Himmel. Also nach diesen sieben Jahren. Und Sie merken, jetzt schreibt er wieder in der ersten Person Singular. Für die Phase davor war Nebukadnezar natürlich, da er nicht mehr zurechnungsfähig gewesen war, darauf angewiesen, dass er Informationen von seinen Begleitern bekam, vielleicht auch von Daniel. Vielleicht hatte er ihm auch geholfen, diesen Bericht zu schreiben, es ist alles denkbar.
Aber jetzt ab Vers 31, am Ende, redet er wieder in der ersten Person Singular: Nach dieser Zeit hob ich, Nebukadnezar, meine Augen auf zum Himmel, und mein Verstand kam mir wieder, und ich lobte den Höchsten, ich pries und ehrte den, der ewig lebt, dessen Gewalt ewig ist und dessen Reich für und fürwährt, gegen alle, die auf Erden wohnen, gegen die alle, die auf Erden wohnen, für nichts zu rechnen sind.
Er macht’s, wie er will, mit den Mächten im Himmel und mit denen, die auf Erden wohnen, und niemand kann seine Hand wehren, noch zu ihm sagen: Was machst du? Zur selben Zeit kehrte mein Verstand zu mir zurück, und meine Herrlichkeit und mein Glanz kamen wieder an mich zur Ehre meines Königreichs. Meine Räte und Mächtigen suchten mich auf, und ich wurde wieder über mein Königreich angesetzt und gewann noch größere Herrlichkeit.
Das erinnert an Hiob am Ende seines Lebens. Nachdem Gott ihn auf den richtigen Weg gebracht hat, hat er am Ende auch seinen Reichtum sogar gemehrt.
Und dann Vers 34: Darum lobe, ehre und preise ich, Nebukadnezar, den König des Himmels, denn all sein Tun ist Wahrheit, und jetzt Achtung: Seine Wege sind recht, und wer stolz ist, den kann er demütigen.
Was für ein Zeugnis! Das müssen wir uns am Ende noch anschauen. Wie verändert Gott den Nebukadnezar?
Ab hier kann er sich also wieder erinnern. Über die Phase des Wahnsinns hat er die Informationen von den anderen bekommen.
So, und das größte Wunder in diesem Bericht geschieht hier. Sehen Sie genau hin, hier geschieht es: Vers 31, nach dieser Zeit, da geht es los, hob ich, Nebukadnezar, meine Augen auf zum Himmel, und mein Verstand kam mir wieder, und ich lobte den Höchsten.
Verstehen Sie, in seiner Gnade schenkt Gott dem Nebukadnezar, dass er wieder verantwortlich handeln kann, nach sieben Jahren. Und das Erste, was er macht, ist hier, dass sein Blick gewissermaßen nach Gott sucht.
Diese Formulierung „Ich hebe meinen Blick zum Himmel“ steht auch in anderen Stellen des Alten Testaments, zum Beispiel Psalm 121, Vers 1 oder Psalm 123, Vers 1, und das meint dort immer „nach Gott suchen, nach Gott fragen“. So ist es wohl auch hier gemeint. Sein Blick geht zum Himmel, und wahrscheinlich ist diese Formulierung so zu verstehen im Sinne eines stummen Schreis um Hilfe: „Du Gott, der du mich geschlagen hast, erbarme dich über mich!“ So wird es wahrscheinlich gewesen sein.
Und Gott, was macht er? Er gibt dem Nebukadnezar seinen Verstand wieder. Was macht er noch? Dieser Verstand scheint ein erneuerter, irgendwie erleuchteter Verstand zu sein, denn was jetzt aus Nebukadnezars Mund heraustönt, sehen Sie, das ist ein Loblied auf den lebendigen Gott.
Und was ist da für eine Veränderung geschehen? Die letzten Worte vor dem Wahnsinn waren ein Loblied Nebukadnezars auf sich selbst. Sie erinnern sich noch an Vers 27: „Ich habe das große Babel erbaut durch meine große Macht, zu Ehren meiner Herrlichkeit.“ Das waren die letzten Worte vorher.
Die Worte jetzt, nach diesem Wahnsinn, nach dieser Veränderung, die sind ein einziges Loblied auf den lebendigen Gott.
Und wenn Sie die Auslegung dazu lesen, dann werden Sie bei vielen Exegeten den Verdacht finden, dass es auch wieder nur so ein kurzes Auflacken einer vorläufigen Erkenntnis ist, sozusagen die kurzfristige Erleichterung, wie wir das bei Nebukadnezar früher auch hatten: „Ich bin nochmal davongekommen, und jetzt danke ich Gott mal oberflächlich und lebe ansonsten so weiter wie bisher.“
Wir haben ja noch diese alten Loblieder in Erinnerung in Kapitel 2 und Kapitel 3. Aber hier, und das möchte ich Ihnen am Ende gern zeigen, da ist vieles anders.
Hier scheint Nebukadnezar wirklich mehr verstanden zu haben. Das Erste, was er mehr verstanden hat: Er hat mehr verstanden, wer Gott selbst wirklich ist.
Schauen Sie in Vers 31, da sagt er, es ist ein ewiger Gott, dessen Macht unbegrenzt bleibt.
Und dann ganz auffällig, Vers 32: Hier kommt es wirklich auf die Einzelheiten an. Da sagt Nebukadnezar über Gott: Er macht, wie er es will, mit den Mächten im Himmel und mit denen, die auf Erden wohnen.
Das ist nicht mehr der heidnische Schicksalsglaube. Sondern hier redet Nebukadnezar von dem persönlichen Gott, der in Raum und Zeit handelt und seinen Willen durchsetzt. Er macht, wie er es will.
Das ist eine unerhörte Entdeckung für einen heidnischen Mann wie Nebukadnezar.
Und dann weiter: Hier spricht auch nicht mehr der alte Polytheismus, dieser Mehrgötterglaube, der noch vorher bei ihm da war, sondern er bezeichnet Gott jetzt als den König des Himmels. Er sagt nicht mehr „Der höchste aller Götter“, sondern er sagt: „Er ist der König des Himmels.“
Hier ist nur noch von einem Gott die Rede.
Und Nebukadnezar begreift nicht nur mehr, wer Gott ist, sondern Nebukadnezar begreift jetzt wahrscheinlich zum ersten Mal, wie tief wirklich diese Kluft zwischen Gott und Mensch ist.
Sehen Sie mal, was er denn in Vers 32 sagt: Gegen diesen Gott sind alle, die auf Erden wohnen, für nichts zu rechnen. Der große Gott und wir kleinen Menschen.
