Liebe Freunde,
unsere Gottesdienstbesucher haben in der letzten Woche unseren Lautsprecher noch einmal verstärkt, weil drüben mehr Räume für die Eltern mit den Kindern hinzugekommen sind.
Gerade vorhin hat mich einer der Techniker gebeten, Folgendes zu sagen: Falls heute irgendetwas nicht richtig funktioniert, sagen Sie es bitte gleich, damit es in Ordnung gebracht werden kann. Sie wissen, es wird zur besten Zufriedenheit für alle gearbeitet.
Auch wenn Sie mich einmal nicht verstehen, bedenken Sie: Es ist immer schwierig. Für die einen schreie ich zu laut, für die anderen bin ich zu leise. Zu langsam möchte ich auch nicht sprechen, denn ich habe einfach Angst, dass Sie einschlafen.
Deshalb wäre es gut, wenn wir auf dieser Seite bis zur Empore die Fenster öffnen könnten. Das tut uns allen gut, denn wir brauchen Sauerstoff neben dem Heiligen Geist, um eine Predigt gut hören zu können.
Einführung und Bibeltextvorstellung
Und nun wählt das Leben! Wir stehen in der Reihe, mehr vom Leben zu haben. Hören wir aus 5. Mose 30, Verse 11 bis 20.
Es ist eine der letzten Ansprachen, die Mose vor seinem Heimgang zu Gott gehalten hat. Er sagt: „Denn das Gebot, das ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern. Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, damit wir es hören und tun? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer will für uns über das Meer fahren und es uns holen, damit wir es hören und tun? Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Mund und in deinem Herzen, dass du es tust.“
Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse. Wenn du gehorchst den Geboten des Herrn, deines Gottes, die ich dir heute gebiete, dass du den Herrn, deinen Gott, liebst und wandelst in seinen Wegen und seine Gebote, Gesetze und Rechte hältst, so wirst du leben und dich mehren. Und der Herr, dein Gott, wird dich segnen in dem Land, in das du ziehst, es einzunehmen.
Wendet sich aber dein Herz ab und du gehorchst nichts, sondern lässt dich verführen, dass du andere Götter anbetest und ihnen dienst, so verkündige ich dir heute, dass ihr umkommen und nicht lange in dem Land bleiben werdet, in das du über den Jordan ziehst, es einzunehmen.
Ich nehme Himmel und Erde heute über euch zu Zeugen. Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, damit du das Leben erwählst und am Leben bleibst, du und deine Nachkommen. Indem ihr den Herrn, euren Gott, liebt und seiner Stimme gehorcht und ihm anhangt.
Denn das bedeutet für dich, dass du lebst und alt wirst und wohnen bleibst in dem Land, das der Herr deinen Vätern Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat, ihnen zu geben. Erweise uns zum richtigen Leben. Amen.
Lebenserfahrung älterer Menschen und junge Hoffnung
Ältere Menschen haben viel Lebenserfahrung. Wenn man sich mit ihnen darüber unterhält, was das Leben ist, können sie viel erzählen. Aus diesen Erzählungen könnte man so manchen Roman schreiben.
Wenn ich mich nicht täusche, teilen alle älteren Menschen eine ähnliche Erfahrung: Das Leben ist harte Arbeit, ein mühseliger Kampf. Es gibt manche bittere Enttäuschung zu verarbeiten. Wenn man sich umhört, stößt man überall auf ähnliche Bemerkungen.
Das deckt sich auch mit dem, was die Bibel sagt: „Das Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hochkommt, das ist schon die Spitze, dann sind es achtzig Jahre. Und wenn es außergewöhnlich gut, positiv und köstlich gewesen ist, dann war es Mühe und Arbeit.“ (Psalm 90,10)
Es ist gut, dass junge Menschen heute sagen: „Nun, das beeindruckt uns nicht. Wir wollen doch noch etwas ganz anderes vom Leben erwarten.“ Das gefällt mir. Junge Leute setzen sich einfach über alle noch so bitteren Erfahrungen hinweg und haben wieder positive Hoffnung.
Manche meinen, man müsste ihnen die Flügel stutzen. Man müsste ihnen bei Zeiten sagen, dass das alles Unsinn ist. Ich will keinem Menschen die Flügel stutzen. Ich will ihn nur in die richtige Richtung weisen.
