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Johannesevangelium 6,51-57 Die Speise zum Ewigen Leben 4

Johannes-Evangelium, Teil 42/44
SERIE - Teil 42 / 44Johannes-Evangelium

Einführung in die Herausforderung von Johannes Kapitel 6

Wir sind mitten in Johannes Kapitel 6. Ich empfinde den Text als ziemlich herausfordernd. Ich behaupte also nicht, dass Johannes 6 leichte Kost ist.

Wir werden heute dort weitermachen, wo wir letztes Mal aufgehört haben. Auch beim nächsten Mal werden wir uns weiterhin mit Johannes 6 beschäftigen.

Der Herr Jesus fordert seine Zuhörer wirklich massiv heraus, indem er sie mit der Frage konfrontiert, was sie eigentlich wollen. Wollen sie Gott, also den Geber, oder wollen sie nur die Gaben? Das ist die große Frage, die im Raum steht.

Damit wird auch der große Unterschied deutlich zwischen Religion auf der einen Seite und biblischem Christentum auf der anderen Seite. Religion will die Gaben, biblisches Christentum will den Geber.

Manchmal, das weiß ich schon, wird leider auch aus dem Christentum Religion. Das heißt, das Christentum wird zu einem Mittel, um Gott zu beeindrucken, um Gott zu bestechen, um ihn zu manipulieren – Glaube als Magie.

Wenn das passiert, dann tue ich das, was ich will. Ich tue nicht mehr das, was Gott will, sondern mache Gott für mich zu einem Mittel zum Zweck. Das hat natürlich dann mit Christsein nichts mehr zu tun.

Deswegen ist Johannes 6 für mich so ein spannendes Kapitel, weil es genau auf diesen Punkt eingeht.

Diese Haltung, Gott zum Mittel zum Zweck zu machen, findet sich genauso bei jemandem, der in Kabul mit einer Sprengstoffweste in eine Moschee geht und sich dort in die Luft sprengt, wie bei jemandem, der in Indien in einem Ashram sitzt und still vor sich hin meditiert.

Es geht immer darum, dass ich Gott mit dem, was ich tue, zu beeindrucken oder zu manipulieren versuche. Ich weiß, was ich will, und Gott muss jetzt quasi zu meinen Konditionen mitspielen. Vielleicht bin ich auch bereit, ein wenig auf ihn einzugehen, aber letztlich geht es darum, dass ich bekomme, was ich will.

Jetzt könnte jemand sagen: „Jürgen, ist das bei den Christen nicht auch so? Die werden ja Christen, weil sie Erlösung suchen.“ Ich finde diese Frage total spannend.

Ja, ich kann das Christentum zu einer Religion machen. Ich kann mich bekehren, weil ich gerettet werden will. Das Problem ist: Das funktioniert nicht. Das funktioniert nicht, wenn wir wirklich über Christentum reden.

Unterschied zwischen Religion und biblischem Christentum

Ja, es gibt Varianten des Christentums, bei denen man den Eindruck hat, sie funktionieren genau so. Es gibt ein Ziel, das man erreichen möchte. Viele von uns sind gerade in einer lustigen Abnehmgruppe, und wir haben ein Ziel. Zu diesem Ziel gibt es einen Fünf-Punkte-Plan: Zähle deine Kalorien, mache etwas mehr Sport, iss vielleicht ein bisschen weniger und so weiter.

Manchmal entsteht dabei der Eindruck, dass Christentum zu einer Art spirituellen Selbsthilfegruppe wird. Ein Fünf-Punkte-Programm, um ewiges Leben zu bekommen. Hier muss ich mit Johannes 6 einfach davor warnen, genau das zu glauben. Wenn du denkst, ich habe ewiges Leben, weil ich etwas tue – das kann die Zugehörigkeit zu einer Kirche sein, das kann damit zu tun haben, dass man Sakramente empfängt, bestimmte Regeln einhält, irgendwelche Propheten anerkennt oder den Papst oder irgendwelche Populisten – dann spielt das irgendwann keine Rolle mehr.

