Einführung in den geistlichen Entwicklungsprozess
Wir wollen heute Morgen den ersten Johannesbrief aufschlagen, 1. Johannes 2, und dort die Verse 12 bis 14 lesen.
Der Apostel Johannes, derselbe, der auch das Evangelium und die Offenbarung geschrieben hat, richtet sich in diesem Brief an vier verschiedene Altersgruppen in der damaligen Christenheit. Er schreibt: „Ich schreibe euch, Kinder, weil euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen. Ich schreibe euch, Väter, weil ihr den erkannt habt, der von Anfang an ist. Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, weil ihr den Bösen überwunden habt.“
Weiter heißt es: „Ich habe euch, Kinder, geschrieben, weil ihr den Vater erkannt habt. Ich habe euch, Väter, geschrieben, weil ihr den erkannt habt, der von Anfang an ist. Ich habe euch, ihr jungen Männer, geschrieben, weil ihr stark seid und das Wort Gottes in euch bleibt und ihr den Bösen überwunden habt.“
Vorhin haben wir bereits in der Einleitung gehört, dass es verschiedene Phasen des Wachstums gibt, auch des geistlichen Wachstums. Es ist wichtig, dass wir uns damit beschäftigen, um uns selbst besser einschätzen zu können.
Es gibt viele Parallelen zwischen dem äußeren, biologischen Wachstum unseres Körpers und dem geistlichen Wachstum. Im Blick auf unser äußeres Wachstum wissen die meisten von uns genau, wo sie stehen. Der eine weiß, er ist acht Jahre alt, ein anderer fünfzehn, sechsundzwanzig, fünfunddreißig, zweiundfünfzig, fünfundsechzig oder einundachtzig Jahre alt. Wir zählen die Jahre und wissen so genau, wo wir stehen.
Im Blick auf das geistliche Leben sollten wir ebenfalls ungefähr wissen, wo wir stehen. Ob wir gerade bei den Neugeborenen sind, bei den Kindern, Heranwachsenden oder bei den Müttern und Vätern, also den Erwachsenen – das ist wichtig. So bekommen Säuglinge keine unverdauliche Kost, sondern das, was sie brauchen: Milch und Brei. Gleichzeitig sollen Erwachsene nicht mehr mit Bauklötzchen spielen.
In diesem Abschnitt im ersten Johannesbrief sehen wir, dass es vier Phasen des geistlichen Wachstums gibt. Die Schrift teilt hier in vier Kategorien ein, vier Phasen geistlichen Wachstums.
Wir wollen uns jetzt wirklich fragen: Wo stehe ich denn ungefähr? Über den Daumen gepeilt, denn es gibt natürlich fließende Übergänge. Aber wo stehe ich ungefähr und wohin kann ich in der Gnade Gottes noch wachsen?
Was sind die Ziele Gottes für mein geistliches Leben? Was will er mit mir erreichen?
Vergleich von biologischem und geistlichem Wachstum
Die biologische Entwicklungsgeschichte beginnt mit der Zeugung und der Geburt. Die geistliche Entwicklungsgeschichte hingegen beginnt mit der Zeugung und der Wiedergeburt, also mit der Errettung eines Menschen aus der Hand der Sünde und des Teufels.
Sowohl im biologischen als auch im geistlichen Bereich gibt es vier Phasen der Entwicklung, die im Text genannt werden. Wir müssen sie nur etwas ordnen. Vielleicht hat die Reihenfolge im Text für Verwirrung gesorgt: Kinder, Väter, Männer, Kinder, Väter, Männer – das wirkt durcheinander. Wir wollen das ein wenig sortieren.
In Vers 12 werden Kinder erwähnt: "Ich habe euch Kinder geschrieben." Im Griechischen steht hier ein Wort, das eigentlich Neugeborene und Kleinkinder meint. Das Griechische unterscheidet nämlich zwischen Kindern direkt nach der Geburt und Kindern im Schulalter. Hier steht das Wort für Neugeborene, also Babys und Kleinkinder – das ist die erste Gruppe.
