Herr Präsident! Ich habe hier noch zwei Dinge anzusprechen.
Das Erste betrifft Bruder Gerhard Wölk, der mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass in der Bibliothek ein großer, schöner Psalmenkommentar in vier Bänden vorhanden ist. Dort findet man viel, wenn man Zeit zum Lesen hat. Spörchs "Die Schatzkammer Davids" ist sehr weit verbreitet und sehr beliebt. Spurgeon ist besonders im englischsprachigen Raum sehr geschätzt, weil seine Sprache beeindruckend ist. Auch im Deutschen ist er sehr bekannt und geschätzt.
Er war ein Mann Gottes, der viel für den Herrn getan hat. Der Herr hat ihn besonders im Bereich des Predigens gebraucht, wie kaum einen anderen Prediger seiner Zeit. Leider ist er relativ früh mit 57 Jahren gestorben. Er hat sich intensiv im Kampf gegen die Bibelkritik engagiert, die damals in England aufkam. Am Sonntag predigte er vor sechstausend Leuten in seinem Tabernakel, und am nächsten Sonntag war seine Predigt bereits in einer Zeitung in New York abgedruckt. Es war beeindruckend, wie der Herr ihn eingesetzt hat.
Spurgeon hat keinen Kommentar geschrieben, außer dem Psalmenkommentar. Er hat hauptsächlich gepredigt, doch seine Predigten wurden oft abgeschrieben und sind heute noch empfehlenswert. Er war ein sehr überzeugter Calvinist, da er in einer calvinistischen Familie aufwuchs. Sein Vater, sein Großvater und vermutlich auch sein Urgroßvater waren Prediger.
Schon mit fünf Jahren kam er zu seinem Großvater. Aus irgendeinem Grund lebte er einige Jahre bei seinen Großeltern. Dort stand er oft in der Bibliothek des Großvaters und bestaunte ehrfürchtig die Bücher. Er wollte sie alle lesen, obwohl er mit fünf Jahren wahrscheinlich noch nicht lesen konnte. Bald begann er jedoch damit.
Einmal kam ein Prediger zu Besuch, wie es oft vorkam. Dieser sah den damals zehnjährigen Spurgeon und betete mit ihm. Er betete so eifrig und innig, dass der Herr aus diesem jungen Mann einen Prediger machen möge, durch den viele gesegnet werden. Dieses Gebet wurde mehr als erhört. Spurgeon hat sich dieses Gebet tief eingeprägt; es hinterließ einen bleibenden Eindruck.
Man muss seinen Calvinismus nicht übernehmen. Spurgeon betont diesen in seinen evangelistischen Ansprachen nicht stark. Allerdings gibt es auch Predigten über calvinistische Themen, zum Beispiel über die Vorherbestimmung. Er hatte seine eigene Anschauung zur Erwählung, ähnlich der der Calvinisten. Abgesehen von diesen Themen kann man ihn sehr empfehlen.
Struktur und Inhalt des Psalms
Heute habe ich noch eine Folie mit einer detaillierten Gliederung, die ich gerade entdeckt habe. Diese Gliederung entspricht im Wesentlichen bereits der, die wir besprochen haben. Ihr könnt aber, wenn ihr möchtet, noch ein paar Punkte ergänzen. Es handelt sich dabei hauptsächlich um den Inhalt der Verse. Auch wenn man die Punkte nicht einträgt, ist es doch hilfreich, sich die Struktur einmal vor Augen zu führen.
Hier sollte die Folie sein. Das habt ihr ja schon alles. Ich möchte noch einmal zurückgehen: Die erste Strophe ist ein Aufruf zum Loben, gefolgt von einer Aufzählung der Wohltaten. Diese Wohltaten hatten wir bereits genannt: Vergebung, Heilung, Erlösung, Krönung mit Gnade und Barmherzigkeit sowie die Sättigung mit Gutem. Dadurch erfolgt eine innere Verjüngung, ähnlich wie der Adler, der wieder jung wird. Das ist der erste Teil.
Der zweite Teil ist die zweite Strophe, die die Barmherzigkeit in seinem Tun beschreibt. Dort heißt es, dass er allen Bedrängten zum Recht hilft. Das gehört zu Vers 6 und Vers 7a: Er hilft allen Bedrängten zum Recht. In Vers 7b wird gesagt, dass er in der Vergangenheit Moses seine Wege offenbarte und Israel sein Tun.
In Vers 8 wird die Barmherzigkeit in seinem Wesen beschrieben. Zuerst heißt es: „Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und groß an Güte ist der Herr.“ Dann folgt die Aussage, dass er nicht immer fortrechten wird. Das bedeutet, er wird mit den Seinen nicht ins Gericht gehen. Weiter heißt es: Er wird nicht ewiglich grollen, das heißt, er trägt ihnen nichts nach. Er ist kein nachtragender, sondern ein vergebender Gott.
