Liebe Schwestern und Brüder,
ein paar einleitende Worte an diesem Pfingstmontag: Meine Gedanken gehen zurück zu vielen unvergesslichen Pfingsttreffen, besonders zu dem im Jahr 1953 in Herford. Es war das Pfingsttreffen des Westdeutschen Jungmännerbundes. Dort ist mir das Lied „Schmückt das Fest mit Meilen, lasst Blumen streuen, zündet Opfer an!“ besonders eindrücklich geblieben.
Der Festredner damals war Walter Dach, damals noch Missionslehrer in Barmen, später Dekan in Württemberg und der erste Studienleiter des Tübinger Albrecht-Bengel-Hauses. Er hat sehr eindrücklich gesprochen. Vor mir saßen viele Westfalen, die sagten, er sei ein „Schwäble“, weil er sehr schwäbisch gesprochen hat – so wie ich auch.
Nachher kam eine Journalistin und sagte, dass er in seinem Vortrag einen interessanten französischen Begriff benutzt habe, den sie nicht ganz verstanden habe. Wir suchten im Manuskript nach dem Wort. Walter Dach hatte gesagt: „Bei Gott gibt es Nestwärme“, aber er sprach schwäbisch und sagte „Nestwürbe“. Die Journalistin meinte, es sei französisch. So kann es Ihnen auch gehen.
Ich komme aus Württemberg und kann meine Sprache deshalb nicht verleugnen.
Gestern auf dem Weg über Eidligen sah ich Tausende junger Menschen, die Zelte voll waren. Dabei dachte ich mit Schmerz daran, dass wir vom württembergischen Jungmännerwerk früher immer an Pfingsten große Pfingsttreffen hatten. Die Jungenschaften gibt es heute nicht mehr, sie haben aufgehört.
Auch denken wir mit Schmerz daran, dass der Brüderbund sein Pfingsttreffen in Esslingen nicht mehr in der früheren Form veranstaltet. Früher kamen dort Tausende junger Leute zusammen, heute gibt es stattdessen eine Pfingstkonferenz.
So hört manches im Bereich Gottes auf, und Neues wächst heran. Es ist doch schön, dass Neues aufwächst.
Die Kraft des Geistes im inneren Menschen
Nun sind wir bei einem zentralen Abschnitt im Bibeltext. In Epheser 3,16 heißt es: "dass Gott euch Kraft gebe, nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit stark zu werden durch seinen Geist am inwendigen Menschen."
Draußen am Büchertisch liegt ein Buch von Max Lucado mit dem Titel „3,16“. Wir alle kennen die berühmte Stelle Johannes 3,16, aber es gibt noch viele weitere Verse mit der Zahl 3,16. Ich hatte immer vor, ein Buch über die verschiedenen 3,16-Stellen zu schreiben. Hat Max Lucado mir da vielleicht zuvorgekommen?
Zum Beispiel finden wir in 1. Mose 3,16 das Wort über die Mütter: "Unter Schmerzen wirst du Kinder gebären." Das ist ein ganz wichtiges Wort. So wie ich gestern unter Schmerzen am Gavier versucht habe, blicke ich auf Beugung und Stau. Wir sind froh, dass Frau Pfarrerin Schäfer heute das Gavier übernimmt.
Ein weiteres Beispiel ist 1. Samuel 3,16: "Hier bin ich, du hast mich gerufen." Auch Daniel 3,16 erwähnt die drei Männer im Feuerofen: "Es ist nicht nötig, dass wir dir darauf antworten. Unser Gott kann uns auch aus dem Feuer erretten."
Beim Psalm gibt es keinen Vers 16 im dritten Kapitel; der Psalm endet früher. Doch es gibt viele bedeutende 3,16-Worte bis hin zur Offenbarung. Zum Beispiel: "Weil du lau bist und weder kalt noch warm, will ich dich ausspeien aus meinem Munde." Das ist keine Zahlenmystik, sondern zeigt, dass eigentlich jedes Wort Gottes großartig ist – jedes Bibelwort.