In Vers 14 schreibt er erneut an Kinder: "Ich habe euch geschrieben, Kinder." Hier verwendet er jedoch das andere griechische Wort, das Schulkinder meint, also schon ältere Kinder.
In Vers 15 folgen dann die jungen Männer, also Teenager und Heranwachsende, die diese Altersgruppe vertreten.
Schließlich sind da die Väter, also die Erwachsenen, die Mütter und Väter. Das sind die vier Gruppen, die Johannes nennt.
Wir wollen uns diese Gruppen genau anschauen und ihre Merkmale kennenlernen, damit wir auch besser einschätzen können, wo wir zurzeit stehen.
Die erste Phase: Neugeborene im Glauben
Also, das sind zunächst einmal die Babys. Was ist das auffällige Merkmal dieser Gruppe?
In Vers 12 heißt es: „Ich habe euch geschrieben, ihr Babys, weil euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen.“ Das ist das auffällige Kennzeichen: Die Sünden sind vergeben.
Das ist das, was ihn im Moment am allermeisten freut und was ihn völlig ausfüllt: Mensch, ich habe Vergebung meiner Sünden. Viele von uns haben das erlebt, als der Geist Gottes sie von der Sünde überführte. Als sie im Licht der Ewigkeit ihre Rebellion gegen Gott erkannten, ihren Unglauben, ihren Eigensinn, das Leben ohne Jesus meistern zu wollen. Dann zeigte ihnen derselbe Heilige Geist das Bild von dem gekreuzigten Herrn Jesus. Sie fanden Vergebung ihrer Sünden und Reinigung ihres Gewissens durch sein Blut.
Sie vertrauten dem Sohn Gottes ihr Leben an, und dieser Heilige Geist nahm Besitz von ihnen und versiegelte sie auf den Tag der Erlösung hin. Versiegelung bedeutet, ein unumschränktes Eigentum und Kind Gottes geworden zu sein. Wenn man mit dem Heiligen Geist versiegelt ist, ist man ein unumschränktes Eigentum und Kind Gottes.
Was war das manchmal für eine Freude, das miterleben zu dürfen, wenn Menschen das erleben! Wenn ich so zurückdenke an die letzten vierzehn Jahre, in denen ich das miterleben durfte, auch bei Einzelnen hier unter uns, wenn sie die Vergebung der Sünden erleben und sie mit dem Liederdichter sagen konnten: „Die Sünden sind vergeben, das ist ein Wort zum Leben für den gequälten Geist.“ Da muss man sich einfach freuen.
Manche hatten Jahre oder Jahrzehnte lang in allen möglichen Religionen gesucht, in verschiedenen Richtungen und Ideologien. Und jetzt hatten sie in der schlichten Botschaft vom Kreuz Heil und Frieden gefunden. Dieses Stadium drückt der Apostel Johannes mit dem einfachen Satz aus: „Ihre Sünden sind vergeben um seines Namens willen.“
Das ist das Baby-Stadium, das auffälligste Merkmal. Das sind Menschen, die eine riesige Freude haben, weil ihre Lebensschuld vergeben ist, weil sie nichts mehr anklagt aus der Vergangenheit, weil sie sich versöhnt wissen mit dem heiligen Gott und Kind Gottes geworden sind. Es ist die Erfahrung der Vergebung der Sünden durch Jesu Blut.
Was sind nun die Hauptkennzeichen eines gesunden Neugeborenen? Ich kann mich gut erinnern, wenn ich unsere Neugeborenen auf dem Arm hatte, dass sie je nach der Geburt Hunger nach Milch hatten und Geborgenheit nach dem Stillen suchten. Das sind ganz auffällige Sachen.
Ein Neugeborenes schreit nach der Milch, und wenn es sie dann bekommen hat, ist es eine richtige Wonne, einen gestillten Säugling anzuschauen, wie geborgen er nach dem Stillen ist. Und dasselbe gilt im geistlichen Bereich. Die Siggi hat das vorhin auch angedeutet: Bei einem Säugling ist der Hunger da nach dem Wort Gottes.
