Einleitung und Ausgangssituation
Wir stehen bei Richter 16. Ich hoffe, der Zusammenhang ist noch im Gedächtnis, auch wenn einiges dazwischen liegt. Dies ist nun der Schluss der Geschichte. Ich könnte das Ganze noch einmal erzählen, möchte aber ab Vers 22 vorlesen.
Simson ist geblendet, seine Augen wurden ausgestochen, und er sitzt im Gefängnis der Philister. Er war einst ein großer Mann Gottes. Doch das Haar auf seinem Haupt begann wieder zu wachsen, an der Stelle, wo es geschoren war.
Die Fürsten der Philister versammelten sich, um ihrem Gott Dagon ein großes Opfer darzubringen und sich zu freuen. Sie sagten: „Unser Gott hat unseren Feind Simson in unsere Hände gegeben.“ Da waren ihre Herzen guter Dinge, und sie sprachen: „Lasst Simson holen, damit er vor uns spielt auf der Harfe.“
So holten sie Simson aus dem Gefängnis, und er spielte vor ihnen. Sie stellten ihn zwischen die Säulen. Simson sprach zu dem Knaben, der ihn bei der Hand führte: „Lass mich die Säulentasten berühren, auf denen das Haus steht, damit ich mich daran lehne.“
Der Tempel, der Dagon-Tempel, war voll mit Männern und Frauen. Auch die Fürsten der Philister waren alle da, und auf dem Dach waren dreitausend Männer und Frauen, die zusahen, wie Simson spielte.
Simson rief den Herrn an und sprach: „Herr, gedenke meiner und stärke mich doch, Gott, diesmal, damit ich mich für meine beiden Augen auf einmal an den Philistern rächen kann.“
Er fasste die beiden Mittelsäulen, auf denen das Haus stand und an denen es sich hielt, mit seiner rechten Hand an die eine und mit der linken an die andere. Er sprach: „Meine Seele sterbe mit den Philistern!“ Dann neigte er sich kräftig, und das Haus fiel auf die Fürsten und auf alles Volk, das darin war.
Die Toten, die bei seinem Tod starben, waren mehr als die, die bei seinem Leben starben. Da kamen seine Brüder herab, ebenso das ganze Haus seines Vaters. Sie hoben ihn auf, trugen ihn hinauf und begruben ihn im Grab seines Vaters Manoach zwischen Zora und Estachol.
Die Frage nach Simsons Tod und seine Bedeutung
Wir hatten angefangen, diese Geschichte zu besprechen, und waren mitten in der Diskussion stehen geblieben. Es stellt sich die Frage: Ist Simson ein Selbstmörder oder ein Märtyrer? So wurde die Frage bei den alten Auslegern formuliert. Das ist sehr interessant, denn es gibt Kreise und Gemeinschaften, in denen man gerne darüber diskutiert. Dies wäre ein wunderbarer Knochen, an dem man sich in endlosen Debatten festbeißen könnte – ob Simson nun Selbstmörder oder Märtyrer ist.
Als Jungen haben wir in der Schule oft folgenden Lehrerwitz erzählt: In der Geschichtsstunde fragt der Lehrer: „Wenn wir uns fragen, wer der größere Feldherr war, Caesar oder Pompeius, müssen wir unbedingt mit Ja antworten.“ So möchte ich es auch hier machen: Ist Simson Märtyrer oder Selbstmörder? Ich sage: Ja. Das heißt eigentlich weder noch.
An dieser Stelle wird mir so deutlich, dass hier im Grunde gar nicht von Simson die Rede ist. Das Ganze wird dadurch sehr transparent: Es ist eine Verheißung auf den, der kommen soll und gekommen ist – auf den Herrn Jesus.
Ich muss das zwischeneinschieben: Ich bin überzeugt, dass bei der Abfassung der Bibel der Heilige Geist mächtig die Finger im Spiel hatte. In unseren Tagen ist in der Kirche ein heißer Streit um die Bibel entbrannt. Vielleicht haben Sie es schon mitverfolgt, wenn Sie „Licht und Leben“ lesen, dass an den Universitäten sehr kritisch am Wort Gottes gearbeitet wird. Die einen sagen, die Bibel sei verbal inspiriert, jedes Wort sei maßgeblich. Mich interessiert dieser Streit nicht so sehr.
Ich bin überzeugt, dass bei der Abfassung der Bibel der Heilige Geist die Hand im Spiel hatte. Die Männer Gottes wurden vom Heiligen Geist getrieben. Man muss blind sein – und nicht nur ein Brett, sondern sieben Bretter vor dem Kopf haben –, wenn man nicht merkt, wie im Alten Testament überall die Geschichte fast unwahrscheinlich wird, weil sie auf eine Verheißung auf Jesus hinweist.
Ich glaube, die Geschichte mit Simson ist so passiert. Aber ich glaube, sie ist viel mehr als das: Sie ist eine Verheißung auf den Herrn Jesus. Ich möchte Ihnen deutlich machen: Simson ist ein Vorbild auf den Heiland. Das ist nicht meine Idee, sondern die des Herrn Jesus selbst. Er hat gesagt: „Suchet in der Schrift, denn sie zeugen von mir.“ (Johannes 5,39)
Nun ist es einfach eine Aufgabe der Theologie, zu fragen: Wo ist das Zeugnis von Jesus hier?
