Einführung und aktuelle Gemeindesituation
Wir hören auf das Wort der Predigt, 1. Petrus 2,1-6, in der Übersetzung Luther 84:
"So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede und seid begierig nach der vernünftigen, lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, auf dass ihr durch sie wachset zum Heil. Da ihr schon geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist, zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu Opfern geistlicher Opfer, die Gott wohlgefällig sind, durch Jesus Christus. Darum steht in der Schrift: Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein, und wer an ihn glaubt, der soll nicht zu Schanden werden." Amen.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Wir wollen noch einmal beten: Herr, nun bitten wir dich, heilige du uns in der Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit. Amen.
Liebe Gemeinde,
der Mensch denkt, und Gott lenkt! Heute, zum Erntedankfest, wollten wir eigentlich mit einem großen Festgottesdienst unser neu gestaltetes Gemeindezentrum einweihen, das sich hier knapp drei Meter hinter der Zeltwand befindet.
Immerhin bewegen wir uns hier auf eigenem Grund und Boden, und wir grüßen die Welt aus einem Missionszelt. Dass wir die Welt grüßen können, verdanken wir unseren Technikern, die das in kurzer Zeit noch hinbekommen haben. Vielen Dank dafür!
Wir verdanken es auch Mitchristen aus Bremen, die uns in kürzester Zeit dieses Zelt zur Verfügung gestellt haben. Am Freitag haben sie zusammen mit einsatzbereiten Männern aus unserer Gemeinde bis in die späten Abendstunden hinein dieses Zelt aufgebaut.
Der für die Nutzung zuständige Beamte erlaubt uns jedoch immer noch nicht die reguläre Nutzung der Räume. Vor wenigen Tagen hat er kurzfristig neue Bedingungen diktiert, von denen bisher nie die Rede gewesen war. Diese Bedingungen sind für die Arbeit einer Gemeinde und Kirche zum Teil völlig unzumutbar und weltfremd.
Auch die dahinterstehende baurechtliche Argumentation ist fragwürdig. Wir haben noch nie davon gehört, dass es so etwas im kirchlichen Raum überhaupt gibt. Beispielsweise sollen wir uns verpflichten, die Anordnung der Stühle im Gottesdienstraum einmal zu dokumentieren und dann nicht mehr zu verändern. Das ist absurd und einer lebendigen Gemeindearbeit niemals zumutbar.
Wir warten also noch, und das ist der Grund, warum wir dieses Zelt aufgestellt haben. Die Gemeinde muss endlich hier vor Ort zusammenkommen, wo wir hingehören – hier, wo wir unseren allerersten Auftrag haben. Diesen Auftrag werden wir wahrnehmen.
Das ist unser Kerngeschäft, unser Hauptanliegen, solange es nötig ist, in diesem Zelt zu bleiben. Übrigens ist das Zelt auch beheizt. Das sage ich allen, die uns jetzt nur von ferne begleiten. Fragen Sie die Leute: Hier ist es wirklich warm. Und Sie können nächstes Mal auch hierher kommen und mit dabei sein.
Wir werden alles daran setzen, das Gebäude nebenan, das uns rechtmäßig gehört und mit viel Liebe und dem Einsatz vieler treuer Mitarbeiter gestaltet wurde, so bald wie möglich vollumfänglich nutzen zu können, so wie es uns zusteht.
An dieser Stelle auch noch einmal großer Dank an unseren Architekten, Herrn Lorcke, der heute nicht dabei sein kann, weil er sich im Ausland befindet. Aber wir grüßen ihn von hier aus. Herr Lorcke hat nicht nur geniale Ideen, sondern auch viel Herzblut in dieses Projekt investiert – wie so viele andere Mitarbeiter auch.
Dieses Zelt ist also eine Durchgangsstation und zugleich ein Aufruf an Sie alle: Wieder einmal brauchen wir Ihre Gebete und auch sonstige Unterstützung unserer Freunde im ganzen Land.
Umso mehr freuen wir uns, dass auch unsere geschätzten Musiker aus Dresden an diesem 6.10. wirklich festgehalten haben, als es hieß: "Jetzt gehen wir erst mal ins Zelt." Die können nämlich – das haben sie gemerkt – nicht nur Semperoper und Festakt, sondern auch Zelt, weil sie das als Dienst für Jesus Christus verstehen.
Möge Gott das auch ihnen weiterhin segnen.
Die Gemeinde als geistliches Haus in schwieriger Zeit
Und natürlich geht es uns in diesen Wochen besonders nahe, dass Gottes Wort die Gemeinde Jesu Christi als ein Haus der lebendigen Steine beschreibt. Das ist ja der Kernvers unseres Predigttextes: 1. Petrus 2,5. Dort heißt es: „So werdet auch ihr als lebendige Steine aufgebaut zu einem geistlichen Haus.“
Petrus spricht also von einem Haus, das Gott dient, das ihn ehrt – von einem geistlichen Haus, in dem er selbst anwesend ist. Ähnlich beschreibt auch Paulus die Gemeinde Jesu als einen lebendigen Tempel, ein geistliches Haus. Dieses Bild ist sehr ermutigend. Ein Haus aus Steinen, ein fester Tempel – es ist ein Bild, das die Stabilität und Robustheit der Gemeinde Jesu zum Ausdruck bringt. Wie ein Tempel, wie ein Haus der lebendigen Steine.
Petrus schreibt das an Menschen, die sich in ihrer Situation wahrscheinlich kaum als robust und stabil wahrgenommen haben. Vielmehr hätten sie ihre Lage wohl eher mit einem Zelt verglichen. Mitte der sechziger Jahre nach Christus war Kaiser Nero an der Macht. Er sah die Christen als Gefahr für den Staat an. Für die Brandkatastrophe von Rom hatte er die Christen verantwortlich gemacht, um von seiner eigenen Schuld abzulenken. Nero schürte gezielt negative Emotionen gegen die Christen, was sich im ganzen römischen Reich auswirkte.
