I. Leiden mit Freude
Paulus mit dem grossen Auftrag den Heiden das Evangelium zu verkündigen ist gefangen (Kol.4,3 & 10). In welchem Gefängnis er sitzt, wissen wir nicht, geht aus dem Brief nicht hervor. Aber eben – er sitzt fest. Ist das nicht ein Widerspruch zu seiner grossen, drängenden Aufgabe, das Evangelium in verschiedene Länder und Völker zu tragen? Muss ihn das nicht ungeduldig und unglücklich machen? Ein Aktivist wird blockiert. Wahrscheinlich waren die Kolosser darüber recht betroffen, so wie es auch die Korinther schwer verstehen konnten, wie ein "Bevollmächtigter" des "Königs aller Könige" immer wieder in solchen Leiden und Nöten stecken konnte, ausgepeitscht, gesteinigt, verhaftet. Sehen nicht auch wir bei jeder Behinderung des Dienstes für Jesus, durch Leiden, Schwierigkeiten und Krankheiten ein Rätsel, an dem wir schwer tragen? Was macht Paulus wohl, mögen sich die Gläubigen gefragt haben, wird er nun verzagen, traurig und frustriert dasitzen und schlussendlich in eine tiefe Depression fallen? Aber nichts dergleichen, er sagt: Ich freue mich in den Leiden! Ich freue mich, dass ich jetzt für euch leiden darf. (GN) Ja – was sollen wir davon halten? Leidet Paulus gerne? Ist er gar Masochist? Wie kann er in solcher Situation so etwas mit Überzeugung sagen? Paulus war kein Masochist! Er litt nicht gerne, den Philippern schreibt er: Es zieht mich nach beiden Seiten: Ich möchte am liebsten aus diesem Leben scheiden und bei Christus sein; das wäre bei weitem das beste. Phil.1,23.
Vielmehr freut sich Paulus an der Aufgabe, die er erfüllen kann. Er ist in dieser Sache ganz nüchtern. Er weiss, dass Leiden und Rückschläge zu seinem Auftrag gehören. Am Anfang seines Glaubenslebens sagt Jesus zur Zukunft von Paulus: Ich will ihm zeigen, wieviel nun er für das Bekenntnis zu meinem Namen leiden muss. Apg.9,16. Der Glaube an Jesus, der auch körperliche und seelische Leiden hervorbringt, gehörte zur elementaren Verkündigung in den ersten Gemeinden. So zogen Paulus und Barnabas durch die Gemeinden sagten: [Sie] stärkten die Seelen der Jünger und ermahnten sie, im Glauben zu bleiben, und sagen: Der Weg in Gottes neue Welt, sagten sie zu ihnen, führt uns durch viel Not und Verfolgung. So ist es der Wille Gottes. Apg.14,22. Paulus freut sich nicht an den Leiden, wie ein Masochist, sondern er freut sich darüber, selbst in dieser Situation im Auftrag Gottes zu stehen. Er will nicht das Mitleid der Gemeinde auf sich ziehen, dass alle sagen wie er wohl ein armer sei. Jammern und Selbstmitleid hat gar keinen Wert, denn dies würde Paulus zum Thema und Helden machen. Er aber sieht sein Leiden positiv, obwohl er nicht gerne leidet, weil er weiss, dass dies eine ganz normale Sache im Leben als Christ ist.
Wie gehen wir mit Leiden um, die wir um Jesu willen zu tragen haben? Hat das in unserem Denken überhaupt noch Platz? Oder haben wir es schon so verinnerlicht, dass Glaube vor allem damit zu tun hat, dass Gott dafür sorgt, dass es mir immer gut geht. Sind wir schon so verweichlicht, dass uns nur schon der Gedanke ans Leiden und Verachtung in Atemnot bringt?
Corrie ten Boom erzählt: Als ich ein kleines Mädchen war, sagte ich zur meinem Vater: "Papa, ich habe Angst, ich werde nie stark genug sein, um ein Märtyrer zu werden." Da fragte mich der Vater: "Sag mal, wann gebe ich dir das Fahrgeld, wenn du eine Reise machst? Drei Wochen früher?" "Nein, Papa, an dem Tag, an dem ich verreise!" "Genau. Und siehst du, deshalb gibt dir dein himmlischer Vater nicht heute die Kraft, Verfolgung zu ertragen, wenn dich niemand verfolgt und du diese Kraft gar nicht brauchst. In dem Augenblick, wo du für Jesus leiden musst, wird er dir die nötige Kraft geben. Im Augenblick brauchst du sie nicht." Ich war getröstet und spielte wieder mit meinen Puppen. Später gab mir der Herr die Fahrkarte: Als ich leiden musste, strömte die Kraft.. Nicht früher, nicht später. Er gab sie zur rechten Zeit.