Natürlich gibt es auch bei einem jungen Christen einmal Situationen, in denen dieser Hunger nicht so stark ist. Man liest auch mal die Bibel, ohne jetzt einen richtigen Heißhunger zu haben. Aber meine Mutter hat mir immer gesagt: Wenn ich von der Schule nach Hause kam und mal keinen Hunger hatte, sagte sie: „Iss, der Appetit kommt beim Essen.“ Und so war es dann oft auch. Wenn man angefangen hatte zu essen, kam der Appetit, und dann hat man doch viel gegessen.
So ist es auch im Geistlichen: Nicht Bibel lesen nach dem Lustprinzip. Ich sage euch, der Teufel wird schon dafür sorgen, dass wir keine Lust haben. Sondern lesen aus Einsicht, aus Vernunft. Meine Seele braucht genauso Nahrung wie mein Körper, auch wenn diese gefühlsmäßige Lust mal nicht so da ist.
Das sind die Kennzeichen: Hunger nach dem Wort Gottes und diese Geborgenheit. Im geistlichen Bereich können wir diese Geborgenheit Heilsgewissheit nennen. Die Urgeborgenheit des Glaubens, dass ich weiß: Wenn ich die Erfahrung der Vergebung der Sünden gemacht habe, wenn Jesus mein Erlöser geworden ist, bin ich mit ewiger Liebe geliebt. Gott hat mich angenommen, und er wird mich nie mehr loslassen.
Das nennt die Bibel Heilsgewissheit. Es ist die Heilsgewissheit und Sicherheit der Erlösung bei Jesus.
Haben wir solche neugeborenen Babys unter uns, die vielleicht in den Wochen, Monaten oder auch in den letzten ein, zwei Jahren zum Glauben gekommen sind, dann wünsche ich Ihnen, dass Sie viel Hunger haben nach dem Wort, viel Zeit mit dem Herrn und der Bibel verbringen und dass Sie zu dieser festen Gewissheit kommen und in ihr bleiben: Meine Sünden sind vergeben, ich bin errettet, da ist ein neues Leben mit und für den Herrn Jesus.
Die zweite Phase: Kindheit im Glauben
Kommen wir zur zweiten Phase im geistlichen Wachstum: der Kindheit.
Die Kindheitsphase ist meist eine sehr schöne Zeit der Unbeschwertheit, der Ausgelassenheit, des Tobens und der Freude. Die vielen Probleme und Komplikationen des Lebens belasten einen noch nicht so stark.
Ein wichtiges Merkmal, das Johannes hier für die Kinder nennt, steht in Vers 14: den Vater erkennen. Johannes schreibt: „Ich habe euch geschrieben, Kinder, weil ihr den Vater erkannt habt.“ Das bedeutet, das richtige Gottesbild zu bekommen. Dies ist eine ganz entscheidende Sache im geistlichen Kindheitsalter: Gott als Vater zu erkennen und zu lernen, ihn lieber Vater zu nennen.
Die jungen Christen, an die Johannes schrieb, hatten den Vater erkannt. Der Name „Vater“ war ihnen aufgegangen. Gott stand nicht mehr als ein strenger Richter vor ihnen. Ihre Sünde und Unheiligkeit war durch Jesu Blut hinweggenommen. Sie waren nun mit dem Vater verbunden. Die Furcht, der Schrecken und das Zittern waren vorbei. Stattdessen hatten sie die Liebe des Vaters erkannt. Nun waren sie voller Zuneigung und Zutrauen zu ihrem Vater im Himmel.