Prüfung der Lebensangebote und Jesu Perspektive
Und wenn ein junger Mensch nach Leben brennt, dann möchte ich ihn zu einem ganz ehrlichen Prüfen auffordern. Er soll die Angebote, die heute an sein Ohr dringen und ihm Leben versprechen, genau betrachten. Dabei soll er prüfen, ob es die Reklamebilder auf den Zigaretten sind, die ihm das große und leuchtende Leben versprechen, oder ob es sonst große Trugbilder der Welt sind – oder das Angebot, das uns Jesus Christus gibt.
Ich weiß, dass viele junge Menschen heute schon von vornherein sagen: „Was soll mir denn Jesus für mein Leben geben?“ Für sie steht Jesus im Kontrast zu all dem, was ihnen sonst an Lebenslust versprochen wird. Dort müsse man doch verzichten und etwas hergeben.
Doch je mehr man in den Worten Jesu liest, desto mehr merkt man, dass das ein ehrlicher Wettstreit ist. Jesus sagt: „Was könnte es eigentlich einem Menschen helfen, wenn er die ganze Welt besitzt?“ Ja, das wäre doch eine Sache, denkt man, wenn jemand die ganze Welt haben könnte.
Jesus sagt weiter: „Und wenn er sie hätte, was nützt es ihm? Denn wenn jemand sein Leben dabei verspielt, ist er der Betrogene.“ Dann erzählt er die Geschichte von einem erfolgreichen Geschäftsmann, der in unseren Tagen gelebt haben könnte. Dieser Mann tut nichts Böses, er ist sogar fromm und kann beten. Außerdem investiert er – eine Tugend, die man heute einem Unternehmer wieder schätzt.
Der Mann sagt: „Ich will neue Scheunen bauen.“ Am Ende sagt Jesus, dass dieser Mann doch der Betrogene war. Nicht, weil das, was er gemacht hat, böse war, sondern weil er nicht reich war in Gott. Das Leben braucht einen ganz anderen Schatz.
Abgrenzung von falschen Vorstellungen über Armut und Reichtum
Ich möchte mich hier ausdrücklich von allen Irrmeinungen distanzieren, die behaupten, die Armen seien die Glücklichen. So steht es niemals in der Bibel. Wer das meint, war noch nie wirklich arm und hat die Sorgen jener nie gekannt, die nicht wissen, wie sie durchkommen sollen. Wer so spricht, hat auch nie die Schmerzen des Hungers gespürt.
Die irdischen Dinge werden in der Bibel nicht geringgeschätzt. Sie sind Gaben Gottes, die er mir gibt. Es ist nicht schlecht, wenn Menschen Geld auf dem Konto haben; sie dürfen Gott dafür danken. Es ist auch nicht schlecht, wenn sie sich heute schön kleiden können. Das alles kommt aus der Hand Gottes, er hat es geschaffen.
Doch darin liegt das Leben nicht. Das Leben liegt viel, viel tiefer.
Jesus als Beispiel für erfülltes Leben trotz Leid
Und dann steht Jesus Christus noch einmal vor uns. Wir sehen, dass er die Probe aufs Exempel gemacht hat – und zwar bis zur letzten Klarheit. Ihm haben sie die Kleider vom Leib gerissen, ihm haben sie ins Gesicht gespuckt.
Jetzt stellt sich für uns die Frage: Hat er auch noch Leben? Lohnt sich das Leben, das er führt, auch wenn es so schwer ist?
Ja, niemand hat das Leben so intensiv und so erfüllt gelebt wie er. Niemand hat es in einer solchen Tiefe ausgeschöpft wie Jesus. Das hat er uns ein für allemal klar gemacht: Ich habe Leben nur, wenn ich aus der Nähe Gottes lebe, bei ihm bin, von ihm getragen und geliebt werde.
Das war sein letztes Ziel, noch als er hinging und am Kreuz starb: dass er mir das zuspricht – du darfst heute leben.
Wesentliches im Leben: Verbindung zu Gott
Ich darf jetzt all die anderen kümmerlichen Lebensumstände, die Sie so bewegt haben, einmal ganz kurz beiseiteschieben. Sie werden später noch einmal in unserer Predigt auftauchen.