In etwa zu dieser Zeit schreibt Petrus seinen Brief, circa 64 nach Christus. Da passt die Vorstellung eines Zeltes wohl besser: flatterige Wände, klapprige Holzstühle. Dieses Bild klingt immer wieder durch die Zeilen des ersten Petrusbriefes hindurch. Der Brief beginnt damit, dass Petrus die Christen als auserwählte Fremdlinge anspricht, die verstreut sind.
In 1. Petrus 3,14 schreibt er: „Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig; fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht.“ Hier spüren wir etwas von dem Druck, dem sie ausgesetzt waren.
In 1. Petrus 4,12 ermutigt er weiter: „Ihr Lieben, lasst euch durch die Hitze nicht befremden, die euch widerfährt, als eine Versuchung unter vielen. Seht es nicht als etwas Seltsames an, sondern freut euch, dass ihr mit Christus leidet. So werdet ihr auch zur Zeit der Offenbarung seiner Herrlichkeit voller Freude sein.“
Und in Vers 14 heißt es: „Selig seid ihr, wenn ihr geschmäht werdet um des Namens Christi willen.“ Aus diesen Worten hört man deutlich die Christenverfolgung heraus.
Im letzten Kapitel des ersten Petrusbriefes, 1. Petrus 5,10, wird dann dieses strahlende Versprechen greifbar: „Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr jetzt eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen und gründen.“
Das ist die Situation, in der sich die Gemeinde befand. Und dieser angegriffenen Truppe bescheinigt Petrus nun, dass sie als lebendige Steine mitten unter diesen Bedingungen aufgebaut werden zu einem geistlichen Haus.
Gemeinde Jesu Christi: labil oder stabil?
Und jetzt wissen Sie auch, wie es zu unserem Predigtitel heute Morgen gekommen ist: Gemeinde Jesu Christi – labil oder stabil? Gemeinde Christi – labil oder stabil, ja, was gilt denn nun?
Äußerlich betrachtet, auf den ersten Blick, ist die Gemeinde Jesu in dieser Welt dort, wo sie ihrem Herrn treu nachfolgt, ziemlich vulnerabel, ziemlich verletzbar. Sie ist keine mächtige Institution, die zu den Globalplayern der politischen Bühne gehört. Sie punktet nicht durch irdische Reichtümer, nicht durch prunkvolle Immobilien und auch nicht durch dicke Schweizer Bankkonten.
Schon der Herr Jesus hat das seinen Leuten vorhergesagt. In Lukas 12, Vers 32 hat er gesagt: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“ Und ich denke, insofern passt auch dieses Zelt als Symbol, denn wir sind Pilger auf dem Weg. Aber wie geht der Vers weiter? Jesus sagt: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat eurem Vater gefallen, euch das Reich zu geben.“
Das heißt, ihr seid eine kleine Herde, aber ihr steht unter dem Schutz des Herrn, der die Geschichte lenkt. Er garantiert euch die Teilhabe an seinem Reich – damit ist zuallererst der Himmel gemeint. Und Petrus sagt damit – und Jesus hat es schon vorher den Leuten gesagt –, euer Leben, euer Leiden geschieht unter diesem strahlenden Versprechen, dass es gut ausgehen wird.
Daraus gewinnt ihr auch als kleine Herde jetzt schon eine große innere Stärke. Eine Stärke, mit der ihr einen heilsamen Einfluss in dieser Welt ausübt, der so dringend gebraucht wird. Hat Jesus doch in der Bergpredigt gesagt: „Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt.“ Euch, euch Christen, ist eine Botschaft anvertraut, eine Mission, die eure Zeitgenossen dringender brauchen als alles andere. Und das trotz eurer äußeren Verwundbarkeit.
Trotzdem seht ihr immer wieder Gottes Treue. Das sehen wir auch an diesem Zelt, das wir sehr kurzfristig brauchten. Wir sind überzeugt, dass Gott uns letztlich durch diese Bremer Mitchristen versorgt hat, die von einem Tag auf den anderen bereit waren, einzuspringen, vorbeizukommen, den Platz zu vermessen und dann diesen Aufbau zusammen mit unseren Mitarbeitern möglich zu machen. Da haben wir gemerkt, wie Gott uns versorgt – trotz aller äußerer Verletzbarkeit.
Aber noch schlimmer als die äußere Verletzbarkeit ist die innere Verletzbarkeit der Gemeinde. Und das ist auch der Grund, warum der Apostel in den ersten Versen unseres Predigttextes nach innen gerichtet Folgendes sagt:
In 1. Petrus 2, Vers 1 heißt es: „So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede.“ Und das sagt Petrus nicht an die säkulare Welt gerichtet, sondern an die Christen. „Nun legt ab alle Bosheit, Betrug, Heuchelei, Neid und alle üble Nachrede.“
Es war also offensichtlich nicht so, dass diese Truppe, obwohl sie von außen angegriffen wurde, auf allen Ebenen wie Pech und Schwefel zusammengehalten hätte. Sonst hätte er das ja nicht schreiben müssen. Auch unter ihnen gab es Bosheit, auch unter ihnen gab es üble Nachrede.
Deshalb ist das Neue Testament ja auch dicht gespickt mit göttlichen Prinzipien, wie die Gemeinde sich gegenüber diesen Sünden in ihren eigenen Reihen verhalten soll. Auch das ist die Realität der Gemeinde Jesu zu allen Zeiten.
Die drei Faktoren für Stabilität der Gemeinde
Labil oder stabil? Wie wir im Lied nach der Predigt gleich singen werden: „Es schauet ihre Trübsal die Welt mit kaltem Spott, zerrissen und zerspalten, bedrängt von harter Not.“ Diese Worte schrieb Samuel Stone im Jahr 1866.
