Heimatverbundenheit und Erwartungen an Jesus von Nazareth
Jesus und die Nazarener
Seit neun Jahren darf ich hier in Korntal leben, obwohl ich ein alter Stuttgarter bin. Meine Frau und ich sind in Stuttgart aufgewachsen. Wir beziehen in Korntal, weil es zum Landkreis Ludwigsburg gehört, die Ludwigsburger Ausgabe der Stuttgarter Zeitung.
Sie können sich nicht vorstellen, seit gestern ist die ganze Ludwigsburger Ausgabe der Stuttgarter Zeitung voll mit Horst Köhler – unser Ludwigsburger wird Bundespräsident, unser Ludwigsburger. Ich fühle mich beinahe ein bisschen komisch, weil ich bloß Korntaler bin, aber nur die Ludwigsburger Zeitung habe. Aber so kann es sein: der Stolz auf die Heimat, die Gefährten und Freunde auf ihren Mann!
So hätte es ja auch sein können, wenn Jesus nach Nazareth gekommen wäre. Was wissen wir von Nazareth? Wir wollen es kurz zusammentragen. Wir sind das Landvolk der Reformation, wir haben die Bibel, und jetzt bringen wir uns etwas bei: Was wissen wir von Nazareth?
Wie kommt Jesus nach Bethlehem und dann plötzlich nach Nazareth? Wahrscheinlich war Nazareth die Heimat von Maria, nicht? Als sie aus Ägypten zurückkamen, zu Beginn des Matthäusevangeliums, zogen sie nach Nazareth. Deshalb wurde Jesus Nazarener genannt.
Wo wird Jesus noch Nazarener genannt, an welcher wichtigen Stelle? Am Kreuz: Jesus von Nazareth, König der Juden. In der Apostelgeschichte haben die ersten Christen diesen Ehrennamen des Nazareners immer geführt.
Paulus sagt, er müsse viel leiden um des Namens Jesu von Nazareth willen. Denn Nazareth war für jemanden in Jerusalem wie ein abwertender Beiname. Das ist, als würde man sagen: der Abgeordnete von Ockersheim und meint damit Kohl abwertend. Oder beim Wahlkampf für Präsident Bush hieß es: der Bankräuber aus Nirgendwo, also irgendwo aus den Südstaaten. Bei Carter sagte man: der Erdnussverkäufer da irgendwo aus North Carolina oder so. So gibt man Beinamen.
Und es war eigentlich abwertend gemeint: Jesus von Nazareth. Wissen wir eine Stelle, wo die ganze Abwertung deutlich wird? Was kann aus Nazareth Gutes kommen? Johannes 1 berichtet, dass Nathanael, als Philippus sagt: „Komm, wir haben den gefunden, von dem bei Mose ein Prophet steht, Jesus von Nazareth“, antwortet: „Entschuldigung, was kann von Nazareth denn schon Gutes kommen?“
Nichts Besonderes, denn Nazareth wurde verachtet. Die ersten Christen aber sagten: Jawohl, im Namen Jesu von Nazareth stehe auf und wandle! Oder: Gold und Silber habe ich nicht, aber im Namen Jesu von Nazareth! Jawohl, zu dem stehen wir. Dort ist Jesus aufgewachsen.
Jesus’ Leben und Umfeld in Nazaret
Jetzt haben wir eine Stelle noch nicht. Wer hat denn in Nazaret gelebt? Wir wissen vom zwölfjährigen Jesus, als sie auf dem Weg von Jerusalem zurück in die Heimat nach Nazaret waren. Wahrscheinlich drei Tage lang meinten Maria und Joseph, er wäre unter den Gefährten. Sie suchten ihn unter den Verwandten und Bekannten, heißt es in Lukas 2.
Also hatte Jesus in Nazaret Verwandte, Leute, die ihn kannten, Bekannte, Gefährten, Schulkameraden, mit denen er Unterricht in der Synagoge besucht hat. Und jetzt wird in Lukas 4 berichtet, wie Jesus nach Nazaret kommt. Ich darf Sie bitten, Lukas 4 aufzuschlagen: Lukas 4, Begegnung des Jesus, der aus Nazaret stammte oder aufgewachsen war, mit seinen Freunden, Bekannten, Verwandten, Gefährten.
Wir fangen an bei Vers 14: Lukas 4, ab Vers 14: Und Jesus kam in der Kraft des Geistes wieder nach Galiläa, und die Kunde von ihm erscholl durch alle umliegenden Orte. Er lehrte in ihren Synagogen und wurde von jedermann gepriesen. Also wieder Horst Köhler: Jetzt überschlagen sich die Leute, ja, da! Das ist der Kandidat. Warum sind wir bisher nicht draufgekommen? Alle sagen, der Jesus ist interessant.
