Einführung in den Brief und seine historische Bedeutung
Ich lese 1. Timotheus 1,1-2: Paulus, Apostel Jesu Christi, nach dem Befehl Gottes, unseres Retters, und des Herrn Jesus Christus, der unsere Hoffnung ist, an Timotheus, mein echtes Kind im Glauben: „Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit dir von Gott, unserem Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn.“
Das ist eine typische Einleitung eines Briefes, wie Paulus sie an einigen Stellen gebraucht. Es ist übrigens auch nicht ungewöhnlich, dass man in der damaligen Zeit Briefe auf ähnliche Weise begann. Das heißt, zuerst etwas über den Verfasser und dann etwas über den Empfänger zu sagen. Das war also äußerlich durchaus ein typisches Stilmittel.
Nicht die genauen Inhalte oder die Wortwahl, denn diese sind typisch Paulus. Wenn wir uns verschiedene Texte anschauen, und das werden wir jetzt insbesondere mit dem ersten Timotheusbrief tun, dann gibt es verschiedene Ebenen, die wir betrachten können.
Die erste Ebene ist die historische. Das heißt, wir versetzen uns ein Stück weit in die damalige Situation von Paulus und Timotheus. Wie war das damals? In welcher Situation schreibt Paulus? Was will er bei Timotheus erreichen? Wer ist dieser Timotheus?
Denn auf der ersten Ebene ist dieser Brief nicht an uns geschrieben, sondern Paulus hat ihn vor zweitausend Jahren an seinen Mitarbeiter Timotheus gerichtet. Das ist die erste Ebene.
Allerdings wäre das die einzige Ebene, könnten wir sagen: Na ja, was interessiert uns das? Timotheus ist lange tot und Paulus ebenfalls. Das hat uns ja nichts mehr zu sagen.
Aber wir glauben und wissen, dass Paulus mit seinem Anspruch genau das Gegenteil meint. Das, was er schreibt, gilt nicht nur für Timotheus. Das war den Christen der ersten Generation schon klar, weshalb sie diesen Timotheusbrief abgeschrieben, immer wieder weitergegeben und an andere Christen weitergereicht haben.
Sie sagten: Hier spricht Gott durch den Mund von Paulus. Was Paulus mitgibt, gilt eigentlich auch für alle anderen Christen. In erster Linie für Christen, die in verantwortlicher Position sind. Denn Timotheus war, wie wir heute sagen würden, ein vollzeitiger, hauptamtlicher Mitarbeiter im Reich Gottes.
Er hatte einen übergemeindlichen Dienst und war ein besonderer Mitarbeiter im Reich Gottes. Aber unabhängig davon glaube ich, dass viele Aussagen auch für jeden Christen gelten.
So versetzen wir uns heute und in den nächsten Tagen immer wieder in die Position des Timotheus und hören Paulus zu: Was hast du uns zu sagen? Inwiefern könnte das auch für unsere Situation gelten und uns weiterhelfen?
Allerdings nehmen wir hier am Anfang, neben der historischen Ebene und der Ebene, die uns betrifft, auch noch eine andere Position ein. Denn Paulus spricht hier zuerst von sich selbst.
Das heißt, hier steckt, glaube ich, etwas drin, das Paulus als Vorbild für uns sein kann. So wie er reagiert und sich und seine Aufgabe beschreibt, ist das eine Herausforderung für diejenigen von uns, die sich als Christen verstehen.
Diejenigen, die bewusst sagen: Ich bin Christ. Hier steckt, glaube ich, auch etwas drin, wo wir sagen können, dass wir in dieser oder jener Hinsicht ähnlich reagieren sollten, wie Paulus es getan hat und wie er es in diesem Briefeingang, in diesen Einleitungsworten beschreibt.
Die Bedeutung von Jesus Christus im Brief
Es gibt hier einige interessante Aspekte, denen wir nachgehen könnten, zum Beispiel die Frage: Wer ist Jesus Christus? Ich meine jetzt nur in Bezug auf diese beiden Verse. Es wäre spannend, dem nachzugehen.
