Ja, ab und zu hört man noch den Ausdruck „wir leben im christlichen Abendland“. Ich weiß nicht, ob das jemals wirklich gestimmt hat.
Wir leben in Westeuropa, in Deutschland – einem Land, das in gewisser Weise von der Kirche geprägt ist. Zumindest hier in Deutschland ist es auch von der Reformation geprägt. Das kann man nicht von jedem westeuropäischen Land sagen. Insgesamt war es zumindest von der christlichen Ethik beeinflusst.
Im Rückblick, wenn wir die Entwicklung heute betrachten, neigen wir manchmal dazu, die Vergangenheit ein wenig zu glorifizieren. Ich glaube jedoch, dass dieses Land wahrscheinlich gar nicht so christlich war, wie wir es uns vorstellen.
Aber zumindest können wir heute sagen, dass es wahrscheinlich nicht mehr stimmt, dass wir in einem christlichen Abendland leben. Es bleibt nur noch sehr wenig übrig – nicht einmal mehr von der Ethik, die aus dem Christentum stammt.
Wir müssen uns sehr bewusst damit auseinandersetzen, was es bedeutet, als Christen in einem Land zu leben, das nicht mehr christlich ist. Dabei stellt sich die Frage, wie wir damit umgehen, eine Minderheit zu sein. Außerdem müssen wir darauf achten, uns nicht vollständig von den Entwicklungen unserer Umgebung und Gesellschaft einnehmen zu lassen.
Historischer Kontext und Ausgangslage
Ich möchte heute wieder mit euch zu Jesaja gehen. Wir befinden uns ungefähr 700 Jahre vor Christus, also etwa 2700 Jahre in der Vergangenheit.
Wir sind in einem Land, das im Gegensatz zu unserem Land tatsächlich den Anspruch hatte, das Land und das Volk Gottes zu sein. Daher hatte Gott, glaube ich, auch einen anderen Anspruch an die Gesellschaft damals als an die Gesellschaft heute. Wir werden sehen, dass einige Probleme der wirklich Gläubigen damals nicht allzu weit entfernt sind von den Problemen, die wir als wirklich Gläubige heute haben. Das ist das Thema dieses Abends.
Ich möchte noch einmal ganz kurz zwei technische Dinge vorausschicken, weil wir sie im Laufe der Zeit brauchen. Für das eine habe ich kein Bild gemacht, denn es wiederholt sich immer, und ihr könnt euch das gut vorstellen.
Israel war damals, etwa 730 oder 720 vor Christus, schon viele Generationen lang ein geteiltes Land – länger als Deutschland je geteilt war. Es gab Nordisrael und Südisrael, also nicht Ost und West, sondern Nord und Süd. Das Südreich wird auch oft das Reich Juda genannt.
Südisrael wird so genannt, weil die große Mehrheit der Bevölkerung dort aus dem Stamm Juda stammt, einem der zwölf Stämme Israels. Daher wird es oft einfach das Land Juda genannt. Die Hauptstadt war Jerusalem. Dort stand der Tempel, und zu dieser Zeit waren dort auch die meisten Priester und Leviten. Der eigentliche ursprüngliche Gottesdienst fand dort statt.
Das ist das Land, in dem Jesaja auftritt. Jerusalem ist die Stadt, in der Jesaja gelebt und prophezeit hat.
Der andere Teil von Israel, Nordisrael, bestand im Wesentlichen aus zehn von den zwölf Stämmen. Benjamin war noch mit Juda zusammen, und Levi im Prinzip auch. Der Nordteil bestand aus zehn Stämmen. Wir nennen das heute vielleicht einfach Nordisrael im Laufe des Abends.
In der Bibel wird Nordisrael manchmal auch einfach Ephraim genannt, weil Ephraim der stärkste Stamm war. Nicht ganz so dominant wie Juda im Süden, aber über manche Perioden der Geschichte hatte Ephraim die Vorherrschaft.
Etwas nordöstlich von Israel lag Syrien, ein sehr wichtiger politischer Akteur in dem, was wir heute Abend anschauen. Die Hauptstadt war auch damals schon Damaskus.
Im Neuen Testament können wir uns Nordisrael gut vorstellen, da es im Prinzip die Gegenden waren, die geografisch Galiläa und Samaria genannt werden. Politisch war das natürlich inzwischen etwas ganz anderes.
Noch weiter nördlich war die große militärische Supermacht der damaligen Zeit zu Lebzeiten Jesajas: Assyrien. Es war noch nicht Babylon, sondern Assyrien. Es beherrschte direkt alles, was heute zur Osttürkei und zum Irak gehört, bis zum Persischen Golf, und indirekt ganz große Teile dessen, was wir im Alten Testament geografisch vorfinden.
Jedes Jahr gab es irgendeinen Feldzug, meist um Aufstände in diesem riesigen Reich niederzuschlagen. Meistens waren das gar keine richtigen militärischen Aufstände, sondern meist einfach, dass kein Tribut mehr an die Hauptstadt abgeführt wurde. Das war der Aufstand: Man sagte, wir zahlen nichts mehr und schauen, was passiert.
Und was passierte? Jedes Jahr das Gleiche: Die Armee kam, und danach wurde wieder Tribut bezahlt. Oft waren es aber auch Eroberungszüge in die Umgebung.
Althistoriker sagen, dass dieser Staat wahrscheinlich mit seinem Wirtschaftssystem gar nicht aufrechtzuerhalten war, wenn er nicht ständig wuchs. Diese Ausplünderung in Form von Tribut war nicht nachhaltig. Man konnte aus dem, was man schon erobert hatte, auf Dauer nicht mehr genug Mittel herauspressen.
Assyrien war eigentlich gezwungen, immer wieder neue Gebiete zu erobern oder zumindest, wenn man sie schon nicht direkt beherrschen wollte, sie militärisch zu besiegen und zu sagen: Ihr dürft weiterhin ein eigenständiger Staat sein, aber ein großer Teil der Steuern fließt jetzt an uns.
Das war die Situation. Alle fürchteten sich vor Assyrien und vor dem nächsten jährlichen assyrischen Angriff. Man wusste nie genau, wohin er gehen würde. Das war die große Bedrohung im Norden.
Bei Israel kam die Bedrohung fast immer aus dem Norden, wenn sie nicht aus Ägypten kam. Das war zu der Zeit nicht mehr so häufig, weil Ägypten viel von seiner ursprünglichen Stärke eingebüßt hatte.
Wir wundern uns manchmal, wenn Propheten davon sprechen, dass die Babylonier nach Israel einfallen. Jeremia sagt, die Bedrohung kommt aus dem Norden. Wenn man sich die Karte anschaut, sieht man, dass Babylon eigentlich ziemlich genau östlich von Israel liegt. Dazwischen ist aber eine riesige Wüste.
