Einleitung und persönliche Ansprache des Paulus
Zweiten Timotheusbrief 1,1-14
Heute Morgen geht es um das Entdecken von Gräben. Morgen wird es dann darum gehen, stark zu werden. Diese zwei Punkte sind sehr wichtig, um bereit zu sein und befreit zu sein.
Im 2. Timotheus 1,1-14 schreibt der erfahrene, alte Missionsmann Paulus an den jungen Timotheus, der in seine Fußstapfen treten soll. Paulus, ein Apostel Christi Jesu, berufen durch den Willen Gottes nach der Verheißung des Lebens in Christus Jesus, schreibt an seinen lieben Sohn Timotheus:
"Gnade, Barmherzigkeit und Friede von Gott dem Vater und Christus Jesus, unserem Herrn!"
Wenn so etwas vorangestellt wird, bedeutet das immer ganz deutlich, dass Christus der Messias ist, der verheißene König und von Gott gesandte Retter Jesus.
Paulus schreibt weiter: "Ich danke Gott, dem ich von meinen Vorfahren her mit reinem Gewissen diene, wenn ich ohne Unterlass deiner gedenke in meinem Gebet Tag und Nacht. Wenn ich an deine Tränen denke, verlangt es mich, dich zu sehen, damit ich mit Freude erfüllt werde."
Er erinnert sich an den ungefärbten Glauben in Timotheus, der zuvor schon in seiner Großmutter Lois und seiner Mutter Eunike gewohnt hat. Paulus ist aber auch gewiss, dass dieser Glaube auch in Timotheus selbst lebt.
Die Gabe Gottes erwecken und die Kraft des Geistes
Aus diesem Grund erinnere ich dich daran, dass du die Gabe Gottes erweckst, die in dir ist. Dies geschieht durch die Auflegung meiner Hände. Denn Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserem Herrn, auch nicht meiner, der ich sein Gefangener bin. Leide vielmehr mit für das Evangelium in der Kraft Gottes. Er hat uns selig machend berufen mit einem heiligen Ruf – nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns in Christus Jesus gegeben ist, und das vor der Zeit der Welt.
Jetzt aber ist dieser Ruf offenbart durch die Erscheinung unseres Heilandes Christus Jesus. Er hat dem Tod die Macht genommen und das Leben sowie ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium. Für dieses Evangelium bin ich eingesetzt als Prediger, Apostel und Lehrer.
Aus diesem Grund leide ich all dies, doch ich schäme mich dessen nicht. Denn ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, dass er mir bewahren kann, was mir anvertraut ist, bis zu jenem Tag.
Halte dich an das Vorbild der heilsamen Worte, die du von mir gehört hast. Bewahre sie im Glauben und in der Liebe in Christus Jesus, dieses kostbare Gut, das dir anvertraut ist. Bewahre es durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt.
Die Herausforderung der Gabenbestimmung und Beispiele aus der Missionsgeschichte
Welche Gaben hast du? Es ist wichtig, bei bibeltreuen Christen die Gaben zu testen. Es gibt sogar ganze Fragebögen, um herauszufinden, was die eigenen Gaben sind. Ich bin dabei allerdings sehr skeptisch.
Wenn man die Geschichte der Missionsbewegung und die Geschichte des Reiches Gottes betrachtet, fällt auf, dass viele Missionskomitees die Gaben falsch eingeschätzt haben. Auch zahlreiche große Zeugen Jesu haben ihre Gaben völlig verkannt.
Ein bekanntes Beispiel ist der Afrikamissionar David Livingstone. Er prüfte seine Gaben und wollte eigentlich nach China gehen. Doch Gott schloss ihm alle Türen und machte ihn stattdessen zum großen Afrikamissionar. Livingstone hatte sich also ganz anders eingeschätzt.
Ein weiterer Fall ist der norwegische Missionar Lars Olsen Skrefsrud. Er wurde bei seiner ersten Mission abgelehnt, da er aus dem Gefängnis kam und wegen schweren Raubes vorbestraft war. Man hielt ihn für ungeeignet und nicht begabt für die Mission. Dennoch wurde er der große Begründer der Sandtal-Mission in Indien.