Zunächst spricht der Text von Jesus als dem Christus. Wir haben uns heute vielfach daran gewöhnt, von Jesus Christus zu sprechen. In den Evangelien ist das jedoch nicht immer der Fall. Dort steht manchmal „der Menschensohn“ oder einfach „Jesus“, aber nicht immer „Jesus Christus“. Wir wissen alle, dass es sich dabei nicht um Vor- und Nachnamen handelt, wie Egon Müller zum Beispiel.
Hier macht der Text eine Aussage über Jesus: Jesus ist der Christus, der Gesalbte. Er ist derjenige, der im Alten Testament vorhergesagt wurde und die Menschen mit Gott versöhnen soll. Das ist bereits eine bedeutende Aussage, die in diesen Versen steckt.
Daneben stellt der Text Jesus auf eine Stufe mit Gott. Denn er nennt sie direkt nacheinander und sagt, dass er als Apostel für Jesus und von Gott auserwählt wurde.
Auf diese Details möchte ich jetzt aber nicht näher eingehen, da das heute Abend zu weit führen würde. Die Zeit ist begrenzt, die mir dafür zur Verfügung steht.
Deshalb möchte ich mich hier eigentlich nur auf drei Aspekte in diesen zwei Versen konzentrieren, und zwar...
Apostelamt als göttlicher Auftrag
Der erste Aspekt ist, dass Paulus sich als Apostel Jesu Christi bezeichnet. Ein Apostel ist jemand, der durch den Auftrag Gottes berufen ist, also von Gott zum Apostelamt berufen wurde. Wo wird Paulus berufen? Das lesen wir in der Apostelgeschichte sogar zweimal: einmal dort, wo es direkt beschrieben wird, und ein weiteres Mal, wo Paulus das später noch einmal wiederholt. Außerdem finden wir an verschiedenen anderen Stellen Berichte, an denen Gott beziehungsweise Jesus ihn beauftragt.
Was bedeutet Apostel? Rein übersetzt ist es ein griechisches Wort, Apostolos, das so viel wie Botschafter oder Abgesandter bedeutet. Ein Apostel konnte zum Beispiel ein reicher Geschäftsmann sein, der selbst nicht an einen anderen Ort reisen konnte oder wollte, weil er zu beschäftigt war. Deshalb sandte er einen Abgesandten, der in seinem Namen reden, verhandeln und Geschäfte abschließen konnte.
Das kann auch ähnlich verstanden werden wie das Wort Botschafter heute, vor allem außerhalb des christlichen Umfelds. Dort sprechen wir meist im politischen Bereich von Botschaftern: Eine Regierung schickt eine Person in ein anderes Land, die dort als Sprecher oder Stellvertreter der Regierung fungiert. In ähnlicher Weise gebraucht Paulus den Begriff. Er ist Apostel Jesu Christi. Jesus Christus ist gestorben, auferstanden und sitzt zur Rechten des Vaters, ist aber nicht mehr hier auf der Erde.
Jetzt hat er einen Menschen, hier besonders Paulus, gesandt: „Du bist mein Botschafter in einer fremden Umgebung“, nämlich hier auf der Erde, wo Gott noch nicht vollkommen regiert. Im Vaterunser beten wir ja: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe.“ Aber das kommt erst noch. Noch geschieht Gottes Wille auf der Erde nicht vollkommen, noch herrscht er nicht vollständig.
In dieser Zwischenzeit hat er Botschafter geschickt. So definiert sich Paulus auch als ein solcher Botschafter. Wir lesen, wie gesagt, in der Apostelgeschichte, dass er genau das ist.
Wenn ich das jetzt auf unsere Lebenssituation übertrage, könnte das problematisch werden. Denn ich würde niemanden heute Abend wegschicken, damit er einen geistigen Höhenflug bekommt und plötzlich im Bett liegt und sagt: „Ich bin Apostel.“ Das kann missverständlich sein. In der Vergangenheit gab es einige Leute, die von sich behaupteten, Apostel zu sein, aber eher Irrlehrer waren.
Deshalb kann man davon ausgehen, dass die meisten, die heute von sich behaupten, Apostel zu sein – zumindest im biblischen Sinne – eher Irrlehrer sind. Ich habe schon einige solcher Personen kennengelernt. Zum Beispiel gibt es den Stammapostel oder andere Apostel der Neuapostolischen Kirche. Diese meinen, es müsse heute noch Apostel geben, weil nur diese Sünden vergeben und den Heiligen Geist spenden könnten.