Man könnte auch andere Verse wie 4,12 oder 5,3 nehmen. Immer wieder stoßen wir auf zentrale Bibelworte. So heißt es in 2. Timotheus 3,16: "Alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Strafe." Auch hier wieder ein wichtiges 3,16-Wort.
Jedes Bibelwort ist bedeutsam. Aber jetzt sind wir bei Epheser 3,16 und spüren etwas davon, dass der Apostel Paulus – ich kann es nur so sagen – kaum zur Ruhe kommt. Manche Sätze enden gar nicht richtig, weil er erfahren möchte, wie hoch, breit und tief die Liebe Gottes ist. Denn Gott kann viel mehr tun, als wir bieten oder verstehen. Viele werden die ganze Dimension des Heils gar nicht erfassen, wenn sie nur eine Bibel vor sich haben.
In Epheser 3,1 sagt Paulus: "Deshalb bin ich, Paulus, der Gefangene Jesu Christi für euch Heiden." Dann folgt ein Einschub, und erst bei Vers 14 geht es richtig weiter. Man spürt richtig den heißen Atem des Apostels Paulus.
Die Sorge des Apostels Paulus um die Gemeinde
Und Sie können sich fragen: Entschuldigung, Paulus, was ist denn los? Was treibt dich so um? Da würde er sagen: Mich treibt meine geliebte Gemeinde in Ephesus um.
Wir wissen aus Apostelgeschichte 20, als Paulus sich von den Verantwortlichen der Gemeinde in Ephesus verabschiedet hat. Dort, im Löwenhafen von Milet, ließ er sie zu sich kommen. Beim Abschied sagte er: „Ihr wisst, dass ich jeden von euch drei Jahre lang Tag und Nacht unter Tränen ermahnt habe.“ Das ist Seelsorge. Der Apostel Paulus kümmerte sich um die Frauen, Männer, Jugendlichen und besonders auch die Alten, die besonders gefährdet sind, dass ihr Glaube im Stillstand ist.
Er betonte: „Ich habe jeden von euch drei Jahre lang unter Tränen ermahnt, damit euer Glaube nicht bloß äußerlich ist, nicht nur eine aufgeklebt Tapete, sondern euch wirklich durchdringt, sodass Christus in euren Herzen wohnt.“
Nun können wir sagen: Lieber Apostel Paulus, warum denn die Aufregung? Du hast doch zu Beginn geschrieben, ihr seid in Christus erwählt. Irgendwo habe ich noch deine Aufschriebe vom Jahr 2002 gesehen, „Versiegelung“. Ein großer Abschnitt darüber, was wir in Christus haben. Ich durfte eine Zeit lang Assistent bei unserem früheren württembergischen Landesbischof Haug sein, der den Epheserbrief besonders liebte. Wenn er nur den Text las, merkte man, dass er eine besondere Sprache hatte. „In ihm sind wir erwähnt, in ihm geliebt, in ihm zur Herrlichkeit bestimmt.“
Paulus, was regt dich denn so auf, dass du in deinem Gefängnisloch deine Knie beugst, dich auf den harten Boden wirfst und ringend deine Hände hebst, um Gott zu bitten? „Ich beuge meine Knie vor dem Vater.“ Was ist denn los? Die sind doch Christen, sie haben doch den Glauben. In dieser gottlosen Stadt Ephesus haben sie bis heute durchgehalten.
Ja, sagt der Apostel Paulus, ihr fragt mich, was mich umtreibt. Herr Schamwir, ist es dir vielleicht wichtig, dass die Gemeinde zahlenmäßig wächst? Oder dass sie in der Bevölkerung mehr Echo findet, in der Gesellschaft mehr Gehör?
Neulich sagte mir ein Gemeindepfarrer: „Ich sehe so manche charismatische Gemeinde, die biblische Glaubensgemeinde in Stuttgart. Dort werden jeden Tag, jeden Sonntag zehn Leute geheilt. Das sollten doch bei uns auch Menschen erleben.“ Hat Paulus darum gebetet, dass Heilungen stattfinden? Dass die armen Leute ein besseres Einkommen haben? Das wären alles Gebetsanliegen gewesen.