Außerdem handelt er nicht als vergeltender Gott nach ihren Sünden, nachdem er ihnen vergeben hat. Wenn er vergeben hat, ist vergeben. Er vergilt ihnen nicht nach ihren Ungerechtigkeiten, sondern ist bereit, mit ihnen völlig neu von vorne zu beginnen.
Diese Untergliederung ist nicht schwierig, denn sie geht allesamt aus dem Text hervor. Man braucht das eigentlich nicht aufzuschreiben, sondern nur die Verse genau durchzugehen. Was ich hier zeige, ist, dass man einen Text gliedern kann, ohne besondere Zusätze. Am besten nimmt man direkt aus dem Text, was der Text hergibt und was genau darin steht. Dann ist man auf sicherem Boden. So hat man eine ganze Predigt oder sogar zwei Predigten.
Weiter geht es mit der dritten Strophe. Diese haben wir alle schon aufgeschrieben. Die dritte Strophe enthält Vergleiche. Zum Schluss, in Vers 14, gibt es eine doppelte Begründung für sein barmherziges Handeln an seinem Volk. Erstens kennt er unsere Gebilde, er weiß, wie wir seit dem Sündenfall beschaffen sind. Zweitens weiß er, dass wir gering sind – wie Staub. Das heißt, wir sind vergänglich und haben in uns selbst keinen Wert. Durch ihn aber werden wir sehr wertvoll.
Das war die vierte Strophe. Hier gibt es einen Zeitvergleich über die Dauer seiner Eigenschaften und seines Handelns. Der Mensch ist kurzlebig, wie Gras, hatten wir schon gesagt. Dagegen ist der Herr ewig. Seine Güte, seine Gerechtigkeit sind ewig.
Dann heißt es: Was ist ewig? Seine Güte, seine Gnade und seine Gerechtigkeit. Über wen erstrecken sich diese Eigenschaften? Über die, die ihn fürchten, über die, die seinen Bund halten und seine Vorschriften bedenken. Man kann jeden Punkt hier wieder mit Unterpunkten versehen oder etwas hinzufügen.
Das war es eigentlich schon, oder? Nein, es geht noch weiter.
Der letzte Teil ist die fünfte Strophe. In dieser Strophe haben wir den Aufruf zum Lob mit der Betonung seiner Königsherrschaft. Dort heißt es also ein Lob über seine Königsherrschaft, ein Wort über seine Königsherrschaft. Der Ort, von dem aus er sie ausübt, ist der Thron, den er im Himmel errichtet hat.
Dann wird die Größe seines Reiches oder die Reichweite seines Reiches beschrieben: Er herrscht über alles. Darauf folgt der Aufruf zum Loben, den wir schon hatten. Seine Boten, die Täter des Wortes, starke, also kräftige Hörer seiner Stimme, alle seine Heere, Diener, Täter seines Wohlgefallens, alle seine Werke.
Man kann diesen Abschnitt also detailliert gliedern, indem man einfach die Verse genau den Versen entsprechend weiterführt. Das war der Nachtrag von vorhin.
Überblick über die Asaf-Psalmen und ihre Themen
Jetzt wollen wir wieder zurückgehen zu Buch 2, wo wir heute Vormittag waren, und uns dort noch ein paar kurze Psalme anschauen.
Psalm 68 muss ich auslassen, da es ein langer Psalm ist. Er wäre sehr interessant, aber ich kann ihn jetzt nicht behandeln. Psalm 69 ebenfalls nicht.
Die Asaf-Psalmen, also die Psalmen 73 bis 83, haben ein gemeinsames Thema. Psalm 73 ist der Einleitungspsalm. Es ist ein Weisheitspsalm über das Wohl der Gottlosen und das Leiden der Gerechten. Wir hatten ihn schon kurz betrachtet. Ich möchte ihn jetzt nicht ausführlich behandeln, obwohl ich einige Punkte hätte. Das würde uns aber Zeit rauben, die wir in diesen Tagen noch brauchen.
Dieser Psalm ist hier als persönlicher Psalm eingeordnet und wird gefolgt von einem nationalen Psalm. Das heißt, in Psalm 73 haben wir die persönliche Krise, in Psalm 74 die nationale Krise. Diese Asaf-Psalmen sind sehr sinnvoll in dieser Reihenfolge gereiht.
Der Gedanke bei Psalm 73 ist: Mir geht es schlecht, den Gottlosen geht es gut, und ich wäre fast zum Stolpern gekommen, als ich die Ehrfurchtslosen beneidete, denen es gut geht. Aber dann ging ich in das Heiligtum und schaute auf ihr Ende.