Das Wichtigste in unserem Leben ist, ob ich hier Verbindung zu Gott habe. Es reicht nicht nur, dass ich ihn meinen Vater nennen kann. Es muss zu einem Liebesverhältnis zwischen ihm und uns kommen.
Es ist mir zu wenig, wenn Sie in Ihrem Leben sagen: „Ich glaube, dass es Gott gibt“ oder sogar: „Ich glaube, dass Jesus Christus lebt.“ Wenn Sie nicht zu ihm in dieses vertraute Liebesverhältnis kommen, fehlt etwas Wesentliches.
Unsere Predigt heißt heute: „Wählt das Leben – das erfüllte, das richtige, das lohnende Leben.“
Manchmal denke ich, ob ich meine Punkte doch weglassen soll. Sonst denken Sie vielleicht, ich könnte sie nicht weglassen. Das wäre leicht: einfach den Einser durchzustreichen.
Ich glaube jedoch, dass Sie es – auch die, die mitschreiben – besser verstehen, wenn ich es für Sie gruppiere. Deshalb will ich mir auch die Zucht auferlegen, meine Gedanken unter Themen zusammenzufassen.
Die Notwendigkeit einer klaren Entscheidung
Eine Entscheidung wird gefordert. Das Leben zu finden, erfordert eine bewusste Entscheidung.
Mir passiert das nun ab und zu auf der Autobahn: Man fährt und fährt und möchte an einer bestimmten Ausfahrt heraus. Nach einer Weile wird man stutzig und fragt sich: Wo bin ich jetzt eigentlich? Die Schilder am Straßenrand zeigen eine andere Ausfahrt an. Irgendwie müsste man nach der Zeit doch schon längst an der richtigen Stelle sein, aber man hat die Ausfahrt verpasst.
Warum ist das so? Vielleicht hat man gerade einen Lastzug überholt, der das Schild verdeckt hat. Vielleicht war man auch so angeregt im Gespräch, dass man nicht richtig aufgepasst hat. Plötzlich merkt man: Halt, du bist nicht an der Stelle rausgefahren, an der du hättest rausfahren müssen.
Genau dasselbe passiert in unserem Leben. Sicher gibt es keinen unserer Zeitgenossen, der nicht irgendwann stutzig wird und sich fragt: Habe ich das Leben wirklich gefunden? Diese überarbeiteten Männer und Frauen über fünfzig, die nahe am Herzinfarkt sind – sie alle werden von der Frage bewegt: Bin ich noch richtig? War das das Leben, das ich einmal gesucht habe?
Man sollte stutzig werden, so wie bei der Autofahrt, wenn die Schilder nicht mehr mit dem übereinstimmen, was man als Ziel sucht. Doch dann hilft nur noch eines: umkehren, zurückfahren und die richtige Abzweigung nehmen.
Wenn wir das Leben suchen, reicht es nicht aus, nur festzustellen, dass wir irgendwie nicht ganz zufrieden sind mit dem Kampf, den wir heute führen. Wir müssen zurückgehen und die Spur finden, die uns hier gewiesen wird.
Mose war ein alter Mann, als er kurz vor dem Jordan stand und das Volk Israel aus seiner Hand in die Hand Josuas übergeben musste. Er wollte dem Volk noch einmal deutlich machen: Wenn ihr Leben sucht, dann geht es um eine ganz klare Entscheidung.
Die Gefahr des entscheidungslosen Christentums
Dass ich das heute so betone, hat seinen Grund: Wir alle leben in unserer evangelischen Kirche mit der Seuche des entscheidungslosen Christentums, das mit der Bibel nichts gemein hat.
Jesus hat Menschen immer zu einer klaren Entscheidung gerufen, schon Mose tat das. Sein Nachfolger Josua war nicht anders. Er sagte zu seinem Volk: Ihr müsst für euer Leben eine klare Entscheidung treffen, so wie an einer Weggabelung auf der Autobahn. Welchen Weg wollt ihr fahren? Entweder seid ihr auf dem richtigen Weg oder auf dem falschen.
Nach einer der letzten Predigten in unserem Gottesdienst sagte jemand zu mir: „Ganz richtig, du hast das so arg krass gesagt.“ Entweder liegt der Segen Gottes auf dem Auto, das wir in dieser Welt fahren, oder der Fluch. Sicherlich haben manche sich daran gestört, aber Mose sagt es genau so klar.