Wenn in deinem Kopf die Vorstellung ist, ich bin richtig vor Gott, weil ich etwas tue, dann muss ich dich warnen: Das ist nicht biblisches Christentum. Im Zentrum meines Glaubens – und jetzt rede ich für mich – steht keine Religion. Es stehen auch nicht Regeln im Mittelpunkt. Im Zentrum meines Glaubens steht eine Person. Und das mag für viele Leute ein total schräges Konzept sein.

Im Zentrum meines Glaubens steht eine Person. Ja, das funktioniert, weil Jesus auferstanden ist. Sonst nicht. Sonst hätten wir da auch nur Regeln stehen. Aber Jesus ist auferstanden, und deswegen ist es super wichtig, dass wir den Unterschied zwischen Religion und Christentum verstehen.

Im Zentrum meines Glaubens – und ich hoffe, im Zentrum deines Glaubens – steht eine Person. Es geht nicht um Regeln, es geht nicht um eine fromme Show. Es geht immer um Nachfolge. Es geht darum, Gott als Person immer besser kennenzulernen, indem ich den Herrn Jesus immer besser kennenlerne.

Deshalb ist Christuserkenntnis ein Begriff, der ganz zentral im Neuen Testament verankert ist. Ich lerne Jesus kennen, indem ich ihn zum Zentrum meines Lebens mache. Es geht um Liebe, nicht um Performance. Wir dürfen das niemals verwechseln.

Und immer, wenn es um Liebe geht, stehen wir als die Deppen da. Wisst ihr warum? Weil bei Liebe immer noch etwas geht. Das ist das Problem. Ich kann jede Woche meinen besten Freund oder alternativ meinen größten Feind noch ein bisschen mehr lieben. Das geht. Das heißt, ich habe jede Woche diesen Moment im Leben, wo ich sage: Fast.

Und das ist nicht schlimm, weil wir aus Gnade leben. Wir leben in eine Beziehung hinein, in der wir immer besser verstehen, wer dieser Jesus eigentlich ist. Versteht ihr? Liebe ist dynamisch. Bei Liebe geht es um Motive, um ein Herz, um Hingabe – und nicht um ein Fünf-Punkte-Programm, bei dem man einfach einen Check macht.

Es ist ganz wichtig, dass wir das verstehen: eine radikale Unterscheidung zwischen Religion auf der einen Seite – ich erfülle irgendwelche Regeln und jetzt muss Gott doch mit mir zufrieden sein – und Christentum auf der anderen Seite, das eine Beziehung ist. Eine Beziehung, in der Gott ein Stück weit sagt: „Hey, das war eine gute Woche, du hast was gelernt. Und ich habe dafür nächste Woche noch etwas für dich.“

Beginn der Betrachtung von Johannes 6, Verse 51-52

Wir machen an der Stelle weiter, an der wir letzte Woche aufgehört haben. Daher stellt sich die Frage: Will ich die Gaben? Will ich einfach nur das Ticket in den Himmel? Oder will ich den Geber? Das ist die entscheidende Frage.

Heute werden wir sehen, dass es Jesus seinen Zuhörern tatsächlich leicht macht, ihn abzulehnen. Ihr werdet gleich erkennen, warum das so ist.

Warum macht er es ihnen so leicht? Warum formuliert er so provokativ? Die Antwort lautet: Jesus möchte mit seinen Worten tatsächlich die Spreu vom Weizen trennen. Er will die Interessierten von den Mitläufern unterscheiden, die echten Nachfolger von den reinen Ja-Sagern.

Wir beginnen mit Johannes 6,51-52. Dort sagt Herr Jesus: „Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist. Wenn jemand von diesem Brot isst, wird er leben in Ewigkeit. Das Brot aber, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.“

Die Juden stritten nun untereinander und fragten: „Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?“

Wir erinnern uns: In der letzten Predigt habe ich euch gezeigt, dass sich Jesus mit dem Manna verglichen hat. Das Manna, das die Israeliten in der Wüste bekommen und gegessen haben. Jetzt geht er einen Schritt weiter.