Psalm 74 beginnt mit einer Frage: „Gott, warum hast du uns verlassen? Warum hast du uns für immer verstossen und deinen Zorn gegen die Herde deiner Weide gerichtet? Gedenke deiner Gemeinde, die du vor Zeiten erworben hast, erlöst hast zum Eigentumsvolk des Berges Zion, auf dem du Wohnung genommen hast. Erhebe deine Schritte zu den immerwährenden Trümmern! Alles im Heiligtum hat der Feind zerstört, es brüllen deine Widersacher inmitten deiner Versammlungsstätte. Sie haben ihre Zeichen gesetzt als Zeichen. Es sieht aus, als wenn jemand die Axt emporhebt im Dickicht des Waldes, und jetzt zerschlagen sie seine Schnitzwerke mit Beilen und Hämmern. Sie steckten dein Heiligtum in Brand, entweihten die Wohnung deines Namens bis auf den Grund. Sie sagten in ihren Herzen: Wir drücken sie alle nieder. Sie verbrannten alle Begegnungsstätten Gottes im Land. Unsere Zeichen sehen wir nicht mehr, kein Prophet ist mehr da, und keiner ist bei uns, der weiß, wie lange oder bis wann das dauern soll. Bis wann soll Gott höhnen der Bedränger? Soll der Feind deinen Namen verachten? Ihm gebührt keine Ehre! Warum ziehst du deine Hand zurück und deine Rechte? Ziehe sie hervor aus deinem Gewand, mache ein Ende!“
Das ist eine Klage, eine nationale Klage. Das Volk befindet sich in einer großen Krise. Es sieht so aus, als ob dieser Psalm von der Zeit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels spricht. Kein Prophet ist mehr da, alle Begegnungsstätten im Land sind niedergebrannt, der Tempel ist zerstört, der Berg Zion sind nur noch immerwährende Trümmer. Das ist ein deutlicher Hinweis auf die Zerstörung Jerusalems.
Vers 12 lautet: „Ist doch Gott, mein Gott, von alters her der Schöpfer von Rettungen inmitten des Landes.“ Dieser Vers ist übrigens der Zentrumsvers in Vers 74, also mittendrin.
Das ist ein Lichtblick in aller Dunkelheit: „Ist doch Gott, mein König von alters her, der Rettungen schafft inmitten des Landes.“
Dann folgt ein Gebet, das von einer Klage zu einem berichtenden Gebet über Gottes Taten in der Geschichte übergeht. „Du zerteiltest das Meer durch deine Stärke, zerschlugst die Köpfe der Meerungeheuer auf dem Wasser, du zerschmettertest die Köpfe des Leviathans.“ Leviathan ist übrigens ein Bild für Ägypten und das Meerungeheuer.
Vers 13 ist ebenfalls ein Bild für Ägypten: „Gabst ihn zur Speise dem Volk der Wüstentiere.“ „Du ließest hervorbrechen Quelle und Bach, immer fließende Ströme, trocknetest sie aus.“ „Dein ist der Tag, dein auch die Nacht, du bereitetest Gestirne und Sonne, du setztest fest alle Grenzen des Landes, Sommer und Winter bildetest du.“
„Gedenke dessen, der Feind hat Jahwe verhöhnt, und ein törichtes Volk hat deinen Namen verachtet. Gib nicht dem Raub die Seele deiner Turteltaube!“ Das ist herzig, sage ich. „Gib nicht dem Raub die Seele deiner Turteltaube!“ Wer ist die Turteltaube? Dein Volk, Israel, die Turteltaube!
Gott spricht hier in zärtlicher, lieblicher Weise. Das heißt, der Beter spricht hier eigentlich über das liebliche Israel: „Herr, das ist doch dein Liebling gewesen, das Israel. Gib doch nicht deine Turteltaube dem Raubtier preis!“
Das kommt aus dem Hohelied oder hat eine Parallele im Hohelied Kapitel 2, Vers 12. Dort wird auch das Liebliche mit der Turteltaube verglichen. Siehe auch Hohelied 2,12-14, Hohelied 5,2 oder Hohelied 6,9 und 19. Dort kommt das Bild öfter vor.
„Die Schade einer Gebeugten vergiss nicht für immer, schau hin auf den Bund, denn die dunklen Winkel des Landes sind voll von Städten der Gewalttat. Lass den Unterdrückten nicht beschämt zurückkehren! Der Gebeugte und der Bedürftige sollen deinen Namen preisen. Steh auf, Gott, führe deinen Rechtsstreit! Gedenke deiner Verhöhnung durch die Törichten den ganzen Tag! Vergiss nicht die Stimme deiner Widersacher! Das Getöse derer, die sich gegen dich erheben, steigt unaufhörlich auf.“
Der Psalm klingt ähnlich wie das Ende von Psalm 89. Können Sie sich erinnern? Wir haben Psalm 89 schon gelesen, ganz ähnlich. Es ist der Standpunkt vom Exil aus: Alles ist kaputt. Herr, denk an deinen Bund! Soll das immer so bleiben? Die Frage bleibt im Raum: Warum hast du uns verstossen? Und bis wann soll das Höhnen der Bedränger dauern? Warum ziehst du deine Hand zurück?