Und jetzt kommt er nach Nazaret. Die Frage ist, ob der Jubel in Nazaret erst recht groß wird. Und er kam nach Nazaret, wo er aufgewachsen war. Wie lange hat er wohl in Nazaret gelebt? Fast dreißig Jahre. Also er war wahrscheinlich zwei, drei Jahre alt, als er von Ägypten zurückkam. Und als Jesus auftrat, heißt es später, er war etwa dreißig Jahre alt.
Es wird gehalten, wenn Sie sich zurückschlagen, bei Kapitel 3, Vers 23: Dort heißt es, Jesus war, als er auftrat, etwa dreißig Jahre alt und wurde gehalten für einen Sohn Josephs, der ein Sohn Elis war. Dann kommt der ganze Stammbaum. Also hat Jesus 27, 28 Jahre lang in Nazaret gelebt. Das müssen wir uns mal klar machen.
Der württembergische geistliche Vater Steinhofer hat ein Büchlein geschrieben: Die dreißig Jahre in Nazaret. Darin überlegt er, was da alles geschehen ist. Da müssen wir klar machen: Wenn in unseren Zeitungen steht, dass ein neuer Rektor an die Realschule kommt oder ein neuer Leiter des Sozialamtes, dann kommt eine kleine Biografie. Er ist geboren in Gaggenau, aber zur Schule gegangen in Karlsruhe, dann aufs technische Gymnasium, hat seine Ausbildung bei der Handelsfirma gemacht, hat seine Frau kennengelernt aus dem Elsässischen, und sie hatten drei Kinder.
Das Entscheidende passiert in den ersten drei Jahrzehnten unseres Lebens. Danach verändern sich höchstens noch die Gehaltsstufe und die Haarfarbe, aber sonst nicht mehr viel. Die entscheidenden Jahre im Leben eines Menschen verbringt Jesus in Nazaret. Wenn überhaupt irgendwo auf unserem Erdenrund Menschen begreifen sollten: Dieser Jesus gehört zu uns, dann war Nazaret der Platz, wo sie das eigentlich begreifen müssen. Das ist einer von uns. Er gehört ganz zu uns, er kennt uns durch und durch.
Er hat ja auch geteilt mit den Bewohnern von Nazaret die Verachtung: Was kann aus Nazaret Gutes kommen? Das schweißt auch zusammen. In Württemberg spricht man immer vom Heiligen Korntal, so etwas Lächelndes: Heiliges Korntal, die sind besonders bigott und besonders eng und so nicht. Das schweißt zusammen, dann sind wir es eben nicht. Aber wir lassen trotzdem nichts auf uns kommen. Wir wissen, was wir wert sind.
Jesus’ Erfahrungen und Lehren aus Nazaret
Was hat Jesus in diesen 28 Jahren in Nazaret gelernt? Zuerst wurde er an der Schrift unterwiesen. Als zwölfjähriger Junge haben sich die Schriftgelehrten und Ältesten darüber gewundert, welche Antworten und Fragen er formulierte. Jesus hat aufgrund der Schrift seinen Weg erkannt.
Morgen wird über das Jonah-Zeichen gepredigt: Wie Jonah drei Tage im Bauch des Fisches war, so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte in der Mitte der Erde sein. Jesus hat seinen Weg aufgrund der Schrift erkannt. Kennen wir eine solche Stelle? Er sagt immer wieder, dass, so wie Mose die Schlange erhöht hat, auch der Menschensohn erhöht werden wird, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.
Jesus hat seinen eigenen Weg aufgrund der Schrift bestätigt gefunden. Aber er hat auch die Sorgen und Nöte eines Menschenlebens in Nazareth gekannt. Ja, als der ewige Sohn Gottes hat er sie verstanden. Er konnte sie in Worte fassen – zum Beispiel wie ein Ochse, ein Esel oder ein Schaf, das in einen Brunnen fällt und sogar sonntags herausgeholt wird. Oder wenn der Sämann sieht, dass die Saat auf verschiedenen Böden fällt: auf den Weg, auf felsigen Boden.
Ich möchte sie auf die Spur setzen, damit sie bei den Gleichnissen und Worten des Herrn Jesus nachgehen, wie er die Sorgen der Menschen verstehen kann. Ein Weib hat Angst vor der Stunde der Geburt und den Schmerzen. Das dachte auch unsere aller Mutter, als sie geboren hat. Vor den letzten Pressen hatte sie Angst, aber wenn das Kind geboren ist, ist der Schmerz vergessen vor lauter Freude, dass ein Kind zur Welt gekommen ist. Jesus hat das gekannt und konnte mitfühlen mit einer gebärenden Mutter, weil er es miterlebt hat. Da war nicht das Fenster zu oder man ging auf eine Wochenstation im Krankenhaus.
Er hat erlebt, wie es ist, wenn Motten und Rost den Besitz fressen, wenn man ein Geldstück verliert oder wenn ein Schaf sich verläuft. Wenn ein Haus auf Fels gebaut wird – er, der Zimmermannssohn, wusste, dass man einen festen Grund braucht. Er wusste auch, dass man beim Bau die Finanzen überschlagen muss, damit keine Bauruinen stehenbleiben.