Und dann noch mal am Ende von Vers 32: Niemand, kein Herrscher, kein Mensch, kein Irgendwer kann seine Hand wehren oder ihm sagen: Was machst du? Gott ist souverän in seinem Verhältnis gegenüber den Menschen. Gott allein ist Gott.
Und dann lernt Nebukadnezar noch etwas, nicht nur über Gott selbst, nicht nur allgemein über das Verhältnis zwischen Gott und der Menschheit, sondern Nebukadnezar lernt etwas über das Verhältnis zwischen Gott und ihm persönlich.
Er sagt nämlich in Vers 34: Darum lobe, ehre und preise ich, Nebukadnezar, den König des Himmels, denn all sein Tun ist Wahrheit, und seine Wege sind Recht.
Was macht Nebukadnezar hier? Er gibt Gott Recht. Er gibt Gott Recht, er gibt zu, dass Gott ihm gegenüber im Recht ist. Und damit gibt er zu: Diese Demütigung, die ich erfahren habe, diese sieben Jahre, die Gott mich geschlagen hat, das war Recht. Alle seine Wege sind recht, das war verdient, das war notwendig.
Was sich hier ausdrückt bei Nebukadnezar, das ist der Anfang von Sündenerkenntnis. Er gibt Gott Recht, es war nötig, so dass Gott so verfahren ist mit mir.
Und dann sehen Sie diesen letzten Satz, in den dieser Selbstbericht mündet: Im Licht von Gottes Wahrheit und Gottes Gerechtigkeit kommt Nebukadnezar zu dieser realistischen Selbsteinschätzung: Wer stolz ist, den kann er demütigen.
Das heißt: Ich war stolz. Ich habe rebelliert gegen Gott, und er hat mich zu Recht gedemütigt. Das klingt fast so wie die vorweggenommene Aussage von 1. Petrus 5: Gott widersteht den Hochmütigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade.
Und all dies zusammengenommen macht sehr wahrscheinlich, dass wir es hier wirklich mit einer echten Bekehrung zu tun haben.
Und das wird noch durch eine weitere Beobachtung bestätigt. Schauen Sie mal: Es gehört einiger Mut und einiges an Demut dazu, einen solchen Bericht über sich selbst zu veröffentlichen, weltweit, als berühmter Mann.
Und welches Motiv könnte dafür festzumachen sein? Wahrscheinlich die Dankbarkeit. Die Dankbarkeit Nebukadnezars, dass er das bezeugen wollte vor der Welt: Seht, was Gott an mir getan hat!
Und dann noch eine Beobachtung: Schauen Sie, dieser Bericht endet eben nicht mit Vers 33, sondern mit Vers 34.
In Vers 33 geht es darum, dass Nebukadnezar seinen alten Reichtum, seine alte Macht wiedererhält, dass Gott ihn wieder gewissermaßen in seine alte äußere Umgebung einsetzt, wie den Hiob.
Aber damit endet der Bericht nicht, das ist nicht das Wichtigste.
Sondern der Bericht endet mit diesem Bekenntnis seiner Schuld. Er endet mit dieser Erkenntnis, dass Nebukadnezar Gott Recht gibt. Er endet mit dieser Aussage: Er kann den Stolzen demütigen, und er hat es getan. Und das Ganze eingebaut in einen Lob.
Ich denke, Nebukadnezars Bekehrung war echt.
Und dann noch eine Beobachtung: Schauen Sie, Nebukadnezar berichtet nicht nur in Vers 31, dass er Gott gelobt hat, nachdem diese sieben Jahre um waren: „Ich pries und ehrte und lobte den Höchsten“, sondern in Vers 34 sagt er es noch viel schöner.
Da sagt er das Gleiche nicht nur im Tempus der Vergangenheit, sondern da sagt er das als eine Aussage über die Gegenwart: „Und jetzt lobe, und jetzt ehre, und jetzt preise ich ihn.“
Das ist eine Aussage, das ist jetzt meine Grundhaltung. Das ist nicht nur mal so ein einmaliger Akt der Erleichterung, nachdem das Unglück überstanden war, sondern jetzt wird es im Präsens gesagt, als ein dauerhafter Vorgang: Jetzt lobe ich ihn, jetzt preise ich ihn, jetzt ehre ich ihn. Das soll die Grundmelodie meines Lebens sein.
Ich denke, dass man dieses hier durchaus anklingen hört.
So stehen wir vor dem großen Wunder am Ende, dass Gott einen Stolzen gebeugt hat. Gott hat geredet, Gott hat gewartet, Gott hat geschlagen und am Ende hat er diesen Nebukadnezar verändert.
Und für uns alle liegt darin am Schluss ein großes Hoffnungszeichen: Bei Gott gibt es keine hoffnungslosen Fälle.
Ich weiß ja nicht, für welche Menschen Sie beten, für welche Menschen Sie schon lange hoffen und erbitten, dass sie doch zum lebendigen Glauben an den allmächtigen Gott kommen mögen.
Sehen Sie sich diesen Bericht an: Wenn der Allmächtige in seiner Gnade zupackt, dann bekommt auch ein Nebukadnezar die Chance eines neuen geistlichen Lebens.
Und vielleicht haben Sie jetzt den einen oder anderen kleinen Nebukadnezar vor Augen, für den Sie vielleicht lange schon beten, bei dem Sie es sich einfach nicht vorstellen können, dass Gott den noch mal packen will.
Lassen Sie sich Mut machen durch diesen historischen Beleg: Gott hat alle Macht, und er kann dies tun. Das soll uns große Hoffnung geben, weiter zu beten.
Und wir sollten darin zugleich die ernste Mahnung hören, die Gott mit diesem Fallbeispiel auch an seine Kinder, also auch an uns Christen, richtet.
Selbst als Menschen, die mit Jesus leben, sind wir noch nicht frei von Schuld und nicht frei von diesem Stolz.
Was Petrus schreibt, das ist zunächst mal an Christen gerichtet, 1. Petrus 5,5-6: Da sagt er: „Alle miteinander haltet fest an der Demut, denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöht zu seiner Zeit.“
Liebe Mitchristen, auch in unserem Herzen kann sich immer wieder Hochmut und Stolz breitmachen, und das mag sich ganz unterschiedlich äußern.
Bei dem einen äußert es sich vielleicht als Selbstgerechtigkeit oder darin, dass man gerne auf andere herabsieht und sich innerlich für besser hält.
Dieser Stolz kann sich in Kritiksucht äußern, dass man an allem rumzukrittelt oder sich richtig daran freut, Fehler zu finden.