„Ich habe euch geschrieben, Kinder, weil ihr den Vater erkannt habt.“
Ich weiß, dass dieses Erkennen des Vaters nicht für jeden jungen Christen gleich leicht oder schnell möglich ist. Das hängt auch mit unserem irdischen Vaterbild zusammen. Wenn wir einen Vater hatten, der uns oft geschlagen oder sogar misshandelt hat, oder einen Vater, der völlig desinteressiert an uns war, oder wenn wir gar keinen irdischen Vater kannten, dann prägt das natürlich unser Leben sehr. Doch es ist nicht unüberwindlich.
Ich möchte alle jungen Christen ermutigen, an dieser Stelle nicht nachgiebig zu sein. Erbitte und erringe dir das richtige biblische Gottesbild des Vaters. Denn sonst wird unser Glaubensleben immer einen Schlag haben. Es wäre wirklich ein großer Mangel, wenn wir nicht zu dem biblischen Gottesbild des liebenden Vaters finden würden.
Noch einmal zurück zur Kindheitsphase: Kinder, die in familiärer Geborgenheit aufwachsen, haben im Allgemeinen ein großes Vertrauen zu ihrem Vater. „Papa kann alles!“ Ihr müsst mal unsere Amelie fragen. Ich glaube, für sie gibt es nichts, was der Papa nicht kann. Sie wird schon noch darauf kommen, dass der Papa längst nicht alles kann, aber im Moment gilt: Papa kann alles.
Da ist ein großes Vertrauen zum Vater, da ist Begeisterung und Dankbarkeit. Kleine Kinder können ihre Begeisterung ausdrücken und auch ihre Dankbarkeit. Wir Erwachsenen tun uns mit beidem oft viel schwerer. Außerdem sind Kinder veränderungs- und lernwillig.
Natürlich gibt es auch manchmal altkluge Kinder, die schon alles wissen. Aber die meisten Kinder sind bereit, sich zu verändern und zu lernen.
Darf ich das mal geistlich übertragen und anwenden? Wenn du gerade in dieser Kindheitsphase des geistlichen Lebens bist, dann lebe bewusst darin. Erhalte dir deinen Mut und deine Begeisterungsfähigkeit. Du darfst auch Fehler machen und Dummheiten – das tun Kinder ja auch, und das ist ganz normal.
Sei mutig bei Glaubensprojekten! Später, je älter man im Glauben wird, verliert man das ein bisschen. Man wird vorsichtiger, wägt mehr ab und denkt an immer mehr Bibelstellen, die auch noch sprechen könnten.
Sei mutig und geh ruhig mal drauflos bei Glaubensprojekten. Erlebe die Treue deines Herrn, auch auf den Gebieten Partnerwahl, Sexualität und Umgang mit Geld.
Sei dankbar wie ein Kind und lerne, kindlich für alles zu danken. Bleibe lernwillig und veränderungsbereit.
Nichts ist schlimmer als geistliche Altklugheit, wenn Kinder mit „Eierschalen hinter den Ohren“ alles besser wissen wollen als ihre geistlichen Eltern, also als gereifte und bewährte Gläubige.
Die dritte Phase: Mannesreife und geistliche Pubertät
Kommen wir zum dritten Stadium der Entwicklungsgeschichte, das man heute vielleicht als Pubertät bezeichnet. Es ist die Zeit der Mannesreife, der Veränderung, in der aus einem Kind ein Mann oder eine Frau wird.
In Vers 13b finden wir diese Gruppe angesprochen: „Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, junge Mädchen eingeschlossen, weil ihr den Bösen überwunden habt.“ Noch einmal werden sie angesprochen in Vers 14: „Ich habe euch, ihr jungen Männer, geschrieben, weil ihr stark seid und das Wort Gottes in euch bleibt und ihr den Bösen überwunden habt.“
Kinder sollen nicht immer Kinder bleiben. Es ist schön, solange sie Kinder sind und die Kindheit genießen, aber sie sollen nicht für immer Kinder bleiben. Es ist fatal, wenn Erwachsene noch den Schoppen brauchen. Ich meine hier den Milchschoppen. In meiner Heimat ist Schoppen meist ein Biermaß, aber hier in Süddeutschland ist Schoppen manchmal auch Milch. Wenn sie also noch das Milchfläschchen brauchen, dann ist das problematisch.