Dass die Gemeinderäume ein bisschen komfortabler aussehen, so wie die schönen Räume in der Langen Steinbacher Höhe? Auch das sind Gebetsanliegen.
Wir in Korntal beten zurzeit wie die Weltmeister, dass wir endlich ein Gemeindehaus bekommen und dass die Spenden zusammenkommen.
Und Paulus schaut uns groß an und sagt: „Für das meint ihr, sei es wichtig zu beten? Was mich im Gefängnis wirklich umtreibt, ist euer innerer Mensch, ob wirklich Jesus Christus in euch wohnt.“
Da muss ich jetzt ein bisschen ausholen: Das Problem der Christenheit ist der innere Mensch.
Der innere Mensch und seine Herausforderungen
Schon die Ausleger streiten darüber, ob der innere Mensch der Seelenfunke in uns ist, der Gott zugewandt ist. Manchmal denke ich: Ja, ich habe meine Ecken und Kanten, ein Engel bin ich noch nicht. Aber ganz tief innen drin ist ein Lieberolf-Chefbuch – ein ganz demütiger, freundlicher, wohltuender Rollschiffbuch.
Manche kommen auf diese Idee, weil es im 2. Korinther 4,16 heißt: „Auch wenn uns der äußere Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.“ Paulus sagt: „Haha, das habe ich gemeint! Der innere Mensch braucht es von Tag zu Tag. Da ist nicht viel los, da braucht es die Kraftzuteilung Gottes.“ Der innere Mensch wird also erneuert, selbst in der Not. Aber normalerweise ist mit unserem inneren Menschen nicht viel los, sondern es herrscht Not.
Die großen Psychotherapeuten und Psychologen Freud und C. G. Jung haben gesagt, dass wir alle innere Verletzungen haben, vermisste Liebe in der Jugendzeit, Enttäuschungen im Leben und Ängste. All das beherrscht uns mehr, als wir ahnen. Jesus sagt dazu: „Ach, das ist noch gar nicht der innere Mensch.“ Er wusste, was wirklich im Menschen ist, tief innen drin.
Dort, wo ich meine, dass der liebe, demütige, freundliche, geduldige Rolf Schäffbuch wohnt, sagt Jesus: „Aus deinem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei, Falschzeugnis, Lästerung.“ Ich erinnere mich, vielleicht im Jahr 1947, als der Essener Jugendpfarrer und Evangelist Wilhelm Busch in Kirchheim unter Teck dieses Wort zitierte: „Aus dem Herzen des Menschen kommen böse Gedanken, Mord.“ Plötzlich hielt er inne und sagte: „Oma Mord!“
Wir haben nachgefragt, was los war. Er sagte: „Als ich sagte, aus dem Herzen des Menschen kommen böse Gedanken, Mord, saß unten eine ältere Dame und schüttelte den Kopf. Das ist Oma Mord!“ So wie bei der goldenen Hochzeit das Jubelpaar gefragt wird: „Habt ihr euch nie daran gedacht, euch scheiden zu lassen?“ Der Mann antwortet: „Nein, aber erschießen hätte ich sie oft können.“
Aus dem Herzen kommen böse Gedanken. Das ist ein Ungeist. Wenn Sie es nicht glauben, erschrecken Sie doch einmal über Ihre eigenen Träume, was da auftaucht. Gestern Abend hat Konrad Straub darüber gesprochen, wie wir Verletzungen empfangen und ausgeteilt haben. Manche Verletzungen lassen uns nicht los. Wir merken, wie der Zorn in uns kocht und die Bosheit zunimmt, obwohl wir das gar nicht wollen.
Wir verstehen den Apostel Paulus, der sagt: „Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen finde ich nicht. Denn das Böse, das ich nicht will, das tue ich, und das Gute, das ich will, das kann ich nicht.“ Der arme, arme innere Mensch!