Das heißt, wenn die Babylonier nach Israel kommen wollten, um Israel zu überfallen und ihr Reich einzunehmen – einige Generationen später als zu Lebzeiten Jesajas – dann mussten sie das Zweistromland im Prinzip bis nördlich von Israel kontrollieren. So konnten sie von Norden am Mittelmeer entlang diese Länder erobern und unterdrücken.
Das ist ganz kurz die Landkarte.
Aufbau und Gliederung des Jesajabuches
Noch ein zweiter Punkt zur Technik: Das ist sozusagen das erste Buch von Jesaja, Jesaja Kapitel 1 bis 12. Man sagt ja immer, Jesaja habe zwei große Teile oder zwei große und einen kleinen in der Mitte – wie auch immer man es sehen möchte: Jesaja 1 bis 40 und dann Jesaja 41 bis 60. Aber auch innerhalb dieser Bücher gibt es gute Unterteilungen.
Kapitel 1 bis 12 ist schon als ein eigener Teil erkennbar, weil danach etwas völlig anderes kommt. Kapitel 13 bis 23 enthalten lauter Prophezeiungen über Nachbarstaaten oder entferntere Staaten aus der Perspektive Israels. Dabei geht es kaum um Prophezeiungen über Israel selbst. Schon daran merkt man, dass in Kapitel 13 etwas Neues beginnt.
Wenn man sich diese ersten zwölf Kapitel nur ganz kurz anschaut – für diejenigen, die sich auch ein bisschen für Literatur und die Aufteilung solcher Bücher interessieren – dann fällt auf: Im ersten Predigt über das Thema haben wir uns das zentrale Kapitel im ersten Teil angesehen, nämlich Kapitel 6. Dort geht es um die Berufung Jesajas, aber vor allem darum, dass Jesaja Gott als den eigentlichen Herrscher auf seinem Thron sieht und diesem heiligen, sehr heiligen Gott begegnet.
Wir hätten das wahrscheinlich als erstes Kapitel geschrieben, weil es die Berufung Jesajas im Todesjahr des Königs Hosea beschreibt. Man sieht hier, wie Jesaja überhaupt Prophet geworden ist. Von daher ist es ein super Start in dieses Buch. Jesaja hatte nicht immer den Ehrgeiz, sein Buch chronologisch zu sortieren. Trotzdem ist das schon der Einstieg in dieses Buch.
Jesaja oder unter der Führung des Heiligen Geistes hat sich entschieden, vor dieses sozusagen „erste Kapitel“ noch einen Prolog zu setzen. Das sind die Kapitel 1 bis 5. Das haben wir ebenfalls betrachtet.
Ich weiß nicht, ob ihr das aus eurer Perspektive so seht, aber ich habe in diesen ersten fünf Kapiteln – abgesehen davon, dass ich sie in drei Teile eingeteilt habe – zwei Grüntöne verwendet. Denn Kapitel 1 und Kapitel 5 gehören meiner Meinung nach zusammen. Beide stellen die Frage: Was hätte Gott noch tun sollen?
Wir haben das vor zwei Wochen betrachtet. In Kapitel 1, das chronologisch eigentlich ein bisschen später liegt, wird die Frage gestellt, nachdem Gott begonnen hat, Israel und auch Judäa zu bestrafen: Was hätte er noch tun sollen? Wo könnte er noch hinschlagen?
In Kapitel 5, das historisch etwas früher liegt, hat Gott unter Usia, dem König, und später unter seinem Sohn Jotam Israel so viel Frieden und Wohlstand gegeben. Die Frage dort lautet: Was hätte er noch für sein Volk tun sollen?
Das ist die zentrale Frage in Kapitel 1 und Kapitel 5: Was hätte Gott noch tun sollen?
Dazwischen ist das Thema eingebettet: Wer gibt uns eigentlich Sicherheit? Brauchen wir Gott? Können wir woanders Sicherheit finden? Gibt es Sicherheitsmechanismen, die uns ein Stück weit von Gott unabhängig machen?
Die Antwort ist ziemlich deutlich. Das ist im Prinzip der Prolog, in dem Jesaja sein Gesamtthema für das Buch einleitet: Was hätte Gott noch tun sollen? Brauchen wir Gott? Und ist nicht Gott derjenige, der uns Sicherheit geben kann – auch in all den Bedrohungen von innen und außen, denen Israel zu dieser Zeit ausgesetzt war?
Okay, und jetzt werden wir in diesem Vortrag heute Abend den Rest des ersten Teils oder ersten Buches Jesajas betrachten, nämlich Kapitel 7 bis 12. Im Wesentlichen zerfällt dieser Abschnitt in zwei große Teile.
Den ersten Teil werden wir heute Abend betrachten: Gott ist mit dem treuen Überrest Israels. In den Hauskreisen werden wir einen Ausschnitt aus dem letzten Teil anschauen, der sich mit der Deportation Israels beschäftigt – ein Beispiel für die Deportation des Nordreichs und letztlich die Rückführung Israels irgendwann in der Zukunft.
Was in diesem ersten Teil hervorsticht, sind im Prinzip vier Abschnitte, in denen es ausdrücklich um den zukünftigen König Gottes, um den Messias, den Gesalbten Gottes, geht. Der zukünftige König Gottes wird im Alten Testament „Messias“ genannt. Messias heißt „Gesalbter“. Im Neuen Testament heißt er „Christus“ – das ist griechisch und bedeutet ebenfalls „Gesalbter“. Jesus ist der Gesalbte, der zukünftige König Gottes.
Jesaja blickt in die weite Zukunft und spricht über den König, den Gott bringen wird, um über sein Volk zu herrschen.
Der mittlere Teil, Jesaja 2 bis 4, beginnt im Prinzip damit, dass der Messias in Jerusalem regiert und von dort aus weltweiten Frieden ermöglicht, weil alle Menschen auf seinen Rat hören.
Er endet in Kapitel 4 damit, dass der Messias in Jerusalem herrscht und dort eine Schutzglocke bildet – bildlich gesprochen –, die vor allem schützt und wirklich Sicherheit gibt. Das entspricht dem Thema dieses Abschnitts.
Wie gesagt, heute und nächste Woche im Hauskreis werden wir noch genauer anschauen, was Jesaja über den Messias und seine zukünftige Regierung sagt.
So sieht das Schema aus. Ihr werdet bei anderen Leuten des Mainstreams vielleicht ein paar andere Schemen finden.
Politische Lage zur Zeit Ahas
Heute beginnen wir mit einem Abschnitt aus Kapitel sieben. Zuvor haben wir Kapitel sechs betrachtet, in dem Jesaja berufen wird. Dort sagt Jesaja letztlich zu Gott: „Hier bin ich, sende mich!“ Er erhält seinen frustrierenden Auftrag und erfährt die enttäuschenden Aussichten auf sein Lebenswerk.