Im Leben gibt es kein großes neutrales Gebiet, in dem man sich bewegt. Mose sagt: Ihr müsst euch entscheiden. Entweder geht ihr mit eurem Leben unter dem Segen Gottes oder ihr steht unter seinem Fluch. Einen Mittelweg gibt es nicht.
Er hat das sogar extra organisiert und im fünften Buch Mose geordnet. Wenn ihr nach Sichem kommt, lauft ihr durch das Tal zwischen den beiden Bergen Ebal und Garizim. Auf dem einen Berg stehen Männer, die mit lauter Stimme den Segen Gottes herabrufen, auf dem anderen die, die den Fluch herabrufen. So wird dem Volk klar: Es gibt keine unentschiedene Mitte mehr. Es sind zwei Wege, und man kann nicht sagen: Ich will die Wahl hinausschieben, ich wähle später.
Mose und die Erfahrung der Wüste als Lebensprobe
Mose hat das in seinem ganzen Leben durchgeprüft und auf seinem Wüstenzug erfahren. Er hat dort gemerkt, dass man auch unter ganz kümmerlichen Lebensumständen leben kann. Wer wie Mose als Wanderer durch die Wüste zieht, bekommt eine Ahnung davon, wie beschwerlich das Leben sein kann.
Man geht tagelang, ohne Wasser zum Trinken zu haben. Dann sucht man die Felsspalten ab, in der Hoffnung, Wasser zu finden. Man verdurstet beinahe, hat nichts mehr zu essen, und die Feinde sind hinter einem her. Das ist ein verlassenes Leben.
Doch dort hat Mose erkannt: Die Wüste ist ein Ort, an dem ich Leben finden kann, wenn dieser Gott mir begegnet, wenn er mich segnet und mich durch diese Wüstenstrecke führt. Das Entscheidende in diesem Leben liegt nicht in den äußeren Umständen, sondern allein im Angenommensein von Gott.
Wert des irdischen Lebens und seine Grenzen
Ich möchte das an einem aktuellen Beispiel aus unseren Tagen erklären. Wir befinden uns wieder mitten in der Frage, welchen Wert das irdische, natürliche Leben hat – also das körperliche Leben, das wir von Geburt an besitzen.
Die Diskussion um die Tötung des Kindes im Mutterleib, die Frage des lebensunwerten Lebens und die Debatte um die Euthanasie bringen diese Thematik immer wieder auf. Es geht dabei um die Frage: Was ist ein Leben, ein irdisches Leben, wirklich wert?
Oft haben Diskussionspartner diese Frage hin und her gewälzt und den Christen vorgeworfen: Wollt ihr einem Kind zumuten, unter unwürdigen Umständen zu leben? Dann sitzt man etwas ratlos da und denkt: Nein, das will man natürlich auch nicht – zumindest nicht von Herzen.
Aber jetzt sollten wir mutig sagen: Wenn ihr in der Welt so klar seht, dass ein irdisches Leben sehr oft mühselig ist, dann überrascht uns das nicht. Mose ist sein ganzes Leben lang durch eine Wüste gezogen und hat schwer gelitten.
Wir sagen deshalb, dass sich jedes Leben lohnt – nicht weil es kümmerlich ist, wenn ein Kind ohne Vater aufwächst, sondern weil dieses Leben noch nicht das Entscheidende ist. Es kann vielmehr durchdringen zum erfüllten Leben vor Gott. Nur deshalb sagen wir das.
Darum haben wir Achtung vor dem Leben, wenn wir das wissen – selbst wenn ein Mensch an einer unheilbaren Krankheit leidet. Dann steht über ihm die Gewissheit, dass der Herr ihn leben fühlen lassen will und spüren lässt.
Ich habe das kürzlich wieder auf einer Intensivstation erlebt. Dort hielt eine Schwester eine Sterbende in ihren Armen und sprach ihr Gottesworte zu. In diesen Momenten wurde mir nie so deutlich, was es bedeutet, wenn der Herr uns durch die Wüsten dieser Welt hindurch führt.