All diese Beispiele, die Jesus so lebensnah bringt, sind Nazareterfahrung hautnah. So konnte er den Menschen predigen, dass sie etwas verstehen konnten. Das war nicht wie bei Theologen, die oft über die Köpfe hinweg sprechen. Jesus schöpfte aus dem Alltagsleben – bis hin zur engen Pforte: Die Menschen gehen lieber durch die breite Pforte, durch das breite Tor. Jesus knüpft daran an und sagt, dass der Weg zum Himmel durch die enge Pforte geht und nicht durch den breiten Weg.
Aber Jesus hat auch in Nazareth die Verlogenheit und Scheinheiligkeit vieler frommer Menschen erkannt. Sie bringen ihre Gabe zum Altar nach Jerusalem, sind aber unversöhnt mit ihrem Nächsten. Dann soll man lieber seine Gabe lassen und sich zuerst mit dem Bruder versöhnen. Und wenn man fastet – sind unsere Fastenden auch da –, dann sollen sie ihr Angesicht salben und nicht herumlaufen. Jesus sagt: „Ich halte das bald nicht mehr aus.“ Er meint, dass man mit dem Fasten nicht nur scheinheilig sein soll, sondern es ehrlich meinen muss.
Der gierige Blick – du brichst die Ehe nicht erst, wenn du mit der fremden Frau gehst, sondern schon mit deinem Blick. Was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders? Jesus spricht vom Richtgeist. Wie viel wird bis heute in unseren Gemeinden kritisiert und gerichtet! All das hat Jesus in der Bergpredigt formuliert, weil er es in Nazareth gesehen hat.
Man sagt heute, Missionare, die unter Stämmen und Nationen wirken wollen, brauchen eine Inkulturation. Sie müssen in die fremde Kultur eintauchen. Der Heilige Geist kann dabei helfen. Gottfried Osemenza hat immer gesagt: Wie der Missionar Christaller die Sprache der Thuis in Ghana verstand, so verstehen wir sie nicht einmal selbst. Der Heilige Geist wirkt dieses Wunder schon bei der Übersetzung – so wie Hedwig von Reden eine Sprachgabe hatte.
Wir haben es beim Essen besprochen: Schon bei der Türkenmission, wenn wir versuchen, Türken zu Jesus zu führen, müssen wir ihre Kultur verstehen. Warum ziehen sie vor dem Haus die Schuhe aus und nicht erst in der Moschee? Was darf man essen, was nicht? Wo hat die Frau den Vorrang und wo nicht? Die ganzen Gewohnheiten – sich in die Kultur hineinzugeben – das hat Jesus in Nazareth erlebt.
Im 2. Korintherbrief heißt es: Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht. Das heißt nicht, dass Jesus blauäugig war und nicht wusste, was Sünde ist. Er war selbst von keiner Sünde belastet. Aber er hat die Gefahren erkannt, die in unserem Auge sind – den Richtgeist, die brennende Phantasie, die Gier, das Habenwollen, Besitzenwollen, die Sorgen.
Jesus erzählt das Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld: Die Saat, die auf Steine fällt, ist die, die zwar aufgeht, aber von Sorgen und Gier erstickt wird. Liebe Schwestern und Brüder, wir leben in einem Land, in dem es uns so gut geht wie keiner Generation vor uns. Trotzdem gibt es die Gier!
Ich habe in 14 Jahren als Dekan und Pfarrer in Schorndorf viele Wunder erlebt – Heilungen, Gebetserhörungen –, aber nie, dass eine verkrachte Erbschaftsgeschichte geheilt wurde. Am Geld klammern sich auch Christen fest: „Der kriegt mehr, warum hat der die alten Möbel von der Oma bekommen?“ Die Sorge und der Betrug des Reichtums – Jesus nennt es Mammon, Götzendienst. Das hat er alles in Nazareth kennengelernt. Das müssen wir uns mal klar machen!
Die Ablehnung Jesu in Nazaret und ihre Bedeutung
Und jetzt kommt Jesus nach Nazaret, wo er all dies kennengelernt hat, wo eigentlich seine Gefährten und Verwandten leben. Er kennt uns durch und durch, er kennt uns genau.
In Vers 30 machen wir einen großen Sprung zum Abschluss. Schon in Vers 29 lesen wir: Sie standen auf, stießen ihn zur Stadt hinaus und führten ihn an den Abhang des Berges, auf dem ihre Stadt gebaut war, um ihn hinabzustürzen. Aber er ging mitten durch sie hindurch.
Das Wunder besteht nicht darin, dass Jesus, wie es in einem amerikanischen Film dargestellt wird, mit blitzenden Augen die Meute der Nazaretleute anzieht und sie erstaunt. Nein, Jesus hat sie einfach stehen lassen. In Johannes 12 heißt es: Jesus ging hinweg und verbarg sich vor ihnen.
Jesus kann uns auch stehen lassen. Ein Nachtportier muss im Hotel ständig erreichbar sein, Jesus hingegen muss nicht ständig erreichbar sein. Wenn wir nicht wollen, kann er auch weggehen.