Genau dieselben Fragen finden sich auch in Psalm 89.
So ist also der Anfang des dritten Buches und das Ende des dritten Buches hier parallel. Hier ist kein Lob am Schluss, kein Preis des Herrn am Ende. Hier bleibt nur die Frage: Warum? Und wie lange soll das noch so gehen?
Wechsel zwischen Klage und Lob in den Psalmen 75 bis 77
Und dann kommt der 75. Psalm. Dort gibt es Lob, wir bekennen dir Lob, Gott, wir bekennen dir Lob. Dein Name ist nahe, und deine wunderbaren Taten verkünden es. Hier gibt es wieder einen Lichtblick.
- Psalm: Bekannt ist Gott in Juda, in Israel groß ist sein Name, und in Salem, in Jerusalem, ist sein Zelt und seine Wohnung in Zion. Dort zerbrach er die Blitze des Bogens, Schild, Schwert und Kriegswehr. Glanzvoll bist du, majestätischer als die Berge. Die Starkherzigen sind zur Beute geworden, sie schlafen ihren Schlaf, und alle Helden versagen ihre Hände. Von deinem Scheltwort, Gott Jakobs, wurden sowohl Reiter als auch Pferd tief betäubt.
Du bist furchtgebietend – hier ist das Zentrum von Psalm 76, diese drei Wörter: Du, furchtgebietend, du. Das ist das exakte Zentrum dieses Psalms.
Wer kann bestehen vor dir, wenn du zürnst? Vom Himmel her ließest du hören Gericht. Die Erde fürchtete sich und hielt still, als Gott aufstand zum Gericht, um alle Gebeugten der Erde zu retten. Ja, wenn Gott aufsteht, dann rettet er die Gebeugten.
Denn die Grimmglut des Menschen wird dir Lob bekennen, und mit dem Rest der Grimmgluten wirst du dich gürten. Gelobt und bezahlt, geliebte dem Jahwe, eurem Gott, alle rings um ihn her. Alle sollen Geschenke bringen dem Furchtgebietenden. Er stutzt den Geist der Fürsten, er ist furchtgebietend gegen die Könige des Erdlands.
Hier ein Psalm über den furchtgebietenden Jahwe. Der möge also jetzt Gericht ausüben.
Im 77. Psalm – der 74. war tief unten, im 75. gingen wir wieder in die Höhe, im 76. drückt es wieder nieder, im 77. geht es wieder in die Höhe. Es geht auf und ab bei den Asaf-Samen.
Psalm 77 ist eine Bewegung von unten nach oben.
Meine Stimme ist zu Gott, und ich will rufen. Meine Stimme ist zu Gott, und er wolle mich hören. Am Tag meiner Bedrängnis suche ich meinen Herrn. Nachts ist meine Hand ausgestreckt und lässt nicht ab. Meine Seele weigert sich, getröstet zu werden. Denke ich an Gott, muss ich stöhnen, sinne ich nach, verzagt mein Geist. Es zieht mich tief unten.
Hier die erste Strophe: Sein Rufen aus der Not – dringlich, sehr dringlich. Aber denke ich an Gott, muss ich stöhnen. Manche sind auch schon so gegangen. Sehr, sehr tief unten, depressiv bis dorthin. Denke ich an Gott, muss ich stöhnen, sinne ich nach, so verzagt mein Geist.
Dann die zweite Strophe: Die Lieder meiner Augen hältst du offen, ich bin hin- und hergestoßen, kann nicht sprechen. Ich überdenke die Tage von einst, die Jahre der Vorzeit. Gedenken will ich meiner Seitenspiele in der Nacht, will nachsinnen mit meinem Herzen und meinem Geist. Mein Geist ist emsig am Forschen.
Jetzt gehen seine Gedanken, jetzt spricht er von seinen Gedanken in der Not. Er kann nicht schlafen, er kann nicht sprechen. Er denkt zurück an seine früheren Lieder, er denkt anstrengend nach – woran?
Vers 8, dritte Strophe: Woran denkt er?
Wird mein Herr auf ewig verstossen? Wird er hinfort nicht mehr Gunst erweisen? Ist seine Güte für immer zu Ende? Ist die Verheißung zu Ende für alle Geschlechter? Hat der Mächtige vergessen, gnädig zu sein? Hat er im Zorn seine Erbarmungen verschlossen?
Sechs Fragezeichen – das ist das Zentrum dieses Psalms. Sechs Fragezeichen.