Die Heiligen sollen nach Epheser 4 zum Dienst zugerüstet werden und zum vollen Mannesalter wachsen. Sie sollen erwachsen werden. Allgemein kann man sagen: Je besser die Kindheit verlaufen ist, desto leichter fällt auch die Pubertät. Wenn die Kindheit jedoch schwierig war, wird die Pubertät meist noch ein paar Grade schwieriger. Das wissen wir alle.
Die Pubertät ist eine sehr schwierige Zeit im Leben und durchaus mit manchen Gefahren verbunden. Auch die geistliche Pubertät ist herausfordernd. Viele Gläubige geraten gerade in dieser Phase ihres Glaubenslebens auf eigene Wege und manchmal eben auf keine guten Wege.
Eine wesentliche Sache der Reife, der Mannesreife, ist es, zu lernen, die Kraft des eigenen Willens einzusetzen. In der Pubertät werden durch verschiedene Hormone im Körper ungeheure Kräfte freigesetzt und Veränderungen eingeleitet. Triebe und Leidenschaften erwachen, von denen ein Kind nichts weiß.
Es ist daher von großer Bedeutung, dass ein junger Mensch lernt, die Kraft seines Willens einzusetzen, um alle Vorgänge steuern und kontrollieren zu können. Das will Gott. Er hat uns einen Willen gegeben und möchte, dass wir mit unserem Willen unsere Triebe und Leidenschaften kontrollieren lernen.
Wie entwickelt man solche Willenskraft? Mit autogenem Training oder Dr. Murphy? Nein. Drei Kennzeichen nennt der Apostel hier im Blick auf die Jugendlichen, wie diese Willenskraft entwickelt werden kann. Er sagt: Ihr seid stark, weil das Wort Gottes in euch bleibt. Das ist das Entscheidende: Das Wort Gottes bleibt in euch, in den Jugendlichen, in den Heranwachsenden.
Wieso konnte es in ihnen bleiben? Weil sie es schon als Kinder gelernt und aufgenommen hatten. Seht ihr, wie wichtig die Kinderarbeit ist, die wir tun? Im Elternhaus ist sie unersetzlich, aber auch in der Gemeinde begleitet und flankiert sie die Entwicklung. Die Kinderarbeit ist ganz entscheidend wichtig.
Das Wort Gottes bleibt in euch, und sie haben den Bösen überwunden. Sie haben gelernt, den Versuchungen Satans zu widerstehen – mit dem Wort Gottes, das in ihnen liegt und schon eine Kraft entfaltet. So kann man Willenskraft trainieren und entfalten: mit dem Wort Gottes.
Sie können die Versuchungen überwinden, egal ob sie von links kommen, in Gestalt verführerischer Philosophie und falscher Lehren, oder von rechts, in handfesten Verlockungen zur Unmoral, Ungerechtigkeit, Hochmut, Zorn, Selbstsucht und all den anderen Dingen.
Hier finden wir also ein Geheimnis: Wenn wir nicht im geistlichen Kindheitsstadium stehen bleiben wollen, dann lasst uns stark werden durch einen geregelten und reichlichen Umgang mit dem Wort Gottes. Wir sollen durchdrungen werden vom Wort, unser Denken und Handeln soll vom Wort geprägt sein.
Wir sollen nicht nach Gefühlsregungen entscheiden, sondern nach den Prinzipien des Wortes. Das ist mir sehr wichtig. Ein Zeichen der Reife ist, dass man sich nicht mehr von jedem Gefühl leiten lässt und so ein Gefühlskristentum lebt, das oft von Zweifeln durchgeschüttelt wird.
Stattdessen sollen wir zum Wortchristentum gelangen, bei dem das Wort einen prägt und leitet. Die Prinzipien, die wir in der Schrift finden, werden immer mehr zur Richtschnur unseres Lebens. Kurz gesagt: Wir sollen tief verwurzelt werden in der Lehre der Schrift.