So stellen wir die Frage: Was macht die Gemeinde eigentlich stabil?
Nun muss der Apostel antworten – und er liefert. In den folgenden Versen zeigt er uns drei Faktoren, die die Gemeinde stabil machen.
Der lebendige Eckstein
Den ersten Faktor finden wir in den Versen 3 und 4: "Ihr habt geschmeckt, dass der Herr freundlich ist, und ihr seid zu ihm gekommen, als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar."
In Vers 6 erklärt Petrus noch einmal, woher dieses Bild vom Stein stammt, nämlich vom Propheten Jesaja. Dort heißt es in der Schrift: "Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten kostbaren Eckstein, und wer an ihn glaubt, der soll nicht zu Schaden werden."
Das ist also der erste Faktor, der die Gemeinde stabil macht: der lebendige Eckstein. Was macht denn die Kirche zur Kirche, was macht die Gemeinde zur Gemeinde? Es ist doch nicht ein Gebäude, keine Institution, kein bestimmtes Ritual oder eine Veranstaltung. Was die Gemeinde zur Gemeinde macht, ist eine Person: Jesus Christus.
Als die Bremer am Freitag spätabends wieder abreisten und der Pastor, der das geleitet hatte, sich von uns verabschiedete, gab er mir das mit einer Umarmung mit auf den Weg. Er sagte: "Predige Jesus, predige Jesus! Dafür haben wir euch das Zelt hier hingestellt und für nichts anderes. Predige Jesus."
Petrus beschreibt Jesus hier mit diesem eigentümlichen Bild: "Ihr seid gekommen zu dem lebendigen Stein." Dieses Bild hat er aus dem Alten Testament übernommen, wo der Messias schon angekündigt wird, etwa vom Propheten Jesaja in Kapitel 28. Dort kündigt Jesaja den Messias etwa 700 Jahre vorher an – das war damals noch Zukunftsmusik.
Petrus sagt seinen Leuten: Ihr habt das Privileg, persönlich mit Jesus in Kontakt treten zu können. Wer an Jesus glaubt, an diesen lebendigen Stein, der bekommt Boden unter die Füße, festen Stand – auch wenn es ihm persönlich vielleicht gerade schlecht geht. Petrus sagt von Jesus, dass er nicht zu Schanden werden wird, nicht scheitert, sein Leben nicht verliert und in Gottes Gericht nicht verloren geht.
Das ist der erste Grund, warum die Gemeinde Jesu stabil ist: Sie hat den sichersten Eckstein der Welt. Der Eckstein war in einem Gebäude in der Regel der Schlussstein, an dem sich alle Wände orientierten und von dem sie ihren Halt bekamen. Oder der Eckstein konnte auch der Zielstein sein, wenn Bögen auf ein Tor zuliefen. Der Schlussstein hielt alles zusammen und gab allem Stabilität – das war der Eckstein.
Zudem seid ihr gekommen, sagt Petrus. Jesu Autorität wird auch nicht dadurch geringer, dass es so viel Widerspruch gegen ihn gibt. Im Gegenteil: Gott hat das ja genau vorhergesagt, schreibt Petrus ab Vers 7:
"Für euch, die ihr glaubt, ist er kostbar; aber für die Ungläubigen ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein geworden ist, ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses."
Das ist die andere Reaktion auf Jesus: Die Leute ärgern sich über ihn und sagen: "Den wollen wir so nicht." Warum ärgern sie sich über Jesus? Weil Jesus den Stolz unserer Herzen durchkreuzt. Er macht uns deutlich, dass wir jemanden brauchen, der uns unsere Sünde vergibt, der uns retten muss – in einer so dramatischen Aktion, dass er dafür am Kreuz für uns sterben musste.
Darum gibt es so viel Widerspruch. Wenn ein Mensch kapiert hat, wer Jesus ist und was er will, steht er vor dieser dramatischen Entscheidung. Aber gerade angesichts des Widerspruchs hat Jesus erst recht seine Überlegenheit bewiesen. Er ist kein totes Prinzip, sondern ein lebendiger Stein.
Diese Lebendigkeit zeigt sich zuerst daran, dass er auferstanden ist, dass er die Macht des Todes überwunden hat. Petrus konnte das als Augenzeuge bestätigen. Hier liegt der entscheidende Beweis für die Überlegenheit und Lebendigkeit Jesu – und das ist die Basis für alle unsere Hoffnungen: Er ist ein lebendiger Eckstein.
Keine andere Gemeinschaft in der Welt hat eine so solide, durch Tatsachen begründete Hoffnung wie die Christen. Darum waren auch so viele Christen bereit, für diese Botschaft und für diesen Herrn zu sterben. Sie wussten, er ist lebendig und wird uns nicht im Tod lassen.
Weil Jesus lebendig ist, kann man zu ihm in eine persönliche Beziehung treten. Das macht Petrus hier in Vers 4 deutlich mit dem Wort "kommen": "Ihr seid zu Jesus gekommen." Das ist das Wesensmerkmal eines Christen. Ein Christ ist ein Mensch, der zu Jesus gekommen ist.
Ein Christ hat eine überraschende Entdeckung gemacht: Da ist einer, der mich ruft, mit dem ich gar nicht gerechnet hatte, und der ist lebendig. Ich fasse ein Seil an, und plötzlich zieht einer daran – ich merke, da ist jemand. Sie kennen sicher solche Situationen: Man befindet sich in einem Raum, vielleicht noch im Dunkeln, und plötzlich merkt man, da ist jemand. Ich bin nicht allein.
"Aber vor dem muss ich keine Angst haben", sagt Petrus. "Denn er ist gut zu mir." Er sagt in Vers 3: "Ihr habt ja geschmeckt, dass der Herr freundlich ist." Er meint es gut mit euch.