Parallelen zwischen Simson und Jesus Christus
Und nun sehen Sie sich das bitte einmal an. Ich möchte es kurz aufzählen. Zunächst: Simson wird ganz erniedrigt, obwohl er große Zeichen und Wunder getan hat. Schließlich wird er bis zum Tod erniedrigt, man sticht ihm die Augen aus, und er sitzt im Kerker und muss die Mühle treten.
Ich sehe Jesus vor mir. Er hat große Wunder getan, den Sturm gestillt. Doch dann droht er wegzugehen. Das Volk läuft ihm zu Tausenden nach. Er ist ein Prophet, der aufgestanden ist. Doch plötzlich neigt sich seine Linie, und er wird bis zum Tod erniedrigt.
Ein Pilatus sagt zu ihm: „Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich zu töten oder freizugeben?“ Der Pöbel spuckt ihn an. Die Pharisäer und Schriftgelehrten, die Oberkirchenräte, schreien vor Wut gegen ihn. Die Obrigkeit des Volkes wendet sich deutlich von ihm ab. Er wird erniedrigt bis zum Tod. Nicht eine Stimme erhebt sich für ihn, nicht eine Stimme für Jesus.
Man muss sich das vorstellen: Wir haben ja nicht eine Stimme für Jesus, als er vor Pilatus steht. Er ist erniedrigt bis zum Tod, nicht wahr? Wie gleicht er darin Simson? Keiner fürchtet ihn mehr.
Wie hat man Simson gefürchtet? Wir haben die Philister vor ihm bebt, so wie man sich vor Jesus gefürchtet hat, der den Tod aufweckte. Wir haben die Pharisäer noch sagen hören: „Wir wollen ihn töten, aber ja nicht aufs Fest.“ Das Volk hängt ihm an, hatte Angst vor ihm.
Noch im Garten Gethsemane, als eine Schar mit Schwert und Stangen auf ihn losgeht, fragt Jesus: „Wen sucht ihr?“ Sie antworten: „Jesus.“ Er sagt: „Ich bin’s.“ Da weichen sie zurück und fallen zu Boden. Ein Wort von ihm warf sie um, als wären sie Kegel im Kegelclub, die von der Kugel getroffen wurden. So ist das Bild, nicht wahr? Sie fallen zu Boden – ein lächerliches, geradezu unwahrscheinliches Bild.
Ein Wort von ihm, dass er nur sagt „Ich bin’s“ – wie hat man ihn gefürchtet! Und nun ist das vorbei, wie weggeblasen. Man kann es fast nicht verstehen. Der gefürchtete Simson – jetzt wollen Sie bloß alle Ihren Spaß haben. Unser Gott ist in unsere Hand gegeben. So hängt Jesus am Kreuz. Man braucht ihn nicht mehr zu fürchten.
Jetzt endlich kann man ihn anspucken, beschimpfen, verspotten, verschmähen, gering achten. Jeder dumme Junge kann gegen ihn seine Worte schleudern. Den, den wir gefürchtet haben, den fürchten wir nicht mehr.
Sehen Sie, das ist ja so eine parallele Geschichte. Und nun weiter: In dieser Stunde, da ihn keiner mehr fürchtet und er ganz ungefährlich geworden ist, erringt er offenbar seinen größten Sieg.
Der Simson, als sie über ihn spotten und sagen, er sei in ihre Hand gegeben, reißt das ganze Haus zusammen, sodass sämtliche Fürsten der Philister umkommen. Fünf Städte, fünf Fürsten gab es im Philisterland. Das ist das Wort: Bei seinem Tod starben mehr als zu seinen Lebzeiten.
Er, der Israel befreien sollte, vollbringt seinen größten Tod im Augenblick, als jeder sagt, er sei ungefährlich geworden. Und genau so ist es mit dem Sohn Gottes. Simson ist hier eine Verheißung auf Jesus.
Als alle ihn verspotteten und er ganz ungefährlich geworden war, als keiner ihn mehr ernst nahm, geschah das, was Gott am Anfang der Geschichte schon gesagt hatte: Du wirst der Schlange den Kopf zertreten.
Meine Freunde, alle, die an Jesus gläubig geworden sind, werden bekennen: Er hat mich erkauft, als er am Kreuz starb. Die Millionen, die ihm gehören, hat er im Augenblick seines Todes erkauft.
Das war sein größter Sieg, verstehen Sie? Da hat er das Reich des Teufels zerstört. Wir können noch gar nicht richtig ermessen, was hintergründig da eigentlich passiert ist.
Ich habe sehr gern das Bild von Dürer, diesen Holzschnitt. Ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen: Christus in der Vorhölle. Dort ist etwa dargestellt, was im Glaubensbekenntnis steht: „Niedergestiegen in das Reich des Todes.“
Das sind geheimnisvolle Dinge. Dürer hat sich damit beschäftigt. Man sieht die Pforten der Hölle aus den Angeln gerissen. Dämonen strömen von allen Seiten herbei und wollen Jesus aufhalten. Doch Jesus bricht ein, und Adam, Noah und all die Männer der Vergangenheit laufen ihm entgegen.