Dieser Psalm wird zweigeteilt. Er hat einen ersten Teil mit fünf Strophen. Das hier ist die dritte Strophe. Dann ab Vers 17 ist der zweite Teil – aber ich erkläre es gleich.
Zuerst den ersten Teil: Lassen Sie mich fertig machen. Vers 8, 9 und 10 sind das Zentrum, und vom Zentrum ist Vers 9 das Zentrum.
Vers 9 heißt: Ist seine Güte für immer zu Ende? Ist die Verheißung zu Ende für alle Geschlechter?
Das ist hier das Zentrum, die großen Fragen – genau die gleichen Fragen, die wir auch am Ende von Psalm 89 finden.
Nun Vers 11, 12, 13, die vierte Strophe: Und ich sprach: Mein Leiden ist dieses, oder meine Krankheit ist dieses – schwere Jahre der rechten Hand des Höchsten. Die rechte Hand liegt schwer auf uns, heißt das. Das ist meine Krankheit, mein Leiden. Die rechte Hand des Höchsten liegt schwer auf uns.
Bitte? Ja, ich habe das jetzt selber gesagt. Nur für mich, nur für uns: die schweren Jahre der rechten Hand des Höchsten.
Ich will die Taten Jahwes erwähnen. Ja, ich will gedenken deiner Wundertat von einst, und ich will nachdenken über all dein Tun. Über deine Handlungen will ich sinnen.
Jetzt langsam: Ihm ist klar, es handelt sich um eine Züchtigung. Diese Züchtigung sollte zum Nachdenken führen.
So will ich also jetzt nachdenken über deine früheren Wundertaten, die du früher getan hast. Über dein Tun und über deine Handlungen will ich sinnen.
Wisst ihr, was er macht? Er ist total am Boden, aber er sagt: Okay, ich fühle nichts, aber ich entscheide mich jetzt, an die guten Taten des Herrn zu denken.
Was sollen wir machen, wenn wir keine guten Gefühle haben? Nach Stimmung leben? „Herr, ich fühle mich heute nicht zum Beten bereit.“ Nein, Herr, ich will jetzt gedenken an deine guten Taten, auch wenn ich gar nichts fühle und wenn ich am Ende bin mit meinen Kräften und meiner Stimmung.
Fünfte Strophe: Gott, dein Weg ist im Heiligtum. Wer ist ein Mächtiger so groß wie Gott? Du bist der Gott, der Wunder tut.
Du hast deine Stärke kundgetan unter den Völkern. Du hast mit dem Arm erlöst dein Volk, die Söhne Jakobs und Josefs.
Hier ein Lob auf den Gott des Exodus, auf den Gott, der Israel aus Ägypten herausgeführt hat. Gottes Weg, sein Wesen, sein Tun – ein Zeugnis unter den Völkern, eine Erlösung für das Volk Israel.
Er geht vom Selbstgespräch zum Lob – nicht wegen Gefühlen, aus Gefühl heraus, sondern aus Willen, einem Willensakt: Ich will gedenken an die Taten des Herrn von früher.
Da lernt man etwas über das Beten, über das Beten, wenn man unten ist, in der Tiefe.
Das ist der erste Teil dieses Psalms. Der zweite Teil ist in Vers 17 bis Vers 21 ein Nachsatz, ein Lobgesang über das Handeln beim Auszug aus Ägypten.
Das war ja das Thema – er war gerade beim Auszug aus Ägypten.
In Vers 16: Du hast mit dem Arm erlöst dein Volk, die Söhne Jakobs und Josephs. Jetzt kommt ein Nachsatz, er bleibt bei diesem Thema.
Wie war das beim Auszug aus Ägypten? Die Wasser sahen dich, Gott, die Wasser sahen dich und sie bebten. Ja, die Fluten zitterten. Die Wolken ergossen Wasser, die Wolkenschwaden ließen ihre Stimme erschallen.
Ja, deine Pfeile flogen hin und her, der Schall deines Donners war im Wirbelwind. Blitze erleuchteten die Welt. Es zitterte und erbebte das Erdland.
Durchs Meer führte dein Weg, deine Pfade durchs große Wasser. Deine Fußstapfen waren nicht zu erkennen.
Wie eine Herde führtest du dein Volk durch die Hand Moses und Aarons.
Welches Wasser, von welchem Wasser spricht er? Das Rote Meer, dort, wo er sie durchgeführt hat. Durch die Hand von Moses und Aaron hat er sie dann in die Wüste weitergeführt.
Lob über Gottes Handeln beim Exodus. Gott hat damals gehandelt, und er wird sicherlich wieder handeln.
Das heißt, was lernen wir für unser persönliches Gebet?