Manna war totes Brot. Jetzt spricht er vom lebendigen Brot. So wie man das Manna essen musste, um nicht zu sterben – logisch, Kohlenhydrate –, so muss man jetzt ihn essen, um ewiges Leben zu erhalten.

Wenn jemand von diesem Brot isst, wird er leben in Ewigkeit. Es geht um das ewige Leben.

Das Bild vom Essen als Glaubenssymbol

Was meint er damit, dass man ihn essen muss? Das klingt ja erst einmal nach Kannibalismus, oder? Ich kann verstehen, dass die Juden sagen: „Hä, was meint der denn da Komisches?“ Das hat ja vorher noch keiner so gesagt.

Jetzt kann ich euch den Tipp aller Tipps geben, wenn ihr Fragen zur Bibel habt. Es gibt einen Tipp, der ist immer total wichtig, und dieser Tipp lautet: Lies den Zusammenhang, schau dir den Kontext an. Ganz oft, wenn du eine Frage zur Bibel hast, wird irgendetwas gesagt, und du denkst dir: „Hm, was meint der?“ Schau mal links und rechts, vielleicht ein halbes Kapitel davor oder ein halbes Kapitel danach. Schau einfach mal, was da steht. Eventuell schau dir auch noch Parallelstellen an, gerade bei den Evangelien kann man das machen. Dort wird manches ja mehrfach gesagt. Das findet sich dann bei Matthäus, Markus, Lukas oder Johannes – vielleicht überall ein bisschen. Schau dir das mal an.

Wie gesagt, wenn du Fragen zur Bibel hast: Tipp Zusammenhang, Tipp Kontext. Und hier ist das genauso. Die Leute fragen sich, was er damit meint, dass man ihn isst. Wir schauen einfach, was wir schon wissen.

Der Punkt ist: Der Herr Jesus spricht davon, wie man ewiges Leben bekommt. Und der Clou ist, das hat er davor schon gesagt. Also, das ist nicht das erste Mal, dass er in dem Kapitel davon spricht. Ich habe euch die Verse mitgebracht, ihr habt das in euren Notizen: Johannes 6,40: „Denn dies ist der Wille meines Vaters, dass jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, ewiges Leben hat.“ Ah, versteht ihr? Da merkt man schon nach, worum es geht. Und: „Ich werde ihn auferwecken am letzten Tag.“

Oder Johannes 6,47: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer glaubt, hat ewiges Leben.“ Wenn ihr weiterlest, werdet ihr feststellen, in Johannes 6,68 – das machen wir nächstes Mal – sagt Simon Petrus: „Herr, zu wem sollten wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens.“ Aha, spannend, oder?

Jesus hat also Worte ewigen Lebens. Wenn ich auf das höre, was Jesus sagt, wenn ich an das glaube, was Jesus sagt, dann bekomme ich ewiges Leben. Darum geht es ihm. Es geht ihm nicht um Kannibalismus, sondern er sagt: Ihr müsst mich essen und trinken, dann habt ihr ewiges Leben.

Ich schaue im Text: Wo gibt es denn sonst noch ewiges Leben? Ah, es geht um Glauben. Aha, darf ich die beiden Konzepte miteinander einfach verbinden? Essen und Trinken hat anscheinend etwas damit zu tun, dass ich glaube.

Herr Jesus spricht hier davon, dass er das lebendige Brot ist. Lebendig – der Mensch hat Tod, er aber ist lebendig. Und er sagt dann: „Das Brot aber, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.“ Wie gesagt, nicht einfach, aber auch nicht völlig unverständlich.

Wir wissen jetzt: Wer von diesem Brot isst, hat ewiges Leben. Wir wissen: Ewiges Leben bekommt man durch Glauben, genau genommen durch den Glauben an den Sohn. Das heißt, von dem Essen hat irgendetwas damit zu tun, dass ich glaube.