Unsere Missionsexperten überlegen immer wieder, nachdem wir durch Gottes Hilfe so viele Völker erreichen konnten, Sprachen übersetzt und Bibeln gedruckt haben: Wo sind noch unerreichte Gebiete? Liebe Schwestern und Brüder, das unerreichteste Gebiet ist das Herz der Christen. Dort gibt es viel christliche Gewohnheit, viel Liebe zu Eindrücken vom Kindergottesdienst, von der Jungschar und zu Liedern, die uns wichtig sind. Aber was wohnt wirklich im Herzen?
Apostel Paulus sagt: In diesem Problemfeld, in diesem unerreichten Feld, kann das Wunder geschehen, dass etwas anders wird. Ich möchte nur kurz ausholen: Ein Spezialgebiet im Innern des Menschen, eine Spezialnot, ist unsere Selbstliebe. Das hat nicht nur der große Nobelpreisträger Singer, ein amerikanischer Jude, geschrieben: „Wann endlich werde ich erlöst von meiner Eigenliebe?“ Da merkt man, er steckt noch in der biblischen Tradition, dass das das Schlimmste ist.
Jesus hat klar gesagt: „Wenn mir jemand nachfolgen will, wenn jemand pflichtgemäß zu mir gehören will, wenn sich jemand auf mich berufen will, wenn jemand mich braucht, dann verleugnet er sich selbst.“ So wie Petrus verleugnet hat: „Nein, mit Jesus habe ich nichts zu tun, ich habe ihn nie gesehen und nie gehört!“ So soll man sich selbst verleugnen – die Stimme, die aus dem Innern kommt, soll man verneinen.
Hinter den meisten Nöten wie Habgier, Zorn, Ungeduld und Unversöhnlichkeit steckt die Selbstliebe. Wie viele Ehekrisen entstehen, weil Mann und Frau sich vormachen, sie bekämen nicht das, was sie eigentlich verdienen. Neulich in einer Scheidung, die uns alle in evangelikalen Kreisen bewegt hat, sagte einer aus dem Bengelhaus: „Ja, ich habe mich von meiner Frau getrennt, meine Mutter hat mich viel lieber gehabt als meine Frau.“
„Ah, das ist das Mama-Kind, schwäbisch gesagt. Ich kriege nicht die Liebe, die meine Mutter mir gegeben hat.“ Selbst in dem, was uns in der Christengemeinde heute manchmal Not macht – welche Lieder sollen wir singen? Die alten Choräle oder mehr die neuen Lieder? Soll die Orgel aufhören und mehr die Band spielen? Soll die Predigt länger oder kürzer sein? Da steckt so viel Selbstliebe in uns.
Wir sagen, es ist missionarisch, wenn wir mehr moderne Musik machen würden. Es wäre missionarisch, wenn wir gehaltvolle, alte Lieder hätten. Dabei geht es nur darum, was mir schmeckt, was ich gerne hätte. Wir tarnen es noch und sagen, es sei missionarisch.
Die Gefahr der Selbstliebe und Hochmut
Um 1820 lebte hier in der Gegend, insbesondere im Raum Karlsruhe, eine ganz besondere Christin: Baronin Juliane von Krüterner, eine Baltin. Sie hatte viel Kontakt mit Hofrat Jung-Stilling und sagte, dass Christen noch viel mehr als bisher die Welt bestimmen müssten. Sie müssten hinausgehen und die notvolle Welt verändern. Sie müssten sich einmischen und den Politikern Vorschläge machen, wie alles anders werden könne.