Er reicht ihnen die Hand und holt sie heraus. Ich glaube, dass die Menschen damals noch eine Ahnung davon hatten, was das bedeutet: Dass Jesus wirklich die Macht des Teufels zerbrochen hat, als er am Kreuz starb.
Ich komme gleich darauf noch zurück. Aber es ist uns ja wohl klar, dass Jesu größter Sieg sein Tod am Kreuz ist.
Der Sieg durch Selbsthingabe
Was ist das für eine Sache, dass bis heute Frauen das Kreuz auf der Brust tragen, das man auf Kirchtürmen und überall sieht? Überall ist das Kreuz präsent, nicht wahr?
Was für ein unerhörtes Zeichen ist das Kreuz geworden! Man kann sich vor Augen führen, dass der größte Sieg gerade dann errungen wurde, als niemand mehr Angst vor ihm hatte und er ganz erniedrigt war. Da hatte er seinen größten Sieg.
Und noch etwas: Simson konnte diesen Sieg nur erringen, indem er sich selbst mit in den Tod gab. Diesen Sieg konnte Simson nur erlangen, weil er sich opferte und selbst starb.
Was für eine Verheißung ist das für das Neue Testament und für Jesus! Der größte Sieg im Reich Gottes, der Durchbruch durch das Reich der Finsternis, ist das, was mich heute froh und frei macht. Es macht mich froh, dass ich lachen kann, weil Jesus den Sieg selbst geopfert hat, weil er den Sieg selbst durch den Tod erlangte.
Billiger ging es nicht. Billiger ging es nicht mit dem Sieg Gottes, als sein Sohn starb. Und billiger konnte Simson den Sieg über die Philister nicht erringen, als er selbst in den Tod ging.
Verstehen Sie, ich wollte das nur kurz skizzieren, weil es doch einfach offensichtlich ist. Man muss ja, ich sage mal, sieben Bretter vor dem Kopf haben, wenn man nicht sieht, dass die Geschichte von Simson eine Verheißung auf Jesus ist.
Ich sage noch einmal: Ich bin überzeugt, dass die Geschichte als Geschichte wahr ist. Ich bin überzeugt, nicht? Es ist kein Märchenbuch, das trägt den Stempel der Wahrheit auf der Stirn. Aber was mich viel mehr interessiert, ist, wie Gott hier so lenkt, dass einmal das Bild Jesu aufleuchtet: das Erniedrigen. Denn niemand fürchtet mehr den, der sich opfert und stirbt, und dennoch seinen größten Sieg erringt – so wie Simson.
Ich glaube wirklich, dass der ganze Kampf um die Bedeutung der Bibel so blödsinnig wird. Die einen kritisieren sie, die anderen kämpfen um ihre Beglaubigung. Dabei sollte man ruhig weitermachen, die Geheimnisse der Bibel zu erforschen – sie sind abgründig und machen das Herz fröhlich.
Und uns stellt sie immer wieder aufs Neue vor das Bild Jesu, des Gekreuzigten.
Die Bedeutung der zwei Säulen
Und nun ein zweites: Da sind wir vorerst mal schon stehen geblieben, erinnern Sie sich? Es wird so ausführlich erzählt, dass Simson die zwei Säulen umgerissen hat, da habe ich meinen Pfeifer nicht erwischen können. Kommt der oder wie ist das? Er hat keinen Mut dazu. Nein, nein, werde ich ja wohl. Wenn ich hier umkippe, dann wissen wir, was wir zu tun haben. Dann tragen Sie mich an die frische Luft, nicht?
Ich kann Ihnen sagen, wie Sie Heizung hinter sich haben, da ist alles dran. Jetzt kann man sehen, was die Kohlenindustrie doch für uns tut. Einfach so nett geheizt ist es hier.
Sehen Sie, wir haben letztes Mal schon gesagt: Es ist so ausführlich, es ist so ausführlich von den Säulen die Rede, dass die alten Ausleger schon einfach den Eindruck gehabt haben, sie haben etwas zu bedeuten. Und wer vor 14 Tagen – nun ist es drei Wochen, ich weiß gar nicht, wer hier war – der erinnert sich, dass Luther sagt, diese zwei Säulen, also er sagt ganz offen: Simson ist ein Vorbild Jesu. Und wie Simson zwei Säulen umreißt, der ganze Kasten haut zusammen, so hat Jesus zwei Säulen umgerissen und alles stürzt zusammen.
Die zwei Säulen, die er meinte, waren die Messe und das Zölibat der Priester. Er sah einmal die Macht der katholischen Kirche zusammenstürzen, verstehen Sie? Diese Priesterherrschaft ruhte darauf. Das ist natürlich aus der Zeit heraus gesehen.