Es kann wirklich hart werden. Mehdi Dibaj, Iran, - vor dem islamischen Gerichtshof, der ihn schliesslich wegen Abkehr vom Islam zum Tode verurteilt: Ich möchte lieber die ganze Welt gegen mich haben, dafür aber wissen, dass der Allmächtige Gott mit mir ist. Ich möchte lieber ein Abtrünniger genannt werden, dafür aber vor dem Gott der Herrlichkeit Gefallen finden.
II. Leiden Christi voll erstatten
Nun entwickelt Paulus den Gedanken des Leidens noch weiter – viele wissen mit dieser Aussage gar nicht so richtig etwas anzufangen. ...erstatte, was an den Leiden Christi noch fehlt... An den Leiden von Christus würde noch etwas fehlen, wenn ich sie nicht durch das, was ich selbst körperlich leide, ergänzen würde – (GN)
Heisst das etwa, dass Paulus noch nötig war, damit das Leiden Jesu vervollständigt werden konnte? Ist der Tod Jesu nicht ausreichend? Paulus meinte bestimmt nicht, dass er als Apostel die Heilstat Jesu am Kreuz vervollstätigen müsste, als ob Jesus noch zuwenig gelitten hätte. Er schreibt ja kurz zuvor im Vers 19: Denn es hat Gott wohlgefallen, daß in ihm (Christus) alle Fülle wohnen sollte. Paulus spricht hier nicht von Jesus, als er noch sichtbar in der Welt war, er sagt ja: ...für seinen Leib, das ist die Gemeinde. Paulus sieht also in den Leiden Christi, das Leiden für und mit der Gemeinde, welches unabdingbar kommt. Wie er an Timotheus schreibt: Alle, die in der Bindung an Jesus Christus ein Leben führen wollen, das Gott gefällt, werden Verfolgungen erleiden. 2.Tim.3,12. Dies ist auch keine Erfindung des Paulus, denn schon Jesus sagte: Alle Menschen werden euch hassen, weil ihr euch zu mir bekennt. Mk.13,13. Paulus zieht also die Gemeinde in Kolossä in sein Leiden mit ein. Er leidet auch für sie, denn sie gehören zum Leib Christi und es gilt: Wenn irgendein Teil des Körpers leidet, leiden alle anderen mit. Und wenn irgend ein geehrt wird, freuen sich alle anderen mit. 1.Kor.12,26.
Haben wir dies umfassende Verständnis von Leiden. Die Gemeinde kannte Paulus nicht persönlich, trotzdem setzt Paulus sein Leiden in Bezug zu dieser Gemeinde. Betrachten wir das Leiden unserer Geschwister auch als unsere Sache? In vielen Ländern werden Christen verfolgt, das hat immer etwas mit uns zu tun, weil wir zusammengehören. Sie leiden, weil sie an Christus glauben. Es könnte uns, würden wir in einem anderen Land leben genauso ergehen.
III. Diener der Gemeinde
Noch ein Gedanke in diesen beiden Versen, möchte ich noch genauer betrachten. Zu ihrem Dienst bin ich bestellt durch das Amt, das Gott mir zu eurem Besten übertragen hat. Seine Hauptaufgabe ist: Diener der Gemeinde. Paulus bezeichnet sich als Diener der Gemeinde. Spitzfindige könnten Paulus vorwerfen und sagen, er nähme die Gemeinde zu wichtig. Er sollte doch lieber völlig und ganz sich als Diener Christi verstehen. Genau dieser Punkt ist hier zu beachten. Paulus denkt konsequent vom Leib Christi. Auch wenn die Gemeinde schwierig ist, er setzt sich ein und dient ihr. Weil er weiss, dass man Christus nicht von der Gemeinde loslösen kann. Das geschieht heute leider sehr viel.
Das wäre wie wenn ein Arzt sich überhaupt nur mit unserem Kopf beschäftigen würde. Er würde sagen: dass ihr Bein gebrochen ist kümmert mich nicht. Ich bin froh, wenn ich mit ihnen noch sprechen kann. Das schmerzverzerrte Gesicht kann ich schon ertragen, ich finde es aber nicht nötig, mich um das Bein zu kümmern. Das ist völlig falsch! Das Bild von Paulus ist ganz anders:
Sind wir bereit für und an der Gemeinde zu leiden? Sind wir bereit uns für die Gemeinde aufzureiben und Opfer zu bringen? Sind wir uns bewusst, dass wir uns genau dann für Christus einsetzen, weil die Gemeinde der Leib Christi ist?
Schluss
Paulus bleibt uns leidet, weil er der Gemeinde dienen will. Es ist ihm wichtig, seine Auftrag zu erfüllen. Aber es ist wichtiger, dass ich noch hier ausharre, weil ihr mich braucht. Phil.1,24. Gott dienen heisst eben auch, ganz und gar für ihn dazusein, mit Kopf und Kragen. So schreibt Paulus den Römern: Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. Rö.12,1. Amen