Baronin Juliane von Krüterner suchte sogar Kontakt zum russischen Zaren Alexander I. Am Ende ihres Lebens schrieb sie: „Die Eigenliebe bei mir war zu mächtig. Immer wieder habe ich mir selbst vorgemacht, ich müsse ein Werkzeug Gottes sein, aber es war nichts als ein geheimer Hochmut. Wie viel von dem, was wir in der Gemeinde sagen – es müsste doch, es sollte, das wäre doch gut – ist genauso ein geheimer Hochmut, weil ich meine Vorstellungen mit dem verwechsel, was vor Gott richtig ist.“
Der Liederdichter Johann Ludwig Conrad Allendorf hat uns das schöne Lied geschenkt „Herr, habe Acht auf mich und reiß mich kräftiglich von allen Dingen, die vor dir nichts taugen.“ In einer Strophe heißt es: „Herr, habe Acht auf mich, töd in mir mächtig.“ Man könnte denken, damit seien Geldgier oder Hass gemeint, oder dass man schnell verletzt ist. Doch gemeint ist: „Töt in mir mächtig die Eigenliebe!“
Es war ein Seelsorger, der wusste, dass der innere Mensch ein ganz gefährdetes Gebiet ist. Wie schön wäre es, wenn der böse Geist aus diesem inneren Menschen weichen würde! Ich darf manchmal Andachten halten in unserem großen Kinderheim Hofmannhaus, wo Kinder aus sehr schwierigen Verhältnissen aufgenommen sind. Man versucht, ihnen ins Leben zu helfen. Wenn ich dort Andacht halte, sage ich immer zu meiner Frau: „Bete mit!“ Und ich bete selbst wie ein Weltmeister. Dabei komme ich mir vor wie ein Löwendompteur und ein bisschen wie Billy Graham – in der Hoffnung, dass doch etwas bei diesen Kindern ankommt, die kaum mehr still sitzen können.
Es ist mir immer wichtig, für Lehrer und Lehrerinnen zu beten, die heute so furchtbar schwer haben in den Schulklassen mit Kindern, die kaum noch zur Ruhe kommen. Dort haben wir die Geschichte von David und Saul erzählt, wie David auf der Harfe spielte. Als der böse Geist über Saul kam, rief mich mittags Frau Bohnenberger an, eine der Erzieherinnen. Sie berichtete, dass einer ihrer schwierigsten Buben gesagt habe: „Frau Bohnenberger, können wir nicht singen?“ Auf die Frage, wie er plötzlich darauf komme, dass Singen den bösen Geist vertreiben könne, antwortete sie, dass etwas von dieser Geschichte, die ich erzählt hatte, bei ihm angekommen sei.
Es ist großartig, wenn der böse Geist aus unseren Familien und Häusern, aus den Verwandtschaften und Gemeinden weicht – der Geist der Missgunst und des Misstrauens. Doch der Apostel Paulus meint noch mehr. Er schreibt: „Ich bete darum, dass der Vater der Herrlichkeit, der rechte Vater, über alles, was Kinder heißt, euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist am inneren Menschen, am inwendigen Menschen, damit Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne.“ (Epheser 3,14-17)
Die Gegenwart Christi im Herzen
Ich habe heute Morgen darauf hingewiesen, dass die Dreieinigkeit kein dogmatisches Todesgehäuse ist, sondern bei Paulus immer wieder auftaucht.
Ich bete darum, dass der Vater der Herrlichkeit, nämlich Gott, euch Kraft gebe, stark zu werden durch seinen Geist im inwendigen Menschen, damit Christus in euren Herzen wohne. Der dreieinige Gott soll in der Fülle seiner Kraft aufgeboten sein. Nicht nur, damit der böse Geist weggeht, sondern damit das Wunder geschieht, dass Christus in euren Herzen wohnt.
Das größte Wunder – lassen Sie mich dazu ein paar Minuten auslegen – ist, dass Christus in uns wohnt. Ein großes Vorbild dafür ist Maria, diese junge, kleine Magd. „Wer bin ich, dass Gott mit mir etwas vorhat?“ Doch der Geist Gottes wird dich überschatten, und du wirst den Retter der Welt in dir tragen können.
Wir würden zwar nicht wie Maria Jesus in uns tragen, aber dass Jesus in uns gegenwärtig ist, will Gott in der Kraft des dreieinigen Gottes bei uns wirken. Das ist nicht bloß ein schöner Vergleich, wenn es heißt, dass Christus in euren Herzen wohne. Hier ist wieder eine Stelle, in der wir merken, dass der Apostel Paulus nichts von sich selbst formulieren will, sondern ein anderes Jesuswort aufnimmt.