Auch andere christliche Gruppen behaupten, man müsse unbedingt heute Apostel haben. Warum? Weil im ersten Korintherbrief bei den Gaben des Geistes und den Aufgaben auch die Gabe des Apostelamtes genannt wird. Oder es heißt, die Gemeinde sei aufgebaut auf Aposteln, Propheten und so weiter. Das ist biblisch und stimmt auch. Aber die Frage ist: Wer ist mit diesen Aposteln gemeint?
Ich glaube, die Antwort ist relativ eindeutig: Damit sind die von Jesus selbst berufenen Apostel gemeint. Diese Apostel, in diesem Sinne, die exklusiven Apostel, die die inspirierten Bücher des Neuen Testaments geschrieben haben, gibt es heute nicht mehr. Es kann sie heute auch gar nicht mehr in ähnlicher Weise geben.
Schauen wir dazu in die Apostelgeschichte 1,21. Dort wird zuerst berichtet, dass Judas sich umgebracht hatte. Judas war einer der Jünger Jesu, einer der Apostel Jesu. Jünger gab es mehr, zum Beispiel wurden 70 Jünger ausgesandt, aber Apostel gab es nur zwölf.
Jetzt hat sich einer, Judas, umgebracht, weil er Jesus verraten hatte und verzweifelt war. Die Gemeinde setzte sich zusammen und sagte: „Wir müssen einen neuen Apostel bestimmen, weil wir zwölf brauchen.“ Warum genau, kann man lange diskutieren, aber das spielt hier keine Rolle.
Ab Vers 21 heißt es: „So muss nun von den Männern, die mit uns gegangen sind die ganze Zeit über, in welcher der Herr Jesus unter uns ein und ausging, von der Taufe des Johannes bis an den Tag, der er von uns weggegangen wurde, einer von diesen muss mit uns Zeuge seiner Auferstehung werden.“ Sie stellten zwei Männer auf: Joseph, genannt Barsabbas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias. Sie beteten: „Herr, du Kenner aller Herzen, zeige an, welchen von diesen beiden du erwählt hast, um das Los des Dienstes und des Apostelamtes zu empfangen, von dem Judas abgewichen ist, um an seinen eigenen Ort zu gehen.“ Sie warfen das Los und das Los fiel auf Matthias. Er wurde zu den elf Aposteln hinzugezählt.
Hier wird deutlich: Es gibt nur zwölf Apostel. Sie hätten auch mehr wählen können, aber sie blieben bei der Zahl zwölf. Ein Grundkriterium, um Apostel zu werden, war, dass die Person Jesus von Anfang an begleitet haben musste. Sie musste gehört haben, wie er predigte. Sie musste von der Taufe bis zur Auferstehung dabei gewesen sein.
Jetzt stellt sich die Frage: Wenn heute jemand als Apostel auftritt, wo findet man jemanden, der von der Taufe Jesu bis zur Auferstehung dabei war? Das kann es heute nicht geben. Das heißt, dieses Apostelamt war eine einmalige Aufgabe in der damaligen Zeit. Natürlich ist die Gemeinde heute auch auf die Grundlage der Apostel gebaut. Aber diese Grundlage ist längst gelegt. Sie muss heute nicht neu gelegt werden, und niemand muss sie heute neu legen.
Deshalb habe ich den Eindruck, dass es ganz klar ist: Wenn Paulus von sich als Apostel spricht, gilt das noch. Paulus nennt sich selbst die Spätgeburt der Apostel, sozusagen vielleicht der Zwölfte oder Dreizehnte, oder wie auch immer man das zählt. Er sagt, er habe Jesus noch erlebt, war in Jerusalem, wahrscheinlich nicht von Anfang an. Aber er nennt sich die Spätgeburt, den Letzten, den Alten, den Letzten.