Dieser Stolz kann sich als Ehrsucht äußern, dass ich unendlich darauf bedacht bin, auch ja genügend Ehre, Aufmerksamkeit und Ansehen zu bekommen.
Es gibt so viele verschiedene Indizien, an denen dieser Stolz sich festmachen kann.
Und besonders gefährlich ist es eben, dass man ihn nicht immer merkt, weil er ja am Herzen sitzt und sich doch hinter sehr demütigen Fassaden verstecken kann.
Die schlimmste Form von Stolz – und auch das möchte ich hier noch einmal erinnern – ist wohl dann gegeben, wenn wir Gottes Wahrheit nicht bis ins Letzte ernst nehmen.
Wenn wir uns Gott gegenüber dieses letzte Recht herausnehmen, selbst zu bestimmen, wie weit wir gehen. Wenn wir zwar vorgeben, Jesus nachzufolgen, aber ihm doch die Hingabe unseres Lebens verweigern.
Und wenn wir nicht einmal mehr die Sorge kennen, wir könnten unseren Herrn betrüben.
Das ist die furchtbare Gefahr des Stolzes.
Und man kann nur sagen: Wohl dem Stolzen, dem Gott die Gnade gewährt, dass er ihn beugt.
Und darum, liebe Mitchristen, lasst uns genau hinhören, wenn Gott redet.
Lasst uns die Zeit nutzen, wenn Gott wartet.
Und vielleicht kommen wir ja dann manchmal zur Besinnung, noch bevor Gott uns schlägt, wie in Ninive.
Aber wenn Gott in seiner Liebe es dann dennoch tun muss, dass er uns schlägt, dann lasst uns Gott nicht anklagen, sondern lasst uns eilends Buße tun, lasst uns Gott Recht geben, wie es Nebukadnezar getan hat.
Und dann wird Gott uns verändern. Er wird sein Werk der Veränderung an uns durchführen, solange es nötig ist, bis wir einmal ganz am Ziel sind, wo dann keine Veränderung mehr nötig ist.
Dann hat aller Stolz ausgespielt, und dann endlich werden wir unseren Herrn so loben und ehren, wie er es wirklich verdient.
Ihm sei alle Ehre. Amen.
Gottes dritter Schritt: Er schlägt
Was passiert, wenn Gott einen stolzen Menschen beugt? Gott redet, Gott wartet, und dann schlägt Gott zu. Gott schlägt.
Im Vers 28 heißt es: Ehe noch der König diese Worte ausgeredet hatte, kam eine Stimme vom Himmel. Sie sagt: „Dir, König Nebukadnezar, wird gesagt: Dein Königreich ist dir genommen. Man wird dich aus der Gemeinschaft der Menschen verstoßen, und du sollst bei den Tieren des Feldes bleiben. Gras wird man dich fressen lassen wie die Rinder. Sieben Zeiten, also sieben Jahre, sollen vergehen, bis du erkennst, dass der Höchste Gewalt hat über die Königreiche der Menschen – auch über deine ganzen Prachtbauten – und sie gibt, wem er will.“
Im gleichen Augenblick, in dem Gott es sagt, wurde das Wort an Nebukadnezar erfüllt. Er wurde aus der Gemeinschaft der Menschen verstoßen. Er fraß Gras wie die Rinder. Sein Leib lag unter dem Tau des Himmels und wurde nass. Sein Haar wuchs so groß wie Adlerfedern – ein ziemlich furchterregender Anblick. Seine Nägel wurden wie Vogelkrallen.
Das ist ein Bild. Überlegen Sie mal: So schnell, wie Gott sein Urteil ankündigt, so zügig setzt er es um. Nebukadnezar verfällt offensichtlich dem Wahnsinn. Die Symptome hier deuten auf eine Krankheit hin, die in der Medizin als Lykanthropie bezeichnet wird, oder lateinisch Insania zooanthropica. Diese Krankheit trat in der Antike wohl häufiger auf. Sie beschreibt die Zwangsvorstellung eines Menschen, er sei ein Tier.
Bei Nebukadnezar sehen wir genau das: Er konnte nicht mehr im Palast leben. Er verwahrloste und ließ sich kaum noch pflegen. Er muss ein furchtbar abstoßendes Bild abgegeben haben. Es war sozusagen zum Schutz seiner Menschenwürde, dass man ihn möglichst fernhielt von der Öffentlichkeit. Auch er selbst hatte wohl das Bedürfnis, draußen wild zu leben.
Das ist interessant: Vor etwa sechzig Jahren, 1946, wurde aus einer britischen Nervenheilanstalt von einem vergleichbaren Fall berichtet. Dort erzählte man von einem jungen Mann, etwa zwanzig Jahre alt, der physisch weitgehend gesund war. Doch eine zwanghafte Unruhe trieb ihn ständig ins Freie. Er lebte quasi wild in den Gärten, riss mit der Hand Gras aus, um es zu verschlingen, und zeigte einen ganz anormal wilden Haarwuchs.
Das ist genau das, was wir offensichtlich auch bei Nebukadnezar sehen.
Antike Berichte über Nebukadnezars Verwandlung
Und wenn wir den Bericht über Nebukadnezars Wahnsinn lesen, fällt noch etwas Besonderes auf. Das habe ich bei der Vorbereitung gefunden, und es ist hochinteressant: Etliche antike Schriftsteller machen Andeutungen über eine eigenartige Situation im Leben Nebukadnezars. Viele antike Autoren beziehen sich darauf und zitieren dabei meistens den griechischen Schriftsteller Megasthenes, der etwa um 300 vor Christus schrieb.
Das Geschehen, von dem die Rede ist, fand um 570 vor Christus statt, Megasthenes schrieb etwa 300 vor Christus. In seinem Bericht heißt es, Nebukadnezar sei nach seinen verschiedenen Eroberungen auf die Königsburg gestiegen. Dort habe er von einem Gott begeistert, also offensichtlich von irgendeiner übernatürlichen Macht ausgelöst, ausgerufen und gesagt: „Hier kündige ich, Nebukadnezar, euch den Eintritt des Unheils an.“
Dann kündigt er an, dass ein Perser kommen werde und ihnen die Herrschaft abnehmen werde. Sein Wunsch an diesen Perser sei, dass er durch die Einöde gejagt werde, wo weder Stätte noch die Fußspur eines Menschen zu finden sind, aber wilde Tiere schreien und Vögel umherschweifen. Anschließend heißt es in dieser Quelle, nachdem er diese Weissagung getan hatte, verschwand er plötzlich.