Jetzt ist Fleisch essen, Blut trinken ein durchaus gewöhnungsbedürftiges Bild für Glauben, das ist mir schon klar. Die Leute sind nicht zu Unrecht irgendwie aufgebracht.

Woran glaube ich? Ja, ich glaube daran, dass Jesus als Sohn Gottes sein Fleisch für das Leben der Welt gegeben hat. Und sein Fleisch essen ist ein Bild dafür, dass ich daran glaube, dass Jesus gestorben ist, um der Welt – und das sind die Menschen in der Welt – ewiges Leben zu geben. Darum geht es.

Der Unterschied zwischen Religion und biblischem Christentum im Glauben

Und jetzt merkt ihr schon wieder den Unterschied zwischen Religion und Christentum.

Religion bedeutet: Ich muss etwas tun, ich muss mich reinhängen, so dieses Sündenmanagement-Ding. Beim biblischen Christentum ist das anders. Hier muss ich nicht etwas tun, sondern Gott hat etwas getan, und das gilt es anzunehmen.

Versteht ihr das? Ein Leben für ein Leben. Jesus gibt sein Leben, damit ich ewiges Leben bekommen kann. Wenn der Herr Jesus sagt, dass er sein Fleisch gibt für das Leben der Welt, ist das ein ganz spannender Gedanke.

Es ist tatsächlich so, dass der Herr Jesus für alle Menschen gestorben ist. Das ist einfach unfassbar. Es heißt in 1. Johannes 2,2: „Und er, Jesus, ist die Sühnung für unsere Sünden.“ Und dann geht es weiter: nicht allein für die unseren, sondern auch für die ganze Welt. Total spannend, oder?

Jesus stirbt am Kreuz, und da ist plötzlich ein Angebot im Raum, bei dem jeder sagen kann: Ich bin mitgemeint. Oder in 1. Timotheus 4,10: „Denn dafür arbeiten und kämpfen wir, weil wir auf einen lebendigen Gott hoffen, der ein Retter aller Menschen ist, besonders der Gläubigen.“

Warum macht Gott das? Warum stirbt er am Kreuz und ist sein Opfer mal eben für alle Menschen? Die Antwort lautet: Weil Gott möchte, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.

Gott hat immer den großen Blick. Er sieht immer unsere Verlorenheit als Welt in ihrer Gesamtheit. Wenn er agiert, wenn er etwas tut, dann wirft er sich einfach auf eine Weise in dieses Problem hinein, dass das Ganze gelöst wird.

Also: Gott geht um jeden zu retten, der gerettet werden will. Es gab mal von The Rock einen Aufkleber – ich weiß nicht, ob ihr euch daran erinnert – mit der Aufschrift: „Jesus rettet, wenn du willst.“ Ich habe überlegt, ob wir den wieder machen. Jesus rettet, wenn du willst.

Verloren gehen liegt nicht an Gott.

Frage: Wenn Jesus sein Fleisch für das Leben der Welt gibt, wenn er die Sühnung für die Sünden der Welt ist, wenn Gott ein Retter aller Menschen ist – warum kommen dann nicht alle automatisch in den Himmel?

Ganz genau, im Bild gesprochen: Du kannst auch im Zelt sitzen bleiben. Also da draußen ist das Manna, du musst nicht glauben, dass da draußen das Manna ist, du kannst auch sitzen bleiben und verhungern. Das ist zwar eine blöde Option, aber es ist eine, die du hast.

Und das ist hier ganz genauso. Jesus ist da, Jesus ist für dich gestorben, wie es in 1. Timotheus 4,10 heißt: „weil wir auf einen lebendigen Gott hoffen, der ein Retter aller Menschen ist, besonders der Gläubigen.“

Auf eine besondere Weise ist er ein Retter der Gläubigen. Das eine ist die Rettung als Angebot – sie steht im Raum. Auf der anderen Seite ist Rettung als Erfahrung das, was diejenigen machen, die sich im Glauben auf den einlassen, der am Kreuz für sie gestorben ist.