Das können wir heute nicht von uns sagen. Wir leben nicht in der damaligen Zeit, sind keine Zeugen Jesu gewesen und wurden auch nicht direkt übernatürlich von Jesus dazu berufen. Trotzdem möchte ich betonen: Selbst wenn wir uns nicht Apostel nennen können, sind wir dennoch in gewisser Weise Botschafter Jesu Christi.
Nur der Titel des Apostel ist einmalig. Aber Botschafter sind wir. Paulus sagt, er sei Botschafter durch den Willen Gottes. Wofür ist man Botschafter? Für Jesus Christus. Ein Botschafter spricht für das Land oder die Person, die ihn ausgesandt hat.
Wenn Paulus auftrat und predigte, dann verkündigte er nicht, was ihm gerade wichtig war. Er predigte das, von dem er fest überzeugt war, nämlich das, was Jesus gepredigt hat. Ebenso sollten wir heute auftreten.
Wenn wir als Christen mit anderen Menschen über den Glauben sprechen, sollte nicht im Mittelpunkt stehen: „Ich habe mir das so vorgestellt, ich habe ein tolles neues System entwickelt, das ist besser als das, was früher war, wir revolutionieren Theologie und Gemeinde.“ Das mag nett sein, aber die Aufgabe des Christen ist es, das weiterzusagen, was Jesus gesagt hat.
Sonst kann man seine eigene Kirche oder Religion gründen. Aber wenn man als Christ auftritt, ist man durch Gott berufen – in dem Dienst, in dem man steht. Bei Paulus war das das Apostelamt, bei uns heute irgendein Amt in der Gemeinde oder eine Aufgabe.
Man ist Christ und dadurch auch Botschafter an Christi Statt. Paulus schreibt im 2. Korintherbrief, dass Christen Botschafter an Christi Statt sind. Das war mein erster Punkt.
Jesus Christus als unsere Hoffnung
Der zweite Punkt, auf den ich hier Wert legen möchte, steht am Ende des ersten Verses: „... und des Herrn Jesus Christus, also nach dem Befehl Gottes, des Retters und des Herrn Jesus Christus, der unsere Hoffnung ist.“ Das fand ich eine interessante Beschreibung.
Zunächst habe ich mich gefragt, was Paulus meinte oder woran er in der damaligen Situation gedacht haben könnte. Wenn wir von Hoffnung sprechen, dann ist das meistens in einer Situation, in der wir Hoffnung brauchen. Wenn ihr zum Beispiel morgen früh vor einem reich gedeckten Tisch sitzt, braucht ihr in dem Moment keine Hoffnung mehr, dass ihr etwas zu essen bekommt. Das steht vor euch, ihr müsst nur noch zugreifen.
Heute, für diejenigen, die noch nicht hier in Brake waren, sind manche vielleicht unsicher und denken, dass es hier gar nichts zu essen geben wird. Da könnte man sagen, ihr sitzt heute Abend vielleicht im Bett und hofft darauf, dass es morgen etwas zu essen gibt. Vielleicht denkt ihr auch: „Naja, das ist doch klar, das geht ja gar nicht anders.“ Ich hoffe, dass dadurch deutlich wurde, was ich sagen wollte: Hoffnung richtet sich auf etwas in der Zukunft, das du nicht sicher hast.
Je unsicherer deine gegenwärtige Situation ist, desto wichtiger wird die Hoffnung. Solange ich glaube, alles ist sicher und klar, brauche ich weniger Hoffnung.
Nun stellt sich die Frage: Wie sahen die damaligen Christen ihre Situation? Sie lebten zum Beispiel in einem Land, in dem Unmoral herrschte. Manchmal habe ich den Eindruck – oder zumindest ich habe ihn –, wenn ich irgendwelche Nachrichten lese, dass Deutschland heutzutage sozusagen die Spitze der Unmoral ist. Wie die Leute miteinander umgehen, sich betrügen, belügen und so weiter.
Doch wenn ich in die Spätantike schaue, in die Zeit, als die ersten Christen lebten, merke ich, dass die Menschen damals auch nicht viel moralischer waren. Ich weiß nicht, ob uns das trösten soll oder ob wir dann die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Paulus macht etwas ganz anderes: Bei ihm kommt die Hoffnung ins Spiel, und Jesus ist derjenige, der uns Hoffnung gibt.