Auf keine andere Weise werden wir stark und können den Bösen überwinden. Es geht in der Bibel immer wieder ums Überwinden. Entweder wir sind Überwinder oder Überwundene – eins von beiden. Aber lasst uns daran denken: Nicht die Überwundenen werden einmal vor Gottes Thron stehen, sondern die Überwinder. Das zeigt uns die Offenbarung.
Darum lasst uns Überwinder wählen, indem wir das Wort in uns wohnen lassen und mit dem Wort unser Glaubensleben gestalten.
Noch ein Gedanke zu den Jünglingen im Glauben, zu Christen in der Mannesreife: Ich weigere mich hier ganz bewusst, ein Alter zu nennen. Ob sie jetzt zwei, fünf, acht, zehn oder wie viele Jahre im Glauben sind, spielt keine Rolle. Sicher ist nur: Es sind keine geistlichen Kinder mehr.
Solche Christen in der Mannesreife können Verantwortung übernehmen. Kinder wären damit noch völlig überfordert, denn sie sind noch viel zu sehr mit sich und ihrer Welt beschäftigt. Junge Männer und Frauen in Christus, Heranwachsende in der Mannesreife, können bereits andere leiten und anleiten.
Sie können vielleicht noch nicht predigen und vielleicht noch nicht Älteste sein, aber sie können Kleingruppen innerhalb der Gemeinde verantwortlich leiten und ihre Gaben auf diese Weise entfalten.
Die vierte Phase: Erwachsene in Christus
Wenden wir uns nun der letzten Gruppe zu: den Vätern und Müttern, den Erwachsenen in Christus. Sie werden angesprochen in 1. Johannes 2,13: „Ich schreibe euch, Väter, weil ihr den erkannt habt, der von Anfang an ist“, und in 1. Johannes 2,14a: „Ich habe euch, Väter, geschrieben, weil ihr den erkannt habt, der von Anfang an ist.“
Uns fällt auf, dass die Botschaft des Apostels Johannes an die Väter kurz ist und dass er zweimal dasselbe an die Väter richtet: „Ich habe euch geschrieben, weil ihr den erkannt habt, der von Anfang an ist.“ Wer ist das? Das ist niemand anders als Jesus Christus. Er ist der, der von Anfang an ist. So beginnt das Johannesevangelium: „Am Anfang war das Wort.“ Das ist der, der von Anfang an ist.
Diese Väter und Mütter sind die Erwachsenen. Sie haben den Herrn Jesus Christus erkannt und in ihm die Erkenntnis Gottes in ihrer ganzen Fülle erreicht. Es gibt nichts, das über die Christuserkenntnis hinausgeht. Gott hat sich in Christus geoffenbart, Gott ist Liebe, und Christus hat uns diese Liebe gezeigt. Er hat sie ausgelebt bis zum Tod am Kreuz. Das Christentum ist die Religion der Liebe, wenn ich das einmal so nennen darf.
Ich verstehe sehr gut jenen Moslem, der sich in Berlin bekehrt hat und dann ein Abschiedsgebet an Allah richtete. Es lautete folgendermaßen: Da betete dieser Moslem zu Allah: „Verzeih mir, dass ich dich nur verehren kann, aber Christus wieder lieben muss, denn er hat mich zuerst geliebt.“ So verabschiedete er sich vom Islam und wurde Christ.
Das ist das Wesen des Glaubens, hier hat er es auf den Punkt gebracht: „Allah, verzeih mir, dass ich dich nur verehren kann, aber Christus wieder lieben muss, denn er hat mich zuerst geliebt.“ Mohammed ist nicht für uns am Kreuz gestorben, aber Christus. Kannst du das auch so bekennen wie dieser christgewordene Moslem?