Die Reaktion der Juden und das Verständnis des Bildes vom Essen

Kommen wir zurück zu Johannes 6, Vers 52. Da stritten die Juden untereinander und sagten: „Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?“

Das ist eine wirklich gute Frage: Wie kann er das machen?

Was muss man tun, wenn man eine Frage hat? Wie gesagt, man kann sie aufschreiben und zum Gottesdienst mitbringen. Ab 17:15 Uhr gibt es „Pasta und Bibel“, dort könnt ihr eure Fragen loswerden.

Ich habe immer gesagt, man muss den Zusammenhang lesen. Das haben wir gemacht, und wir wissen jetzt, dass es um Glauben geht. Aber das Bild vom Essen geht natürlich weit über den normalen, ich sage mal, religiösen Glauben hinaus. Wenn jemand so ein krasses Bild bringt, möchte er doch etwas Besonderes damit zum Ausdruck bringen.

Wenn man normalerweise von Glauben redet, was meint man da? Nun ja, man meint vielleicht: Wenn ich jetzt frage „Woran glaubst du?“, dann kommt im Allgemeinen ein Glaubensbekenntnis zurück, so ein Katechismus.

Ich könnte sagen: Ich glaube, dass es nur einen Gott gibt. Ich glaube, dass dieser Gott sich aus einer menschlichen Perspektive als Vater, Sohn oder Vater, Wort und Geist offenbart. Ich glaube, dass Gott das Universum erschaffen hat, dass er gerecht, heilig, barmherzig, liebevoll, Retter, Richter und so weiter ist.

„Woran glaubst du? Hier ist mein Glaubensbekenntnis.“

Wir merken aber: Wenn Gott kommt und den Glauben damit vergleicht, dass man ihn essen soll – stellt euch vor, ich würde jetzt hier reinbeißen, ihn essen und sein Blut trinken – dann merken wir, dass das schon ein schräges Bild ist.

Was bedeutet das? Eine mögliche Antwort ist, dass es das Abendmahl meint. Das glaube ich nicht, aber es ist eine mögliche Deutung, die im Raum steht, weil da etwas mit Essen und Trinken ist.

Warum das Bild vom Essen nicht das Abendmahl meint

Frage: Warum glaube ich persönlich nicht, dass es sich hier um das Abendmahl handelt? Es gibt drei Gründe dafür.

Erstens: Wenn Jesus das Abendmahl meinen würde, dann würde er dem Abendmahl zu viel Bedeutung beimessen. Wir lesen einfach mal weiter in Johannes 6, die Verse 53 und 54. Da spricht Jesus zu ihnen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht das Fleisch des Sohnes des Menschen esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch selbst. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag.“

Wenn hier vom Essen und Trinken die Rede wäre und damit das Abendmahl gemeint wäre, müsste man formulieren: Weil ich am Abendmahl teilnehme, habe ich ewiges Leben. Das wäre ein zutiefst sakramentales Verständnis des Abendmahls.

Ich weiß nicht, ob ihr das Wort Sakrament kennt. Ich erkläre es kurz: Ein Sakrament ist ein Ritus, also eine Handlung, etwas, das ich tue. Während ich es tue, nehme ich auf unsichtbare Weise an etwas teil, das Gott an mir tut. Äußerlich mache ich etwas, innerlich wirkt Gott an mir. Ich vollziehe ein Sakrament, und deshalb tut Gott etwas an mir.

Zurück zur Frage: Steht das Fleischessen und Bluttrinken für das Abendmahl? Ich sage nein, weil ich dem, was wir später tun, zu viel Bedeutung geben würde. Wir feiern das Abendmahl, um uns an das Sterben Jesu zu erinnern und daran, dass wir als Gemeinde Leib Christi sind. Das ist die geistliche Bedeutung des Abendmahls. „Dies tut zu meinem Gedächtnis“ heißt es da.

Wenn wir etwas zu seinem Gedächtnis tun, dann tun wir es nicht, um ewiges Leben zu bekommen oder um auferweckt zu werden. Du kannst natürlich gerne, und ich werde dir das nie verbieten, nach vorne gehen und dich trotzdem an das erinnern, was hier steht: „Hey, nimm es!“ Aber der Herr Jesus selbst hat daran nicht gedacht.