Diese Entdeckung hatten auch die ersten Leser dieses Petrusbriefes gemacht. Sie hatten verstanden, warum Jesus gut ist und warum sie ihn brauchten. Das hatte Petrus im Kapitel davor gesagt: "Ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel, sondern mit dem teuren Blut Jesu Christi."
Das hat Jesus gemacht. Er hat, und wir waren damals Augenzeugen in Jerusalem, auf diesem Hügel die Kreuzigung ertragen. Er hat sein Blut für euch vergossen, und das war kein Zufall, sondern notwendig. Er trug dort die Strafe, die euch sonst für immer in die Hölle geworfen hätte.
Deshalb könnt ihr jetzt diesen Jesus anrufen und ihn bitten: "Lass das für mich gelten." Auch wir heute im Jahr 2024 können darum bitten: "Jesus, lass das für mich gelten, dass du damals meine Strafe getragen hast."
So sind sie zu Jesus gekommen, dem lebendigen Stein, dem Auferstandenen – und dann ist etwas passiert. Dadurch, dass sie zu Jesus kamen, geschah in ihrem Leben die größte Veränderung, die es geben kann.
Wenn ein Mensch zu Jesus kommt, geschieht in seinem Leben die größte Veränderung, die denkbar ist. Denn Vers 5 sagt: "Ihr seid jetzt selbst zu lebendigen Steinen geworden." Ihr seid zu dem lebendigen Stein gekommen, und auch ihr seid lebendige Steine geworden.
Das heißt, sie hatten eine sichere Perspektive über den Tod hinaus bekommen. Das hatte Petrus schon in Kapitel 1, Vers 3 geschrieben: "Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten."
Das hatte sich geändert. Ihr Leben war nicht mehr das eines Todeskandidaten, der irgendwann auf sein Ende zulebt. Sie wussten: Er schenkt uns das ewige Leben, er gibt uns eine Freude, die durch nichts zu toppen ist.
Hier ist die Basis – verstehen Sie? Hier ist die Basis für die Stabilität der Gemeinde Jesu. Wir hängen an dem lebendigen Eckstein, der den Tod besiegt hat und der uns damit hineinzieht, der uns selbst zu lebendigen Steinen macht. Das ist die Kernaussage.
Weil Jesus lebendig ist, ist eine persönliche Verbindung zu diesem Eckstein möglich, eine echte persönliche Verbindung. Deshalb hatte Petrus in Kapitel 1, Vers 8 noch hinzugefügt: "Ihr habt ihn nicht gesehen."
Das können wir genauso für uns sagen: Wir haben Jesus auch nicht direkt gesehen. "Ihr habt ihn nicht gesehen und habt ihn doch lieb. Nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn nicht seht."
Ihr habt ihn nicht gesehen und habt ihn trotzdem lieb, weil wir sicher wissen durch diese Dokumente, was Jesus für uns getan hat und dass er unsere Gebete hört.
Wenn Sie eine Kurzformel dafür wollen, was ein Christ ist, dann können Sie sagen: Ein Christ ist einer, der von sich sagt: "Ich habe Jesus lieb."
Dabei denkt Petrus sicher an seine eigene persönliche Krise mehr als dreißig Jahre zuvor. Die Kreuzigung lag noch nicht lange zurück. Wenige Stunden vorher hatte Petrus den großen Verrat begangen. Man hatte zu ihm gesagt: "Du gehörst doch auch zu diesem Jesus. Wir haben dich doch mit ihm gesehen." Und er hatte dreimal gesagt: "Nein, ich kenne ihn nicht und habe nichts mit ihm zu tun."
Dann hatten sie Jesus am Kreuz getötet. Doch Jesus war auferstanden und hatte Petrus wieder gesucht. Petrus war verzweifelt über sein eigenes Versagen. Jesus stellte ihm dreimal die Frage: "Hast du mich lieb?" Und Petrus antwortete: "Herr, du weißt es, du weißt es. Ich habe dich lieb. Ich bin so entsetzt über mich selbst, ich bin so verzweifelt, dass ich dazu in der Lage war. Aber ja, ich habe dich lieb. Ich brauche dich, ich brauche deine Vergebung."
Ein Christ ist jemand, der von sich sagt: "Ich habe Jesus lieb." Und das ist der Dreh- und Angelpunkt für die Stabilität der Gemeinde Jesu: der lebendige Eckstein.
Darum gilt: Wo die Gemeinde Jesu zusammenkommt, da ist Jesus mit dabei, weil die Gemeinde aus Leuten gebildet wird, die mit Jesus leben. Das ist ganz logisch.
Deshalb verläuft hier auch die Grenze zwischen drinnen und draußen. Petrus schreibt in Vers 7: "Für euch Christen, die an Jesus glauben, ist dieser Eckstein kostbar. Für die Ungläubigen aber ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein geworden ist, ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses."
An diesem Eckstein scheiden sich die Geister. Für die einen ist er kostbar. Sie sagen: "Wenn Jesus das nicht für mich getan hätte, hätte ich keine Chance. Ich liebe ihn." Für die anderen ist er der Stein, den die Bauleute schon damals verworfen haben.
Damit nimmt Petrus Bezug auf die jüdischen Religionsführer, die Jesus letztlich im Verein mit den Römern zur Kreuzigung getrieben haben. Sie hatten ihn damals schon verworfen, sie hatten Jesus abgelehnt.
Für sie war Jesus ein Stolperstein, ein Ärgernis – sei es unbewusst oder bewusst. Manche lehnen Jesus auch heute unbewusst ab, indem sie ihn einfach ignorieren. Andere frisieren sich Jesus so zurecht, dass er mit dem wirklichen Jesus nichts mehr zu tun hat.
Deshalb verläuft die unsichtbare Grenze der Gemeinde Jesu nicht zwischen formalen Mitgliedern und denen, die noch keinen Aufnahmeantrag gestellt haben. Die Grenze verläuft auch nicht zwischen denen, die an kirchlichen Veranstaltungen teilnehmen, und jenen, die sie meiden. Sie verläuft nicht zwischen den religiös Interessierten und denen, die sich nur für Sport oder Politik interessieren – wobei sich das ja gegenseitig nicht ausschließt.