Eine Geschichte, die so wunderbar begonnen hat und eigentlich ein Heimkommen, ein Jubel hätte sein können, endet mit dieser Tragödie: Jesus geht weg.
Bitte verstehen Sie das richtig – ich bin erschrocken. Es hätte ja auch bei uns so sein können, dass die Leute von Nazaret sagen: „Mit uns ist doch alles in Ordnung, wir brauchen keinen Erlöser. Wir verehren Gott, wir gehen in die Synagoge, wir können zuhören, wenn die Propheten verlesen werden. Wir lieben die Worte der Gnade.“ So steht es auch gleich in einem Text, den wir noch lesen werden: Mit uns ist doch alles in Ordnung. Dann geht Jesus weg.
Ich denke, wir sind das Volk der Reformation. Wir haben Erweckungsbewegungen, Evangelisationen, Kalender, eine Fülle von Schriften. Wir bekommen so viel von Missionswerken, Drucksachen, dass man kaum noch nachkommt. Sie stapeln sich auf dem Nachttisch und werden oft weggelegt, bevor man sie gelesen hat. Uns geht es wohl. Es gibt wunderbare Druckschriften auf Hochglanzpapier.
Wir haben Tagungsstätten wie diese hier, eine solche Dichte von hauptamtlichen Mitarbeitern im Reich Gottes, wie es in keinem anderen Land gibt. Eine Fülle von Diakonen, Missionaren, Stadtmissionaren, Diakonissen, Sozialarbeitern. Und vielleicht sagt Jesus: „Ich gehe weg, ich habe kein Interesse. Siehe, ich stehe vor der Tür. Ich bin nicht bei euch drin.“
In Laodizea haben sie gemeint, wie in Offenbarung 3, sie seien reich und hätten keinen Bedarf. Und Jesus sagt: „Nein, entschuldigt, ich bin draußen vor der Tür, nicht bei euch drin.“
Es war kein großes Fest des Heimkommens, sondern eine verpasste Entscheidungsstunde in Nazaret, die im Grunde genommen schon vorweggenommen war. Ganz am Anfang des Evangeliums bei Lukas ist das großartig aufgebaut. Jesus sagt: „Wenn sie euch von einer Stadt in die andere verfolgen, dann schüttelt den Staub von euren Füßen.“ Das heißt: „Ich möchte nicht mal den Dreck an den Schuhen von euch haben. Weg!“ Das Evangelium war nahe bei euch, aber wenn ihr nicht wollt, müsst ihr es ja nicht annehmen.
Oder wenn Jesus mehrfach sagt: „Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.“ Ihr in Nazaret, ihr wart berufen, ihr wart eingeladen. Wenn überhaupt jemand hätte begreifen können, dass ich, Jesus, der Sohn Gottes, zu euch gehöre, dann hättet ihr es begreifen können.
Ich sage euch: Keiner derer, die geladen waren, wird mein Abendmahl schmecken (Lukas 14). Ihr wart eingeladen. Eine ganz tragische Stunde.
Und wir müssen immer mitdenken, weil es ja auch uns betrifft. Auch wir sind eingeladen. Gott bewahre uns davor, dass Jesus von uns weggeht. Herr, bloß das nicht!
Aber es wird höchste Zeit, dass wir den Text noch einmal genauer anschauen: Was war denn eigentlich passiert?
Jesus liest in der Synagoge und verkündet seine Sendung
Vers 16: „Er kam nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, und ging nach seiner Gewohnheit am Sabbat in die Synagoge.“
Darf ich an dieser Stelle kurz unterbrechen, um einen Kommentar einzufügen? Bei einer Gemeinschaftsstunde auf der Schwäbischen Alb sagte jemand: „Im Ruhrgebiet kommen die Leute in die Kirche aus Gewohnheit und Sitte.“ Daraufhin meinte der alte Stundenbruder Franz Schwenkel: „Das ist eine gute Sitte.“
Heute erleben wir jedoch, dass in unseren Gemeinden, selbst in solchen, die gut versorgt sind mit bibeltreuen Verkündigern, der Gottesdienstbesuch nachlässt. Viele sagen: „Na ja, ich höre mir am Radio etwas an oder lese selber eine Andacht.“ Jesus aber ging nach seiner Gewohnheit am Sabbat in die Synagoge. Obwohl er als Sohn Gottes hätte sagen können: „Ich bringe der Welt die gute Botschaft, warum muss ich mir die Schriftgelehrten anhören?“ – war er sich nicht zu gut dafür. Er ging nach seiner Gewohnheit in die Synagoge, stand auf und wollte lesen.
In der Synagoge durften nur die Männer die Abschnitte lesen, die verlesen werden sollten. Da wurde ihm das Buch des Propheten Jesaja gereicht. Das ist sehr interessant. Als er das Buch aufschlug, fand er die Stelle, wo geschrieben steht: Jesaja 61 – „Der Geist des Herrn ist auf mir.“ Das ist eine zentrale Stelle zum Verständnis dessen, was Jesus für mich und für Sie bedeutet.