Ihr kennt sicher die Geschichte von Gledys Elberts. Die Mission sagte zu ihr: „Sie mögen eine tüchtige Hausgehilfin sein, aber für die Mission braucht man andere Begabungen.“ Ausgerechnet diese Frau hat jedoch einen so wichtigen Dienst getan und weit in die Welt hineingestrahlt.
Einer der größten Missionspioniere überhaupt, William Carey, war Schuhflicker. Einmal sagte man zu ihm: „Sie sind doch Schuhmacher.“ Carey korrigierte: „Nein, ich war Schuhflicker.“ In seiner eigenen Baptistenkirche enthüllte der Vorsitzende der Predigerkonferenz seine Gedanken darüber, was Mission sein soll, und sagte zu ihm: „Sie sind ein miserabler Enthusiast.“ Carey konnte erst gehen, nachdem er eine eigene Mission gegründet hatte. Ich hätte gedacht, in der baptistischen Kirche sei mehr Offenheit gewesen, doch das ist wie in allen Kirchen.
Wir könnten diese Kette von Beispielen noch weiterführen: Kenneth Pike wurde von der China Inland Mission abgelehnt, weil man meinte, er sei nicht sprachbegabt. Später gründete Pike das Sommerinstitut für Linguistik bei den Wycliffe.
Deshalb gilt: Vorsicht mit Gabentests! Gott hat oft Spaß daran, Menschen ganz anders zu begaben, als wir denken oder meinen, dass es wichtig sei.
Die Bedeutung der geistlichen Gemeinschaft und des Lernens von erfahrenen Christen
Timotheus war nach unserer Einschätzung kränklich und hatte schon beim Frühstück mit seinem Magen Probleme. Man fragt sich, wie soll das erst in der Missionsarbeit funktionieren? Er war ein schüchterner Mann, der viel Angst hatte und furchtsam war – also denkbar ungeeignet.
Alle Missionen wollen erfahrene und bewährte Leute, und genau das fehlte Timotheus völlig. Trotzdem nimmt Paulus ihn in den Dienst. Nun wollen wir sehen, auf welche Gaben Paulus so großen Wert legt.
Das Erste, was Paulus hier erwähnt, ist, dass Timotheus in eine lebendige Gemeinschaft verwurzelt ist – eine lebendige geistliche Gemeinschaft. Das wird an zwei Stellen sichtbar: Paulus nennt ihn seinen Sohn, in Vers 2, und zwar nicht als leiblichen Sohn, sondern als geistlichen Sohn. Es war ein Liebesverhältnis, ein Lehrer-Schüler-Verhältnis. Das Wort „Sohn“ drückt eine besondere Innigkeit, Liebe und Vertrauen aus, die die beiden verbindet.
Was Timotheus begabt macht, ist, dass er von diesem erfahrenen Missionar Paulus lernt. Es ist ein Austausch der Seelsorge, des Hörens auf die Erfahrungen eines reifen Christen. Ich möchte heute Morgen einfach fragen: Habt ihr solch eine Beziehung?
Ich habe mich gestern gefreut, als ich meinen alten Freund Ernst Schrupp sah, der trotz seines Alters eine jugendliche Frische besitzt. Ich kenne ihn seit vielen Jahrzehnten. Am schönsten war für mich, mit welchem Vertrauen und welcher Offenheit junge Menschen einem reifen Christen begegnen. Sie haben entdeckt: Da ist ein Schatz für uns.
Habt ihr solche Beziehungen zu alten Christen? Oder sind sie für euch bloß verkalkte Gruftis? Habt ihr Christen, von denen ihr aus ihrer Lebenserfahrung lernen könnt? Das ist ein großer Reichtum.
Neulich traf ich einen Rechtsanwalt, der eine sehr schwere Lebensführung hatte und erst sehr spät zum Glauben gekommen war. Ich bat ihn, sich um einen alten Christen zu kümmern, der 97 Jahre alt ist und noch mit dem Auto fahren kann. Er sagte mir plötzlich: „Sie ahnen nicht, welche Freude Sie mir gemacht haben.“
Das habe er noch nie erlebt: einen so erfahrenen Christen, der ihn als jungbekehrten Menschen im Glauben leitet. Es sei eine Freude, bei diesem Mann zu sitzen und seinen Glaubenserfahrungen zuzuhören. Es ist ein Schatz, in einer solchen Gemeinschaft zu leben.