Zweitens: Ich lese noch einmal weiter: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht das Fleisch des Sohnes des Menschen esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch selbst. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag.“

Mein zweiter Grund ist: Wenn Jesus hier auf das Abendmahl angespielt hätte mit diesen Worten, dann hätten seine Zuhörer ihn nicht verstanden und auch nicht verstehen können. Wir verstehen ihn, deshalb können wir für uns in das, was er hier sagt, ein Stück Abendmahl hineinlegen.

Aber die Leute, die hier zuhören, sind noch weit davon entfernt. Das erste Abendmahl findet am Abend vor der Kreuzigung statt. An diesem Tag feiert Jesus mit seinen Jüngern das erste Abendmahl, ein Gedächtnismal. Hier sind wir Monate davor.

Wir haben eine Zuhörerschaft, die noch kein Kreuz kennt. Versteht ihr? Deshalb gibt es die Verbindung „Hier ist der Kelch, hier ist mein Leib, der zerbrochen wird“ alles noch nicht. Wenn Jesus das hier gesagt hätte und das Abendmahl gemeint hätte, wäre es für die Zuhörer einfach nicht verständlich gewesen. Die wussten nicht, wovon er redet.

Wir haben es heute viel leichter, weil wir das lesen und sofort an das Kreuz, an Golgatha und die Auferstehung denken. So denken wir, ja, das kann gemeint sein. Aber damals konnten sie das nicht denken.

Drittens, und das ist jetzt ein bisschen technisch: Der Begriff „Fleisch“ wird im Neuen Testament nirgends im Blick auf das Abendmahl verwendet. Die Bezeichnung „Fleisch und Blut“ ist ein sogenannter Hebraismus.

Ein Hebraismus ist eine typische hebräische Formulierung, die den ganzen Menschen meint. Ich habe euch die Stellen dazu im Skript notiert. Wenn Jesus sagt, dass man sein Fleisch essen und sein Blut trinken soll, dann meint er, dass man ihn ganz aufnimmt, ohne Abstriche.

Beim Abendmahl liest man immer vom „Leib“, nie vom „Fleisch“. Das könnt ihr selbst nachprüfen.

Zusammengefasst: Drei Gründe, warum ich glaube, dass dieses Essen und Trinken erst einmal nichts mit dem Abendmahl zu tun hat:

Erstens: Es wäre zu viel Sakramentalismus.

Zweitens: Die Zuhörer hätten es nicht verstanden, weil es noch keinen Golgatha, keine Auferstehung und keinen neuen Bund gab.

Drittens: Die Formulierung passt nicht.

Die tiefere Bedeutung des Bildes vom Essen und Trinken

Bleibt die Frage: Warum verwendet Jesus dann das Bild vom Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes? Die Antwort ist: Weil er auf eine zutiefst dramatische Weise etwas klar machen möchte.

Wenn man so spricht, ist das ja super provokativ. Die Leute tuscheln und fragen sich, ob er das ernst meint. Sie sehen vielleicht einen gerösteten Jesus auf einem Spieß vor sich, der langsam über dem Feuer gart. Das kann er doch nicht meinen. Stimmt, meint er auch nicht.

Was zum Ausdruck gebracht werden soll, ist Folgendes: Jesus sagt hier, ich möchte nicht nur dein geistlicher Lehrer sein, ich möchte nicht nur dein Guru sein, bei dem du sagst, das ist der, dessen Worte ich höre. Jesus sagt: Ich möchte mit dir eins werden.

Ich weiß nicht, ob du weißt, wo dein Frühstück ist – es ist gerade dabei, mit dir eins zu werden. Genau das ist die Idee dahinter. Er möchte sich in mir wiederfinden – und zwar als ganze Person. Das heißt, ich nehme mir nicht nur die Teile, die mir passen, wie Jesus’ Leid, die Stellen, die ich gerne in meinem Leben umsetzen möchte, und werfe den Rest weg.