Aber ich muss auch sagen, wenn man das aufmerksam liest, dann sind diese beiden Säulen mit einer merkwürdigen Akribie herausgehoben. Da wollen Sie noch mal so gut sein, eben reinschauen, und erfassen Vers 29. Also Vers 26 heißt schon: Er sagt zu dem Knaben, der den blinden Mann führt: "Lass mich los, dass ich die Säulentaste, auf welcher das Haus steht, dass ich mich dran lehne." Und nun Vers 29: "Und er fasste die zwei Mittelsäulen, auf welche das Haus gesetzt war." Steht es zum zweiten Mal da, nicht? Und darauf es sich hielt, da steht es zum dritten Mal da: eine in seine Rechte und die andere in die Linke Hand.
Spüren Sie, wie das hier auf einmal mit einer… Wir haben während alles sonst immer so in großen Zügen, dass sich auf einmal zögert die Erzählung hier. Förmlich jedes Wort wird auf einmal wichtig: es rechte Hand und linke Hand. Und diese Sprache lässt mich schon glauben, dass der Geist Gottes uns darauf hinweisen will – nicht nur auf die Architektur eines philistäischen Tempels, sondern uns hinweisen will auf die heimliche Bedeutung dieser beiden Säulen.
Ich glaube, dass die Philister wirklich das Bild der Welt und der Finsternis sind, die immer im Kampf liegen mit der Gemeinde Jesu Christi. Israel ist das Bild der Gemeinde Jesu Christi, ihr ewiger Widersacher sind die Philister. So läuft das Reich der Finsternis immer gegen die Gemeinde Jesu Christi an.
Meine Freunde, es wäre doch einfach schön, wenn man mal nicht versucht würde, verstehen Sie? Wenn man einfach in Ruhe seinen Gott lieben könnte. Schon kommt einer an und kann dort Zweifelnd ins Herz gesenkt werden. Und der andere, können Sie schlecht verstehen, kommen so nach vorne: Hier ist alles leer und es ist grausam. Die Leute können nicht verstehen, es ist wirklich manchmal entsetzlich.
Sie können ruhig inzwischen nach vorne kommen, hier ist alles leer. Aber kaprizieren sich nicht, an die Enden der Erde zu sitzen und von mir zu lang, dass ich brülle wie ein Stier. Da wird man angefochten vom Sorgegeist.
Verstehen Sie, das Reich der Finsternis ist immer daran, die Gemeinde des Herrn zu stören, wie die Philister dem Volke Israel keine Ruhe ließen. Die Philister sind wirklich ein Bild der Finsternis.
Und nun ruht ihr Haus in diesem Augenblick auf zwei mächtigen Säulen. Hier ist alles zusammengezogen: die Fürsten und das Volk und die Prominenz. Und das ruht auf den zwei Säulen.
So glaube ich, dass das Reich der Hölle und der Finsternis, von dem ja bloß erleuchtete Gottes Kinder etwas wissen, im Grunde auf zwei Säulen ruht. Das eine ist, dass wir alle vor Gott schuldig sind, dass der Teufel hinkriegt, uns alle zu Sündern zu machen. Darauf ruht seine Macht.
Und das andere, das sagt die Bibel sehr deutlich: "Der letzte Feind ist der Tod." Dass es hinkriegt, dass der Tod regiert.
Gott schuf doch eine Welt zum Leben. Gott hat das Leben lieb. Wenn in jedem Frühling alles rauskommt, da spürt man, wie Gott das Leben liebt. Aber wenn ein Kind geboren wird, dann spüren wir: Da hat Gott die Hand im Spiel, er liebt das Leben. Und der Teufel liebt den Tod, Vernichtung.
Was meint es da, der Teufel die Hand im Spiel hat in allen Atomlaboratorien, nicht? Und bei all diesen Inzesten, die in den diplomatischen Besprechungen, die augenblicklich stattfinden und die uns immer näher an den Abgrund bringen, da hat der Teufel an dem Spiel. Er möchte am liebsten die ganze Schöpfung Gottes in die Luft sprengen.
Gott liebt das Leben, der Tod ja – die beiden Säulen, auf denen das Reich der Finsternis ruht: Schuld und Tod.
Und nun hat Jesus in seinem Sterben diese beiden Säulen zerboren. Das ist die unerhörte Bedeutung: Als er, wie Simson, sich in den Tod gab, da riss er die eine und die andere Säule auf.
Finsternis um, nämlich dass alle schuldig sind. Da hat er nämlich die Schuld weggetragen. Nun gibt es Vergebung der Sünden. Und damit ist die Macht des Teufels gebrochen.
Wo Vergebung der Sünden durch Jesu Blut ist – also nicht bloß so ein allgemeines Gewäsch, verstehen Sie, von wegen Jesus habe Schuld gebracht und erfahre, die Sünden sind vergeben – hat der Teufel ausgespielt, hat der Teufel ausgespielt. Was will er noch?
Wo Vergebung der Sünden ist und wo man daran glaubt, dass man durch Jesus erkauft ist für alle Ewigkeiten, da hat der Tod keine Macht mehr. Jesus lebt, nun ist das so: Ich werde mit ihm leben. Er ist auch auferstanden von den Toten, aber er hat mich vom Tode erkauft, als er selber den Tod für mich litt, für alle.