Für Paulus ist das die erste und wichtigste Voraussetzung: dass man eingewurzelt ist in eine Lebensgemeinschaft. Jesus hat ja zwölf Männer um sich gesammelt. Sie haben miteinander gegessen und getrunken, sind miteinander gewandert.
Das ist wichtig – nicht nur etwas für den Kopf, sondern im Glauben diese Lebensgemeinschaft zu haben, wie wir sie auch in unseren Gemeinden immer wieder suchen und aus denen wir kommen. Wir brauchen jemanden, der uns ermahnt und kritisiert, der uns sagt: „Das machst du falsch.“ Und das in Liebe und Güte.
Denn der Glaube wird weitergegeben wie eine Staffel. Ich erschrecke immer, wenn ich junge Christen sehe, die sagen: „Hau ruck, jetzt komme ich!“ Sie verstehen nicht, dass wir im Reich Gottes aus einer Tradition schöpfen. Die Mütter und Väter, die längst gestorben sind, geben uns ihren Schatz weiter.
In meiner Bibliothek habe ich Bibelauslegungen und Predigtbände von geistlichen Zeugen, die vor 200 oder 300 Jahren gelebt haben. Ich merke: Das ist für mich heute Speise. Ich möchte in der Spur der Väter bleiben. Es gibt doch nichts Neues.
Ich sage es heute vielleicht ein wenig anders, aber ich will doch aus diesem Reichtum der Gemeinschaft, des Volkes Gottes schöpfen.
Die Bedeutung von Glaubensvorbildern in der Familie
Es wird auf der anderen Seite nochmals deutlich, dass Timotheus in seiner eigenen Familie Glaubensbeispiele hatte, sei es in der Großmutter oder in der Mutter. Manche von euch kommen aus ungläubigen Familien, das macht jetzt gar nichts aus. Im Grunde war es keine intakte Familie, es war eine Mischehe. Der Vater war nicht gläubig, und zu Hause konnte man keine Hausandacht halten.
Es gibt junge Männer, die wenig darauf geben, dass ihre Mutter oder gar ihre Großmutter sie im Glauben gelehrt haben. Doch Paulus zeigt Timotheus den Schatz: Da waren Menschen in der vorigen Generation, die für ihn gebetet haben. Dann sagt Paulus, dass dieser ungefärbte Glaube weitergegeben wurde.
Was ist der ungefärbte Glaube? Das ist nicht nur ein Glaube, der nach außen strahlt, sondern einer, der durch und durch echt ist. Das hatten wir schon gestern Abend besprochen. Dieser Glaube wird sichtbar in einer Lebensgemeinschaft, in der man sieht, wo die Mutter ihre Kraft herbekam und wie sie von der Vergebung Jesu lebte. Sie nahm die Gnade Jesu für sich selbst in Anspruch.
Bleib du da drin! Das ist die Gabe. Du hast Vorbilder, Menschen, die dir Jesus anschaulich und lebendig machen. Das braucht man. Also war es mir wichtig, zuerst einmal diese Gabe zu zeigen.
Die Gabe des Heiligen Geistes entdecken und entfalten
Nun kommen wir zum nächsten Vers, Vers 6. Was sind die Voraussetzungen, welche Gaben brauchen wir? Paulus spricht hier plötzlich von einer Gabe – nicht im Plural, sondern im Singular.
Entdecke die Gabe, die in dir ist. In unserer heutigen Zeit ist das oft ein großes Rätselraten: Habe ich die Gabe des Heiligen Geistes oder nicht? Wenn du dir darüber nicht gewiss bist, bist du auch kein Christ. Paulus sagt im Römerbrief ganz klar: Wer den Geist Jesu Christi nicht hat, der gehört ihm nicht (Römer 8,15-17).
Woran erkennt man, dass ich den Geist Gottes habe? Am Glauben! Die Bibel sagt, dass der Glaube das einzige eindeutige Zeichen dafür ist, dass ich den Geist Gottes habe. Ich kann nicht zu Jesus sagen: „Du bist Herr, Messias, Christus“, ohne durch den Heiligen Geist dazu befähigt zu sein.