Zwischen Kapitel sechs und sieben liegt ein relativ großer Zeitsprung. Kapitel sechs nennt ausdrücklich das Todesjahr des Königs Usia. Usia regierte 52 Jahre. Am Ende seines Lebens konnte er nicht mehr regieren, weil er krank war, und schließlich starb er. Im Todesjahr Usias, also im letzten Jahr seiner Regierungszeit, wurde Jesaja zum Propheten berufen.
Das bedeutet, auch wenn in Jesaja 1, Vers 1 steht, dass Jesaja unter Usia Prophet war, dann unter dessen Sohn Jotham, anschließend unter Ahas und schließlich unter Hiskia – also unter vier Königen –, hat Jesaja von der Regierungszeit Usias selbst als Prophet nicht mehr viel begleitet. Er lebte zwar schon in dieser Zeit, wurde aber erst im Todesjahr Usias zum Propheten berufen.
Dann regierte Jotham sechzehn Jahre. Vielleicht gab es eine kleine Überlappung in der Zeitrechnung, aber Jotham regierte ungefähr wie sein Vater. In dieser Zeit war Jesaja bereits Prophet, doch wir haben kaum Stellen, die ausdrücklich Prophezeiungen aus der Zeit Jothams nennen.
Kapitel sieben spielt bereits unter Ahas. Wir machen also einen Sprung von etwa 20 bis 25 Jahren seit Kapitel sechs. Ahas, der Enkel Usias und Sohn Jothams, sitzt jetzt auf dem Thron. Im Gegensatz zu seinem Großvater und seinem Vater hat er sich radikal von Gott abgewandt und hält sich nicht mehr an die göttlichen Gebote.
Ahas widmete sich vollständig dem Götzendienst, der in Nordisrael seit Generationen praktiziert wurde. Zu seiner Zeit gab es sogar Exzesse wie Menschenopfer, bei denen Kinder den Götzen geopfert wurden. Die Reaktion Gottes darauf war, dass Frieden und Wohlstand aus dem Land genommen wurden.
Plötzlich gab es Angriffe und Kriege von allen Seiten. Die Syrer griffen Juda an, sogar Jerusalem wurde attackiert. Menschen wurden aus dem Land nach Damaskus deportiert. Dieser Krieg ist in Jesaja 7 bereits Vergangenheit.
Es hatte einen Krieg zwischen Juda (Südisrael) und dem Nordreich Israel gegeben, der für Juda katastrophal verlief, mit Zehntausenden von Toten. Auch dieser Krieg gehört in Jesaja 7 bereits der Geschichte an.
Jesaja beginnt sein Kapitel mit den Worten aus Jesaja 7,1: „Und es geschah in den Tagen Ahas, des Sohnes Jothams, des Sohnes Usias, des Königs von Juda, da zog Rezin, der König von Syrien, mit Pekach, dem Sohn Remaljas, dem König von Israel, nach Jerusalem hinauf zum Kampf gegen es, aber er vermochte es nicht zu besiegen.“
Das ist der erste Einstieg. Er berichtet von einem dritten Krieg. Es gab zuvor schon andere gegen Nachbarvölker, aber in dieser Konstellation – Syrien, Nordisrael, Juda – ist es ein dritter Krieg.
Die Syrer hatten gegen Juda gewonnen, Nordisrael hatte gegen Juda gewonnen, und nun schließen sich diese beiden zusammen. Sie bilden eine Allianz, um Juda als selbständigen Staat von der Landkarte zu tilgen und letztlich vollständig zu unterwerfen.
Der Vers aus Kapitel 7, Vers 1 steht wörtlich auch in den Königsbüchern. Der erste Versuch, Jerusalem zu erobern, scheitert, und vorerst zieht die Allianz wieder ab.
Damals dauerten Kriege nicht über Jahre. Die Länder waren landwirtschaftlich geprägt, und die Menschen mussten irgendwann wieder auf ihre Felder. Die Soldaten wären einfach weggelaufen, weil sie ihre Familien versorgen mussten.
Man hatte nur ein bestimmtes Zeitfenster im Jahr, um Krieg zu führen. Wenn man in dieser Zeit ein Ziel nicht erreichte, musste man es auf das nächste Jahr verschieben.
Sie konnten Jerusalem in dieser Kriegsperiode nicht erobern, wie in Jesaja 7, Vers 1 beschrieben.
Das änderte jedoch nichts daran, dass die Allianz weiterhin dieselben militärischen und politischen Pläne verfolgte. Sie wollten Juda erobern und die Dynastie Davids beenden.
Das ist ein zentrales Thema in diesem Abschnitt von Jesaja. Es geht nicht nur um das Land Juda, sondern auch um den Fortbestand der davidischen Königsdynastie.
Sie wollten Ahas durch einen Marionettenkönig ersetzen, den sie kontrollieren konnten. In Jesaja 7, Verse 5 und 6 heißt es: „Weil Syrien Böses gegen dich geplant hat mit Ephraim, dem Nordreich, und gesagt hat: ‚Lass uns gegen Juda hinaufziehen, es einjagen und uns aufbrechen und den Sohn Tabials zum König darin machen.‘“
Das war das politische und militärische Ziel. Solche Ziele kennen wir auch aus heutigen Kriegen.
Die Alliierten hatten ihre Truppen an der Nordgrenze Judas zusammengezogen (Jesaja 7,2). Im Haus Davids wurde berichtet: „Syrien hat sich in Ephraim gelagert, und das Herz des Königs und seines Volkes bebte wie die Bäume des Waldes vor dem Wind.“
So war die Situation: Juda war von Syrien und Israel besiegt worden. Die Allianz hatte Juda letzten Endes geschlagen, scheiterte aber daran, Jerusalem zu erobern. Nun sammelten sie sich wieder.
Ahas und sein politisches Umfeld waren in großer Angst und Unruhe.
Am Anfang von Jesaja 7 befindet sich Ahas offenbar außerhalb der Stadtmauern Jerusalems. Warum genau, ist nicht sicher. Vielleicht inspizierte er ein Heer oder die Wasserleitungen.
Außerhalb Jerusalems gab es Teiche und eine Art Wasserleitung. Diese war zwar noch nicht so ausgefeilt wie später unter Hiskia, aber wichtig für eine mögliche Belagerung.
Vielleicht war Ahas auch einfach nur vor der Stadt und schaute ängstlich nach Norden, um zu sehen, was von dort droht.
Außerhalb der Stadt gab es das sogenannte Walckerfeld, wo in Friedenszeiten die Bevölkerung Wäsche wusch und in der Sonne bleichen ließ.