Auch bei Jesaja gibt es eine wichtige Stelle, nämlich Jesaja 53. Dort wird beschrieben, dass er der allerverachtetste und unwerteste war, sogar in seiner Heimat Nazareth. Doch der Plan des Herrn wird durch seine Hand gelingen. Er trug unsere Sünde. Der Herr warf unsere aller Sünde auf ihn, weil er die Sünde der Vielen getragen hat. Wenn Jesus später sagt, er sei gekommen zur Erlösung für die Vielen, dann bezieht sich das auf Jesaja 53.
Warum liest Jesus aber nicht die Stelle aus Jesaja 53, als ihm die Rolle gereicht wird? Warum schlägt er nicht dort auf? Unser Professor Martin Hengel aus Tübingen sagte einmal auf meine Frage: „Im Judentum wird in den meisten alttestamentlichen Prophetenstellen Jesaja 53 ausgelassen.“ Das geschieht ganz bewusst. 100 Jahre nach Christus war es eine bewusste Entscheidung, Jesaja 53 nicht mehr zu lesen, weil es so deutlich auf Jesus hinweist. Israel müsste sonst sagen: „Das ist doch der Allerverachtete, den Gott erwählt hat, um die Sünden zu tragen.“
Jesus kann also nur Jesaja 61 aufschlagen. Aber diese Stelle ist genauso wichtig: „Der Geist des Herrn ist auf mir.“ Bei Jesaja wird das mehrfach gesagt, etwa in Jesaja 11, wo es heißt: „Ein Reis wird hervorgehen aus dem Stamm Isais, auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn.“ Und wenn bei der Taufe gesagt wird, der Geist komme wie eine Taube herab, dann ist das der Geist des Herrn, der auf Jesus ist. Der Geist Gottes durchdringt ihn, weil er ihn gesalbt hat, das Evangelium den Armen zu verkündigen.
Welches Wort würden Sie betonen, wenn Sie aufgefordert wären, die Jesajastelle zu lesen? Würden Sie sagen: „Der Geist des Herrn ist auf mir“, oder nur „Der Geist des Herrn“, oder „weil er mich gesalbt hat“, oder „zu verkündigen“? In letzter Zeit wird in der normalen Christenheit oft betont: „Das Evangelium den Armen“, die Botschaft der Freiheit für die Armen.
Was würden Sie betonen, wenn Sie zum Lesen aufgefordert würden? Irgendetwas müssten Sie betonen, sonst wäre es langweilig: Alle Menschen, der Geist, der Herr – alles ist möglich. Ich möchte betonen: „zu verkündigen“.
Wie heißt unsere Jahreslosung? „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht.“ Was Jesus über seine Worte gesagt hat, ist beachtlich. Vor Pilatus sagt Jesus: „Dazu bin ich geboren, dazu bin ich in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll.“
Sie sollten dem nachgehen, wenn wir schon eine so schöne Jahreslosung haben: „Meine Worte vergehen nicht.“ Wie viel hat Jesus über seine Worte gesagt! „Wenn ihr in meiner Rede bleibt, in meinen Worten, dann seid ihr in Wahrheit meine Jünger. Die Wahrheit wird euch freimachen. Wer nicht an meinem Wort bleibt, der ist schon gerichtet. Die Worte, die ich euch gegeben habe, sind Geist und Leben.“
Der Heilige Geist schwebt nicht irgendwo herum, sondern die Worte, die Jesus gegeben hat, sind Geist und Leben. In meinen Krankheitszeiten vor bald drei Jahren haben mir die Lieder von Hiller sehr viel bedeutet. Dort heißt es: „Wenn ich auch gar nichts fühle von froher Zuversicht, entzieh mir bis zum Ziele doch diese Gnade nicht, dass ich mit Verlangen an deinen Worten hängen möge.“
Oder: „Dass ich mit Verlangen an dem festhänge, was mir dein Wort verspricht.“ Auch wenn ich keine Heilung erlebe, keine Wunder, möchte ich an dem festhalten, was dein Wort verspricht. Was verspricht denn das Wort Gottes bis zum Sterben hinein? Nicht bloß das Wort Gottes – das Wort ist an Jesus gebunden. „Niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen.“ „Ich will wiederkommen und euch zu mir nehmen.“
Sie sollten sich diese Worte aufschreiben. Jesus sagt: „Ich bin gekommen, um zu verkündigen.“ Wir sollen die Worte ernst nehmen. Petrus sagt: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“
Als Jesus sagt: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, die frohe Botschaft zu verkündigen“, meint er damit nicht nur die Armen im Geldbeutel, sondern auch die Menschen, die Angst vor dem Sterben haben. Ich erlebe es immer wieder in der Seelsorge, dass Menschen, die für mich wie Säulen im Reich Gottes aussehen, beim Sterben ins große Flattern kommen. Das ist ganz normal, das ist menschlich.