Jetzt stellt sich die Frage: Wie ist das? Damals herrschte, wie gesagt, Unmoral. Die Christen waren von außen bedrängt, etwa durch das Römische Reich. Sie wurden verfolgt, und das begann schon zu dieser Zeit. In dieser Situation war die Hoffnung: Gott wird einmal einen Ausweg schaffen.
Für uns heute, wenn wir das auf unsere Situation übertragen, gilt die Botschaft, die Paulus schreibt, dass Jesus – wie es hier steht – unsere Hoffnung ist, meiner Meinung nach noch genauso. Vielleicht würde ich es auch anders ausdrücken: Für manche von uns müsste man sagen: Jesus soll deine Hoffnung sein.
Was steckt darin, wenn ich das so formuliere? Darin steckt: Setze deine Hoffnung nicht auf die falschen Dinge. Dass wir in unsicheren Situationen sind oder hineinkommen können, ist, glaube ich, jedem von euch relativ klar.
Wenn ich jetzt zu Jugendlichen sprechen würde, dann wäre das schon so: „Ja, wir brauchen auch Hoffnung.“ Einige von euch werden sich sicherlich die Frage stellen, wenn sie heute Abend in der Jugendgruppe sind: „Finde ich den richtigen Ehepartner?“ Manche werden schon schauen, wer hier wohl passt und mit wem sie Freundschaft schließen könnten. Manche Eltern hoffen vielleicht noch nicht darauf, aber Jugendliche denken so.
Andere fragen sich: „Wie werde ich einen Job bekommen? Hoffentlich einen guten und gut bezahlten.“ Aber nehmen wir uns als diejenigen, die schon etwas älter sind, als die Jugend zumindest: Wir brauchen manchmal auch Hoffnung.
Vielleicht braucht bei manchen von unseren Kindern, die gerade die Pubertät durchlaufen, auch jemand Hoffnung – die Hoffnung, dass diese Phase einmal aufhört. Wenn wir uns vorstellen, dass das ewig so weitergeht, denken wir: „Das geht nie gut, die werden ihr Leben nie meistern können.“
Manchmal braucht man dafür Hoffnung, aber nicht die Hoffnung, dass alles von selbst gut wird, sondern die Hoffnung, die Jesus gibt. Ich weiß, Jesus geht auch unseren Kindern nach, selbst wenn sie manchmal Unsinn machen, Unsinn denken, reden oder sonst etwas.
Vielleicht hat der eine oder andere von euch in den letzten ein, zwei Jahren auch erlebt, dass es berufliche Unsicherheit gibt. Die nächste Generation, die nach uns kommt, wird das noch stärker erleben.
Ich habe heute einen Artikel gelesen, in dem stand, wenn ich es richtig im Kopf habe, dass etwa 25 Prozent der Mitte Zwanzigjährigen über sehr lange Jahre keine festen Anstellungen bekommen. Ein immer größerer Anteil hat befristete Anstellungen, Praktika und so weiter. Das kann Unsicherheit geben.
Oder wer heute mit 50 arbeitslos wird, für den ist es oft sehr schwierig, noch einen Job zu finden. Auch dann braucht es Hoffnung.
Man könnte sagen: „Ach, ich hoffe einfach, dass alles gut wird.“ Aber das ist keine christliche Hoffnung. Die christliche Hoffnung ist, dass Jesus Herr ist auch über diese Sache. Jesus kennt meinen Lebensweg und deinen Lebensweg. Hoffe auf Jesus, auch in solchen Situationen.
Ich glaube, das steckt hier drin, wenn es heißt, Jesus ist unsere Hoffnung.
Natürlich meint Paulus hier ganz am Ende auch ganz selbstverständlich, dass Jesus unsere Hoffnung ist, weil er unsere Sünden vergeben hat und uns rettet. Das steckt natürlich auch darin.
Aber ich glaube, das ist nicht alles. Das Wesentliche ist die Sündenvergebung. Aber manchmal haben wir hier auf der Erde auch mit anderen Dingen zu kämpfen. Auch dafür dürfen wir nicht vergessen: Jesus ist unsere Hoffnung, auch in diesen Dingen.