Das ist interessant, denn hier ist vom selben Ort die Rede, von der Königsburg, und von einer irgendwie übernatürlich ausgelösten, plötzlichen Verwandlung oder Veränderung Nebukadnezars. Es ist von wilden Tieren und der Einöde die Rede. Es ist gut denkbar, dass diese Quelle das beschreibt, was hier passiert, in dem Moment, als Gottes Stimme zu Nebukadnezar spricht. Dort heißt es in Vers 28: „Es kam diese Stimme vom Himmel, im gleichen Augenblick wurde erfüllt das Wort an Nebukadnezar.“
Es ist durchaus denkbar, dass dieser Ausbruch Nebukadnezars, der dann von seinen Zeitgenossen auch als Wahnsinn eingeordnet wurde, an dieser Stelle erfolgte. Jetzt wurde Nebukadnezar gewissermaßen aus dem Verkehr gezogen, sodass er im öffentlichen Hofleben nicht mehr auftreten konnte. In diesen Momenten beginnt das, was Nebukadnezar später im Rückblick so zusammenfassen wird, mit dem einfachen Satz: „Wer stolz ist, den kann er demütigen.“
Das ist das Dritte, was Gott tut, wenn er einen Stolzen beugt: Gott redet, Gott wartet, und das Dritte ist, Gott schlägt. Das heißt natürlich nicht, dass jedes schlimme Ergehen, das Gott heute oder auch bei anderen zulässt, immer Strafe oder Züchtigung sein muss. Aber Gott kann das auch heute noch tun. Wenn Gott einem Stolzen noch einmal Gnade schenken will, wird er ihn irgendwie zum Innehalten bringen. Die Art und Weise, wie Gott das macht, kann ganz verschieden sein.
Das Schlimmste, was einem Stolzen passieren kann, wäre, dass Gott ihn nicht mehr bremst, ihn nicht mehr schlägt, sondern ihn einfach in die falsche Richtung weiterlaufen lässt, in die er schon unterwegs ist. Das wäre das Schlimmste. Nebukadnezar wird geschlagen. Das ist der Gnadenakt Gottes, und im Nachhinein wird Nebukadnezar das kapieren und Gott aus vollem Herzen dafür danken, dass er ihn geschlagen hat.
Ich denke, das ist auch einer der Gründe, warum Nebukadnezar dieses Dokument geschrieben hat. Sie haben ja vor sich ein Dokument aus der Feder Nebukadnezars, das Daniel in seinem Buch dann aufgenommen hat, wie wir das zuletzt gesehen haben. Ich denke, dieser Dank über das, was er von Gott erfahren hat, ist einer der Gründe.
Denn hätte Gott den König nicht zum Innehalten gezwungen, wäre auch das Letzte und Vierte nicht passiert, was wir hier noch entdecken: Gott redet, Gott wartet, Gott schlägt, und das Vierte am Ende ist, Gott verändert.
Und das sind jetzt eigentlich die schönsten Verse in dem ganzen Kapitel, die wir zum Schluss noch lesen. Vers 31: „Nach dieser Zeit hob ich, Nebukadnezar, meine Augen auf zum Himmel.“ Also nach diesen sieben Jahren. Und Sie merken, jetzt schreibt er wieder in der ersten Person Singular. Für die Phase davor war Nebukadnezar natürlich, da er nicht mehr zurechnungsfähig war, darauf angewiesen, Informationen von seinen Begleitern zu bekommen, vielleicht auch von Daniel. Vielleicht hatte dieser ihm auch geholfen, den Bericht zu schreiben – alles ist denkbar.
Aber jetzt, ab Vers 31, redet er wieder in der ersten Person Singular: „Nach dieser Zeit hob ich, Nebukadnezar, meine Augen auf zum Himmel, und mein Verstand kam mir wieder. Ich lobte den Höchsten, ich pries und ehrte den, der ewig lebt, dessen Gewalt ewig ist und dessen Reich für und für währt. Gegen alle, die auf Erden wohnen, sind sie nichts zu rechnen. Er macht, wie er will, mit den Mächten im Himmel und mit denen, die auf Erden wohnen, und niemand kann seine Hand wehren, noch zu ihm sagen: Was machst du? Zur selben Zeit kehrte mein Verstand zu mir zurück, und meine Herrlichkeit und mein Glanz kamen wieder an mich zur Ehre meines Königreichs. Meine Räte und Mächtigen suchten mich auf, und ich wurde wieder über mein Königreich angesetzt und gewann noch größere Herrlichkeit.“
Das erinnert an Hiob am Ende seines Lebens. Nachdem Gott ihn auf den richtigen Weg gebracht hat, hat er am Ende auch seinen Reichtum vermehrt.
Und dann Vers 34: „Darum lobe, ehre und preise ich Nebukadnezar, den König des Himmels, denn all sein Tun ist Wahrheit, und seine Wege sind recht. Und wer stolz ist, den kann er demütigen.“ Was für ein Zeugnis! Das müssen wir uns am Ende noch anschauen.
Wie verändert Gott Nebukadnezar? Ab hier kann er sich also wieder erinnern. Über die Phase des Wahnsinns hat er die Informationen von den anderen bekommen. Das größte Wunder in diesem Bericht geschieht hier. Sehen Sie genau hin: Hier geschieht es, Vers 31. Nach dieser Zeit, da geht es los: „Hob ich, Nebukadnezar, meine Augen auf zum Himmel, und mein Verstand kam mir wieder, und ich lobte den Höchsten.“
Verstehen Sie, in seiner Gnade schenkt Gott Nebukadnezar, dass er nach sieben Jahren wieder verantwortlich handeln kann. Und das Erste, was er macht, ist, dass sein Blick gewissermaßen nach Gott sucht. Diese Formulierung „Ich hebe meinen Blick zum Himmel“ steht auch an anderen Stellen des Alten Testaments, zum Beispiel Psalm 121, Vers 1 oder Psalm 123, Vers 1. Dort meint es immer „nach Gott suchen, nach Gott fragen“. So ist es wohl auch hier gemeint. Sein Blick geht zum Himmel, und wahrscheinlich ist diese Formulierung so zu verstehen, dass es ein stummer Schrei um Hilfe ist: „Du Gott, der du mich geschlagen hast, erbarme dich über mich.“ So wird es wahrscheinlich gewesen sein.
Und Gott, was macht er? Er gibt Nebukadnezar seinen Verstand zurück. Was macht er noch? Dieser Verstand scheint ein erneuerter, irgendwie erleuchteter Verstand zu sein, denn was jetzt aus Nebukadnezars Mund heraustönt, ist ein Loblied auf den lebendigen Gott.