Auch jetzt, als Ahas dort war, waren sicher Menschen draußen, allerdings in gebührendem Abstand zum König. Seine Leibwache sorgte dafür.
In dieser Situation geht Gottes Prophet Jesaja im Auftrag Gottes vor die Tore Jerusalems zu Ahas, dem König, und spricht zu ihm.
Jesaja 7,3: „Und der Herr sprach zu Jesaja: Geh Ahas entgegen, du und dein Sohn Schea-jeschub, an das Ende der Wasserleitung des oberen Teiches zur Straße des Walckerfeldes hin.“
Jesaja begegnet hier öffentlich seinem König, um ihm eine Botschaft Gottes zu überbringen und ihn herauszufordern.
Ahas hatte sich von Gott abgewandt und sich anderen Gottheiten, Religionen und einer völlig anderen Ethik zugewandt.
Bemerkenswert ist, dass Gott Jesaja ausdrücklich sagt, seinen Sohn mitzunehmen.
Das prägt diesen Abschnitt von Jesaja 7, Verse 1 bis 9, Vers 6. Es geht viermal um Söhne und ihre Namen.
Das ist ein Hinweis, den uns Jesaja und der Heilige Geist geben, um diesen Abschnitt besser zu strukturieren.
Der erste Sohn, dessen Name genannt wird, ist der Sohn, den Gott Jesaja mitgeben soll. In diesem Sohn steckt eine Botschaft für Ahas.
Jesaja soll ihn mitnehmen und sagen: „Das ist dein Sohn, und so heißt er.“
Wir wissen nicht, wie alt dieser Sohn war. Es kann ein kleines Kind oder schon ein junger Mann gewesen sein.
Jesaja sagt nichts über das Alter seines Sohnes zu dieser Zeit.
Alle Söhne in diesen Kapiteln haben bedeutungsvolle Namen.
Der erste Sohn heißt Schea-jeschub. Ich kenne kein Hebräisch, daher kann die Aussprache falsch sein.
Jesaja übersetzt den Namen mit: „Ein Überrest wird umkehren.“
Das ist eine Botschaft, denn obwohl sich das Volk radikal von Gott abgewandt hatte, waren die Folgen überall spürbar.
Es gab massive Einschnitte im Wohlstand des Staates und seiner Bevölkerung. Die letzten Kriege forderten so viele Tote, dass sicher in jeder Familie Verluste zu beklagen waren.
Es herrschte eine Atmosphäre von Trauer, Angst und zunehmender Armut.
Der Wohlstand schwand sichtbar am Horizont.
Jesaja warnt und ruft zur Umkehr. Gott warnt das Volk. Doch im Kapitel sechs hatte Jesaja bereits gesagt, dass keine große Erweckung zu erwarten sei.
Es war nicht zu erwarten, dass Ahas und seine Regierung umkehren würden. Auch nicht, dass ein großer Teil des Volkes bald zu Gott zurückkehrt.
Jesaja hat dennoch eine Botschaft für den König: Ein Überrest, eine Minderheit wird umkehren.
Nicht alle, die mit Ahas solidarisch sind und seinen Weg weg von Gott mitgehen, werden dabei sein.
Hier ist jemand aus der nächsten Generation, die das Land prägen wird und die das Land braucht.
Dieser jemand ist ein Überrest – eine Minderheit, die zu Gott umkehren wird.
Nur diese kleine Minderheit ist die Hoffnung für den Staat und das Land.
Jesaja bringt das schon in der Namensgebung seines Sohnes zum Ausdruck.
Wir wissen nicht, wie viele Jahre das schon her war.
Jesaja sagt: Es wird nicht das ganze Volk umkehren, aber eine Minderheit wird zu Gott zurückkehren.
Das ist die Botschaft: Nimm deinen Sohn mit zu Ahas.
Er soll diese Botschaft sichtbar machen.
Dieser Sohn, dem du diesen Namen gegeben hast, soll lebendig vor seinen Augen stehen.
Es ist nicht nur ein beliebiges Wort, das heute gesagt und morgen vergessen wird.
Es ist eine wichtige Botschaft für diese Zeit.
Ein Überrest – nur ein Überrest, eine Minderheit – wird umkehren. Doch es wird diesen Rest geben.
Die doppelte Botschaft an Ahas und das Zeichen Gottes
Als Jesaja König Ahas begegnet, hat er eine zweiteilige Botschaft für ihn – abgesehen von der Botschaft im Namen seines Sohnes. Zunächst besteht die Botschaft aus zwei Teilen, doch es kommt noch etwas hinzu.
Die eine Botschaft, die ihr irgendwann nachlesen könnt, werde ich nicht wörtlich vorlesen, da der Text etwas kompliziert ist. Die Quintessenz dieser Botschaft findet sich in den Versen 7 bis 9: Ahas, du musst dir über den bevorstehenden Krieg keine Sorgen machen. Denn in wenigen Jahren, spätestens in einigen Jahrzehnten, werden die beiden Reiche, die sich gerade gegen dich verbünden und drohen, dich anzugreifen, nicht mehr existieren. Diese Staaten haben große militärische und politische Pläne. Die gute Nachricht ist jedoch, dass diese Pläne nicht verwirklicht werden. Die feindlich gesinnten Staaten werden auch als Staaten nicht mehr bestehen.
Der zweite Teil der Botschaft ist an einen kurzen Nebensatz in Vers 9 angehängt: "Und wenn ihr nicht glaubt, werdet auch ihr keinen Bestand haben." Ob Jesaja das selbst ernst genommen hat, weiß ich nicht. Aber die Zuhörer, vielleicht auch einige, die Gott noch ernst nahmen, sagten: "Wow, die Bedrohung, vor der wir zittern wie Espenlaub, wird bald nicht mehr existieren." Doch der Nachsatz ist hart: Wenn ihr nicht glaubt, werdet auch ihr keinen Bestand haben. Das ist eine Herausforderung.
Dann macht Gott durch Jesaja Ahas ein Angebot, das sich vor allem auf den ersten Teil der Prophezeiung bezieht. Er sagt: Vielleicht kannst du dir gerade kaum vorstellen, dass Syrien als selbständiger Staat aufhört zu existieren und dass das Nordreich Israel ebenfalls als selbständiger Staat verschwindet. Vielleicht kannst du dir nicht vorstellen, dass dies wirklich eine Botschaft von Gott ist, die auch eintreffen wird. Deshalb mache ich dir ein Angebot: Du kannst dir ein übernatürliches Zeichen aussuchen, das Gott tun soll, um dir zu bestätigen, dass diese Botschaft wirklich von ihm stammt.