Die Worte des Apostels Paulus korrespondieren mit dem Jesuswort. Er hat die Jesusworte ernst genommen: „Wenn ihr mich lieben werdet und meine Worte halten werdet, wird der Vater euch lieben, wird zu euch kommen, und wir werden Wohnung bei euch machen.“ (Johannes 14,23) Paulus nimmt Jesus beim Wort mit diesem Begriff der Wohnung.
Die Wohnung ist etwas Besonderes. Vor acht Tagen durfte meine Frau nach einer Operation nach Hause kommen, bevor sie wieder in die Reha ging. Ich habe gemerkt, dass sie im Krankenhaus schön versorgt war – mit wunderbarem Blick über Stuttgart, von Ärzten gepflegt, viele Besucher und Blumen.
Aber daheim, in der eigenen Wohnung, war das noch einmal etwas ganz anderes. So möchte Herr Jesus bei uns nicht bloß als gelegentlicher Gast da sein, um „Psyche zu machen“, wie man schwäbisch sagt. Er möchte dazugehören – bei euch, in euch, im inwendigen Menschen.
Zeugnis und Auswirkung der Gegenwart Christi
Wie sieht das praktisch aus? Ich habe es erlebt bei unserem Bruder Gerhard Meyer, unserem späteren Bischof und meinem Nachfolger im Prälatenamt in Ulm. Zuvor war er langjähriger Studienleiter und Rektor am Tübinger Albrecht-Bengehaus und Lehrer von Andreas Schäfer von Haus aus.
Es war, als ich noch junger Pfarrer in Ulm war. Ich kenne mich dort aus, da im Lehrertal. Es war eine Siedlung, in der nicht viele Christen lebten. Auch das Elternhaus von Gerhard Meyer war keineswegs so, dass er durch seine Eltern zum Glauben gekommen wäre.
Gerhard Meyer hatte als begabter junger Mann ein Jurastudium begonnen und das erste Examen abgelegt. Mit seiner jungen Frau wohnte er in Unterjesingen bei Tübingen. Dort gab es eine klägliche Evangelisation mit unserem Jungmännerwerksevangelisten Karl Wetzel. Die Gemeinde war schlecht vorbereitet. Es fehlte sogar an Leuten, die bereit waren, Handzettel in die Häuser zu tragen.
Das hat den jungen Juristen, der an sich Sympathie für manche maoistischen Parolen und Weltveränderungsvorstellungen hatte – wie Sie wissen, war er im Sozialismus zu Hause – nicht abgeschreckt. Entschuldigung, das geht ja nicht, das tut mir leid, liebe Kirchengemeinde. Dann packten wir es an, trugen die Zettel aus und blieben bei der Evangelisation.
Gott hat das Wort unseres Evangelisten Karl Wetzel benutzt. Gerhard Meyer und seine Frau spürten: Ich soll nicht nur christlicher werden oder ein bisschen Sympathie fürs Christentum aufbringen. Der lebendige Jesus will in unser Leben hinein.
In einem Kalenderzettel – ich weiß gar nicht, ob es Konstanz oder Neukirchen war – hat Gerhard Meyer gerade in diesen Tagen einen Satz geschrieben: Jesus will sich dann, wenn er bei uns wohnt, in unserem Leben durchsetzen.
Es wird viel diskutiert, woran man den Heiligen Geist spürt, welche Empfindung man hat, wenn der Heilige Geist da ist, was man tun muss und ob man ein Vibrieren spürt. Die Folge des Heiligen Geistes ist, dass wir merken, Christus möchte sich durchsetzen. Christus ist da.
Der Heilige Geist ist ein Vorreiter für Christus, damit wir durch seinen Geist stark werden am inwendigen Menschen, nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit (vgl. Epheser 3,16).
Das Leben der Baronin Juliane von Krüdener als Beispiel
Ich habe vorher von Juliane von Krüdener erzählt. Sie war eine lebenslustige Dame, das Sahnehäubchen auf allen Partys in Riga und Rewalen. Oft hat sie sich so benommen, dass ihr Mann sich von ihr trennte. Der Baron von Krüdener wollte mit ihr nichts mehr zu tun haben. Doch dann hat sie plötzlich ihr Leben verändert.