Stimmt denn das mit dem Glauben, dass Jesus mich nicht loslässt, oder habe ich mir etwas vorgemacht? Diesen armen Menschen hat Jesus das Evangelium gebracht, die frohe Botschaft. „Niemand soll euch aus meiner Hand reißen. Ich will wiederkommen, ich will euch sehen. Durch mich kommt man zum Vater.“
Jesus hat mich gesandt, „den Gefangenen zu predigen, dass sie frei sein sollen.“ Auch in meinem Körper bin ich gefangen. Ich bin gebunden an das, was meine Phantasie sagt, meine Ungeduld, meinen Hass, meinen Zorn, mein Aufbegehren – all das gehört zum Körper. Aber ich soll einmal frei werden von all dem, was mich belastet.
Er wird mich verklären in seinem Bild. Wir werden ihn sehen, wie er ist, und wir werden ihm gleich sein. Dazu ist Jesus gekommen, das anzukündigen. Er kam, „den Blinden zu predigen, dass sie sehen sollen.“
Wenn wir einmal erkennen werden: „Ich will schauen dein Antlitz in Gerechtigkeit, ich will satt werden, wenn ich erwache an deinem Willen. Dann will ich froh erwachen, mach meinen Mund voll Lachen.“ Das ist das ewige Leben.
Johannes 17 definiert ewiges Leben so: „Dass wir dich erkennen, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus.“ Das wird allein Herrlichkeit sein, wenn ich frei von Weh sein dein Angesicht sehe. Das meint Jesus, das habe ich euch angekündigt – das Angebot.
Reaktionen der Zuhörer und die Herausforderung des Glaubens
Zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn – so steht es im Buch Lukas, Kapitel 4, Vers 20. Jesus gab das Buch dem Diener der Synagoge und setzte sich. Nun wissen Sie, wie im Synagogengottesdienst verfahren wird: Die Männer können aufstehen. Wir wissen auch von Paulus, dass man gewunken wurde, wenn man lesen wollte. Dann durfte man einen Schriftabschnitt lesen und setzte sich anschließend wieder.
Alle Augen in der Synagoge richteten sich erwartungsvoll auf ihn. Es waren fromme Leute, die aufmerksam zuhörten, was aus dem Propheten Jesaja vorgetragen wurde. Jesus begann zu ihnen zu sprechen: „Heute ist dieses Wort der Schrift vor euren Ohren erfüllt.“ Der Geist Gottes hat mich beauftragt und bevollmächtigt, euch die Fülle der Gnade Gottes zu verkündigen.
In Vers 22 heißt es: „Und sie gaben alle Zeugnis von ihm und wunderten sich, dass solche Worte der Gnade aus seinem Mund kamen.“ Es war beeindruckend, wie er redete – imponierend und faszinierend. Sie entdeckten etwas von der Herrlichkeit Gottes in seinen Worten der Gnade. Doch sie sprachen: „Ist das nicht Josefs Sohn? Ist er nicht der aus dem Zimmermannsgesellen?“ Wie konnte das sein?
Das war der entscheidende Bruch in Nazareth. Jesus sagte einmal: „Damit sie den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren.“ Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt auch den Vater nicht. Er ist nicht bloß der Zimmermannssohn, nicht bloß Josefs Sohn. Josef war sein Ziehvater.
Ich habe Ihnen gerade gesagt: Der Geist des Herrn, der Geist Gottes, ist auf mir, damit ich euch die Geheimnisse Gottes weitergebe, ankündige und anbiete. Jetzt müsstet ihr doch sagen: Der Erlöser ist gekommen, der Sohn Gottes hat uns besucht – Josef’s Sohn.
Wir Christen machen oft zu viel aus unseren Sünden und moralischen Fehlern. Gerade heute wird in der Christenheit viel zu viel über Moral gesprochen, weil es in unserer Gesellschaft so unmoralisch zugeht. Das ist eine Verführung. Jesus hat nach Johannes 16 gesagt: „Der Heilige Geist wird euch die Augen auftun, damit ihr wisst, was Sünde ist.“ Was ist Sünde? Dass sie nicht an mich glauben.
Ich erinnere mich noch an die Eröffnung des Kirchentags 1952, dem Nachkriegskirchentag in Stuttgart. Unser Altlandesbischof Haug, ein väterlicher Freund, rief in die nächtliche Versammlung beim Eröffnungsgottesdienst hinein: In der Christenheit kann Leben erst wieder aufbrechen, wenn wir Christus wieder ernst nehmen – nicht bloß Gott oder irgendetwas Religiöses oder Frommes, sondern Christus selbst.