In Vers 10 heißt es: "Der Herr fuhr fort zu Ahas zu reden und sprach: Fordere dir ein Zeichen von dem Herrn, deinem Gott, fordere es tief wie der Scheol oder oben in der Höhe." Gott sagt sozusagen: Sag mir, was du möchtest. Ich möchte, dass du nicht später denkst, es sei deine kluge Politik gewesen, die die Bedrohung abgewendet hat, oder es sei einfach politischer Zufall gewesen. Ich möchte, dass du weißt, dass das etwas ist, was Gott wirklich getan hat und was er dir heute durch seinen Propheten angekündigt hat. Such dir ein Zeichen aus!
Das Problem ist, dass Ahas gar nicht an Gott glaubt. Seine Antwort klingt zwar fromm, vielleicht hat er es extra fromm formuliert, weil Leute um ihn herum standen. Ich weiß es nicht. In Vers 12 sagt Ahas: „Ich will nicht fordern und will den Herrn nicht versuchen.“ Doch in Wirklichkeit interessiert er sich nicht wirklich dafür. Er glaubt nicht, dass Jesaja ein Prophet Gottes ist. Wahrscheinlich glaubt er nicht einmal, dass es Gott wirklich gibt.
Gott möchte es dennoch deutlich machen. Er möchte ein Zeichen setzen – egal wie. Wenn es kein übernatürliches Zeichen sein soll, dann wenigstens ein Zeichen, das niemand überhören oder übersehen kann. Hier kommt der zweite bedeutungsvolle Name ins Spiel: Immanuel.
Wenn wir die folgenden Verse lesen, neigen wir dazu, sie zu schnell historisch zu interpretieren. Es geht um Immanuel, und Matthäus zitiert später aus der griechischen Übersetzung des Alten Testamentes, der Septuaginta, dass eine Jungfrau einen Sohn gebären wird, der Gott in unserer Mitte ist. Doch ich glaube, wir lesen das zu schnell historisch. Wir sollten uns zuerst damit beschäftigen, was diese Prophezeiung damals für Ahas bedeutete.
Damals war es keine Prophezeiung für eine Zeit 700 Jahre später. Es wäre für die Zeitgenossen kein Zeichen gewesen. Jesaja sprach vor allem in die Situation seiner Zeit. In Vers 14 heißt es: "Darum wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben." Wörtlich übersetzt steht hier ein Wort, das im Hebräischen nicht eindeutig "Jungfrau" bedeutet, sondern eigentlich "junge Frau". Es gibt drei Möglichkeiten, diesen Begriff zu verstehen:
Entweder gab es damals tatsächlich schon eine Jungfrauengeburt – was ich persönlich für unwahrscheinlich halte. Oder es war damals eine junge Frau, die zu einer Zeit schwanger wurde, als sie nicht mehr Jungfrau war – also eine Prophezeiung über eine schwangere junge Frau. Oder es war einfach eine junge Frau.
Matthäus nimmt später diesen Satz und sagt, dass er auf eine ganz andere Weise erfüllt wird. Aber damals, etwa 700 Jahre vor Christus, hatte die Prophezeiung einen anderen Zusammenhang.
Man kann es wahrscheinlich am besten so übersetzen: "Siehe, diese junge Frau wird schwanger werden." Wahrscheinlich gab es damals eine bestimmte Frau, auf die Jesaja gedeutet hat. Sie wird einen Sohn gebären, und du – jetzt spricht Jesaja Ahas direkt an – wirst ihn Immanuel nennen, was "Gott mit uns" bedeutet.
Dieser Sohn wird Dickmilch oder Joghurt und Honig essen, damit er weiß, das Böse zu verwerfen und das Gute zu erwählen. Wahrscheinlich ging es damals um eine junge Frau, vielleicht war sie zu der Zeit noch Jungfrau, die mit anderen Frauen in der Nähe stand. Vielleicht kannte Jesaja sie, wir wissen nicht, ob sie mit ihm verwandt war. Er sagt, in einigen Jahren oder Monaten wird diese Frau einen Sohn bekommen, und er wird Immanuel genannt.
Das ist eine Botschaft für die damalige Zeit: Ist Gott mit uns? Wo ist Gott bei all den Kriegen, die wir verloren haben? Bei all den Toten und in der immer schwieriger werdenden Situation? Ist Gott wirklich noch mit diesem König? Ist Gott wirklich noch mit diesem Volk?
Interessant ist, dass das hier wahrscheinlich eine Anspielung auf einen Vorfahren von Ahas ist. Ganz am Anfang, als Israel geteilt wurde in das Nordreich Israel und das Südreich Juda, gab es in der zweiten Generation den ersten großen Krieg zwischen diesen beiden Ländern. Juda hatte ihn begonnen.
Obwohl Juda militärisch unterlegen war – Juda hatte 400 Soldaten, das Nordreich 800 – marschierten die beiden Armeen aufeinander zu. Habir, der König des Südreichs, stellte sich auf einen Berg, an eine Stelle, wo beide Heere ihn hören konnten. Er sagte zu den Soldaten und Generälen des Nordreichs: „Ihr habt keine Chance gegen uns, denn wir haben die Dynastie Davids auf dem Thron. Wir haben die Priester Gottes, die den wahren Gottesdienst ausüben. Im Detail richten wir uns nach den Vorschriften Moses. Ihr habt keine Chance, denn Gott ist mit uns an unserer Spitze.“
Das war seine Botschaft: Gott ist mit uns. Die Generäle des Nordreichs schüttelten vermutlich ungläubig den Kopf. Wie kann der Führer eines Heeres, das zahlenmäßig unterlegen ist, sagen, dass sie keine Chance hätten?
Als die Schlacht begann, wurde das Heer des Südreichs schnell vom Nordreich eingekesselt. Im letzten Jahr haben wir alle gelernt, wie schwierig es ist, eine Schlacht zu führen, wenn ein Heer eingekesselt ist. Unsere Großeltern wussten das auch schon, zum Beispiel von Stalingrad.
Doch diese Schlacht endete anders als zunächst erwartet. Das Heer des Südreichs brach aus dem Kessel aus und vernichtete die zahlenmäßig überlegene Armee des Nordreichs vernichtend.
So, wie ihr König gesagt hatte: „Ihr habt keine Chance, denn Gott ist mit uns an unserer Spitze.“ Generationen später, zu einem König, der letztlich den Gottesdienst abgeschafft und sich anderen Göttern zugewandt hatte, wurde ein Zeichen gesetzt: Eine junge Frau gab ihrem Sohn den Namen Immanuel – Gott mit uns.
Wie würde dieser Sohn aufwachsen? Es gibt einen interessanten Vers, den ich schon vorgelesen habe: Dickmilch oder Joghurt und Honig wird er essen, damit er weiß, das Böse zu verwerfen und das Gute zu erwählen.