Paulus sagt, das Problem ist, dass der Geist Gottes in uns oft schlummert. Die Gabe muss jetzt entfacht werden, wie ein Feuer, das lodert. Die Gabe muss brennen, sie muss erweckt werden. Sie ist da, seit wir gläubig wurden, seit wir zu Jesus sagen können: „Mein Herr, mein Gott“. Da ist der Geist Gottes in unser Leben eingetreten und hat unser Herz geöffnet, damit wir glauben konnten.
Entfache die Gabe! Jetzt reden wir nicht mehr von Gaben – eine Gabe ist wichtig, die Gabe des Heiligen Geistes. Der Geist Gottes lässt mich „Abba, lieber Vater“ sagen und ein Liebesverhältnis zu Jesus aufbauen.
Timotheus, lass diese Gabe lodern bei dir, entfache sie! Wir wollen mehr von der Gabe des Heiligen Geistes haben. Das ist ganz einfach. Ich kann euch nur Schriftstellen sagen: Jesus hat gesagt: „Wer Durst hat, komme zu mir und trinke!“
Komm doch! Jesus will dir mehr geben. Wer an mich glaubt, bei dem werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Du brauchst diese Gabe – nimm sie an! In jeder Gebetsstille, in jeder stillen Zeit kannst du sagen: „Jesus, ich will dich haben. Wirke du in mir, ich will dich aufnehmen!“
Wenn wir vom Missionsdienst sprechen, ist es ganz gleich, wo auf der Welt – ob hier in Deutschland oder anderswo – Jesus, ich will dein Bote sein, komm in mein Leben hinein!
Jesaja 44,3 sagt: „Ich will Wasserströme gießen auf das Durstige.“ Gott sei Dank, ich will! Wenn man den Schieber aufmacht, können die Ströme fließen.
August Hermann Francke, der Begründer der großen Erweckungsbewegung des Pietismus in Halle, hat einmal gesagt: „Niemand kann sich entschuldigen, der den Geist Gottes nicht fließen lässt.“ Der Geist drängt! Gib ihm Raum in deinem Leben, wehre dich nicht und denke nicht an irgendwelche Begabungen, die du brauchst. Der Geist Gottes will in deinem Leben wirken.
Denkt auch an die schöne Stelle im Epheserbrief, Kapitel 1, Vers 13: Ihr seid versiegelt durch den Heiligen Geist. Er ist da – jetzt gib ihm auch in deinem Leben Raum und lass ihn wirken!
Die Frucht des Geistes und die Bedeutung von Kraft und Besonnenheit
Und darin steckt alles, was wir im Geist Gottes brauchen. Was ist das genau? Der Geist der Kraft – der Heilige Geist ist immer das, was Jesus erfüllt hat. Wenn ihr das Bild Jesu vor euch seht, dann habt ihr den Geist, mit dem er wirkt. Jesus wirkt verborgen in der Kreuzesgestalt, doch mächtig. Genau so will er auch in dir wirken: ein Geist der Kraft, der Dynamis, der mein Leben durchdringt und auf eigentümliche Weise mit meiner Schwäche zusammenhängt.
Jesus will genau dort ansetzen, wo meine Schwächen sind. Bei Timotheus war es die Furchtsamkeit – es war mehr als Scheu, er hatte Bangigkeit, Angst. Lass den Geist Gottes in deinem Leben wirken – Kraft. Auch die Kraft, die Frucht schafft und durchdringt. Menschliche Bereitschaft allein kann das nicht. Lass dem Geist Gottes kräftig in deinem Leben wirken.
Paulus hat aufgezählt, was die Frucht des Geistes ist. Das muss man auswendig können. Lern dir Bibelworte auswendig, das ist ganz wichtig. Was ist die Frucht des Geistes? Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Sanftmut, Keuschheit etc. (Galater 5). Ich möchte das Lernen wieder von dir, Herr. In meine Ungeduld möchte ich deine Geduld lernen. Ich möchte mir Raum geben für die Liebe, deine Liebe, die mich antreibt – die Liebe zu den Verlorenen. Die haben wir nicht, Herr, gib mir die!