Die Grenze verläuft zwischen denen, die schon persönlich zu Jesus gekommen sind und mit ihm leben, und denen, die noch nicht zu Jesus gekommen sind und noch nicht mit ihm leben.
"Ihr seid gekommen zu dem lebendigen Stein, von den Menschen verworfen, aber bei Gott auserwählt, kostbar."
Das stellt jeden, der das liest oder hört, automatisch vor die Frage: Auf welcher dieser beiden Seiten befinde ich mich zurzeit? Auf welcher Seite stehe ich – rechts oder links dieser Linie?
Christen sind Leute, die durch die Begegnung mit dem lebendigen Jesus selbst lebendig geworden sind. Das ist...
Der göttliche Bauplan
Und dann werden sie von Jesus in ein größeres Bauprojekt hineingestellt. Das ist der zweite Stabilitätsfaktor der Gemeinde: erstens der lebendige Eckstein, zweitens der göttliche Bauplan.
Der göttliche Bauplan – das waren immer Aha-Momente während der Renovierung, wenn der Architekt in den verschiedenen Phasen seinen Bauplan auf den Tisch legte. Dieser wurde immer weiter ergänzt und verfeinert mit vielen Informationen. Hier in Vers 5 skizziert Paulus den göttlichen Bauplan, der die Gemeinde Jesu stabil macht. Er sagt: „Ihr als lebendige Steine werdet aufgebaut zu einem geistlichen Haus.“ Das ist der göttliche Bauplan.
Man kann das Verb, das im Griechischen steht, am besten passiv übersetzen: „Ihr werdet aufgebaut“, weil Gott der Handelnde ist. Die Kirche Jesu Christi ist kein materielles Bauwerk, auch wenn ein schönes materielles Bauwerk symbolisieren kann, was die Kirche Jesu Christi ist. Aber die Kirche Jesu Christi ist auch kein religiöser Verein und keine soziale Organisation. Petrus sagt: „Ihr seid auferbaut zu einem geistlichen Haus.“ Das heißt, die Gemeinde ist ein Ort, an dem Gott durch seinen Heiligen Geist gegenwärtig ist. Deswegen singen wir ja in der Liturgie: „Gott ist gegenwärtig, lasst uns anbeten.“
Die Gemeinde ist ein Ort, der dazu bestimmt ist, dass hier Gott geehrt wird, dass Gottes heiliger Name gelobt wird und dass Gottes hundertprozentig wahres Wort miteinander studiert wird. Deshalb sind wir ein geistliches Haus. Darum vergleicht der Apostel Paulus die Gemeinde mit einem Tempel. Das ist ein ganz ähnliches Konzept: ein geistliches Haus, ein Tempel.
Wissen Sie, was das Faszinierende ist? Dass Gott an diesem Bauprojekt uns fehlerhafte Menschen beteiligt. Deshalb kann man das Passiv hier auch als Aufforderung verstehen: „Lasst euch auferbauen.“ Einige findige Grammatiker sprechen hier von einem tolerativen Passiv, also einem zulassenden Passiv. Ihr stellt euch zur Verfügung, lasst euch von Gott gebrauchen und sagt: „Ja, Gott, baue mich ein in dieses Reich und in dieses Haus.“ Plastischer kann man das kaum ausdrücken.
Verstehen Sie: Wir sind nicht nur Steine, die in einen Tempel eingefügt sind, sondern wir sind lebendige Steine. Wir sind in den guten Händen eines genialen Baumeisters, der uns zusammenfügt. Wir werden eingebaut, aber wir tragen eine echte Mitverantwortung. Wir tragen die Mitverantwortung, uns ganz bewusst einbauen zu lassen.
Das ist der zweite Faktor für die Stabilität der Gemeinde Jesu – dieser göttliche Bauplan. Die Gemeinde ist kein Verein von religiös interessierten Menschen, die sich mal zusammensetzen und in einem demokratischen Verfahren einen Plan entwickeln, wie man als Christ am besten in dieser Welt leben kann. Nein, wir als Gemeinde sind eine Ansammlung von Steinen, die von Gott zusammengefügt werden, um ihm zu dienen und um einander zu dienen.
Deshalb besteht die Gemeinde aus Menschen, die Jesus in seine Nachfolge gerufen hat. Das hat Jesus von Anfang an gesagt. Er sagt in Markus 8,34: „Wer dazugehören will, wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ Das sind wir, die wir unser Kreuz auf uns genommen haben.
Damit ist nicht gemeint, dass wir ein heldenhaftes Leben führen, sondern dass wir grundsätzlich Ja dazu gesagt haben, dass von jetzt an Jesus über unser Leben bestimmt. Dass wir grundsätzlich Ja dazu gesagt haben, dass unser altes Ego durchgestrichen wird und wir bereit sind, unseren Willen Gott unterzuordnen. Natürlich schleppen wir unser altes Leben immer noch mit. Natürlich können wir diesen menschlichen Faktor nie ganz unterdrücken, und das Problem ist uns hoffentlich bewusst.
Umso mehr brauchen wir deshalb diesen göttlichen Bauplan, wie ihn der Bauherr uns in seinem Wort schriftlich überliefert hat. Das ist die einzige Chance, unser menschliches Ego mit Gottes Hilfe einzudämmen. Wir müssen uns an Jesus hängen und sagen: Ja, ich will dir nachfolgen, mein Leben soll dir gehören.
Und wieder trifft uns diese Frage ganz persönlich: Bin ich bereit, mich als ein Stein in Gottes Bau einfügen zu lassen? Interessant, dass gerade am Sonntagvormittag hier ein Traktor unterwegs ist, aber wir lassen uns davon nicht irritieren – obwohl es eine irritierende Zeit ist.