Leben ist viel größer als nur irdisches Leben. Dabei wollen wir das irdische Leben keinesfalls abwerten. Im Gegenteil: Gerade deshalb hat das irdische Leben schon einen besonderen Glanz, weil Gott noch viel mehr aus diesem Leben machen will.
Ausblick auf weitere Predigten und Einladung zur Umkehr
Wir werden in den nächsten Sonntagen an diesem Psalm dran sein, im Rahmen unserer Predigtreihe über das Leben und das Meer des Lebens.
Bei dir, Herr, ist die Quelle des Lebens. Bei dir sprudelt es, und wenn ich bei dir bin, dann habe ich alles.
Viele Menschen fühlen sich derzeit bedrückt. Sie sagen: Mein Leben ist rätselhaft, oft quer gelaufen und krumm. Ich weiß gar nicht, wie mein Leben sinnvoll werden kann.
Ich kann nur sagen: Es geht um eine Entscheidung. Will ich jetzt mit meinem wirren Leben umkehren und zur Quelle zurückkehren?
Dort steht Mose und ruft: Wählt das Leben! Gott will in euer irdisches Leben hineinwirken. Er will in eure Berufsarbeit eingreifen, in die Aufgaben, die ihr in der Familie habt, in das, was ihr für Menschen und Freunde tut. Er will in all euer Denken und Fühlen eingreifen.
Er will euch groß machen und seine Kraft gerade in eurem Leben zeigen.
Wollt ihr, dann schlagt diesen Weg ein. Ihr dürft erfahren, wie und in welcher Weise auch eure Umstände sein mögen.
Bild vom irdischen Leben und der Quelle des Lebens
Ich war gestern auf dem Blumenmarkt und habe Blumensträuße mitgebracht. Die Chrysanthemen sind heute Morgen in der Blumenvase ganz nett aufgeblüht.
Aber meine Frau sagt: Schade, dass es nur Schnittblumen sind. Sie hat sich zwar gefreut, aber bedauert, dass es nur Schnittblumen sind, denn in ein paar Tagen muss man sie doch wegwerfen. So sehr sie auch jetzt aufblühen, tragen sie bereits die Verwässerung in sich.
Unser natürliches irdisches Leben gleicht einer solchen Schnittblume, die vom Wurzelboden, von der nährenden Pflanze, abgeschnitten ist. Sie kennen das berühmte Wort von Augustinus, dass unser Leben unruhig sei, bis es Ruhe findet in Gott.
Genau das bedeutet, dass wir im Leben nirgendwo Befriedigung oder Erfüllung finden können, bis wir wieder eingepflanzt sind dort, wo die Quelle unseres Lebens ist. Dort, wo unser Leben, unser ganz natürliches Leben, allein seine Kraft beziehen kann. Nur von dort her kann ich wirklich leben.
Das irdische Leben bedeutet uns schon viel, so viel wie die erblühende Blume. Und niemand soll sagen, er freue sich nicht an der erblühenden Blume. Wir freuen uns auch an den Schönheiten des irdischen Lebens.
Aber das bleibende Leben, das aus Gott kommt, ist uns mehr, ist uns größer. Darum hat Jesus gefordert: Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, dann wird euch das Übrige alles zufallen.
Glaube als Entscheidung und Nähe Gottes
Das Erste ist, das Leben zu wählen und eine klare Entscheidung zu fällen: Ich möchte mit meinem Leben Gott allein dienen.
Man muss nicht lange suchen. Für viele Menschen bedeutet Glaube ein sehr gründliches Grübeln, ein Problem der Gedanken. Sie haben eine zerfurchte Stirn, sind ganz ernsthaft und sagen, sie hätten viele, viele Bücher gelesen, um dem Geheimnis Gottes nahezukommen. Das freut mich.
Aber Mose sagt, es sei nicht nötig, es sei viel, viel einfacher. Wer das Leben finden will und zu Gott vordringen möchte, braucht nicht, wie Mose sagt, in den Himmel hinaufzuklettern oder sich anzustrengen, als Asket ein reines Leben zu führen, um in die Geheimnisse Gottes einzudringen. Man muss sich nicht in Visionen bemühen oder alles Mögliche probieren, um in die jenseitigen Welten einzudringen.