Worum geht es hier? Es waren Nahrungsmittel, von denen sich normalerweise Nomaden ernährten. Ich glaube, es geht darum, was in Israel immer wieder passiert ist: Menschen oder Gruppen von Menschen sagten, sie können sich mit dieser Gesellschaft nicht mehr identifizieren. Sie wollen nicht mehr Teil dieser Gesellschaft sein, nicht mehr mit dieser Gesellschaft gerichtet werden und nicht weiter von Gott weggehen. Deshalb zogen sie sich zurück.
Das letzte Beispiel, das wir aus der Geschichte kennen, ist Johannes der Täufer. Er zog sich zurück. Es heißt nicht, dass er sich von Joghurt und Honig ernährte, sondern von Heuschrecken und Honig. Auch zur Zeit Jeremias gab es eine Gruppe, eine Großfamilie, die in Zelten lebte, weil sie sich außerhalb der Gesellschaft stellen wollten. Denn diese Gesellschaft lebte nicht mehr mit Gott und nicht mehr nach Gottes Maßstäben.
Ich glaube, wenn wir das Kapitel weiterlesen, werdet ihr verstehen, warum ich das denke. Jesaja spricht hier von einer Familie, die ihren Sohn "Gott mit uns" nennt und sagt: Wir sind nicht mehr mit diesem Staat und diesem König. Wir müssen uns irgendwie absondern von dieser Gesellschaft, damit Gott noch mit uns sein kann.
Mit seinen Leuten, mit dieser Minderheit, die umkehren wird – ein Überrest wird umkehren, wie wir gerade bei diesem ersten Sohn gelesen haben.
Ich habe übersetzt: „Bis er weiß, das Böse zu verwerfen und das Gute zu erwählen.“ Wahrscheinlich ist die beste Übersetzung: Sie werden ihn außerhalb dieser Gesellschaft aufziehen, damit er lernt, was richtig und was falsch ist. Damit er lernt, das Böse zu verwerfen und das Gute zu wählen.
Damals sollte dieses Kind ein Bewusstsein für den Unterschied bekommen zwischen dem Überrest, der Gott noch folgte, und der Mehrheit, die Gott nicht mehr folgte.
Gott sagt, das liegt dieser Familie am Herzen. Dieses Kind soll mit dem Bewusstsein aufwachsen, dass sie eine andere Gruppe sind, eine Minderheit in diesem Land. Nicht, weil sie eine ethnische Minderheit sind, sondern weil sie etwas anderes glauben und leben als die Mehrheit.
Es gibt einen Überrest, der umkehren wird. Doch dieser Überrest lebt damals bewusst ein Stück außerhalb der Gesellschaft.
Weitere Zeichen und Namen als Botschaften
Kommen wir zum dritten Namen. Jesaja Kapitel 8, Vers 1: Jesaja sagt: „Und der Herr sprach zu mir: Nimm dir eine große Tafel und schreibe darauf mit Menschengriffel: Schnell zum Raub, man eilt zur Beute.“
In Vers 3 heißt es: „Und ich nahte der Prophetin“, sagt Jesaja, „und sie wurde schwanger und gebar einen Sohn. Und der Herr sprach zu mir: Gib ihm den Namen Schnell zum Raub, man eilt zur Beute. Denn bevor der Knabe zu rufen weiß ‚mein Vater‘ und ‚meine Mutter‘, wird man von dem König von Assyrien den Reichtum von Damaskus und die Beute von Samaria hertragen.“
Ich meine, das ist selbst auf Hebräisch ein ziemlich komplizierter Name: Maher Schalal Haschbas. Wahrscheinlich ist deshalb betont, dass auch die Frau von Jesaja eine Prophetin war. Denn wahrscheinlich wäre eine Frau, die keine Prophetin ist, nicht mit so einem Namen einverstanden gewesen. Meine Frau hätte es nicht durchgehen lassen, wenn ich einen unserer Söhne so genannt hätte, da bin ich mir ziemlich sicher – vielleicht als Zweitnamen.
Was bedeutet dieser Name? Ist das eine Verheißung? Irgendwie schon, oder? Jesaja sagt, es geht alles jetzt schnell. Schnell kommt der Raub. Bevor dieses Kind, das da geboren wird – diesmal in der Familie Jesajas selbst, durch seine Frau – bevor es sprechen kann, also bevor es anderthalb oder zwei Jahre alt ist und „Mama“ und „Papa“ sagen kann, wird aus Syrien kommen. Eure Feinde, die Syrer und das Nordreich, werden besiegt, und sie werden mit ganz anderen Dingen beschäftigt sein, als sich in einem Krieg mit euch zu kümmern. Es ist eine Verheißung, oder?
Lesen wir Jesaja 8, Vers 5: „Und der Herr fuhr fort, weiter zu mir zu reden“, sagte Jesaja, „und sprach: Weil dieses Volk die Wasser von Siloah verachtet, die still fließen, und Freude hat an Rezin“ – das war der König von Syrien – „und an dem Sohn Remaljas“, das war der König des Nordreichs. Mit anderen Worten: Dieses Volk verachtet friedliebende Herrscher. Sie wollen die Starken, die Aggressiven, sie wollen aggressive Politik.
Darum siehe, lässt der Herr die mächtigen und die großen Wasser des Stroms über sie heraufkommen. Jesaja spricht immer sehr bildhaft. Er sagt, es wird wie eine Flut über euch kommen: der König von Assyrien und all seine Herrlichkeit. Er wird über all seine Betten, also wie ein Fluss über seine Flussbetten steigen und über all seine Ufer gehen.
Wir haben gerade gelesen, er wird Syrien überschwemmen, er wird das Nordreich überschwemmen. Aber der Text ist noch nicht zu Ende: Er wird in Juda eindringen. Wow! Und plötzlich wird es nicht mehr eine Verheißung, oder? Wenn du bis dahin gelesen hättest, hättest du gedacht, es ist eine Verheißung: Die Assyrer kommen und schlagen unsere Feinde. Aber die Assyrer bleiben nicht dort stehen.
Er wird in Juda eindringen, überschwemmen und überfluten, bis sein Hals erreicht wird, und die Ausdehnung seiner Flügel wird die Breite deines Landes füllen. Das syrische Heer wird nicht an eurer Nordgrenze stehenbleiben, sondern sie werden euch überfluten. Wenn ihr nicht glaubt, werdet ihr keinen Bestand haben, haben wir gelesen.
Und das ist die Botschaft dieses dritten Namens: Es wird schnell gehen. Aber es wird nicht an euren Grenzen stehenbleiben. „Schnell zum Raub, man eilt zur Beute“ ist nicht nur eine Verheißung, sondern auch eine Drohung.