Dann steht hier die Besonnenheit, die Selbstbeherrschung. Es ist eine große Gefahr, dass wir immer wieder in unserem Leben so viel mit eigener Willenskraft machen wollen. Junge Menschen leiden ganz besonders unter der ungezügelten Kraft ihrer Lust, Triebe, Wünsche und Impulse. Dann versucht man, das einzudämmen und unter Kontrolle zu bringen.
Das Große am Heiligen Geist ist, dass er uns die Einsicht Jesu schenkt. Plötzlich wird das Sündige und Böse gar keine Versuchung mehr sein. Er zeigt uns das Maß, und wir können Ja sagen zu den Eigenarten unseres Lebens, zu der Andersartigkeit, wie wir sind.
Der Geist Gottes ist ein Geist der Zucht. Für viele ist der Heilige Geist etwas mit wilden Emotionen, aber das steht nie in der Bibel. Der Geist bringt Besonnenheit und Zucht. Er nimmt mein Leben in Kontrolle, entfaltet meine Gaben – auch meine natürlichen Gaben, die mir Gott geschenkt hat – zur Ehre Gottes.
Das Zeugnis des Evangeliums ohne Scham bezeugen
Und nun das Nächste, das Dritte, was wir haben und was so wichtig ist an den Gaben: Schäme dich nicht. Wir genieren uns oft, was eigentlich eine negative Sache ist.
Schäme dich nicht – warum soll man sich schämen? Paulus hat ja öfter davon gesprochen. Ihr kennt es aus dem Anfang des Römerbriefes: „Ich schäme mich des Evangeliums von Jesus Christus nicht.“ Warum sollte man sich dafür schämen? So wie ihr es erlebt habt in eurer Schulklasse, in der öffentlichen Schule, oder wie ihr es unter Freunden oft erlebt habt, die ungläubig waren: Soll ich bloß von Jesus erzählen? Das Zeugnis von Jesus wirkt blamabel, peinlich in seiner einfachen Schlichtheit. Jesus Christus ist für meine Sünden gestorben – das ist ein Ärgernis, eine Torheit für die Weisheit der Welt.
Paulus ging damals in die hellenistische Welt. In dieser Welt galt der Mensch, der sich mit seinen moralischen Gaben entfaltet, aber auch mit seiner Siegeskraft, als der strahlende Mensch. Er war derjenige, der große Bauwerke errichtet hat, der Könner, der das Gute wirkt. Paulus geht hinein und erzählt von der Schwäche und Ohnmacht der Sünde.
In unserer Gemeinde war ein ganz bedeutender Politiker und ein berühmter, einflussreicher Mann, der im Alter von etwa 55 Jahren zum Glauben an Jesus gekommen ist. Er hat mich gefragt: Wie mache ich das eigentlich, wenn ich das Evangelium jetzt unter meinen Parteigenossen, die liberale Politiker der gelben Partei, FDP sind, erzählen soll? Wenn ich denen von der Sünde und von der Vergebung erzähle, lachen die mich doch aus. Wie kann ich das übersetzen?
Paulus hat immer gesagt: Genier dich nicht am Evangelium, das ist ganz simpel und ganz einfach. Jeder Mensch steht vor dieser erschütternden Wahrheit: Ich will das Gute tun und kann es nicht. Wenn uns der Geist Gottes die Augen öffnet – das ist nötig – dann genier dich nicht, schäme dich nicht am schlichten Evangelium.
In der Mission auf anderen Kontinenten ist es erstaunlich, dass dieses schlichte Evangelium den größten Durchbruch erzielt – in den Religionen bis hin zum animistischen Heidentum. Dort weiß man um die dämonischen Gebundenheiten unseres Lebens. Das Blut Jesu macht mich rein von aller Sünde. Es wird zur herrlichen Heilstatsache, wenn wir es wieder für unsere Gemeinden in Europa entdecken. Das schlichte Evangelium von Jesus hat die Kraft, zu lösen und frei zu machen.
Im schrecklichen Bürgerkrieg im Südsudan, wo einige unserer Krankenschwestern arbeiten, habe ich in der großen Erweckung, die dort jetzt geschieht, einen dieser Gemeindeleiter gefragt: Was ist denn für euch die wichtigste Bibelstelle? Das hätte ich nie gedacht, was er antwortet. Er sagt: „Für uns ist der Hebräerbrief das wichtigste Buch.“ Dann sagt er, dass das Opfer ein für alle Mal durch Jesus vollbracht ist. Das müssen wir jeden Tag neu begreifen. Wir wollen immer noch Opfer bringen. Durch Jesus, der für uns geschlachtet ist, ist der Zugang zu Gott eröffnet.