Weißt du von einer Liebesbeziehung, oder ist dein Christsein nur ein Formalismus, nur Bekenntnisse und Dogmen? Schau auf die Erwachsenen: Der Gott der Liebe hat in ihren Herzen Wohnung genommen. Indem sie in der Liebe bleiben, bleiben sie in Gott und Gott in ihnen.
Es gibt keine höhere Erkenntnis, als Gott in Christus zu erkennen und die ganze Liebe Gottes in Christus zu erfassen – die Höhe, die Breite, die Tiefe und die Länge der Liebe Gottes in Christus. Die Väter und Mütter sind in der Liebe Christi eingewurzelt und gegründet. Sie sind vielleicht durch Leid und schwere Prüfungen gegangen, doch sie haben darin die gute Hand ihres himmlischen Vaters gesehen und wurden noch tiefer an sein Herz gezogen.
Von ihnen geht Güte und Milde aus. Im Alter zeigt sich die Frucht des bisherigen Lebens. Schaut man in Altersheime, zeigt sich dort die Frucht des Lebens. Bei manchen ist dort nur noch Bitterkeit, Hass und Groll, das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein, Frustration und Resignation.
Die Werbebranche hat das erkannt. Sie richtet sich jetzt ganz auf die Rentnerflotte und bietet ihnen Urlaub in Mallorca, auf den Seychellen und an anderen Orten an. Eine neue Zielgruppe für die Werbung sind die Rentner, die glauben, sie hätten noch etwas verpasst und müssten noch etwas nachholen.
Im Altersheim finden wir oft diese Leere, diese Frustration und Resignation. Oder wir finden im Alter eines Menschen Frieden, Güte, Milde und ein Ausgereiftsein des Charakters.
Diese Väter und Mütter müssen nicht schon im Altersheim sein. Es können auch jüngere Väter und Mütter sein – einfach Erwachsene in Christus. Sie sind rechte Seelsorger, Beichtväter, Hirten, Lehrer, Tröster und Ermahner. Sie können Kindlein in Christus Vorbilder sein und ihnen auf dem Glaubensweg helfen.
Ihr Christentum gibt Anschauungsunterricht. An ihrem Leben kann man sehen, was Gnade ist, was Liebe ist, was Wahrheit ist, was Glauben ist, was Gehorsam ist und was Heiligkeit ist.
Eberhard Müller, von dem ich den Grundaufbau für diese Botschaft verwendet habe, nennt drei weitere Merkmale der Väter und Mütter in Christus. Er sagt, dass diese Erwachsenen oft auch einen Blick für verborgene Berufungen bei jungen Christen haben. Sie erkennen: „Da ist einer, der hat eine Berufung in sich.“
Ich hatte einen Klassenkameraden, der war Automechaniker in Göckingen bei Schwäbisch Gmünd, in einem schwäbischen Dorf. Eine Mutter in Christus aus seiner Gemeinde hatte einen Blick dafür, dass in diesem jungen Mann etwas Besonderes steckt. Sie ging zu ihm und sagte: „Dieter, Dieter Hägele, dein Weg ist in die Mission.“
Dieser junge Mann ist heute in Japan, in Scuba, der Wissenschaftsstadt Japans, wo die intelligentesten Japaner versammelt sind. Dort unterrichtet er Doktoren und andere Studenten im Wort Gottes, in Deutsch und in vielen anderen Dingen. Dieser junge Mechaniker aus Schwäbisch Gmünd hat seine Berufung gefunden.
Diese Mutter in Christus hatte einen Blick für diese verborgene Berufung. Die Väter und Mütter in Christus können zur rechten Zeit in den Hintergrund treten und junge Gläubige in die Arbeit einführen. Das ist ein ganz wichtiges Merkmal von Erwachsenen in Christus.
Denn sie wollen Kinder zur Selbständigkeit führen. Was wünschen wir uns als irdische Eltern mehr, als dass unsere Kinder selbständig werden? Wie freut man sich, wenn sie sich selbst den Popo abputzen können, wenn sie selbständig zur Schule gehen, wenn sie schließlich ihren Beruf gelernt haben, außer Haus gehen und eine Familie gründen.