Die Frage lautet: Bin ich bereit, ganz persönlich bereit, mich als ein Stein in Gottes Bau einfügen zu lassen? Oder suche ich mir einfach nach Gefühl und Wellenschlag einen Platz aus, an dem ich mich wohlfühle? Willst du ein Stein sein in Gottes Hand? Das heißt: Bist du bereit, dich von Gott abschleifen zu lassen, damit du an den Platz passt, den er für dich vorgesehen hat?
Bin ich bereit, mich einfügen zu lassen? Das heißt auch: Bin ich bereit, mich einzufügen? Bin ich bereit zu fragen, mit welchem Dienst ich Jesus und seiner Gemeinde am nützlichsten sein kann?
Es ist immer beglückend, wenn neue Mitglieder dazukommen und in den Aufnahmegesprächen fragen: „Wo braucht ihr mich? Wo könnt ihr mich am besten einsetzen?“ Dann sagen sie: „Da will ich gerne mitarbeiten.“ Zum Beispiel unser Putzdienst, der seit vielen Jahren von zwei Ärztinnen organisiert wurde. Erst von der einen, und als die aus bestimmten Gründen nicht mehr konnte, von der nächsten. Sie haben gefragt: „Wo können wir uns am besten einbringen?“ Und sie haben gesagt: „Nein, wir machen das gerne mit dem Putzdienst, wir koordinieren das, wir nehmen das in die Hand, wir hängen uns da rein, damit alles schön sauber und hygienisch ist.“
Wo wirst du gebraucht? Sich einfügen zu lassen als Stein heißt, bereit zu sein für Verbindlichkeit und Treue. Verstehen Sie: Ein Stein muss da sein. Ein Stein kann sich nicht jede Woche und jeden Sonntag neu entscheiden, ob er in der Mauer ist oder nicht. Ein Stein muss da sein.
Dieses Bild vom Stein illustriert beides: Es zeigt die Wichtigkeit jedes Einzelnen. Man kann diesen Stein nicht beliebig austauschen und sagen: „Gut, den einen Stein nehmen wir mal raus und fügen den anderen dafür ein.“ Es zeigt aber auch die Demut, die nötig ist, um diesen besonderen Platz auszufüllen. Die Bereitschaft, von mir selbst abzusehen und zu fragen, wo Jesus mich haben und meinen Dienst haben will.
Eberhard Dahm, den viele hier kennen, hat in seiner originellen Art mal von „Backsteinkristen“ gesprochen. Er hat dabei an die Steine aus 1. Petrus 2 gedacht und sie mit „Ballonchristen“ verglichen, die in der Bibel eigentlich nicht empfohlen werden. Mit etwas künstlerischer Freiheit hat er das so beschrieben:
Was ist ein Ballon? Ein Ballon ist beweglich, rund und bunt. Ein Ballon füllt den Raum, bei zu viel Druck wird es ihm schnell eng, und er kann platzen. Ein Ballon hat kein großes Gewicht. Manche Ballons heben schnell ab oder werden vom Wind verweht. Viele Ballons wirken dünnhäutig, und ihnen geht schnell die Luft aus. Einige Ballons haben eine Botschaft äußerlich aufgedruckt, aber wenn sie etwas bezeugen sollen, kommt nur heiße Luft heraus. Mit den Jahren verlieren sie ihre Form und schrumpfen zusammen.
Ballonchristen stellt Eberhard Dahm den Backsteinkristen gegenüber. Er sagt: Diese Backsteinkristen stammen aus der göttlichen Ziegelei, sie sind Gottes Handarbeit. Diese Backsteinkristen schließen die Lücken und nehmen, wenn nötig, auch mit den unteren Stufen Vorlieb. Diese Backsteine halten hohem Druck stand und tragen die Lasten anderer. Die Backsteine haben Ecken und Kanten, aber sie werden bearbeitet, sie lassen sich bearbeiten. Einmal eingefügt, behalten sie ihre Form und bleiben treu an ihrem Platz. Die Backsteinkristen sind hitzeerprobt und halten durch.
Solche Backsteinkristen will der Bauherr aus uns machen – solche, die sich dort einsetzen lassen, wo Jesus uns einsetzen will.
Darum fügt Petrus in diesem Vers noch ein zweites Bild zur Erklärung hinzu, das überraschend ist, wie er das kombiniert: „Ihr werdet auch selbst als lebendige Steine eingebaut und zur heiligen Priesterschaft, um geistliche Opfer zu bringen.“
Petrus sagt also, ihr sollt nicht nur Steine sein, sondern auch Priester. Das klingt seltsam. Lasst euch erbauen zur heiligen Priesterschaft. Im Alten Testament war das nur eine besondere, kleine Gruppe von ausgebildeten Leuten. In der Gemeinde Jesu sagt Petrus, in diesem geistlichen Haus sind alle lebendige Steine und zugleich heilige Priester.
Was heißt das? Priester dienen Gott mit ihrer ganzen Existenz. Petrus greift hier besonders den Opferdienst der Priester heraus. Im Alten Testament waren das die Tiere und Speisopfer, die die Priester bringen mussten. Im Neuen Testament, wo die Opfer durch Jesus erfüllt sind, wird der Opferbegriff nur noch bildlich verwendet.
Paulus sagt einmal in Römer 12: „Ich ermahne euch nun durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber und damit euer Leben hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und gottwohlgefällig sei.“
Priesterdienst bedeutet, dass ich bereit bin, in Hingabe zu leben. Mein großes Ziel ist, dass sein Name geehrt wird und sein Reich gebaut wird. Deshalb bringt Petrus das zusammen: Ihr seid lebendige Steine und Priester, die bereit sind, ihr Leben für Jesus zu geben.