Eine kleine Maus wurde von zwei großen Mäusen in die Enge getrieben, und in ihrer Verzweiflung hat die kleine Maus die Katze um Hilfe gebeten. Die kleine Maus war Jude, die beiden großen Mäuse waren Syrien und das Nordreich. Tatsächlich hat Ahas Assyrien zu Hilfe gerufen. Er sagte: „Ich bezahle euch einen teuren Tribut, wenn ihr mir diese Feinde vom Hals schafft.“ Und tatsächlich hat die Katze die beiden großen Mäuse gefressen. Aber dann hat sie angefangen, sich für die kleine Maus zu interessieren.
Warum war es so weit gekommen? Warum wird es so weit kommen? „Leute, weil ihr Gott nicht wollt“, sagt Jesaja zu diesem König. Weder dieser König will ihn, noch die Gesellschaft will ihn. Gott ist nicht mehr mit uns. Und wenn Gott nicht mit uns ist, was für eine Chance haben wir gegen diese militärische Supermacht Assyrien?
Er beschreibt es in den nächsten Versen: Gott wäre die einzige Rettung. Am Ende von Kapitel 8, Vers 8, klingt es wie ein Hilferuf: Immanuel – Gott mit uns! Nein, Gott ist nicht mehr mit ihnen.
Dann beschreibt Jesaja kurz, wie es wäre, wenn Gott mit ihnen wäre. Vers 9: Wie würde es einer Armee ergehen, die Israel angreift, egal wie groß diese Armee ist, wenn Gott mit ihnen wäre? Habia hat es erlebt, da war es nur eins zu zwei.
Jesaja 8,9: „Werdet zerbrochen, ihr Völker, und werdet zerschmettert! Nehmt es zu Ohren, alle ihr Fernländer der Erde! Gürtet euch und werdet zerschmettert, gürtet euch und werdet zerschmettert! Fasst einen Plan, und es soll vereitelt werden! Redet ein Wort, und es soll nicht zustande kommen! Denn Gott ist mit uns.“
Und da steht noch einmal dieses Wort Immanuel. Jesaja hat eine Erfüllung dieses Wortes noch erlebt. Zu seinen Lebzeiten stand auf diesem Walckerfeld, wo er Ahas begegnet ist, ein hoher Minister Syriens und hat dem Volk auf den Mauern der belagerten Stadt gesagt: „Ihr habt keine Chance.“
Wie würde es einer Armee ergehen, die dieses Land angreift, wenn Gott mit ihnen ist? Ein Engel hat in dieser einen Nacht dieses gesamte Heer vernichtet. Jesaja hat es noch erlebt. Aber Ahas und die Gesellschaft Israels in seiner Zeit wollten diesen Gott nicht.
Die Haltung des Propheten und der Überrest
Was bleibt den Propheten, was bleibt der Familie, was bleibt den wenigen, die Jesaja glauben? Welche persönlichen Konsequenzen können sie ziehen?
Jesaja berichtet von Vers elf, dass der Herr zu ihm gesprochen hat und ihn warnte, nicht den Weg dieses Volkes zu gehen. In Vers vierzehn sagt er zu denen, die ihm wirklich zuhören und glauben: Den Herrn, der Herrscher ist, sollt ihr heiligen. Er soll eure Furcht und euer Schrecken sein, und er wird euer Heiligtum sein.
Dies gilt nicht für den König oder die Gesellschaft insgesamt, sondern für die kleine Minderheit, die umkehrt. Diese Menschen stellen sich vielleicht außerhalb der Gesellschaft, entscheiden sich möglicherweise, als Nomaden zu leben oder außerhalb der Städte zu gehen. Sie sollen den Herrn heiligen; er wird ihr Heiligtum sein – selbst wenn sie Jerusalem verlassen müssen und vielleicht keinen Tempel mehr haben.
Gott fordert auf, das Zeugnis zu bewahren. Er sagt, man solle die Anweisung unter seinen Jüngern versiegeln. Die Gläubigen, die eine Minderheit sind und auf Gott hören wollen, sollen zusammenhalten. Obwohl sie weniger sind, sollen sie sich enger an Gott binden und das bewahren, was ihnen gesagt wurde. Diese Worte Gottes sind wie etwas, das man auf jeder Reise mitnehmen kann.
Jesaja gibt dann sein persönliches Zeugnis: „Ich werde auf den Herrn harren, der sein Angesicht verbirgt vor dem Haus Jakob“, also vor ganz Israel. Er wird auf ihn hoffen. Jesaja und die Kinder, die Gott ihm gegeben hat – von denen wir zwei Namen kennen – sind Zeichen und Lektionen für Israel. Sie stehen für den Herrn der Heerscharen, der auf dem Berg Zion wohnt.
Jesaja und seine Familie, mit ihrem besonderen Namen „Überrest“, werden umkehren. Schnell wird es Raub geben, bald Beute. Es ist eine Familie, die ihren Sohn Immanuel nennt – vielleicht gibt es noch die eine oder andere Familie. Damals waren sie der Überrest, die wenigen, die noch glaubten. Sie stehen zum Teil außerhalb der Gesellschaft, doch sie stellen sich zu Gott.
Durch ihren Lebensstil und durch ihre Kinder sind sie Zeichen und Lektionen für Israel. Nicht als übernatürliches Zeichen im Scheol unten oder im Himmel oben, sondern als Gruppe, als Menschen und als Familien sind sie Zeichen und Herausforderungen für die ganze Gesellschaft.
Jesaja sagt, dass sie erleben, was dieses Land vorerst nicht erlebt: Immanuel, dass Gott mit ihnen ist.
Ausblick auf die ferne Zukunft und die Herrschaft des Messias
Aber bevor Jesaja diesen Abschnitt beendet, geht es noch einmal um meinen Sohn und noch einmal um Namen. Er wirft einen Blick in die ferne, ferne Zukunft, die selbst für uns noch in der Zukunft liegt. An dieser Stelle überspringt er die Erweckung unter Hiskia und schaut wirklich weit voraus.
Was bedeutet es, wenn Gott wirklich mit seinem Volk ist? Wenn Gott wieder mit dem ganzen Volk ist? Was würde das bedeuten? Und wie gesagt, zum vierten Mal geht es um den Sohn und zum vierten Mal um Namen.
Zwischendurch hat Jesaja sehr eindrücklich beschrieben, wie es Israel ergehen wird: Unterdrückung, Deportation, Hoffnungslosigkeit, Finsternis – all das, was Israel in seiner Geschichte bis heute zur Genüge erlebt hat.