Die Macht des Teufels und die neue Fahne des Glaubens
Ich möchte einen Moment innehalten und dies mit einem anderen Bild als den Säulen deutlich machen.
Sehen Sie, der Teufel zieht durch die Welt und schwingt seine Fahne, auf der steht: „Wir sind alle Sünder.“ Wir alle mangeln am Ruhm, den wir von Gott haben sollten, so heißt es in Römer 3. Wenn heute ein deutscher Spießbürger sagt: „Ich aber nicht, ich tue recht und scheue niemand“, dann steht er nicht nur gegen Gott, sondern für den Teufel und seinen Witz. Verstehen Sie, ein Witz. Der Teufel sagt: „Ich werde dir schon beibringen, dass du nicht recht tust und niemand fürchtest.“ Denn seine Macht beruht darauf, dass wir Adams Kinder sind und mitgesündigt haben, mitgehasst haben, unrein waren, gelogen haben, gottlos und selbstsüchtig waren.
Ich sagte am Sonntag schon: Sorgt für Brüder, dass der Mittelpunkt wird. Der menschliche Egoismus ist die größte Sünde, verstehen Sie? Das zeigt sich ja von vornherein. Dieses blöde Geschwätz „Der Mensch ist gut“ – wo haben Sie das wohl aufgeschnappt? Die Leute wollen bei meinem großen Landsmann nur... Der Teufel schwingt die Fahne: „Wir sind alle Sünder und haben keinen Ruhm vor Gott.“
Nun dürfen wir aber im Blick auf Jesu Kreuz eine viel herrlichere Fahne aufziehen. Vor der muss das Fähnchen des Teufels geradezu verschwinden. Die Fahne, die wir im Glauben im Blick auf Jesu Kreuz hochhalten, trägt die Aufschrift: „Wir werden gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Jesus Christus geschehen ist, den Gott dargestellt hat.“
Ich möchte jetzt fast den ganzen Römerbrief vorlesen, verstehen Sie? Jesus’ Blut reinigt mich von Sünde. Jesus macht mich gerecht. Durch Jesu Kreuz macht Gott mich gerecht, weil er die Schuld weggetragen hat. Wir schlagen sozusagen den Teufel aus dem Feld, der sagt, seine Macht beruhe darauf, dass wir alle Sünder sind. Indem wir eine herrlichere Fahne schwenken und sagen: „Gerecht durch Jesu Blut, versöhnt durch Jesu Blut, gereinigt durch Jesu Blut – schweige und zieh ab!“ Verstehen Sie?
Genauso ist es mit dem Tod. Der Teufel zieht durch die Welt mit der Fahne und schreit: „Ihr seid dem Tod verfallen.“ Er sagt: „Baut Reiche, sie stürzen zusammen. Baut Schlösser, sie gehen unter. Macht euch einen Namen, er wird vergessen. Das Ende ist Staub und Grab.“ Staub und Grab. Wir gehen ja über lauter Gräber.
Verzeihen Sie, dass ich das so sage, aber in Griechenland hat sich mir das ganz neu erschlossen. Schliemann wollte Troja ausgraben und fand eine Stadt, die viel älter war. Er grub tiefer und fand nacheinander sieben Städte. Das ist einfach unheimlich. Über den Trümmern einer Stadt wird die nächste gebaut. Nun ging er immer weiter zurück, bis er das eigentliche Troja fand, das er suchte – oder das umstritten ist.
Man könnte wahrscheinlich auch bei uns so graben. Ich denke, wir leben alle über Gräbern und Trümmern. Und da schwingt der Tod seine Fahne. Darauf steht: „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben.“
Nun dürfen wir aber eine größere und herrlichere Fahne im Blick auf Jesu Kreuz in die Hand nehmen, die die Fahne des Teufels in den Schatten stellt. Darauf steht: „Jesus hat den Tod für mich schon durchgestanden. Ich lebe! Wer an mich glaubt“, sagt Jesus, „wird nimmermehr sterben.“ Am Sonntag ein toller Satz: „Wird nimmermehr sterben.“
Sehen Sie, die Macht des Teufels, der Finsternis und der Philister dieser Welt beruht darauf, dass wir schuldig sind und zum Tode verurteilt. Indem Jesus zum Samson wurde und sich selbst in den Tod gab, riss er diese beiden Säulen ein. Jetzt sagen die, die an ihn glauben: Schuld ist vergeben, Tod ist überwunden. Wenn wir das mal so klar machen.
Vorhin hat einer meiner Jungs ein Sprechband laufen lassen, in dem ich von meiner Predigt am Sonntag sprach. Ich dachte, man kann es ja kaum hören, so pathetisch klingt das alles und so theoretisch. Verstehen Sie, es ist so herrlich, dass man es bei allem Ringen kaum gut ausdrücken kann. Aber es sind ja viele, denen Gott das geschenkt hat, dass sie es erfahren durften: dass sie von Schuld und Tod entnommen sind.
Dann merkt man, dass das Christentum niemals nur ein Anhängsel zum Leben sein kann. Man kann also nicht bleiben, wie man ist, und obendrein noch christlich sein. Diese Tatsache, „Ich bin von Schuld und Tod entnommen“, sprengt meine Existenz im Innersten und ruft eine Verwandlung hervor, die die Bibel Wiedergeburt nennt.