Wir können uns anstrengen, das sollen wir sicherlich auch in allen Bereichen unseres Lebens. Aber wir werden immer wieder darauf zurückgeworfen: Vertraue nicht auf die falschen Dinge um dich herum.
Das tun viele Menschen: Manchmal vertrauen sie auf sich selbst, manchmal auf technische Neuerungen, Wissenschaftler, Politiker und was weiß ich. Wenn man sich die Probleme unserer Tage ansieht, fragt man sich: „Was können wir denn da leisten?“
Denkt an die Ölpest bei BP, einem der größten Konzerne Englands. Niemand hätte gedacht, dass sie innerhalb weniger Monate kurz vor der Pleite stehen. Sie verkaufen bereits Vermögenswerte, nur um genug Geld zu haben, um alle Schadensersatzforderungen zu bezahlen. Und das Problem ist immer noch nicht gelöst.
Damit will ich sagen: Vertraut nicht in erster Linie auf Wissenschaft oder wirtschaftliche Stärke, sondern vertraut, also hofft in erster Linie auf Jesus.
Oder denkt an Weltwirtschaftskrisen oder Krankheiten, die uns betreffen können und überall die Runde machen. Wir wissen, es gibt keine Antwort darauf, keine Lösung.
Das müssen manchmal gar keine großen Krankheiten wie Aids oder Pest sein, das können auch kleinere Krankheiten sein. Plötzlich merkt man, der Arzt hat keine Antwort mehr. Und dann denk daran: Jesus ist die Hoffnung dabei.
Das soll keine flache Antwort sein. Ich hoffe, ihr müsst das nicht erst grausam erleben, wenn alle anderen Hoffnungen brechen.
Aber letztendlich ist es im Leben so: Es gibt viele Dinge, die uns eine kleine Hilfe sein können, aber wahre Hoffnung ist das, was wirklich hält – schon hier auf der Erde und erst recht nach unserem Leben hier auf der Erde, wenn wir vor Gott stehen.
Wenn dann klar ist: Jesus ist für uns gestorben, wir sind nicht ewig in der Verdammnis, sondern ewig gerettet, dann müssen wir sagen: Ja, Jesus ist unsere Hoffnung.
Deshalb hebt Paulus das hier ganz besonders hervor. Wir brauchen das heute genauso wie die Menschen damals. Wenn wir in schwierigen Situationen sind, vertraue nicht auf deine eigene Kraft, vertraue nicht zuerst auf Wissenschaft, Politik oder sonst etwas. Sonst wirst du früher oder später enttäuscht.
Schon bei der Frage, wie du deine Schuld und Sünde loswirst, wirst du enttäuscht, wenn du ehrlich zu dir selbst bist. Du merkst, dass du das Gute nicht aus dir selbst heraus tun kannst. Dafür brauchst du deine Hoffnung, die nur Jesus geben kann.
Das will Paulus hier deutlich sagen.
Die persönliche Beziehung zu Timotheus und Gottes Gnade
Mein dritter und letzter Punkt für heute Abend ist folgender: Paulus schreibt an Timotheus, sein echtes Kind im Glauben. Mich reizt es sehr, euch jetzt noch von diesem echten Kind zu erzählen, warum Paulus ihn so nennt und was er schon alles mit Timotheus erlebt hat. Das werde ich vielleicht in den nächsten Tagen nachholen.
Worauf ich hier aber noch Wert legen möchte, sind Paulus’ Wünsche für Timotheus im Glauben. Er wünscht ihm Gnade, Barmherzigkeit und Frieden – natürlich von Gott. Frieden, den Menschen machen, bringt auf Dauer nichts.
Dieses Glauben und die Gnade braucht Paulus auch in verschiedenen anderen Briefen. Was er hier aber ganz besonders hervorhebt, ist die Barmherzigkeit. Barmherzigkeit bedeutet, dass jemand eine Strafe verdient hat, aber sie nicht bekommt. Das ist Barmherzigkeit.
Hier wird das ganz besonders betont: Wir haben einen Gott, der barmherzig mit uns ist. Paulus wünscht Timotheus, diese Barmherzigkeit Gottes zu erfahren. Genauso wünscht er ihm den Glauben und die Gnade Gottes.