Mose sagt: Das ist nicht nötig. Keiner muss hochklettern, keiner muss in fremde Länder reisen, um die Weisheit über Gott zu erlangen. Gott lässt sich viel näher finden. Er ist schon mit seinem Wort in deinem Munde.
Du kannst schon auswendig zitieren, sagt Mose, und du hast es schon in deinem Herzen. Das hatte ich ja schon angesprochen. Was meint Mose? Keine Religion dieser Welt kennt so etwas, wie wir Christen es haben, dass Gott sich in seinem Wort finden lässt.
Die anderen Religionen sagen alle, man müsse zu Gott vordringen – in Spekulationen, in Überlegungen, in Weinen, in Reinigungsgebeten. Unser Herr aber sagt: Nein, er lässt sich finden dort, wo sein Wort gehört wird. Dort ist er nahe, und dort wohnt er.
Vertrauen auf Gottes Zusagen und Glauben als Anhangen
Und wir sind jetzt bei diesen Worten: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir. Weiche nicht, ich bin dein Gott, ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“
Sie hören dieses Wort, glauben ihm und sagen: „Ja, Herr, ich will dir glauben.“ Dann haben sie ihn, und sie haben diese Kurve eingeschlagen, diese Abzweigung an der Autobahn, und sie haben eine Entscheidung getroffen. Diese Entscheidung fällt am Wort Gottes. Daraus entsteht der Glaube, sagt Paulus, indem er in Römer 10 noch einmal dieses Zitat aufnimmt.
Wenn du das Wort hörst: „Es können wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen.“ So nah kommt Gott zu uns.
Die Israeliten haben unter der Führung Moses in den Worten Gottes nur ein Gitter gesehen. Am Sinai standen sie da und sagten: „Was Gott uns sagt, das ist zu schwer, als dass wir es halten können.“ Sie sahen nur lauter Verordnungen. Viele von uns denken genauso. Wenn sie das Wort „Gebot“ oder „Gesetz“ hören, sehen sie sofort die Forderung, die Gott auf sie legt. Dabei ist dieses Gesetz doch aus der Liebe Gottes geboren.
Er hat noch in der Einführung des Gesetzes gesagt: „Seht, ich habe euch getragen wie auf Adlersflügeln. Jetzt gebe ich euch den Rahmen für ein erfülltes, großes Leben.“ Wenn man die Mose-Bücher liest, erkennt man, wie umfassend das ist – von der Hygiene über die medizinische Gesunderhaltung unseres Körpers bis zum Frieden im Haus, in der Familie. Auch Erziehungsfragen hat Gott geregelt, weil wir glücklich werden können. In unserem Haus soll nicht die Hölle sein.
Doch die Menschen sahen nur die Gitterstäbe und nahmen das Gesetz als Last an. Dann hat Gott noch einmal seinen Sohn geschickt. Er ist das sichtbare Wort Gottes. Ganz nah kommt er noch einmal, um es dem Menschen zu sagen: „Gott liebt dich. Du darfst ihm dein Leben anvertrauen.“ Und da gibt es erfülltes Leben.
So wie damals Petrus einen Kahn am See stehen ließ und mit Jesus zog, weil er sagte: „Da liegt für mich das Leben drin.“ Herr, wohin soll ich denn sonst noch laufen in der Welt? Das ist eine dumme Frage. Ihr könnt ja überall hinlaufen und ein gemachter Mann sein, der sagt: „Herr, nur bei dir. Du hast Worte des unbegrenzten Lebens.“
Glauben als Anhangen an Jesus
Wir haben geglaubt und erkannt, dass du Christus bist. Moses sagt hier in unserem Textabschnitt, das sei der Sinn des Wortes Gottes: dass wir ihm anhangen, dass wir von ganzem Herzen gehorchen und ihm anhangen.
Das ist das schönste Bild für Glauben. Wäre Glauben nur ein Denkvorgang, wie es in manchen verbreiteten christlichen Vorstellungen der Fall ist, würde etwas Wesentliches fehlen. Glauben ist ein Anhangen.
Meine Großmutter war eine Bauerntochter von der schwäbischen Alb. Sie hat das Glauben uns Kindern immer mit Kletten verglichen, die, wenn man durch das Unterholz im Wald streift, an den Hosenbeinen hängen bleiben. Das ist Glauben: sich an Jesus hinklammern.