Wie wundervoll ist es, dass Jesus diese beiden Säulen eingerissen hat!
Die mystische Auslegung der Simson-Geschichte
Und nun darf ich ein drittes Mal etwas zeigen. Ich erwähnte Ihnen bereits die Simson-Geschichte, bei der sich die Ausleger, die die Bibel liebten, immer schwer taten, nicht wahr? Ich sprach auch schon einmal von einem der interessantesten Bücher, das ich in meiner Bücherei habe: einer mystischen Auslegung des Richterbuchs von einer französischen katholischen Mystikerin, Madame de la Motte-Guillon. Sie war eine Frau, die Ter Stegen übersetzte, weil er ihre Schriften für außerordentlich wichtig und evangelisch hielt.
Diese mystische Auslegung kommt aus der katholischen Mystik. Solche Leute waren für die katholische Kirche immer eine große Belastung, und man war froh, wenn sie sich möglichst wenig meldeten. Ihre Schriften sind eigentlich erst durch Ter Stegen, der sie ins Deutsche übersetzt hat, bei Liebhabern des Wortes Gottes bekannt geworden.
Diese mystische Auslegung, die sich mit der inneren Führung der Gläubigen beschäftigt, bezieht sich auch auf die Simson-Geschichte. Möchten Sie kurz innehalten bei dem, was ich bisher gesagt habe? Die Autorin sagt: „Ich möchte glauben, dass das auf Jesus geschrieben ist, aber ebenso auf alle Gläubigen.“ Hier wird der Weg aller Gläubigen gezeigt, sagt sie. Und jetzt gebe Gott das, was ich jetzt sage, dass Sie es verstehen.
Simson gab sich selbst in den Tod, und da wurde er Sieger. Solange er sein eigenes fleischliches Leben behauptete, hatte er nur Niederlagen und geriet in die Hände der Philister. Als er sich selbst in den Tod gab, wurde er Sieger. Verstehen Sie das? Ich hoffe, Sie verstehen diese biblische Sprache.
Jesus drückte es so aus: Wer sein Leben erhalten will, wird es verlieren. Wer sein Leben verliert um meines Willen, der wird es finden. Wenn ich schreie: „Mein Recht auf meine Ruhe, auf mein Vergnügen, auf meine Erholung, mein Recht will ich durchsetzen, mein dickes Ich hat ein Recht, da zu sein“, dann erlebe ich lauter Niederlagen im Trauern darüber, bis dahin, wo er schließlich über mein verlorenes Leben triumphierend die Fahne schwingt.
Wenn ich aber den Weg gehe zu Jesu Kreuz, unser Herr Jesus, dein Urteil, dein Todesurteil gilt ja eigentlich mir – und das will ich anerkennen. Jetzt will ich mein Ich in den Tod geben. Ich will mein mieses, pietistisches Ich in den Tod geben und dir Platz machen, damit ich fröhlich werden kann. Ich will mein ungeduldiges Ich in den Tod geben und dir Raum machen, dass deine Reinheit einkehren kann. Ich will mein zorniges Wesen in den Tod geben, damit seine Sanftmut einkehren kann, und so weiter. Verstehen Sie? Ich bin mit Jesus gestorben.
Wenn ich mich selbst mit Jesus in den Tod gebe, wie Simson starb, bin ich mit Christus gekreuzigt – dann habe ich Sieg. Wer sein Leben verliert, der will es lebenswürdig machen. Ich halte diese Auslegung für herrlich. Ich hoffe, Sie nehmen etwas davon mit.
Im letzten Jahr bin ich merkwürdig so geführt worden, dass ich unablässig einen Vers bete, den ich Ihnen beibringen möchte: „Liebe, zieh mich in dein Sterben.“ Sie werden vielleicht lächeln, denn manche Verse kehren einfach ein Jahr lang immer wieder. Ich kann nicht anders predigen als das, was mir Gott selbst deutlich macht, verstehen Sie?
Mir ist dieser Vers so wichtig geworden: „Liebe, zieh mich in dein Sterben, lass mit dir gekreuzigt sein, was dein Reich nicht erben kann.“ Das ist gar nicht einfach. Man zappelt schrecklich beim Sterben, nicht wahr? Aber wenn ich das wirklich will, übe und erbitte: „Liebe, zieh mich in dein Sterben, lass mir die gekreuzigt sein, was ein Reich nicht erben kann“, dann habe ich sie. Dann wird mein Leben fruchtbar, dann wird das Reich der Finsternis überwunden.
Das Reich der Finsternis wird überwunden dort, wo wir ihn totgeben. Es ist schrecklich hart, aber es ist so. Sie kennen ja die nette Geschichte, die ich, glaube ich, mal erzählt habe, die mein Großvater uns erzählte. Er war Schwabe, ein alter Lehrer, der immer eine nette Geschichte zur Hand hatte, wo andere Leute lange theoretisieren.