Wir lernen: Wenn ich unten bin, soll ich an die Taten Gottes aus der Vergangenheit denken. Ich darf ruhig aufzählen, ich kann ruhig beim Exodus anfangen, oder ich kann auch bei Golgatha anfangen, oder bei Pfingsten, bei der Apostelgeschichte.
Ich kann über die Herrlichkeit des Herrn reden, wie sie in der Schrift steht. Dann kann ich weiterkommen zu meiner Bekehrung, was er in meinem Leben früher getan hat, was er über viele Jahre in meinem Leben und in meiner Familie getan hat.
Dann hilft mir das zum Beten, dann hilft mir das, aus meinem Niedergedrücktsein herauszukommen.
Ich muss nicht in Stimmung kommen, ich muss keine Gebetsstimmung haben. Das lesen wir nirgends von einer Gebetsstimmung. Das ist eine moderne Krankheit, dass man eine Gebetsstimmung haben müsse.
Nein, man betet, weil man einfach betet.
Wenn wir uns schwer fühlen, wenn wir Schweres erduldet haben, dann bringen wir alles dem Herrn und beten.
Auch wenn wir ihm einfach erzählen, wie es uns geht. Aber wir sollen nicht bei uns stehen bleiben.
Wir dürfen so anfangen, der Psalmist hat auch so angefangen. Wir dürfen so anfangen, es ist nicht verkehrt.
Aber dann müssen wir weiterkommen, und dann müssen wir über ihn sprechen im Gebet. Dann werden unsere Gedanken auf die richtige Spur gebracht.
Das wird uns guttun.
Das heißt nicht, dass wir uns nach jedem Gebet fröhlich fühlen werden. Nein, vielleicht sind wir immer noch traurig.
Aber wir dürfen dann die Bibel lesen, wir dürfen dann auch Stellen lesen, zum Beispiel Psalm 77 oder andere Psalmen.
Lektionen aus Psalm 78: Geschichte als Lehrmeister
Psalm 78 ist der Psalm der Unterweisung. Es handelt sich um einen langen Unterweisungspsalm, der aus 77 Verszeilen und sieben Teilen besteht.
Psalm 78 beginnt mit einer Einleitung, die acht Verse umfasst. Diese Einleitung bildet einen eigenen Abschnitt. Darin erklärt der Psalmist, dass er das Lob Jahwes erzählen möchte. Er will zeigen, was man aus der Geschichte Israels lernen kann. Außerdem möchte er, dass diese Lehren an die Kinder weitergegeben werden, damit auch sie sie wiederum weitererzählen.
Das heißt, es ist ein sehr wichtiger Psalm über Lektionen aus der Geschichte Israels. In Vers 6 heißt es: „Damit ein späteres Geschlecht erkenne die Söhne, die geboren würden, und sie aufständen und sie ihren Söhnen erzählten, dass sie ihr Vertrauen setzten auf Gott.“
Dabei soll nicht vergessen werden, die Taten des Mächtigen und seine Gebote zu befolgen. Sie sollen nicht wie ihre Väter sein, ein trotziges und widerspenstiges Geschlecht, ein Geschlecht, dessen Herz nicht gefestigt und dessen Geist nicht treu war. Ungefestigt zu sein und untreu zu sein, gehen hier Hand in Hand. Gottes Volk ist aufgerufen, dem Wort Gottes treu zu bleiben. Diese Menschen waren es jedoch nicht.
Dann beginnt der eigentliche Psalm. Wir werden hier nicht alles lesen, aber einige Teile betrachten.
Die erste Strophe umfasst Vers 9 bis 16. Dort heißt es, dass die Söhne Ephraims (Vers 10) den Bund Gottes nicht hielten und sich weigerten zu gehorchen.
Die zweite Strophe beginnt in Vers 17 und reicht bis Vers 22. Dort wird beschrieben, dass sie weiterhin gegen Gott sündigten, widerspenstig gegen den Höchsten waren, ihn in ihren Herzen versuchten, Speise für ihre Gelüste forderten und gegen Gott redeten. Am Ende dieser Strophe wird gesagt, dass sie Gott nicht glaubten und nicht auf seine Rettung vertrauten.
Die dritte Strophe umfasst die Verse 23 bis 31. Dort wird berichtet, dass Gott den Wolken gebot und die Türen des Himmels öffnete. Er tat viel Gutes, doch sie gehorchten nicht. In Vers 31 stieg der Zorn Gottes gegen sie auf, und er tötete ihre kräftigen Männer, streckte Israels Jünglinge nieder.
Ich merke gerade, dass ich diese zwei Strophen zusammengefasst habe. Also: Erster Teil ist Vers 9 bis 16, zweiter Teil Vers 17 bis 31, der aus zwei Strophen besteht.