Darin liegt das Leben. Da ist kein Wort mehr nötig von unserer Schwachheit. Natürlich sind wir schwach, natürlich sind wir ohnmächtig. Sie haben doch gesagt: „Wo bleiben die Kümmernisse meines Lebens?“ Aber ich finde die Erfüllung erst, wenn ich mich an ihn hinklammere.
Das ist der Sinn des Redens Gottes: Er lässt sich finden. Sie brauchen nicht lange zu suchen. Er ist schon da, er steht vor Ihnen, klopft an der Tür und sagt: „Ich komme.“ So nah will er uns sein.
Zusammenfassung und Ausblick
Das ist der Schlüssel zum ganzen Verstehen. Ich wollte Ihnen heute drei Dinge zeigen. Es geht um eine klare Entscheidung, das Erste, das Zweite, man muss nicht lange suchen, und nun geht es um den Schlüssel zum ganzen Verständnis.
Es ist ja eine immer wieder gestellte Frage, warum ich in der Predigt so kühn bin, eine ganze Reihe von Lebensproblemen einfach so elegant auszuklammern und nur einige wenige mit einem frechen, offenen Wort zu behandeln. Manche sagen: „Der klammert das eben ein bisschen in seiner Predigt aus, er stellt uns eine heile Welt des Glaubens vor.“ Das ist ja richtig.
Wir haben ja tausend und abertausend Lebensprobleme: Wie löse ich meine Erziehungsprobleme? Wie lebe ich im Frieden mit meinen Nachbarn? Wie lösen sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten? Wer von uns ist heute nicht bedrängt von dieser furchtbaren Entführung und all den aktuellen Lebensnöten? Warum redet denn der hier nicht davon?
Für uns ist das klar aus dem Wort Gottes: Wenn ich zu meinem Vater gefunden habe, dem himmlischen Vater, der mich liebt, dann begnügt er sich nicht nur mit meinem Herzen. Er sagt mir in seinen Worten sehr, sehr viel. Ich bin so froh, dass sein Gebot mir konkrete Weisung gibt.
Wir haben selbst in der Kurzfassung, den Zehn Geboten, eine so klare Anweisung – sogar für das Eheleben, sogar für die Wahrheit im alltäglichen Leben. Gott hat uns einen unumstößlichen Markstein gegeben, wie Erziehung auszusehen hat, wie Kinder mit ihren Eltern reden sollen. „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.“ Moses sagt: Ich habe das alles verkündigt zum Tun. Und das Gebot Gottes geht noch viel weiter und umfasst alles.
Mir wird in diesen aktuellen Tagen auch wieder groß, wie unser Gott sagt, dass das Höchste in einem Volk Gerechtigkeit ist und wie die Sünde der Leute Verderben bringt, ein Volk in den Ruin führt. Wie wir auf einmal unter dem Wort Gottes Klarheit finden und bekommen für unsere alltäglichen Lebensfragen.
Ja, das geschieht in dem Augenblick, wo ich still werde vor dem Wort Gottes. Wer dann im Wort Gottes liest – und nicht bloß wie ein fernes Buch, sondern in diesem vertrauten Reden des Kindes mit dem Vater – der entdeckt in diesem Wort Gottes eine Fülle praktischer Lebensratschläge und Weisheit für seine direkten Probleme.
Es ist so wunderbar, wenn einer einem dann berichtet und sagt: „Du, ich sehe wieder klar in meinem Leben. Mir hat Gott manches gezeigt in seinem Wort, dass ich weiser werde als die Professoren, weil ich aus Gottes Geist und aus seinem Wort gelehrt bin.“
Ich hätte Ihnen heute am liebsten als Schriftlesung den 119. Psalm vorgelesen, aber dazu hat er so viele Verse, dass es nicht reicht. Dort steht, wie ein gläubiger Mensch Freude hat an den Geboten – Sie haben richtig gehört – an den Geboten, an den Gesetzen Gottes, weil sie einem Orientierung geben in dieser verlorenen Welt.
Natürlich hat der Teufel schon längst zum Generalangriff geblasen an dieser Stelle und hat uns die Gebote madig gemacht. „Kann man denn nach Geboten leben?“ Wie oft höre ich in einer christlichen Gemeinde den dummen Satz: „Wir wollen nicht gesetzlich sein.“ Als ob das Gesetzlichkeit wäre!