Und was ist da für eine Veränderung geschehen? Die letzten Worte vor dem Wahnsinn waren ein Loblied Nebukadnezars auf sich selbst. Sie erinnern sich noch an Vers 27: „Ich habe das große Babel erbaut durch meine große Macht, zu Ehren meiner Herrlichkeit.“ Das waren die letzten Worte vorher. Und die Worte jetzt nach diesem Wahnsinn, nach dieser Veränderung, sind ein einziges Loblied auf den lebendigen Gott.
Wenn Sie die Auslegung dazu lesen, werden Sie bei vielen Exegeten den Verdacht finden, dass es auch wieder nur so ein kurzes Auflackern einer vorläufigen Erkenntnis war – sozusagen eine kurzfristige Erleichterung, wie wir das bei Nebukadnezar früher auch hatten: „Ich bin nochmal davongekommen und danke Gott mal oberflächlich, lebe ansonsten aber so weiter wie bisher.“ Wir haben ja noch diese alten Loblieder in Kapitel 2 und Kapitel 3 in Erinnerung.
Aber hier, und das möchte ich Ihnen am Ende gern zeigen, ist vieles anders. Hier scheint Nebukadnezar wirklich mehr verstanden zu haben. Das Erste, was er mehr verstanden hat, ist, wer Gott selbst wirklich ist. Schauen Sie in Vers 31: Da sagt er, es ist ein ewiger Gott, dessen Macht unbegrenzt bleibt.
Und dann, ganz auffällig, Vers 32: Hier kommt es wirklich auf die Einzelheiten an. Da sagt Nebukadnezar über Gott: Er macht, wie er will, mit den Mächten im Himmel und mit denen, die auf Erden wohnen. Das ist nicht mehr der heidnische Schicksalsglaube, sondern hier redet Nebukadnezar von dem persönlichen Gott, der in Raum und Zeit handelt und seinen Willen durchsetzt. „Er macht, wie er es will.“ Das ist eine unerhörte Entdeckung für einen heidnischen Mann wie Nebukadnezar.
Und dann weiter: Hier spricht auch nicht mehr der alte Polytheismus, dieser Mehrgötterglaube, der noch vorher bei ihm da war, sondern er bezeichnet Gott jetzt als den König des Himmels. Er sagt nicht mehr „Der höchste aller Götter“, sondern „Er ist der König des Himmels.“ Hier ist nur noch von einem Gott die Rede.
Nebukadnezar begreift nicht nur mehr, wer Gott ist, sondern wahrscheinlich zum ersten Mal, wie tief wirklich die Kluft zwischen Gott und Mensch ist. Sehen Sie mal, was er in Vers 32 sagt: „Gegen diesen Gott sind alle, die auf Erden wohnen, für nichts zu rechnen.“ Der große Gott und wir kleinen Menschen. Und dann noch einmal am Ende von Vers 32: „Niemand, kein Herrscher, kein Mensch, kein irgendwer kann seine Hand wehren oder ihm sagen: Was machst du?“ Gott ist souverän in seinem Verhältnis gegenüber den Menschen. Gott allein ist Gott.
Dann lernt Nebukadnezar noch etwas, nicht nur über Gott selbst, nicht nur allgemein über das Verhältnis zwischen Gott und der Menschheit, sondern auch über das Verhältnis zwischen Gott und ihm persönlich. Er sagt nämlich in Vers 34: „Darum lobe, ehre und preise ich Nebukadnezar, den König des Himmels, denn all sein Tun ist Wahrheit, und seine Wege sind Recht.“
Was macht Nebukadnezar hier? Er gibt Gott Recht. Er gibt zu, dass Gott ihm gegenüber im Recht ist. Damit gibt er zu: Diese Demütigung, die ich erfahren habe, diese sieben Jahre, die Gott mich geschlagen hat, das war recht. Alle seine Wege sind recht, das war verdient, das war notwendig.
Was sich hier bei Nebukadnezar ausdrückt, ist der Anfang von Sündenerkenntnis. Er gibt Gott Recht, es war notwendig, so dass Gott so mit ihm verfahren ist.
Dann sehen Sie den letzten Satz, in den dieser Selbstbericht mündet: Im Licht von Gottes Wahrheit und Gerechtigkeit kommt Nebukadnezar zu dieser realistischen Selbsteinschätzung: „Wer stolz ist, den kann er demütigen.“ Das heißt: Ich war stolz. Ich habe gegen Gott rebelliert, und er hat mich zu Recht gedemütigt.
Das klingt fast wie die vorweggenommene Aussage von 1. Petrus 5: „Gott widersteht den Hochmütigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade.“ All dies zusammengenommen macht es sehr wahrscheinlich, dass wir es hier wirklich mit einer echten Bekehrung zu tun haben.
Das wird noch durch eine weitere Beobachtung bestätigt. Schauen Sie mal: Es gehört einiger Mut und einiges an Demut dazu, einen solchen Bericht über sich selbst weltweit als berühmter Mann zu veröffentlichen. Welches Motiv könnte dafür festzumachen sein? Wahrscheinlich die Dankbarkeit. Die Dankbarkeit Nebukadnezars, dass er das bezeugen wollte: „Seht, was Gott an mir getan hat.“
Dann noch eine Beobachtung: Schauen Sie, dieser Bericht endet nicht mit Vers 33, sondern mit Vers 34. In Vers 33 geht es darum, dass Nebukadnezar seinen alten Reichtum und seine alte Macht wiedererhält, dass Gott ihn wieder gewissermaßen in seine alte äußere Umgebung einsetzt, wie bei Hiob. Aber damit endet der Bericht nicht. Das ist nicht das Wichtigste.
Der Bericht endet mit diesem Bekenntnis seiner Schuld. Er endet mit der Erkenntnis, dass Nebukadnezar Gott Recht gibt. Er endet mit der Aussage: „Er kann den Stolzen demütigen, und er hat es getan.“ Das Ganze ist eingebaut in ein Loblied.
Ich denke, Nebukadnezars Bekehrung war echt.
Und noch eine Beobachtung: Nebukadnezar berichtet nicht nur in Vers 31, dass er Gott gelobt hat, nachdem diese sieben Jahre um waren: „Ich pries, ehrte und lobte den Höchsten.“ Sondern in Vers 34 sagt er es noch viel schöner. Da sagt er das Gleiche nicht nur im Tempus der Vergangenheit, sondern als eine Aussage über die Gegenwart: „Und jetzt lobe, und jetzt ehre, und jetzt preise ich ihn.“
Das ist eine Aussage, das ist jetzt seine Grundhaltung. Das ist nicht nur ein einmaliger Akt der Erleichterung, nachdem das Unglück überstanden war, sondern jetzt wird es im Präsens gesagt, als ein dauerhafter Vorgang: „Jetzt lobe ich ihn, jetzt preise ich ihn, jetzt ehre ich ihn.“ Das soll die Grundmelodie seines Lebens sein. Ich denke, dass man das hier durchaus anklingen hört.