Der dritte Teil umfasst Vers 32 bis 39 und bildet das Zentrum des Psalms. Dort heißt es: „Bei alledem sündigten sie wieder und vertrauten nicht seinen Wundertaten. Da ließ er ihre Tage schwinden in Dunst und ihre Jahre in Schrecken. Wenn er sie tötete, fragten sie nach ihm, kehrten um und suchten den Mächtigen mit Eifer. Sie dachten daran, dass Gott ihr Fels sei und Gott der Höchste ihr Erlöser. Doch mit ihrem Mund heuchelten sie ihm und belogen ihn mit ihrer Zunge. Ihr Herz war nicht fest mit ihm, denn sie war nicht treu in seinem Bund. Aber er war barmherzig, vergab Ungerechtigkeit und verderbte sie nicht. Oftmals hielt er seinen Zorn zurück und ließ nicht erwachen all seine Grimmglut, denn er bedachte, dass sie Fleisch waren, ein Hauch, der geht und nicht zurückkehrt.“
Die vierte Strophe umfasst die Verse 40 bis 55 und besteht aus zwei Abschnitten. Dort wird beschrieben, wie oft sie widerspenstig gegen Gott waren, ihn in der Wüste betrübten, den Mächtigen versuchten und den heiligen Israel kränkten. Sie dachten nicht an seine Hand, die sie am Tag ihrer Erlösung vom Bedränger befreite, und so weiter.
Der fünfte Teil umfasst die Verse 56 bis 64. Dort heißt es, dass sie Gott den Höchsten versuchten und widerspenstig gegen ihn waren. Sie hielten seine Zeugnisse nicht.
Am Schluss folgt eine Schlussstrophe, die Verse 65 bis 72 umfasst.
Diese fünfte Strophe ist der Höhepunkt des Psalms. Dort steht: „Sie wichen zurück, handelten treulos wie ihre Väter, wandten sich ab und erbitterten ihn, reizten ihn. Gott hörte es und ergrimmte, verwarf Israel. Er verließ die Wohnung zu Silo, das war die Stiftshütte dort. Er gab seine Stärke in Gefangenschaft, die Bundeslade in die Hände der Philister, seine Zier in die Hand des Bedrängers. Er gab sein Volk zum Schwertpreis, nämlich den Philistern. Er ergrimmte gegen sein Erbteil, seine Jünglinge fraß das Feuer, seine Jungfrauen mussten ohne Brautliebe bleiben, seine Priester fielen durchs Schwert und seine Witwen konnten nicht weinen.“
Der Schluss lautet in Vers 65: „Mein Herr erwachte einem Schlafenden gleich, wie ein Held, der aufjauchzt vom Wein. Er schlug seine Bedränger von hinten. Ewige Schande fügte er ihnen zu und verwarf das Zelt Josefs. Den Stamm Ephraim erwählte er nicht, sondern den Stamm Juda, den Berg Zion, den er liebte. Er baute sein Heiligtum wie die Himmelshöhe, wie das Erdland, das auf ewig gegründet ist. Er erwählte David, seinen Knecht, und nahm ihn von den Hütten der Schafe hinter den Säugenden weg. Er ließ ihn kommen, zu weiten Jakob, sein Volk, und Israel, sein Erbteil. Er war ihr Hirte nach der Lauterkeit seines Herzens und mit der Geschicklichkeit seiner Hände leitete er sie.“
Das Ziel ist David. Das Volk war immer wieder ungehorsam. Doch Gott ist in seiner Güte immer wieder nach ihnen gekommen. Er schickte Gericht, aber zum Schluss zeigt Gott seine Gnade. Er erwählt nicht Joseph, nicht Ephraim, sondern Juda und aus Juda den David und sendet ihn als König.
Psalm 78 ist ein Geschichtspsalm, aus dem man lernen soll. Die Lehre des Psalms ist, dass, wo jetzt David König ist, das Volk nicht mehr widerspenstig sein soll, sondern dem Herrn treu. Dann wird es ihnen gut gehen.
Die Sprache ist poetisch. Der Held, der aufjauchzt vom Wein, ist hier positiv gemeint. Obwohl Weintrinken an sich nicht gut ist und die Israeliten wussten, dass sie sich nicht betrinken durften, steht Wein in den Psalmen oft als Symbol für Freude. Vom Wein wird das Herz erfreut.
Hier wird der Herr beschrieben wie ein Mensch, der aus dem Schlaf erwacht. Wie ein Held, der nach einem Kampf wieder stark ist, vielleicht auch nach dem Trinken von Wein. Jetzt ist er kräftig und schlägt seine Feinde von hinten.
Das ist ein sehr menschliches Bild, aber im positiven Sinne gemeint. Er schlägt die Feinde nieder wie ein starker Mann, der einfach drauflos schlägt und sie alle besiegt.
Ewige Schande fügte er ihnen zu. Solche Bilder gibt es mehrfach im Alten Testament.