Er sagte auf Schwäbisch, zumal die Schwaben hier sind und sich daran freuen: Der Binnenmoll kam zum alten Bruder, der so arg traurig aussah. Verstehen Sie? So arg traurig sah er aus. Dann sagte er: „Ach, Kinder Gottes leuchten, Kinder Gottes sind fröhlich!“ Der Bruder antwortete bloß: „Ich kann nicht lachen, wenn ich sterben muss.“ Und er hatte Recht, Gott!
Es ist wirklich so, wenn das geübt wird: „Liebe, zieh mich in dein Sterben, lass mir die gekreuzigt sein.“ Das ist kein Kinderspiel. Aber in dem Maß, wie wir es üben, wird unser Leben fruchtbar als Wirkung. Dann wird das Reich der Finsternis überwunden. Der Teufel hat bei Leuten, die mit Jesus im Sterben sind, nichts mehr zu holen.
Das war Madame de la Motte-Guillon. Sie merken aus diesen paar Worten, dass es sich lohnt, diese alten Ausleger – es war sogar eine Frau, denken Sie – mal wieder vorzuholen und zu lesen. Aber sie sagt es mit sehr vielen altertümlichen Worten. Ich habe es Ihnen also versucht zu übersetzen.
Das Gebet Simsons und seine Bedeutung
Der nächste Punkt, über den ich sprechen möchte, ist das Gebet des Simson. Simson hat nicht nur Säulen eingerissen, sondern dabei auch gebetet. Das steht in Vers 28: Simson rief den Herrn an und sprach: „Herr, Herr, gedenke meiner und stärke mich doch, Gott, diesmal, dass ich mich für meine beiden Augen einmal an den Philistern rächen kann.“
Zunächst möchte ich sagen, dass es mich immer freut, wenn in der Bibel steht, dass jemand „rief“. Im hebräischen Originalwort bedeutet das „brüllen“, „schreien“ oder „rufen“. Es heißt nicht einfach „er betete“, sondern „er rief an“. Denken Sie dabei nicht an ein Telefongespräch, sondern an jemanden, der am Untergehen ist und um Hilfe brüllt. Denken Sie an einen Funker, der in Not ist und unablässig SOS sendet. Denken Sie an jemanden in einem brennenden Haus im vierten Stock, der verzweifelt nach Hilfe ruft, etwa nach einem Feuerwehr-Sprungtuch. Er rief an.
Es ist auffällig, wie oft das Beten in der Bibel mit diesem Wort beschrieben wird: „Er rief an.“ Das zeigt, dass wir heute eine andere Gesellschaft sind. Wir haben alle wilden göttlichen Ströme kanalisiert und gezähmt. Wenn Sie einmal im oberen Rheintal in der Schweiz sind: Früher floss der Rhein wild und ungezähmt nach Schaffhausen. Heute ist er so kanalisiert, dass er nur noch ein harmloses Gewässer ist, das kaum noch Schaden anrichten kann. Verstehen Sie, was ich meine? Ein paar Staustufen dazwischen, und der Fluss ist gebändigt.
Wir zähmen alle geistlichen Dinge. In der Bibel kommen sie ungezähmt auf uns zu.
Ich habe einmal die Geschichte erzählt, wie ich im Kirchenkampf von Ort zu Ort in Friesland gejagt wurde. Jeden Tag dreimal sprechen – ich hatte keinen Plan und wusste nicht, was passieren würde, falls die Staatspolizei mich erwischt. Um zwei Uhr nachmittags wurde das Dorf bekannt gemacht: Bekenntnisversammlung! Die Kirche war voll, ich sprach, dann ging es weiter. Das war eine grausame Zeit.
Eines Abends kam ich um sieben Uhr in ein einsames ostfriesisches Dorf, fern von der Welt. Dort war eine liebe Frau Pfarrerin, die ein Essen vorbereitet hatte – eine Vision von Sattwerden. Dann kam der liebe Amtsbruder. Ich sagte zu ihm: „Ich habe ein Gelübde getan, dass ich nicht auf eine Kanzel gehe, bevor ich nicht mit jemandem gebetet habe. Wollen wir nicht zusammen beten?“ Er verschwand.
Kurz darauf kam er im Talar und mit einer Agende zurück. Ich sagte: „Ich muss ja keinen Talar anziehen.“ Er erwiderte: „Nein, Sie wollten doch mit mir beten. Das können Sie nur mit dem Buch.“ Ich fragte: „Wie betet denn Ihre Gemeinde?“ Er antwortete: „Das weiß ich auch nicht.“ Man sah ihm an, dass er sich im Gebet nur vorstellen konnte, wohlformulierte Worte zu benutzen, so wie die Väter im 16. Jahrhundert es gelehrt haben. Er hatte Theologie studiert, aber glauben Sie nicht zu viel darauf.
Es gibt hier einige Theologen, denen ich ab und zu einen kleinen Tritt geben muss. Das ist etwas anderes: Simson rief an. Da gab es keinen Bruch, keinen Talar, keine Sprache der Väter. Es war frei heraus, verzeihen Sie, wie im Nationaldienst, wo es nur Worte im Dialekt gibt. Er rief an.