So stehen wir vor dem großen Wunder am Ende: Gott hat einen Stolzen gebeugt. Gott hat geredet, Gott hat gewartet, Gott hat geschlagen, und am Ende hat er Nebukadnezar verändert.
Für uns alle liegt darin am Schluss ein großes Hoffnungszeichen. Bei Gott gibt es keine hoffnungslosen Fälle. Ich weiß nicht, für welche Menschen Sie beten, für welche Menschen Sie schon lange hoffen und erbitten, dass sie zum lebendigen Glauben an den allmächtigen Gott kommen mögen.
Sehen Sie sich diesen Bericht an: Wenn der Allmächtige in seiner Gnade zupackt, dann bekommt auch ein Nebukadnezar die Chance eines neuen geistlichen Lebens. Vielleicht haben Sie jetzt den einen oder anderen kleinen Nebukadnezar vor Augen, für den Sie vielleicht lange schon beten. Bei dem Sie es sich einfach nicht vorstellen können, dass Gott ihn noch einmal packen will.
Lassen Sie sich Mut machen durch diesen historischen Beleg: Gott hat alle Macht, und er kann dies tun. Das soll uns große Hoffnung geben, weiter zu beten.
Gleichzeitig sollten wir darin die ernste Mahnung hören, die Gott mit diesem Fallbeispiel auch an seine Kinder, also auch an uns Christen, richtet. Selbst als Menschen, die mit Jesus leben, sind wir noch nicht frei von Schuld und nicht frei von diesem Stolz.
Was Petrus schreibt, ist zunächst an Christen gerichtet: 1. Petrus 5,5-6: „Alle miteinander haltet fest an der Demut, denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöht zu seiner Zeit.“
Liebe Mitchristen, auch in unserem Herzen kann sich immer wieder Hochmut und Stolz breitmachen. Das kann sich ganz unterschiedlich äußern: Bei dem einen als Selbstgerechtigkeit oder als Herabschauen auf andere, innerlich für besser gehalten. Dieser Stolz kann sich in Kritiksucht äußern, dass man an allem etwas zu kritisieren hat oder sich richtig daran freut, Fehler zu finden. Er kann sich als Ehrsucht zeigen, wenn man unendlich darauf bedacht ist, genügend Ehre, Aufmerksamkeit und Ansehen zu bekommen.
Es gibt viele verschiedene Indizien, an denen dieser Stolz sich festmachen kann. Besonders gefährlich ist es, dass man ihn nicht immer merkt, weil er im Herzen sitzt und sich hinter sehr demütigen Fassaden verstecken kann.
Die schlimmste Form von Stolz, und das möchte ich hier noch einmal erinnern, ist wohl dann gegeben, wenn wir Gottes Wahrheit nicht bis ins Letzte ernst nehmen. Wenn wir uns Gott gegenüber das letzte Recht herausnehmen, selbst zu bestimmen, wie weit wir gehen. Wenn wir zwar vorgeben, Jesus nachzufolgen, ihm aber doch die Hingabe unseres Lebens verweigern. Und wenn wir nicht einmal mehr die Sorge kennen, wir könnten unseren Herrn betrüben.
Das ist die furchtbare Gefahr des Stolzes. Man kann nur sagen: Wohl dem Stolzen, dem Gott die Gnade gewährt, dass er ihn beugt.
Darum, liebe Mitchristen, lasst uns genau hinhören, wenn Gott redet. Lasst uns die Zeit nutzen, wenn Gott wartet. Vielleicht kommen wir ja manchmal zur Besinnung noch bevor Gott uns schlägt, wie in Ninive.
Aber wenn Gott in seiner Liebe es dann dennoch tun muss, dass er uns schlägt, dann lasst uns Gott nicht anklagen, sondern eilends Buße tun. Lasst uns Gott Recht geben, wie es Nebukadnezar getan hat. Dann wird Gott uns verändern.
Er wird sein Werk der Veränderung an uns durchführen, solange es nötig ist, bis wir einmal ganz am Ziel sind, wo keine Veränderung mehr nötig ist. Dann hat aller Stolz ausgespielt. Dann endlich werden wir unseren Herrn so loben und ehren, wie er es wirklich verdient.
Ihm sei alle Ehre. Amen.
Gottes vierter Schritt: Er verändert
Und das sind jetzt eigentlich die schönsten Verse in dem ganzen Kapitel. Die lesen wir zum Schluss noch.
Vers 31: Nach dieser Zeit hob ich, Nebukadnezar, meine Augen auf zum Himmel, also nach diesen sieben Jahren.
Sie merken, jetzt schreibt er wieder in der ersten Person Singular. Für die Phase davor war Nebukadnezar natürlich darauf angewiesen, Informationen von seinen Begleitern zu bekommen, da er nicht mehr zurechnungsfähig gewesen war. Vielleicht auch von Daniel. Vielleicht hatte ihm Daniel sogar geholfen, diesen Bericht zu schreiben – es ist alles denkbar.
Aber jetzt, ab Vers 31, am Ende, redet er wieder in der ersten Person Singular: Nach dieser Zeit hob ich, Nebukadnezar, meine Augen auf zum Himmel, und mein Verstand kam mir wieder. Ich lobte den Höchsten, ich pries und ehrte den, der ewig lebt, dessen Gewalt ewig ist und dessen Reich für und fürwährt.
Gegen alle, die auf Erden wohnen, sind sie nichts zu rechnen. Er macht es, wie er will, mit den Mächten im Himmel und mit denen, die auf Erden wohnen. Niemand kann seine Hand wehren oder zu ihm sagen: Was machst du?
Zur selben Zeit kehrte mein Verstand zu mir zurück, und meine Herrlichkeit und mein Glanz kamen wieder an mich, zur Ehre meines Königreichs. Meine Räte und Mächtigen suchten mich auf, und ich wurde wieder über mein Königreich angesetzt und gewann noch größere Herrlichkeit.
Das erinnert an Hiob am Ende seines Lebens. Nachdem Gott ihn auf den richtigen Weg gebracht hatte, vermehrte er am Ende sogar seinen Reichtum.