Dann schreibt er in Kapitel 9, Vers 1: „Das Volk, das im Finstern wandelt, hat ein großes Licht gesehen, die da wohnen im Land der Finsternis, Licht hat über ihnen geleuchtet.“
In Vers 5 heißt es: „Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben.“
Noch vor nicht allzu langer Zeit wurden diese Verse oft gelesen, weil sie irgendwie so gut zu Weihnachten passen. Doch in diesem Abschnitt geht es nicht um Weihnachten. Dieses Thema wird nur ganz kurz gestreift, denn das eigentliche Thema ist: Dieser Sohn, der uns gegeben ist, trägt die Herrschaft auf seinen Schultern.
Jesaja entführt uns und nimmt uns mit dorthin, wo dieser Messias letzten Endes auf seinem Thron sitzt und die Herrschaft ausübt. Und man nennt seinen Namen. Je nachdem, wie man zählt, sind es drei oder vier Namen.
Es beginnt mit etwas, das wir schon kennen: „Wunderbarer Berater“. Das ist das Thema von Jesaja 2. Alle Völker werden kommen, um den Rat des Messias zu hören. Er ist der wunderbare Berater.
Der letzte Name, der in dieser kurzen Aufzählung steht, ist „Fürst des Friedens“. Auch das findet sich in Jesaja 2: Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden. Oder in Jesaja 4: Er wird Frieden schaffen für sein Volk, für seine Stadt, weil er eine Schutzkuppel sozusagen über sie sein wird.
Doch dazwischen steht etwas ganz Neues: Dieser Sohn, der geboren wird, hat den Namen „Mächtiger Gott, Vater für ewig“.
Eigentlich ist es hier, wo Matthäus anknüpft. Er sagt, es ist nicht nur ein Sohn, dessen Name bedeutet „Gott ist mit uns“, sondern ein Sohn, in dessen Person Gott auf diese Erde gekommen ist. In dessen Person Gott in unserer Mitte ist, mit uns ist. In dessen Person Gott die Herrschaft auf dieser Erde ausübt.
Hier ist Immanuel in einer ganz anderen Dimension: nicht Gottes mit den Treuen, sondern Gottes mit, unter uns, lebendig, als Mensch, der auf dem Thron sitzt und regiert.
Seine Herrschaft wird gewaltig sein, und der Frieden wird kein Ende haben. Auf dem Thron Davids – der Dynastie, die die Feinde so gerne auslöschen wollten – wird der Friede kein Ende haben.
Über sein Königreich, das er aufrichten und befestigen wird, herrscht Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. „Der Eifer des Herrn, der Herrscher, wird es tun.“ Das ist die Aussicht.
Das bedeutet es, wenn Gott wirklich mit uns ist. Sein Mann, eigentlich letzten Endes er selbst, der Mensch gewordene Gott, sitzt auf dem Thron. Und er richtet sein Friedensreich auf.
Zum vierten Mal in diesem Abschnitt – nein, zum dritten Mal, Entschuldigung – zum dritten Mal bekommen wir in diesem großen Abschnitt diesen Gedanken.
Schlussfolgerungen für heute
Okay, alte Geschichte. Was können wir aus diesen vier Söhnen und ihren Namen lernen? Ein Überrest wird umkehren. Die Leute Gottes waren in der Geschichte fast immer die Minderheit, oft sogar eine kleine Minderheit in der Gesellschaft.
Schon deshalb müssen wir zusammenstehen, wie damals die Leute, die noch an Gott glaubten, dazu gerufen wurden, zusammenzustehen und sich an Gott zu halten. Immanuel – als Leute Gottes sind wir nicht nur eine kleine Minderheit, sondern wir stehen ein Stück weit außerhalb der Gesellschaft.
Ich weiß, in neuerer Zeit haben wir keineswegs den Auftrag, uns körperlich abzusondern. Wir sollen keine eigenen christlichen Dörfer gründen oder uns hinter Klostermauern zurückziehen. Wir sollen uns nicht aus der Gesellschaft zurückziehen. Trotzdem müssen wir unseren Kindern irgendwie beibringen – und es selbst im Kopf haben –, dass wir letzten Endes nicht wirklich dazugehören.
Unsere Kinder müssen lernen, dass wir in vielem anders sind, dass wir in gewisser Weise außerhalb der Gesellschaft stehen. Ich nenne das nicht, weil wir komisch sind, sondern ganz bewusst, weil wir eine Entscheidung getroffen haben, anders zu leben. Das ist nicht immer leicht. Aber sie müssen lernen, dass es einen Unterschied gibt zwischen Gottes Volk und dem Rest der Gesellschaft. Und wir müssen so leben, dass wir ihnen das beibringen.
Jesus hat es so formuliert: Wir sind in der Welt, aber nicht von der Welt. Und irgendwie muss das rüberkommen. Dann erleben wir hoffentlich persönlich und als Familien, was das heißt: Immanuel – Gott ist mit uns, auch wenn er vielleicht nicht mit unserem Land und mit unserer Gesellschaft ist, in der wir leben.
Schnell zum Raub, bald gibt es Beute – auch das irgendwie Christliche. Irgendwie gläubige Juden im Vergleich zu dem ungläubigen Nordreich – auch sie werden irgendwann vom Unglück getroffen. Vielleicht trifft es auch irgendwie auf dieses christliche Abendland zu.
Ich meine, keiner von uns hat Krieg erlebt. In meinen Lebzeiten – und ich bin älter als manche, die hier sitzen, aber nicht alle – gab es keinen Krieg in unserem Land und keinen Krieg in einem direkten Nachbarland. Wir waren immer irgendwie weit weg. Meinen Eltern war das anders. Ich erinnere mich an ihre Reaktion, als 1968 die Armeen des Warschauer Pakts in Prag einmarschierten. Das war für sie eine sehr, sehr angespannte Situation, weil sie erlebt hatten, was das bedeutet.
Irgendwie wirkt alles immer noch weit weg, aber das wird nicht auf Dauer so bleiben. Wir wohnen in einem kleinen Zeitfenster der Geschichte. Fast nie gab es so lange eine Zeit ohne Krieg, Zerstörung und Massenmord wie die Zeit, die wir hier in Westeuropa erleben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieses Zeitfenster zu Ende ist.
Vielleicht erleben das manche von uns noch, vielleicht nicht. Aber das ist eine Botschaft dieses Namens. Wir können uns nicht darauf ausruhen. Wir sollten so leben, dass auch wenn sich die Zeiten ändern – wie sie sich damals in der Generation Jesajas änderten, von Zeiten des Wohlstands und Friedens zu Zeiten von Krieg und Bedrohung – wir darauf eingestellt sind. Wir sollen so leben, dass Gott auch in solchen Zeiten mit uns sein kann.
Ja, und ein Sohn wird uns gegeben. Irgendwann wird Gott seine Herrschaft auf dieser Erde aufrichten. Dann werden wir keine Minderheit mehr sein. Dann ruht die Herrschaft auf seiner Schulter – und darauf warten wir.