Es ist die Sünde, dass sie nicht an mich glauben. Und jetzt geht es logisch weiter: Jesus sprach zu ihnen: „Ihr werdet mir freilich dieses Sprichwort sagen: ‚Arzt, hilf dir selbst!‘ Denn wie große Dinge haben wir gehört, die in Kapernaum geschehen sind, tust du auch hier in deiner Vaterstadt?“
Jesus hat einmal sogar dem Hauptmann von Kapernaum gesagt: „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, glaubt ihr nicht.“ Euch genügt das Wort nicht, die Vollmacht, mit der ich rede. Ihr müsst ein besonderes Halligalli haben, eine Stimmung, die ganz groß ist im Bau. Das ist die große Gefahr der Christenheit heute. Viele meinen, alles müsse mit Moderation, Zaubertricks, Bands und Musik aufgemotzt werden, um die Botschaft aufzupeppen.
Da ist die Welt besser, da schaue ich mir lieber Harald Schmidt an, wenn es überhaupt noch läuft. Da sind wir immer nur zweitklassig. Wir wollen immer Zeichen und Wunder – Heilungen, wie in der Rede, wunderbar. Aber Jesus sagt: „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, ihr habt das Wort!“
Dazu bin ich in die Welt gekommen, das Wort: „Du bist mein!“ Wenn Jesus sagt: „Ich erkenne die Meinen“, gibt es kein größeres Wort. Jesus bezeichnet uns schwache, versuchliche Menschen als die Seinen. Immer wieder sagt er: „Du bist mein!“
Jesus nimmt das auf von Jesaja 43: „Fürchte dich nicht, du bist mein!“ Meine Schafe hören meine Stimme, ich kenne sie, meine! Ich habe vorhin Hiller zitiert:
„Solange ich hier noch walle, soll dies mein Seufzen sein:
Ich spreche in jedem Falle, Herr hilf mir, ich bin dein!
Wenn morgens ich erwache und schlafe abends ein,
befehl ich Gott die Sache, Herr hilf mir, ich bin dein!
Gehe ich an die Geschäfte, so bitte ich um Gedeihen,
ihn um Verstand und Kräfte, Herr hilf mir, ich bin dein!
Will mich mein Fleisch betrügen, betrogen vom Schein,
soll mich dein Geist vertreten, Herr hilf mir, ich bin dein!
In meiner letzten Stunde soll das gelten,
Herr hilf mir, ich bin dein, weil du es gesagt hast,
meine Schafe hören meine Stimme.“
Und wenn Jesus vom verlorenen Schaf spricht, meint er den Hirten, der dem verlorenen Schaf nachsteigt. Wenn er es gefunden hat, sagt er nicht: „Oh, du dummes Schaf, dass du immer wieder wegläufst!“ Nein, er nimmt es auf die Schultern, vor Freude, und ruft den Freunden und Verwandten zu: „Freut euch mit mir, ich habe das dumme Schäfle gefunden!“ Nein, er sagt: „Ich habe mein Schaf gefunden, mein!“
Lassen Sie uns an diesem Wort festhalten. Es soll heute Abend kein wichtigeres Gebet geben als: „Herr, hilf mir, ich möchte zu Deinen gehören. Sprich über mich: Du bist mein!“ Das kann nicht verstärkt werden durch Wunder und Zeichen.
Verstehen Sie den ganzen Zusammenhang des Lukasevangeliums, wenn Sie es schnell durchblättern: In Kapitel 1 heißt es, dass Maria einen Sohn gebären wird, der Jesus heißen soll. Er wird auf dem Thron seines Vaters sitzen und König sein über das Haus Jakob. Bei Gott ist nichts unmöglich.
Dann folgt der Lobgesang des Zacharias: Er besucht und erlöst sein Volk. „Euch ist heute der Heiland geboren, Christus, der Herr der Stadt Davids.“ Zacharias sagt: „Ich habe den Heiland gesehen“, ebenso Simeon, der Geist des Simeon.
Dann kommt die Versuchungsgeschichte in Kapitel 4, wo Jesus mit dem Wort der Schrift die Versuchungen besteht. Nach den drei Versuchungen des Satans folgt die vierte Versuchung: Gibt Jesus auf, wenn er in seiner eigenen Vaterstadt abblitzt? Wird er dann sagen: „Dann lassen wir es.“ Wenn die Menschen nicht wollen, wenn das so ist – er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf (Johannes 1) –, dann lässt er es. Dann geht er zurück zum Vater.
Wenn Jesus mitten durch sie hindurchgeht, verlässt er wohl Nazareth. Aber er hat noch andere Städte und Dörfer, zu denen er gehen muss.
Luther hat einmal gesagt: Das Evangelium ist wie ein fahrender Platzregen, so ein Aprilregen, den man über den Marktplatz kommen sieht. Ein Regen, der schnell zieht und dann wieder weg ist. Vielleicht ist der fahrende Platzregen des Evangeliums schon über uns hinweggezogen und nicht mehr da.
Solange ich es noch festmachen kann, auch wenn Gott mir noch Kräfte und einen klaren Verstand gibt, möchte ich mich an sein Wort halten. Ich möchte dein Eigen sein.