Und dann Vers 34: Darum lobe, ehre und preise ich Nebukadnezar, den König des Himmels, denn all sein Tun ist Wahrheit. Und jetzt Achtung: Seine Wege sind recht, und wer stolz ist, den kann er demütigen.
Was für ein Zeugnis! Das müssen wir uns am Ende noch anschauen.
Die Veränderung Nebukadnezars im Detail
Wie verändert Gott den Nebukadnezar? Ab diesem Punkt kann er sich wieder erinnern. Über die Phase des Wahnsinns hat er die Informationen von anderen erhalten.
Und hier geschieht das größte Wunder in diesem Bericht. Sehen Sie genau hin: In Vers 31 heißt es, „Nach dieser Zeit hob ich Nebukadnezar meine Augen auf zum Himmel, und mein Verstand kam mir wieder, und ich lobte den Höchsten.“
Verstehen Sie, in seiner Gnade schenkt Gott Nebukadnezar die Fähigkeit, nach sieben Jahren wieder verantwortlich handeln zu können. Das Erste, was er tut, ist, dass sein Blick gewissermaßen nach Gott sucht.
Diese Formulierung „Ich hebe meinen Blick zum Himmel“ findet sich auch an anderen Stellen im Alten Testament, zum Beispiel in Psalm 121,1 oder Psalm 123,1. Dort bedeutet sie immer „nach Gott suchen“ oder „nach Gott fragen“. So ist es wohl auch hier gemeint. Sein Blick geht zum Himmel, und wahrscheinlich ist diese Formulierung als ein stummer Schrei um Hilfe zu verstehen: „Du Gott, der du mich geschlagen hast, erbarme dich über mich.“ So wird es wahrscheinlich gewesen sein.
Und Gott – was tut er? Er gibt Nebukadnezar seinen Verstand zurück. Aber nicht nur das: Dieser Verstand scheint ein erneuerter, irgendwie erleuchteter Verstand zu sein. Denn was jetzt aus Nebukadnezars Mund kommt, ist ein Loblied auf den lebendigen Gott.
Welche Veränderung ist hier geschehen? Die letzten Worte vor dem Wahnsinn waren ein Loblied Nebukadnezars auf sich selbst. Erinnern Sie sich an Vers 27: „Ich habe das große Babel erbaut durch meine große Macht, zu Ehren meiner Herrlichkeit.“ Das waren seine letzten Worte vor dem Wahnsinn.
Die Worte jetzt, nach diesem Wahnsinn und dieser Veränderung, sind ein einziges Loblied auf den lebendigen Gott.
Wenn Sie die Auslegungen dazu lesen, werden Sie bei vielen Exegeten den Verdacht finden, dass es sich auch hier nur um ein kurzes Aufleuchten einer vorläufigen Erkenntnis handelt. Sozusagen eine kurzfristige Erleichterung – ähnlich wie wir es bei Nebukadnezar früher erlebt haben: „Ich bin nochmal davongekommen und danke Gott mal oberflächlich, lebe aber ansonsten weiter wie bisher.“
Wir haben ja noch die alten Loblieder in Kapitel zwei und drei in Erinnerung. Aber hier, und das möchte ich Ihnen zum Schluss gern zeigen, ist vieles anders.
Hier scheint Nebukadnezar wirklich mehr verstanden zu haben. Zum ersten Mal hat er mehr begriffen, wer Gott wirklich ist. Schauen Sie in Vers 31: Dort sagt er, Gott sei ein ewiger Gott, dessen Macht unbegrenzt bleibt.
Ganz auffällig wird es in Vers 32. Hier kommt es wirklich auf die Details an. Nebukadnezar sagt über Gott: „Er macht, wie er will, mit den Mächten im Himmel und mit denen, die auf Erden wohnen.“
Das ist nicht mehr der heidnische Schicksalsglaube. Hier redet Nebukadnezar von einem persönlichen Gott, der in Raum und Zeit handelt und seinen Willen durchsetzt. „Er macht, wie er will.“ Das ist eine unerhörte Entdeckung für einen heidnischen Mann wie Nebukadnezar.
Weiterhin spricht hier nicht mehr der alte Polytheismus, dieser Mehrgötterglaube, der vorher bei ihm vorhanden war. Stattdessen bezeichnet er Gott jetzt als den König des Himmels. Er sagt nicht mehr „Der höchste aller Götter“, sondern „Er ist der König des Himmels.“ Hier ist nur noch von einem Gott die Rede.
Nebukadnezar begreift nicht nur mehr, wer Gott ist, sondern wahrscheinlich zum ersten Mal auch, wie tief die Kluft zwischen Gott und Mensch wirklich ist.
Sehen Sie, was er in Vers 32 sagt: „Gegen diesen Gott sind alle, die auf Erden wohnen, für nichts zu rechnen.“ Der große Gott und wir kleinen Menschen.
Und noch einmal am Ende von Vers 32: „Niemand, kein Herrscher, kein Mensch, kein irgendwer kann seine Hand wehren oder ihm sagen, was machst du?“ Gott ist souverän in seinem Verhältnis zu den Menschen. Gott allein ist Gott.
Dann lernt Nebukadnezar noch etwas – nicht nur über Gott selbst, nicht nur allgemein über das Verhältnis zwischen Gott und der Menschheit, sondern über das Verhältnis zwischen Gott und ihm persönlich.
Er sagt nämlich in Vers 34: „Darum lobe, ehre und preise ich, Nebukadnezar, den König des Himmels, denn all sein Tun ist Wahrheit, und seine Wege sind Recht.“
Was macht Nebukadnezar hier? Er gibt Gott Recht. Er gibt zu, dass Gott ihm gegenüber im Recht ist. Damit gibt er zu, dass die Demütigung, die er erfahren hat – diese sieben Jahre, in denen Gott ihn geschlagen hat – gerechtfertigt war. Alle seine Wege sind recht; das war verdient und notwendig.
Was sich hier bei Nebukadnezar ausdrückt, ist der Anfang von Sündenerkenntnis. Er gibt Gott Recht: Es war notwendig, dass Gott so mit mir verfahren ist.
Dann sehen Sie den letzten Satz, in dem dieser Selbstbericht mündet: Im Licht von Gottes Wahrheit und Gerechtigkeit kommt Nebukadnezar zu einer realistischen Selbsteinschätzung.
„Wer stolz ist, den kann er demütigen.“ Das heißt: Ich war stolz, ich habe gegen Gott rebelliert, und er hat mich zu Recht gedemütigt.
Das klingt fast wie eine vorweggenommene Aussage aus 1. Petrus 5: „Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“
All dies zusammengenommen macht es sehr wahrscheinlich, dass wir es hier wirklich mit einer echten Bekehrung zu tun haben.