Und wieder fragt Jesus uns durch diesen Text: Bist du dazu bereit? Bist du bereit zu solcher priesterlichen Hingabe, zu der Jesus uns beruft? Dann wird er dich immer mehr zu einem treuen Backsteinkristen machen, der aktiv seinen Platz einnimmt und die Stabilität der Gemeinde stützt.
Das ist der göttliche Bauplan.
Die Gemeinde als Gemeinschaft von lebendigen Steinen
William Berkeley erzählt einmal die Geschichte eines spartanischen Königs, der Besuch von einem mächtigen ausländischen Monarchen erhielt. Stolz rühmte der Gastgeber Spartas die Stärke der Stadt und verwies zur Begründung auf die festen Mauern Spartas, die jedem Sturm trotzen würden.
Der hohe Gast setzte seinen Rundgang durch die Stadt fort. Er schaute sich spähend um, konnte aber keine Mauer entdecken. Dann fragte er seinen Gastgeber: „Wo sind denn hier die berühmten Mauern von Sparta?“ Daraufhin verwies der spartanische König lächelnd auf seine Armee, die da stand, und sagte: „Das sind die Mauern von Sparta, und jedermann ist ein Stein.“
Und so schreibt es Petrus hier über die Gemeinde Jesu. Er zeigt es als das Geheimnis ihrer Stabilität: Haus der lebendigen Steine. Das sind die Mauern der Gemeinde Jesu, und jeder treue Christ ist ein einzelner Stein. Bist du das? Das ist realistisch, wenn wir diese Stabilitätsfaktoren betrachten: der lebendige Eckstein Jesus, der göttliche Bauplan mit den Steinen.
Petrus weiß nichts von den menschlichen Unsicherheitsfaktoren, die immer wieder das Ganze unterlaufen. Weiß er nichts von Streit oder Egoismus? Waren die Leute damals anders? Oder war Petrus zu gutgläubig, um die Probleme ehrlich zu sehen? Haben wir noch im Ohr, wie unser Text begann? Sie erinnern sich an Vers 1: „So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede.“ Das steht da wirklich in Vers 1. Und die Worte richten sich ganz gezielt an Christen.
Von wegen gutgläubig! Wir fragen eher: Muss der Apostel das denn so offen benennen? Muss er das so undiplomatisch sagen, nachdem er vorher ein ganzes Kapitel darüber gejubelt hatte, dass Jesus diesen Leuten durch seine Vergebung ein neues Leben geschenkt hatte? Und dann benennt er das so offen! Er sagt: „Legt das ab, es passt nicht mehr zu eurem neuen Leben.“
Der Begriff, den er dort für „ablegen“ gebraucht, bezeichnet das Auslegen, Ausziehen von Kleidung. Es ist also, als wollte Paulus sagen: Leute, das sind doch die Klamotten eures alten Lebens – schmeißt sie weg!
Bosheit, dieser große Begriff, umfasst alle menschliche Schuld im zwischenmenschlichen Bereich. Betrug bedeutet, den anderen zu täuschen, um sich selbst zu bereichern. Heuchelei heißt, unaufrichtig zu sein, seine wahren Motive vielleicht hinter einem freundlichen Gesicht zu verbergen und sich dann hintenrum zu beschweren. Neid bedeutet, dem Nächsten seinen Erfolg oder seine Begabung nicht zu gönnen, anstatt sich mit ihm zu freuen.
Und dann das Letzte hier in dieser Reihe: diese konkrete Handlungsweise, üble Nachrede. Üble Nachrede, sagt Petrus, scheint in der frühen Gemeinde ein häufiges Problem gewesen zu sein. Das Neue Testament spricht dieses Problem immer wieder an. In 2. Korinther 12,20 beklagt Paulus die Verbreitung von Gerüchten. Jakobus 4,11 sagt: „Verleumdet einander nicht, Brüder!“
Was sind das für Voraussetzungen für die Gemeinde? Aber Petrus ringt um jeden Einzelnen und sagt: Schmeiß es weg wie ein altes Kleid, mach dich frei davon! Erkenne das als Schuld, das ist nicht normal. Vielleicht hast du dich daran gewöhnt, aber es ist nicht normal. Bring es zu Jesus und bring es in Ordnung, soweit das möglich ist, gegenüber deinem Bruder. Nimm den Kampf gegen diese alten Gewohnheiten auf: Betrug, Heuchelei, Neid, üble Nachrede.
William MacDonald schreibt in seinem Kommentar zu dieser Stelle, solche üble Nachrede kann selbst unter dem Vorwand der Fürbitte verbreitet werden. Jemand sagt zu William MacDonald: „Ich sag dir das jetzt nur für deinen Gebetskreis, aber wusstest du schon, dass der und der…“ Und dann fügt William MacDonald hinzu: „And then the character is assassinated.“ Dann wird der Charakter gemeuchelt – unter dem Vorwand, ein Gebetsanliegen weiterzugeben.
Darum richtet Petrus den Blick nach vorn, nachdem er das gesagt hat, und fordert: „Seid begierig nach der vernünftigen, lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein.“ Das allein kann Abhilfe schaffen, und das ist der letzte Faktor, der die Gemeinde Jesu stabil macht.
Die intensive Ernährung mit Gottes Wort
Der lebendige Eckstein, der göttliche Bauplan – und schaut, die intensive Ernährung: Petrus sagt, seid begierig nach der reinen Milch. Das ist ein einfaches Bild, wie neugeborene Kinder, die dringend Muttermilch benötigen. So braucht auch der Christ die reine Milch, die nicht verwässert, verfälscht oder kontaminiert ist mit irgendwelchen menschlichen Sondervorstellungen. Diese reine Milch – ihr habt es verstanden – ist das unverfälschte Wort Gottes. Das ist die Wahrheit der Bibel.