Vielleicht ein dummes Beispiel: Als wir in Tansania waren, bei Bischof Shitemo in seiner armen Diözese von Morogoro, erzählte er von seinem zweiten Pfarrer an der Kathedrale, einem jungen Afrikaner. Er hat die Gabe des Heilungsgebets, kann die Hand auflegen. Wir fragten: „Und Sie, Bischof?“ Er antwortete: „Man muss ja nicht alle Gaben haben.“
Dann sagte er: „Ja, bei uns gab es auch mal Blumenharten, aber es gibt so wenig Heilungen und Wunder.“ Ganz erstaunt fügte er hinzu: „But you have doctors.“ Ihr habt doch Ärzte, ihr braucht gar keine Wunder. Ihr seid versorgt mit Medizin und herrlichsten Einrichtungen.
Das war so nicht so. Und so möchte ich fast übertragen sagen: Wenn wir sagen: „Herr, du kannst doch Wunder tun, du kannst große Wunder tun, dass du überhaupt hier stehen kannst.“ Ich weiß, dass es ein Wunder ist, dass unser Herr noch am Zeitpräsid an mir arbeiten muss, bevor ich würdig bin der Auferstehung.
Aber es gibt großartige Wunder. Doch Herr Jesus sagt: „Ich habe doch mein Wort.“ Und mit dem kannst du doch sterben, ob du 18 oder 82 bist. „Herr, hilf mir, ich bin dein!“ Das ist das Wichtigste.
Die Bedeutung des Glaubens und der Worte Jesu
Darf sie bitte Johannes 3 aufschlagen? In Johannes 3 gibt es viele Querverbindungen zu den anderen Evangelien. Besonders bekannt ist Johannes 3,16: "So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern ewiges Leben haben."
Jetzt wird es wichtig: Gott hat seinen Sohn, den Josephsohn, nicht in die Welt gesandt, damit die Welt gerichtet werde, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, den Sohn Gottes, wird nicht gerichtet. Wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes glaubt. Das ist das Gericht: dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen die Finsternis mehr liebten als das Licht, denn ihre Werke waren böse.
Was Jesus hier sagt, wird anschaulich in Lukas 4. Dort begegnet Jesus den Leuten von Nazareth, die nicht an den Sohn Gottes, den Josephsohn, glauben wollen. Sie glauben nicht an sein Wort. Gleichzeitig ist dies der Beginn einer großen Brücke zur Passion, denn Jesus wird ausgestoßen und leidet draußen vor der Stadt.
Lasst uns nun mit ihm hinausgehen aus dem Lager und mit ihm leiden! Wir sind Fremdlinge in der Welt mit ihm. Wir dürfen nicht betroffen sein, wenn die Leute sagen: "Die sind komisch" oder "Die sind ja so bigott." Wenn wir an den Namen des Sohnes Gottes glauben, können wir uns so verhalten, wie wir wollen – wir sind komisch in dieser Welt. Vielleicht glauben wir noch an etwas Religiöses oder Ähnliches. An Jesus entscheidet sich alles, an seinem Wort.
Gib, dass wir in deinem Wort leben!
Es ist wunderbar, dass ich den lieben Freund Heinz Bröschl hier getroffen habe. Wir haben miteinander in Jugendwerkszeiten gerungen und gearbeitet. Der damalige Vorsitzende des evangelischen Jugendwerks in Württemberg war Professor Doktor Helmut Lamperter, ein großer Schriftausleger. Wenn er unsere Sitzung des Landesarbeitskreises begann, mit einer kurzen Andacht und Gebetsgemeinschaft, schloss er diese meist mit einem Gebet aus der Reformationszeit ab: "Erhalte uns, Herr, bei deinem Wort." Beim letzten Vers betete er oft: "Gib, dass wir leben in deinem Wort!" Dann machte er eine Pause. Manchmal schaute er hinüber – hat er sich erschöpft oder Kreislaufbeschwerden? Nein, er machte eine lange Pause, die er als "Pause der Armen" bezeichnete. Das war ihm wichtig: "Gib, dass wir leben, in deinem Wort leben!"
Dazu bin ich gekommen: der Geist Gottes ist auf mir, um die Freiheit zu verkündigen – die großartige Freiheit derer, die nicht im Tod bleiben sollen, nicht verdammt sind durch das, was meine ganze Körperlichkeit und alle Einflüsse auf mich hineingebracht haben. Ich muss das nicht durchtragen, sondern bin frei, weil ich sein Angesicht sehen darf.
Will ich eine Begegnung mit Jesus und den Leuten von Nazareth? Mir ist das Herz ganz neu aufgegangen, vielleicht haben Sie es auch gemerkt.
Herr Jesus, danke für dein gutes Wort. Du bist gekommen, nicht damit du dir dienen lässt, sondern damit du uns dienst und dein Leben gibst zur Erlösung für viele, auch für uns, für jeden unter uns. Schenk uns eine Gewissheit des Glaubens, die sich festmacht daran, dass niemand, niemand uns aus deiner Hand reißen wird. Du willst uns herausführen und zum Vater bringen.
Herr, danke für diese vielen Aspekte. Amen!