Dieser Mann hat mir die Augen erst geöffnet für den Reichtum unseres Glaubens. Schäme dich nicht am Evangelium! Bei uns ist alles so kompliziert, es gibt so viele Themen, die gepredigt werden. Das, was Menschen löst, befreit und Wiedergeburt schafft, ist das Zeugnis von Jesus, der für uns gekreuzigt wurde. Dank dem schönen Musikteam vorher, das es auch so herrlich aus der Offenbarung rübergebracht hat – das Bild des Lammes, das für uns geschlachtet ist.
Ich erinnere mich, wie mich mal Gemeindeglieder in Surinam zu einem Gottesdienst der Buschnikros mitgenommen haben, ganz auf einer Siedlung draußen. Da war ein junger Mann, den haben sie gebeten, zum ersten Mal Zeugnis vor der Gemeinde über seine Glaubensentscheidung zu geben. Ich sehe noch, wie der da stand und nicht wollte. Sie sagten: „Jetzt musst du!“ Da kam diese Scheu. Dann stand er da, und dann strahlte er und erzählte, wie ihm Gnade widerfahren ist.
So wie Paulus seinem Timotheus im ersten Brief sagt: „Ich war der Schlimmste der Sünder. Ich habe Jesus so lange von mir weggestoßen.“ Übrigens, das ist die schlimmste Sünde. Was denkt jemand? An Ehebruch oder an Diebstahl? Nein, ich weiß, es war die schlimmste Sünde, Jesus so lange von meinem Leben fernzuhalten. Ich wollte selbst vor Gott gerecht sein. Das ist die schlimmste Sünde. Dann ist ihm Christus in den Weg getreten, und Gnade ist ihm widerfahren (1. Timotheus 1).
Jesus ist gekommen, um sündige Menschen selig zu machen. Wenn bei uns immer wieder gesagt wird: „Aber das Wort Sünde ist doch veraltet!“ – es ist nicht veraltet. Es ist so aktuell. Die Sache wollen wir nicht wahrhaben. Schäme dich doch nicht.
Umgang mit Niederlagen und Schwächen im Dienst
Und das Letzte, was ganz wichtig ist für Menschen, die Jesus beruft, sind die persönlichen Pleiten und Niederlagen. Hast du das verstanden? Missionare haben große Schwierigkeiten, wenn sie Briefe nach Hause schreiben. Sie sagen: „Ich kann keine Briefe schreiben, ich habe nichts zu erzählen.“ Was gibt es denn zu erzählen? Sie berichten von vielen Enttäuschungen. Der Gottesdienstbesuch geht zurück. Sie könnten teilnehmen, aber sie leiden an ihren Niederlagen.
Wie war es bei Paulus? Da gibt es kaum einen Erfolgsbericht. Paulus hat zu Lebzeiten nie mehr erlebt, als was aus dem, was er gesät hat, an Frucht herauskam. Er sah nur Streit in den Gemeinden. Alle Briefe, die er geschrieben hat – bis auf einen – sind im Streit geschrieben, in Auseinandersetzungen. In der Urchristlichen Gemeinde ging es nicht friedlich zu. Lass doch die anderen daran teilhaben.
Und jetzt ist Paulus ein Gefangener. „Glaubst du nicht richtig, Paulus? Wenn du richtig beten würdest, dann würden die Fesseln von deinen Händen abspringen.“ Nein, er ist Gefangener – und das über viele Monate, ja über Jahre hinweg. Er wird gebraucht zum Dienst, aber er kann gar nicht dienen. Alles sieht nach Niederlage aus.
„Genier dich nicht an meinen Fesseln. Genier dich nicht, junger Mann“, sagt er zu Timotheus. „Du musst teilhaben an den Niederlagen, an der Schmach der Gemeinde Jesu.“ Die Sache Jesu in unserer Welt sieht oft sehr verloren aus. Wenn ihr einmal in Gemeinden hineinschaut, muss man heute Menschen, die in andere Kontinente geschickt werden, direkt darauf vorbereiten, dass sie sich nicht an dem Negativen stören, das sie auch sehen – an Mitchristen.