Das wird noch durch eine weitere Beobachtung bestätigt: Es gehört einiger Mut und Demut dazu, einen solchen Bericht über sich selbst weltweit als berühmter Mann zu veröffentlichen.
Welches Motiv könnte dafür verantwortlich sein? Wahrscheinlich die Dankbarkeit. Die Dankbarkeit Nebukadnezars, dass er dies bezeugen wollte vor der Welt: „Seht, was Gott an mir getan hat.“
Noch eine Beobachtung: Dieser Bericht endet nicht mit Vers 33, sondern mit Vers 34.
In Vers 33 geht es darum, dass Nebukadnezar seinen alten Reichtum und seine alte Macht wiedererlangt, dass Gott ihn gewissermaßen wieder in seine alte äußere Umgebung einsetzt – ähnlich wie bei Hiob.
Aber damit endet der Bericht nicht, das ist nicht das Wichtigste.
Der Bericht endet mit dem Bekenntnis seiner Schuld. Er endet mit der Erkenntnis, dass Nebukadnezar Gott Recht gibt. Er endet mit der Aussage, dass Gott den Stolzen demütigen kann – und er hat es getan.
Das Ganze ist eingebettet in ein Loblied.
Ich denke, Nebukadnezars Bekehrung war echt.
Noch eine letzte Beobachtung: Nebukadnezar berichtet nicht nur in Vers 31, dass er Gott gelobt hat, nachdem die sieben Jahre vorbei waren: „Ich pries und ehrte und lobte den Höchsten.“
Sondern in Vers 34 sagt er es noch viel schöner. Dort sagt er das Gleiche nicht nur in der Vergangenheit, sondern als Aussage über die Gegenwart: „Und jetzt lobe, und jetzt ehre, und jetzt preise ich ihn.“
Das ist eine klare Aussage: Das ist jetzt meine Grundhaltung.
Es ist nicht nur ein einmaliger Akt der Erleichterung, nachdem das Unglück überstanden war, sondern es wird im Präsens gesagt, als dauerhafter Vorgang.
„Jetzt lobe ich ihn, jetzt preise ich ihn, jetzt ehre ich ihn.“ Das soll die Grundmelodie meines Lebens sein.
Ich denke, dass man dies hier durchaus anklingen hört.
So stehen wir vor dem großen Wunder am Ende: Gott hat einen Stolzen gebeugt. Gott hat geredet, gewartet, geschlagen und am Ende diesen Nebukadnezar verändert.
Hoffnung und Mahnung für unser Leben
Und für uns alle liegt darin am Schluss ein großes Hoffnungszeichen. Bei Gott gibt es keine hoffnungslosen Fälle.
Ich weiß nicht, für welche Menschen Sie beten, für welche Menschen Sie schon lange hoffen und erbitten, dass sie zum lebendigen Glauben an den allmächtigen Gott kommen mögen. Sehen Sie sich diesen Bericht an: Wenn der Allmächtige in seiner Gnade zupackt, dann bekommt auch ein Nebukadnezar die Chance auf ein neues geistliches Leben.
Vielleicht haben Sie jetzt den einen oder anderen kleinen Nebukadnezar vor Augen, für den Sie schon lange beten. Vielleicht können Sie sich einfach nicht vorstellen, dass Gott ihn noch einmal packen will. Lassen Sie sich Mut machen durch dieses historische Beispiel. Gott hat alle Macht, und er kann dies tun. Das soll uns große Hoffnung geben, weiter zu beten.
Gleichzeitig sollten wir darin auch die ernste Mahnung hören, die Gott mit diesem Fallbeispiel an seine Kinder, also auch an uns Christen, richtet. Selbst als Menschen, die mit Jesus leben, sind wir noch nicht frei von Schuld und nicht frei von Stolz.
Was Petrus schreibt, ist zunächst einmal an Christen gerichtet. In 1. Petrus 5,5-6 heißt es: „Alle miteinander haltet fest an der Demut, denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöht zu seiner Zeit.“
Liebe Mitchristen, auch in unserem Herzen kann sich immer wieder Hochmut und Stolz breitmachen. Das kann sich ganz unterschiedlich äußern. Bei dem einen zeigt es sich vielleicht als Selbstgerechtigkeit oder darin, dass man gerne auf andere herabsieht und sich innerlich für besser hält.
Dieser Stolz kann sich in Kritiksucht äußern, also darin, dass man an allem etwas auszusetzen hat oder sich richtig daran freut, Fehler zu finden. Er kann sich auch als Ehrsucht zeigen, wenn jemand unendlich darauf bedacht ist, genügend Ehre, Aufmerksamkeit und Ansehen zu bekommen.
Es gibt viele verschiedene Anzeichen, an denen sich dieser Stolz festmachen kann. Besonders gefährlich ist, dass man ihn nicht immer merkt, weil er am Herzen sitzt und sich hinter sehr demütigen Fassaden verstecken kann.
Die schlimmste Form von Stolz, und das möchte ich hier noch einmal betonen, ist wohl dann gegeben, wenn wir Gottes Wahrheit nicht bis ins Letzte ernst nehmen. Wenn wir uns Gott gegenüber das letzte Recht herausnehmen, selbst zu bestimmen, wie weit wir gehen.
Wenn wir zwar vorgeben, Jesus nachzufolgen, ihm aber doch die Hingabe unseres Lebens verweigern. Wenn wir nicht einmal mehr die Sorge kennen, dass wir unseren Herrn betrüben könnten. Das ist die furchtbare Gefahr des Stolzes.
Man kann nur sagen: Wohl dem Stolzen, dem Gott die Gnade gewährt, dass er ihn beugt.
Darum, liebe Mitchristen, lasst uns genau hinhören, wenn Gott redet. Lasst uns die Zeit nutzen, wenn Gott wartet. Vielleicht kommen wir ja manchmal zur Besinnung, noch bevor Gott uns schlägt, so wie in Ninive.
Aber wenn Gott in seiner Liebe es dann dennoch tun muss, dass er uns schlägt, dann lasst uns Gott nicht anklagen. Lasst uns eilends Buße tun, lasst uns Gott Recht geben, so wie es Nebukadnezar getan hat.
Dann wird Gott uns verändern. Er wird sein Werk der Veränderung an uns durchführen, solange es nötig ist, bis wir einmal ganz am Ziel sind, wo keine Veränderung mehr nötig ist.
Dann hat aller Stolz ausgespielt, und wir werden unseren Herrn endlich so loben und ehren, wie er es wirklich verdient. Ihm sei alle Ehre. Amen.