Meinen Sie nicht, dass das das eigentliche Gebet ist? Ich wünsche mir das. Wir können nicht immer so beten, wir sind nicht immer in großer Not. Aber vielleicht sollten wir gerade dann rufen, wenn es uns am besten geht, denn dann sind wir in der größten Gefahr, geistlich tot zu werden. Vielleicht bräuchten wir es dann am meisten, zu schreien: „Herr, lass mich nicht einschlafen!“
Gott schenke uns, dass wir das Königtum in den Anfechtungen unseres Lebens erfahren. Wenn alles schwankt und vergeht, dann einfach schreien: „Herr, gedenke meiner!“ Das ist das Gebet aller Gebete: Herr, gedenke meiner!
Die Bedeutung von „Herr, gedenke mein!“
Jetzt komme ich auf das Gebet selbst zu sprechen. Es beginnt mit den Worten: Herr, gedenke mein! Auf den ersten Blick mag das nicht besonders wichtig erscheinen, aber man muss den Satz einmal umdrehen. Gibt es die Möglichkeit, dass er mich vergisst?
„Gedenke“ bedeutet, daran denken, und das kommt immer wieder in den Psalmen vor, besonders beim Anrufen in der Dringlichkeit. Für die Menschen der Bibel scheint die schrecklichste Möglichkeit zu sein, dass Gott sie vergisst. Im Psalm 1 steht: So sind die Gottlosen nicht, sie sind wie Spreu, die der Wind verweht. Sie werden vergessen.
Für einen Menschen, der auch nur entfernt vom Strahl Gottes berührt ist, ist der Gedanke, Gott könnte ihn vergessen, der schrecklichste überhaupt. Da beginnt man zu schreien, zu rufen: Herr, gedenke mein! Nicht: Er hat mich abgeschrieben. Man kann doch davon träumen, finden Sie nicht? Man kann in schlaflosen Nächten darüber nachdenken, dass Gott mich abschreiben könnte.
Wenn ich ganz ehrlich bin, sage ich mir: Er hätte hundertfach Grund, mich abzuschreiben, mich zu vergessen. Wir haben hier sonst einen Jugendverein, wir sind ja nur Gäste. Am Sonntag habe ich fünfundzwanzig Jungs als Mitglieder aufgenommen. Sie zahlen einen kleinen Beitrag, der für die Mission verwendet wird. Im Jahr darauf wird immer so eine Art Pranger aufgestellt von denen, die ihren Beitrag ein ganzes Jahr nicht bezahlt haben.
Das heißt, das Ding ist ernst. Dann kommen sie gerannt und zahlen schnell, bis auf drei oder vier, die gar nicht mehr da sind, inzwischen weggerutscht. Und das ist für mich immer das Schrecklichste, wenn unser Atze, der das macht, die Karten von diesen Leuten rausholt. „Sie war mal da, war mal aufgenommen. Es lohnt sich nicht, weg.“
Und nun rutschen sie aus meinem Gedächtnis weg, nicht wahr? Ich kann ja nicht alle behalten. Sehen Sie, in dreißig Jahren, wie viele Jungs habe ich gehabt? Auf einmal sind sie in der Gemeinde des Herrn vergessen. Aber das heißt nicht, dass Gott sie schon vergessen hat. Doch Gott könnte eines Tages sagen: „Ich tue eure Karte aus der Kartothek weg, aus dem Lebensbuch.“
Dann kannst du ein großer Mann in der Welt werden, aber du bist abgeschrieben. Du bist überschüttet worden mit Gnade. Er hat dir seinen Sohn gegeben, dir Vergebung der Sünden angeboten, seinen Geist geschenkt. Du wolltest nicht. Auch eine Zeit lang hast du mitgespielt, aber auf Dauer wolltest du nicht, du wolltest keine Wiedergeburt.
Man muss sich diese Möglichkeit nur klar machen. Verstehen Sie, im Neuen Testament gibt es einige schaurige Geschichten von den törichten Jungfrauen, die zu spät zum Hochzeitsaal kommen, an die Tür klopfen und dann hören: „Ich kenne euch nicht.“ Sie stehen einmal draußen vor dem Reich Gottes und hören nie ein Zornwort, sondern sind abgeschrieben, unbekannt, ausgetan.
Diese Möglichkeit muss man sich vor Augen stellen. So verstehen wir das Gebet Simsons: Herr, gedenke mein! Er hat im Gefängnis, als er geblendet und mit geschorenen Haaren dort lag, wahrscheinlich die Hölle durchlebt. Hat er mich abgeschrieben? Ist das bei mir passiert?
Und nun, als er herausgeführt wird und den Spott des Volkes spürt, fühlt er: Er hat mich nicht abgeschrieben. O Gnade! Nicht das Schreien, sondern das nochmalige Rufen: Herr, gedenke mein! Er hat es hunderttausendmal im Gefängnis geschrien. Nun steht es einmal da, in der Gewissheit: Herr, gedenke mein! Er hat mich noch einmal zum Werkzeug gemacht.
Aber ich muss auf dieses Gebet beim nächsten Mal noch zurückkommen, das kann ich jetzt nicht im Galopp besprechen.