Der Herr Jesus sagt hier: Es reicht mir nicht, einfach nur ein weiterer Bestandteil in deinem Leben zu sein. Also nicht: Hier ist mein Job, hier ist irgendwie mein Mann, hier ist mein Musikgeschmack, hier ist mein Hund, und da ist mein Guru. Versteht ihr? So ein weiterer Punkt im Leben, den ich mir halt ausgesucht habe, das ist Religion.

Jetzt kommt Jesus und sagt: Ich möchte eine ganz andere Beziehung zu dir haben, als einfach nur ein weiterer Aspekt in deinem Leben zu sein. Und dieses Mehr, das Jesus möchte, ist eben nicht so einfach zu fassen, weil es uns ziemlich an die Substanz geht.

 Johannes 6,55: Denn mein Fleisch ist wahre Speise, und mein Blut ist wahrer Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm.

Mir geht es jetzt um diesen letzten Punkt: Bleibt in mir und ich in ihm. Das ist das Geheimnis des Glaubens – wenn sich Glaube nicht mit Religion mischt. Oder ich will es noch einmal sagen: Das Geheimnis des Glaubens ist Gemeinschaft.

Ich glaube, und in der Folge bleibe ich in Jesus, und Jesus bleibt in mir. Es entsteht tatsächlich eine Beziehung. Das ist etwas ganz anderes, als einfach nur zu sagen: Ich habe ein Glaubensbekenntnis, das kann ich runterrattern, check, check, check, glaub ich alles irgendwie, ja, halte ich irgendwie für wahr.

Das hat nichts mit Christentum zu tun. Christentum fängt da an, wo ich mich entschieden habe, einer Person nachzufolgen, die Person kennenzulernen und zu sagen: Ich möchte, dass du ganz eng mit mir wirst.

Paulus kann an einer Stelle sagen, er möchte, dass Christus in den Jüngern Gestalt gewinnt. Wir sollen Christus anziehen – könnt ihr euch das vorstellen? So einen Mantel, den man überzieht.

Oder in 2. Korinther 3,18 wird davon gesprochen, dass der Geist Gottes uns verwandeln will in das Bild Christi. Und jetzt merken wir: Es geht Jesus um viel, viel, viel mehr als um eine Kirchenzugehörigkeit, um ein Glaubensbekenntnis oder um irgendeinen Ritus, den du machst.

Du kannst diese Dinge machen, das ist nicht verkehrt. Ich bin dafür, dass man Teil einer Gemeinde wird, ich bin für all diese Dinge. Nur wenn du sagst: Jetzt habe ich es, check! – Nein, das hast du nicht. Du hast vielleicht den Kern noch gar nicht verstanden.

Deswegen lasst uns bitte Gott niemals auf so etwas reduzieren. Der Mensch, der Glauben auf ein Glaubensbekenntnis, eine Kirchenzugehörigkeit oder einen Ritus reduziert, ist jemand, der das tut, weil er Angst hat – weil er Angst hat, sich zu verlieren.

Das Paradox des Glaubens: Sich verlieren, um sich zu finden

Das Problem ist, und hier müsst ihr jetzt genau zuhören – wir sind fast am Ende –, hört ganz genau zu: Wir werden uns als Persönlichkeit nicht finden, wenn wir uns nicht vorher an Jesus verlieren. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Ich sage es Ihnen nochmals: Wir werden uns als Persönlichkeit nicht finden, wenn wir uns nicht vorher an Jesus verlieren. Nur dort, wo der Christuscharakter sich im bewussten Nein zur Sünde und im bewussten Ja zur Heiligkeit in einem Menschen entfaltet, also dort, wo Jesus sich in mir entfaltet, finde ich als Mensch zu mir selbst.

Es ist total irre, aber ich brauche das. Es ist fast ein Stückchen das Verrückte am Glauben, aber ich brauche es, dass Jesus in mir Gestalt gewinnt. In dem Moment oder in dem Maß, wie er Gestalt gewinnt, verliert die Sünde und das Versklaven durch die Sünde in meinem Leben an Bedeutung.