Wodurch? Durch eine Predigt? Nein, es begann anders. Sie ließ sich Schuhe anmessen bei einem Schuhmachermeister in Riga. Dieser gehörte zu den Herrnhutern. Er sagte nichts Christliches, aber sie bemerkte: Er ist anders als alle Menschen, denen ich bisher begegnet bin. Er hat etwas, was ich nicht habe, und ist frei von Dingen, die mich bestimmen.
Sie fragte ihn, was los sei. Daraufhin gab er ihr ein christliches Zeugnis. Nicht so, dass wir anderen dauernd etwas aufdrängen, die gar nichts wollen. Sondern: Wenn Christus in unseren Herzen leben würde, würden Menschen fragen, was mit uns eigentlich los sei. Dann dürfen wir reden, dann sind wir gefragt. Das spürt man.
Zu mir hat einmal ein Mensch gesagt, der mich angesprochen und um Seelsorge gebeten hatte: „Woher wussten Sie denn, dass ich Christ bin?“ Dieser Mensch antwortete: „Das sieht man einem Menschen auf zehn Meter Entfernung an, ob er an diesem Tag schon den Namen Jesus angerufen hat.“
Deshalb hat Paulus gemeint, dass Christus in euren Herzen wohne und dass das aus allen Knopflöchern strahlt. Nicht gewollt, nicht erzwungen, sondern der Herr ist da. Er will in uns wohnen, so wie Gott im Tempel von Jerusalem wohnte. Das heißt, die Priester konnten vor der Herrlichkeit, die aus dem Tempel strahlte, nicht mehr dienen. Sie mussten zurücktreten, weil es so viel Herrlichkeit Gottes war.
Was wäre das, wenn bei uns Christus in uns wohnen würde?
Die Bedeutung der Gegenwart Christi in der heutigen Zeit
In unserer Zeit wird so viel Sehnsucht nach Heilung und nach Wundern laut. Die Christenheit tut viel Tolles, veranstaltet imposante Treffen und produziert eindrückliche Fernseh- und Radiosendungen.
Lassen Sie uns jedoch mit einer Gegenbewegung beginnen: Christus soll in unseren Herzen wohnen. Das soll das Wichtigste für uns werden. Es soll überzeugend sein, dass Jesus eine lebendige Wirklichkeit ist.
Im Zimmer lag eine Ausgabe von Idea in unserem Fach. Dort habe ich einen Satz gelesen: „Der christliche Glaube lässt sich nur mit Taten beweisen.“ Wenn ich auf dem Sterbebett liege, kann ich keine Taten mehr tun. Aber ich möchte, dass die Pfleger und Ärzte erleben, dass Christus bei mir ist.
Das ist noch einmal etwas anderes: dass Christus in euch wohne. Als mein Vater gestorben ist, wurden nicht mehr viele christliche Worte gesprochen. Aber die Oberärztin hat meine Mutter in den Arm genommen und gesagt: „Was bist du reich!“ Das meinte sie nicht mit Worten oder Taten, sondern mit der Gegenwart Jesu.
Es wäre doch Etikettenschwindel, wenn wir uns Christen nennen würden und Christus gar nicht da wäre. Jetzt verstehen Sie, warum der Apostel Paulus für die Heiligen und Geliebten betet, bei denen in Ephesus schon so viel geschehen war: „Ich beuge meine Knie, ich werfe mich auf die Knie in meinen Gefängnisboten, dass der Vater des Reichtums mehr tut, als was sonst die Menschen wünschen, mehr als Heilungen und Speisungen und aufsehenerregende Dinge.“
Der Abschnitt endet mit den Worten: „Aber der, der überschwänglich mehr tun kann, als wir bitten oder verstehen.“ Normalerweise verstehen wir nicht, dass das das Größte sein soll: wenn Christus in unseren Herzen wohnt. Aber der Vater will mehr tun, als wir je kapieren können, nämlich dass Christus in unseren Herzen wohnt.