Das gehört ganz woanders hin. Bei der Erlösung ist Gesetzlichkeit vom Teufel, wo ich sage: Allein aus Glauben werde ich gerecht. Aber mein tägliches Leben kann doch nur in der Ordnung leben. Wir sehen doch in diesen Tagen, wie furchtbar das ist, wenn die einfachsten Ordnungen unseres Lebens nicht mehr funktionieren. Wie soll das denn anders sein in den Ordnungen Gottes?
Woher kommt denn diese Abwertung der Gebote? Dort sagt der Psalmbeter: „Ich habe Freude an deinen Mahnungen. Sie sind meine Ratgeber.“ Wenn er am Gesetz Gottes keine Freude gehabt hätte, wäre er in seinem Elend vergangen.
Da können Sie all die wunderbaren Entdeckungen über das Wort Gottes beobachten, wo er sagt: „Ich freue mich über die täglichen neuen Entdeckungen, wie einer, der Beute macht.“ Das ist ein ganz gewagtes Bild, wie einer, der bei Nacht in ein Haus einsteigt, ein Dieb, und sich seine Sache holt. So freue ich mich, wenn ich in meiner stillen Zeit morgens Entdeckungen mache im Wort Gottes für mein tägliches Leben.
Es geht um das erfüllte Leben. Gott will Ihnen ein erfülltes Leben schenken – ganz erfülltes Leben. Das umfasst auch Ihre Lebensprobleme. Sie finden das nur, wenn Sie Gott haben, und Gott finden Sie nur, wenn Sie sein Wort haben.
Sie brauchen nicht im Dunkeln zu tasten. Er lässt sich finden. Er will Sie an der Hand nehmen heute, wenn er zu Ihnen redet: „Verstockt eure Herzen nicht.“ Amen.
Schlussgebet und Fürbitte
Weil es eben nicht stimmt, dass uns deine Stimme so viel mehr bedeutet als unser eigenes Wollen. Du kennst die ganze Not an uns, dass wir uns so oft von unseren Trieben bestimmen und führen lassen, von ganz niedrigen Wünschen. Am Ende kommen wir in großen Enttäuschungen an.
Wir danken dir, dass du uns heute noch einmal Klarheit gegeben hast und dass du uns nicht nur zum Glauben allein, zum Vertrauen, sondern auch zum Gehorsam führen willst. Dass wir mit Leib und Seele dir anhangen, und dass dies sich durch die ganze kommende Woche hindurchzieht, durch all das, was wir tun und arbeiten.
Wir danken dir, dass du deinen Segen uns verheißen hast, der auf uns ruhen soll, auch sichtbar und äußerlich. Dass du uns auch im Mangel, auch in der Armut reich beglücken kannst. Wir danken dir für deine große Zusage, die du uns gibst.
Herr, wir leiden daran, dass wir so oft das Recht beugen – dein Recht, dein Gesetz, deine Ordnungen. Und so wollen wir auch heute Fürbitte tun für unser Volk, auch für Herrn Schleyer und alle, die unter diesen neuen Vorgängen zu leiden haben.
Wir erschrecken, wie schnell wir aus dem Frieden fallen können, und wir möchten dich um dein Bewahren bitten. Wir dürfen Menschen, die wir bedrängt wissen, in deine starke Hand befehlen. Auch Angehörige, die um ihre Lieben trauern, dürfen wir dir nennen, weil du ein Wort ewigen Lebens sagen kannst.
Du hast uns viel Freiheit, Ruhe, äußerliche Ruhe und Frieden unverdient in diesen Tagen geschenkt. Wir wollen nicht allein um diesen Frieden bitten, wir wollen deinen Frieden haben in unserem Volk.
Gib du, dass viele Menschen wieder das erfüllte Leben in dir finden, dass sie aus den nichtigen Dingen, aus den materiellen Dingen, die keine Befriedigung geben, zu dir finden – zur Quelle des Lebens. Und gebrauche du uns als deine Zeugen in dieser Welt, damit wir anderen davon weitersagen, was du uns in deinem Wort alles schenken willst.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigen. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen, denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