Immer mehr von mir selbst kommt dann heraus. Denn je mehr ich frei von der Sünde werde, dadurch dass ich Jesus ähnlicher werde und so lebe, wie er gelebt hat, desto mehr wird das sichtbar. Umso mehr kommt quasi der eigentliche Jürgen heraus.

Früher war er so eingesperrt, die Sünde kam von überall, und dann sagte er: „Das nicht raus, das nicht raus.“ Jetzt kommt Jesus und sagt: „Doch, lass uns das gemeinsam angehen.“ In dem Maß, wie Jesus mich befreit, wird meine Persönlichkeit sichtbar.

Aber dazu muss ich mich trauen. Ich muss mich trauen, mich selbst zu verlieren. Ich muss mich trauen, mich selbst zu verlieren, wie es wahrhaft Liebende tun.

Im Hohelied heißt es einmal, dass Salomo mit Sula so miteinander umgehen: „Mein Geliebter ist mein und ich bin sein.“ Das ist Christentum. „Mein Geliebter ist mein und ich bin sein.“

Der Glaube, den Jesus meint und den Jesus bringt, der Glaube, der allein rettet, ist ein Glaube, der einhergeht mit allertiefster Gemeinschaft – Gemeinschaft mit Jesus, die mich tatsächlich zu einem komplett veränderten Leben führt.

Leben im Geist Jesu und Nachfolge

Letzter Gedanke für heute: Johannes 6, Vers 57.

Wie der lebendige Vater mich gesandt hat und ich lebe um des Vaters Willen, so wird auch leben, wer mich isst. Jetzt wissen wir schon, was es bedeutet, an mich zu glauben – aber nicht nur im Sinne von einem oberflächlichen Glauben, sondern im Sinne von: Jesus ist in mir.

Jedes Jahr kann ich ein Stückchen mehr sehen, dass er in mir Gestalt gewinnt. Mehr von dem, was ihn ausmacht – das kann seine Vergebungsbereitschaft sein, seine Geduld, seine Disziplin oder seine Bereitschaft, hier auf Erden auch mit wenig auszukommen. Name it: Was auch immer du in deinem Leben als nächsten Schritt von Gott präsentiert bekommst – je mehr diese Dinge Gestalt gewinnen, umso mehr betreten wir, und ich würde sagen, heiligen Boden. Nämlich den Boden seiner Herrlichkeit.

Noch einmal Johannes 6, Vers 57: Wie der lebendige Vater mich gesandt hat und ich lebe um des Vaters Willen, so wird auch leben, wer mich isst, um meines Willens. Merkt ihr, wie Jesus gelebt hat? So werden wir leben. Und wie er hundert Prozent für den Vater gelebt hat, werden seine Jünger hundert Prozent für ihn leben.

Oder drücken wir es noch klarer aus: Die Beziehung Vater – Sohn spiegelt sich wider in der Beziehung Sohn – Ich. Ist das verrückt? Und jetzt merken wir: Es kann ja nicht nur darum gehen, ein paar Regeln einzuhalten oder ein bisschen netter zu sein. Wenn es darum geht, eine Beziehung zu leben – und zwar die Beziehung, die der Vater zum Sohn hat –, wenn es darum geht, diese Beziehung zu imitieren, wow. Versteht ihr?

Es geht darum, ein Leben zu führen, das nicht nur formal, sondern ganz tief drin nicht mehr für mich selbst gelebt wird, sondern für Jesus. Und ich könnte es noch deutlicher formulieren: Es geht darum, für Jesus im eigenen Leben Raum zu schaffen. Raum zu schaffen, dass er mich durchdringt, sich in mir entfaltet, mich verändert und mich dann berufen darf, an der Stelle zu leben – und wenn es sein muss, zu leiden –, wo er mich hingestellt hat.

Und das alleine ist echter Glaube – und das ist Christentum. Amen.

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