Die Herausforderung der Genügsamkeit und die Einladung zum Gebet
Letzter Gedanke: heraus aus der schrecklichen Genügsamkeit. Wir leben in einer Zeit, die gar nicht bloß gottlos ist. Es gibt so viel Religiosität. Auf der anderen Seite sind wir froh, wenn überhaupt noch Eltern ihre Kinder zur Jugendstunde schicken oder zum Kindergottesdienst. Oder wenn wir merken, dass sie gelegentlich einen Kalenderzettel oder ein Andachtsbuch lesen.
Was, die kommen auch zum Schulanfängergottesdienst? Ja, das freut uns eben, dass Meiers da sind. Das ist schon ganz toll. In solch einer Welt, die so ein bisschen religiös ist und gar nicht so ablehnend, gehören wir schon dazu. Wir, die wir uns noch zum Gottesdienst halten und vielleicht regelmäßig Bibel lesen und die Losung und manchmal auch bis zwölf Uhr mittags noch behalten, was im Losungsbüchlein steht – das ist schon ganz toll.
Und dabei ist christliche Genügsamkeit. Der Apostel Paulus sagt: Ich möchte, dass sie nicht bloß dem Namen nach Christen sind, sondern dass Christus in ihnen wohnt.
Die Genügsamkeit hat Tradition, nicht bloß in Ephesus, sondern auch in der benachbarten Gemeinde Laodizea, von der wir in der Offenbarung hören: „Du sprichst, ich bin reich und ich brauche nichts, bei uns läuft es, wir sind lebendige Gemeinde.“ Man sagt, du lebst, aber weil du weder kalt noch warm bist, sondern lau, will ich dich ausspeien aus meinem Mund. Du bist mir ein Brechmittel, sagt der lebendige Jesus.
In Philadelphia sagt er: „Ich stehe, wie heißt dein Name, Laodizea? Ich stehe vor der Tür und klopfe an, bin gar nicht bei dir drin. Du hast Sympathie für mich, du hast nichts gegen mich, aber ich stehe vor der Tür.“
Liebe Schwestern und Brüder, danke, dass Sie mir diese Aufgabe gegeben haben, mit Ihnen darüber nachzudenken, was Jesus mir sagen will – noch einmal ganz anders als bisher.
Darum bitten wir: Herr, komm in mir wohnen! Lass mein Herz auf Erden dir ein Heiligtum noch werden. Dringlich beten!
In der Nachkriegszeit denke ich oft zurück, was für ein geistlicher Aufbruch war und was geblieben ist. Da gab es plötzlich ein Lied: „Unser Land für Jesus.“ Und die letzte Strophe lautete so: „Auch mein Herz für Jesus, König, ziehe ein, meinen Willen beuge, herrsche du allein!“
Das haben wir oft vollmundig gesungen, und trotzdem bin ich dankbar, dass der Herr Jesus es bei mir erhört hat.
Aber jetzt ist meine Bitte, dass wir an dir bleiben, du treuer Heiland! Ach, gib mir deines Geistes Kraft dazu! Beides sind Zeilen aus Pfingstliedern: dass ich an dir bleibe, dem treuen Heiland. Herr, komm in mir wohnen!
Darf ich mit Ihnen beten: Herr, dass wir diese Bitte dir vorlegen dürfen, du Vater, der du Kraft hast in der Fülle des Reichtums. Du möchtest doch uns selbst reich machen mit deinem Sohn Jesus Christus – nicht bloß mit einem religiösen System, nicht bloß mit Gedanken, sondern mit der lebendigen Wirklichkeit dieses Erbarmers Jesus, mit seiner heilenden Gegenwart, die durch uns hindurchstrahlen kann zu anderen Menschen hin.
Wir bitten dich in Demut und Verlangen: Herr, komm in mir wohnen! Lass mein Herz auf Erden dir ein Heiligtum noch werden! Komm, du nahes Wesen, dich in mir verkläre!