Petrus sagt: Seid begierig danach, wenn ihr mit eurem alten Leben abschließen wollt und in diesem neuen Leben bestehen möchtet. Es geht nicht nur darum, etwas abzustellen, sondern ihr braucht die beständige Zuführung dieser reinen Milch. Sie reinigt und ermutigt euer Herz und euer Denken.
Ihr merkt, es geht Petrus hier um das Trinkverhalten der Säuglinge. Er sagt, das ist vorbildlich für alle Christen, egal welchen Reifegrades. Petrus hebt die Säuglinge nicht wegen ihrer Unreife hervor, sondern wegen ihres Eifers, wegen der Intensität, mit der sie sich auf die Muttermilch und später vielleicht auch auf ihr Fläschchen stürzen. So sagt Petrus, sollen wir geradezu begierig sein nach Gottes Wahrheit.
Dafür wollen wir dieses Gebäude nebenan nutzen. Wir wollen es nutzen, um dort miteinander Gott zu begegnen, ihn zu ehren und gestärkt zu werden für unseren Dienst in der Welt. Wenn wir Gottes Wahrheit miteinander studieren, geht es nie nur darum, Wissen anzusammeln oder geistige Spielereien zu betreiben, wie man Systeme miteinander vergleichen kann. Sondern wenn wir Gottes Wort studieren, geht es immer darum, dass wir im Herzen verändert werden.
Durch die Begegnung mit dem Wort Gottes, durch diese intensive Ernährung mit der reinen Milch, werden wir wirklich verändert. Wir lernen, Gott mehr zu lieben, und werden geheilt von dem, was Petrus in Vers 1 beschrieben hat.
Und wieder stellt sich die Frage: Willst du das? Kennst du diesen Hunger wenigstens ansatzweise? Macht es dich betrübt, wenn du merkst, dass dir dieser Hunger manchmal fehlt? Stört dich das oder lässt es dich kalt?
Petrus wusste, warum er diese Ermutigung noch hinterherschickte. Im nächsten Vers sagt er: Seid begierig nach der lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, da ihr ja geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist (1. Petrus 2,2-3). Das ist ein Zitat aus Psalm 34: "Schmeckt und seht, wie freundlich der Herr ist."
Ihr müsst das nicht aus Angst machen. Ihr müsst nicht denken, dass ständig ein Damoklesschwert über eurem Haupt schwebt. Ihr dürft wissen und habt es doch erfahren, dass der Herr freundlich ist. Er hat euch aus dieser Welt herausgerufen, euch durch sein Wort auf den Kopf zugesagt, dass er eure Sünde vergibt. Er hat euch gesagt: Vertraut mir, und ich werde euch durchbringen.
Ihr wisst doch, dass der Herr freundlich ist. Darum tut, was er euch sagt.
So macht Gott seine Gemeinde stabil – mit diesen drei Faktoren, die Petrus uns heute ins Herz schreiben will: der lebendige Stein, die Verbindung zu dem auferstandenen Jesus, der stärker ist als der Tod und mit uns in eine persönliche Beziehung treten will; zweitens der göttliche Bauplan. Wir sind Steine in diesem großen Projekt, die Gott zusammenfügt, passend macht und in seinem Dienst gebraucht.
Und schließlich diese intensive Ernährung: Unser Glaube lebt davon, dass wir sein Wort wirklich studieren, dass wir wissen, hier können wir ihm persönlich begegnen. In dieser Begegnung mit seinem Wort verändert er unser Herz.
Die Stabilität einer Gemeinde hängt nie von der Größe ihrer Gebäude ab. Sie hängt auch nicht von der satten Ausstattung ihres Bankkontos oder der Anzahl ihrer Mitglieder ab. Darauf beruht die Stabilität einer Gemeinde nicht.
Hier auf der Erde bleiben wir immer Pilger, unterwegs zum großen Ziel. Deswegen passt das Bild vom Zelt heute so gut. Wir bleiben Pilger, und trotzdem dürfen wir jetzt schon jeden Tag an diesem großen Projekt teilhaben, das unser Herr einmal vollenden wird und das ihn ehrt.
Wirst du dabei sein?
Schlussgebet und Danksagung
Ich schließe mit Versen des dänischen Theologen und Dichters Nikolai Severin Grundtvig, der das Geheimnis der Gemeinde Jesu so beschrieben hat:
Irdische Tempel braucht Gott nicht,
Dome, die Meister erbauen,
Schatten sind sie vor seinem Licht,
welches kein Auge kann schauen.
Aber er selbst baut sich ein Haus,
wählt sich zur Wohnung Menschen aus,
die seinem Rufe gehorchen.
Wir sind das Haus der Herrlichkeit,
Kirche aus lebenden Steinen,
wo unterm Kreuz uns allezeit
Jesus und Glauben vereinen.
Wo auch nur zwei zusammen flehen,
warten auf sein Vorübergehen,
kommt Jesus in ihre Mitte.
Lass unseren Herzen, so schließt er,
nirgends Ruh, wo auch die Glocken erklingen.
Vielleicht werden wir ja auch mal irgendwann
nochmal einen Glockenturm haben,
dass wir mit deinem Volk herzukommen
zum Beten und Singen,
wenn dich die Welt nicht kennt noch sieht,
an deinem Volk dein Werk geschieht
und wir dürfen dazugehören.
Allmächtiger Gott, danke,
dass du dein Haus baust,
Herr Jesus Christus,
dass du deine Gemeinde sammelst
durch die Zeiten hindurch
und dass wir dazugehören dürfen.
Herr, mach uns bereit,
uns als Steine einfügen zu lassen
in deinen genialen Bau.
Und Herr, danke, dass du mit uns fertig wirst,
auch mit unseren Sünden, mit unseren Begrenzungen,
wir brauchen dich.
Und Herr, wir wollen dir sagen,
wir haben dich lieb
und wir wissen, dass wir abhängig sind
von deiner Vergebung, du lieber, guter Herr.
Amen.