Störe dich nicht an der Armseligkeit und auch nicht an der Sündhaftigkeit der Menschen, die zur Gemeinde Jesu gehören. Genier dich nicht. „Ich weiß, an wen ich glaube“, sagt Paulus. An wen denn? An den Herrn Jesus, wie er sagt, der dem Tod die Macht genommen hat und das Leben gebracht hat. Und er tut das allen Widerständen zum Trotz. Das hat Paulus erlebt.
Einmal war er so verzagt, dass er am liebsten gestorben wäre, weil er am Leben verzagt war. Doch das geschah, damit wir unser Vertrauen auf den setzen, der Tote lebendig macht. Das ist Mission.
Die Zuversicht trotz Scheitern und die Kraft des Glaubens
Der größte Missionspionier und erste Missionar in Ostafrika hat als Motto gesagt: Scheitern und Misserfolg machen mich nur gewisser. Alle Werke Gottes müssen sich an der Pforte der Hölle messen lassen. Seid ihr dazu bereit? Schäme dich nicht, wenn du glaubst, du würdest die Herrlichkeit Gottes sein, Timotheus.
Stoße dich nicht an der Armseligkeit und an der Schwäche. Diese Gabe brauchst du. Daraus kann man viel lernen und viel sehen. Paulus liest in diesem Abschnitt, dass man bei den heilsamen Worten bleiben soll. Das steht im Evangelium überall so klar drin.
Wie gut, dass wir das Wort haben und dass uns im Wort all das so beschrieben ist – im Evangelium, im Bibelwort – und dass wir das immer wieder neu lernen dürfen.
Am Ende des ersten Timotheusbriefes heißt es in 1. Timotheus 6,3-5: Wenn jemand nicht bleibt bei den heilsamen Worten unseres Herrn Jesus und bei der Lehre, die dem Glauben gemäß ist, der ist aufgeblasen und weiß nichts. Bleibt doch da drin, bleibt doch in der Spur Jesu. Das ist der Segensweg.
Weißt du, auf wen ich mein Vertrauen setze, Timotheus? Was brauchst du? Die Gabe des Heiligen Geistes, oder den Glauben und die Liebe? Das nennt Paulus ja dann auch später. Ich habe den Kampf gekämpft, ich habe den Glauben gehalten, ich habe durchgehalten, auch unter Anfechtungen.
Entfache du die Gabe, die in dir ist, und bleib dabei, auch in allen Widersprüchen und Anfechtungen. Sei ein Zeuge Jesu, und du darfst wissen, wo du dein Vertrauen auf Jesus setzt. Da kommt das Leben in seiner ganzen geballten Herrlichkeit zum Vorschein.
Die Kraft des Glaubens in der weltweiten Gemeinde
Vor ein paar Tagen ist mir ein Blatt einer großen Chinamission in die Hände gefallen. Darin war eine Statistik über die Zahlenverhältnisse der Christenheit in China, die mich sprachlos machte.
Nach der großen Kulturrevolution gab es nicht einmal eine Million Christen. Während dieser schrecklichen Zeit wurde alles ausgelöscht: alle Kirchen wurden geschlossen und Bibeln verbrannt.
Was ist daraus geworden? In der Statistik, die sich auf die Zahlen der kommunistischen Regierung Chinas stützt, stand, dass heute allein 25 Millionen Menschen zu den staatlich anerkannten Drei-Selbst-Gemeinden in China gehören. Die Hausgemeinden sind dabei noch nicht einmal mitgezählt.
Jesus schenkt Leben. Jesus wirkt nicht durch unsere Macht, sondern durch seine Ehre und seine Kraft in der Weltmission.
Ach, wenn er es doch auch bei uns tun würde! Dazu ruft er uns: Wir sollen mit ihm rechnen, mit seiner Siegesmacht, mit dem Gott, der Tote zum Leben erweckt.
Ach, wenn er doch auch unsere Toten zum Leben erwecken könnte, wenn er unsere toten Leiber lebendig machen würde!