Zum Beispiel wird Gott in Jesaja 10 mit der Peitsche dargestellt, wie er die Assyrer windelweich schlägt. Dort steht, dass der Herr mitten unter ihnen steht, mit der Rute in der Hand.
Psalm 79 als Klage über Zerstörung und Hoffnung auf Gottes Eingreifen
Psalm 79 ist ein weiterer Psalm, der dem Psalm 74 sehr ähnlich klingt. Man könnte sagen, sie sind Brüder. In beiden Psalmen heißt es, dass die Völker in Gottes Erbteil eingedrungen sind, seinen heiligen Tempel verunreinigt und Jerusalem zu Trümmerhaufen gemacht haben.
Sie haben die Leichen seiner Knechte den Vögeln des Himmels und den wilden Tieren des Erdlands zur Speise gegeben. Ihr Blut wurde rings um Jerusalem vergossen wie Wasser. Es gab Herden von Leichen, und niemand war da, der sie begrub. Wir wurden zum Spott unserer Nachbarn, ein Spott und Schimpf für alle, die uns umgaben.
Bis wann, Jachwe, wirst du immer zürnen? Bis wann wird dein Eifer wie Feuer brennen? Gieße deine Grimmglut aus über die Völker, die dich nicht kennen, über die Königreiche, die deinen Namen nicht anrufen.
Der Mann hat Jakob verzehrt, seine Wohnung haben sie verwüstet – ganz wie im Psalm 74, Vers 10. Warum sollen die Heiden sagen: „Wo ist ihr Gott?“ Lass unter den Völkern vor unseren Augen die Vergeltung für das vergossene Blut deiner Knechte offenbar werden.
Lass vor dein Angesicht kommen das Seufzen der Gefangenen, nach der Größe deiner Macht. Lass übrig bleiben die Söhne des Todes und vergilt unseren Nachbarn siebenfach in ihren Schoß ihr Hohn, womit sie dich verhöhnten, mein Herr – ganz wie im Psalm 74.
Diese Psalmen sind aus dem Standpunkt geschrieben, dass Jerusalem zerstört ist, die Feinde gehöhnt haben und wir am Boden liegen. Herr, wie lange noch? Bis wann? Wir sind das Volk deiner Weide, und wir dein Volk, die Herde deiner Weide. Wir werden dir ewig Lob bekennen, von Generation zu Generation, und dein Lob erzählen, wenn du eingreifst.
Wenn er eingreift, dann wird es geschehen. Hier ist wieder ein Psalm, in dem sie am Boden sind, aus der Tiefe zu Gott rufen. Heute Abend schauen wir uns einige Psalmen aus dem Achtzigerbereich an: den 80., den 81. und den 84. Psalm. Das sind sehr schöne Psalmen, die Antworten auf diese Fragen geben. Deshalb habe ich Psalm 81 und dann auch Psalm 84 gelesen – sie geben Antwort auf die Frage: „Bis wann? Wie lange? Warum?“
Wir sehen die Zusammenhänge, die Asaph-Psalmen, bitte. Ich vermute, dass Psalm 74 und 79, die prophetischen Psalmen sind, in denen sich der Verfasser in die Situation nach der Zerstörung Jerusalems hineinversetzt. Ich kann es nicht anders erklären, denn es sind Asaph-Psalmen. Asaph lebte weit nach David. Das sagen auch Ausleger wie Wiersbier, Benedikt Peters und sogar Delitzsch. Sie sind sich einig, dass es prophetische Psalmen sein müssen, denn das Problem gab es zur Zeit Asaphs nicht, sondern erst in der Exilszeit. Asaph selbst stammt aus der Davidzeit.
Vielleicht ist das auch eine Lektion für uns: Wenn alles gut läuft, sollten wir nicht zu überschwänglich sein. Es bleibt nicht immer gut. Es gibt immer wieder Zeiten der Not, in denen alles abwärtsgeht – wegen der Sünde. Wir dürfen uns freuen, wenn wir Erfolg haben und wenn alles aufblüht. Aber wir sollen wissen: Die Menschen sind Sünder, und Gott muss dann wieder züchtigen.
Das ist eine gewisse Ernüchterung. Diese Psalmen, besonders die Asaph-Psalmen, sind ernüchternd und realistisch. Aber eines ist schön: Es gibt einen Abschluss, einen herrlichen Abschluss. Gerade die Psalmen im Achtzigerbereich – 80, 81, 82, 83, 84 – bieten viel mehr Lichtblicke und Antworten auf die Asaph-Psalmen.
Die Asaph-Psalmen gehen bis Psalm 83. Der erste Psalm, der nicht von Asaph ist, ist dann der 84. Psalm. Und das ist ein sehr schöner Psalm für heute Abend.
Gut, beten.