Sie führen Kinder zur Selbständigkeit – das ist das Anliegen der Eltern. Und so ist es auch im Geistlichen.
Abschluss und Ermutigung zum geistlichen Wachstum
Lasst mich zum Schluss noch einmal die Gläubigen unter uns ansprechen, alle, die die Erfahrung der Vergebung der Sünden gemacht haben und nun im neuen Leben des Glaubens stehen. Wo stehst du heute? Wo stehst du in deinem geistlichen Leben? Ich hoffe, dass dein Gebet während dieser Predigt war: Herr, zeig mir, wo ich stehe, zeig es mir.
Nicht, damit wir uns nun miteinander vergleichen können oder uns gegenseitig abmessen, sondern damit wir uns selbst einschätzen können. Damit wir danken können für das Erreichte und uns ausstrecken nach dem, was Gott noch aus uns machen will. So können wir erkennen, ob wir im Geist und im göttlichen Zeitrahmen sind.
Weißt du, welchen natürlichen Wunsch Kinder haben? Sie möchten so werden wie ihr Papa. Das sollte auch unsere Motivation sein, ihr Geliebten: dass wir so werden wollen wie unser Vater. Indem wir umgestaltet werden in das Bild Jesu und in der Gnade wachsen.
Unsere Gemeinde braucht junge Männer und junge Frauen in Christus, aber vor allem braucht sie Erwachsene in Christus, Väter. Und diejenigen unter uns, die noch keine Kinder in Christus sind, sondern noch Kinder des Ungehorsams und des Bösen, die kann ich nur dringend bitten: Brich mit dem alten Kurs, bekehre dich von Herzen, übergib dem Herrn dein Leben und öffne dein Herz für seine Gnade.
Warte nicht länger, denn du wirst sonst das Ziel nicht erreichen, wie wir vorhin an der Zielscheibe gesehen haben, wenn du bleibst, wie du bist. Kehre um, lass dich erneuern und mach ernst mit Gottes Angebot. Dann wirst du ein Kind Gottes und kannst wachsen zu dem Maß, zu dem Alter, das Gott für dich bestimmt hat.
Lass uns über das, was wir gehört haben, miteinander still werden und es im Gebet vor dem Herrn verarbeiten.
Ja, Vater, wir danken dir von ganzem Herzen, dass wir dich so nennen dürfen, dass du unser himmlischer Vater bist, dass wir dich wieder lieben dürfen, weil du uns in Christus zuerst geliebt hast.
Wir wollen aber, lieber Vater, dir von ganzem Herzen sagen, dass wir diese väterliche Beziehung zu dir pflegen wollen. Ja, und so danken wir dir, dass wir deine Kinder sein dürfen, ganz aus Gnade, dass du uns aus einem verlorenen, verpfuschten Leben herausgerettet hast und auf einen ganz neuen Grund gestellt hast.
Wir danken dir, dass das noch nicht das Ende deiner Ziele ist, sondern dass du geistliches Wachstum möchtest. Wir haben nun die Stationen anhand deines Wortes betrachtet.
Herr, gib nun jedem von uns Einsicht, wo er steht – nicht zur Entmutigung, sondern im Gegenteil zur Ermutigung, dass er sich weiter ausstreckt nach Wachstum im Leben mit dir, in dieser ganz persönlichen Beziehung, mit deinem Wort.
Lass uns auch dienstbereit sein, denn wir wachsen nicht in der Theorie, sondern in der Praxis.
Ja, himmlischer Vater, so wollen wir dich bitten: Schenk du uns auch hier in der Gemeinde wirkliche Väter und Mütter, Erwachsene in Christus. Lass uns danach ausstrecken!
Und wenn jemand unter uns ist, der noch nicht errettet ist, rede du zu seinem Herzen, dass er bald auch dein Kind werden möchte.
Wir preisen dich für deine große Geduld und Gnade in unserem Leben. Amen.