Gnade geht in eine ganz ähnliche Richtung. Gnade ist das unverdiente Geschenk, für das man nichts tun kann und das man aus eigener Kraft nicht erreichen kann. Paulus sagt, dass gerade das den Gott, an den wir glauben, in besonderer Weise kennzeichnet.
Ein bekannter Theologe im deutschsprachigen Raum, Karl Barth, dem ich nicht immer zustimme, hat diesen Unterschied herausgestellt. Ich glaube, er hat Recht, wenn er sagt, dass in allen anderen Religionen versucht wird, durch menschliche Leistungen von Gott anerkannt zu werden. Ein typisches Beispiel ist die Seelenwaage: Auf der einen Seite stehen die guten Taten, auf der anderen die schlechten. Wenn sie ungefähr im Gleichgewicht sind, kommt man in den Himmel.
Allerdings wissen wir, wenn wir ehrlich sind, dass das nicht funktioniert. Die einzige Religion, das einzige Angebot, das nicht auf diesem System beruht, ist das Angebot, das Gott uns in der Bibel gibt – nämlich die Gnade.
Gnade ist ein Geschenk: Ich schenke dir die Errettung einfach so, weil du nichts dafür tun kannst. Wenn du es selbst versuchen würdest, müsstest du scheitern. Ich glaube, hier hat Karl Barth Recht. Andere Religionen setzen auf Leistungen, wie die fünf Säulen des Islam oder die Erleuchtung durch Meditation im Buddhismus. Hier aber steht der schuldige Mensch vor Jesus, bittet um Vergebung und sagt: „Es tut mir leid.“ Du kannst gar nichts tun, und Jesus gibt Gnade.
Das wünscht Paulus Timotheus: Gnade und Glauben. Als ich das gelesen habe, habe ich mich gefragt, wie ich das denn ausdrücke, wenn ich zu jemandem eingeladen bin, zum Beispiel zu einem Geburtstag. Da wünscht man ja allerlei, aber selten äußert man solche Wünsche. Dabei wären das doch die wichtigsten Wünsche, die wir brauchen: Barmherzigkeit von Gott, Gnade – sowohl bei anderen Menschen als auch vor Gott – und Glauben.
Glauben bedeutet auf Deutsch so viel wie Vertrauen. Vertrauen in Gott, in einen Gott, der es gut mit uns meint. Und all das gibt uns Hoffnung. Wenn wir wissen, dass jemand barmherzig mit uns ist und wir darauf vertrauen, dass Gott uns kennt und einen Weg für unsere Zukunft hat, dann haben wir Hoffnung.
Damit schließt sich der Kreis wieder: Jesus ist unsere Hoffnung. Das ist nicht nur Theologie, sondern Paulus will das hier in die Praxis umsetzen – in die Lebenssituation von Timotheus und die Nöte, mit denen er zu kämpfen hat, wie wir später noch lesen werden. Genauso gilt das für die Schwierigkeiten, mit denen ihr hierher gekommen seid.
Es gibt viele gute Tipps, die man hören kann – ob sie weiterhelfen oder nicht, wird die Zukunft zeigen. Aber das, was ihr alle braucht, ist diese neue oder bestärkte Gewissheit: Ich bin von Gott gesandt in die Aufgabe, in der ich stehe. Ich mache das nicht aus eigenem Spaß, egal ob du Hausfrau bist, Kinder erziehst oder Predigtdienste übernimmst. Das ist erst einmal ein Auftrag, zu dem Gott dich berufen hat.
Am Ende sollst du bekennen können: Jesus ist meine Hoffnung. Ich wünsche dir das, was Paulus Timotheus hier wünscht – dass du neu den Glauben, die Gnade und die Barmherzigkeit Gottes erfährst.
Schlussgebet
Ich bete gern noch mit euch an dieser Stelle.
Vater im Himmel, vielen Dank für Paulus und auch für den Brief, den er an seinen Mitarbeiter Timotheus geschickt hat. Vielen Dank, dass du immer wieder Menschen berufst, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart, in deinen Dienst hinein. Manchmal sind es ganz außergewöhnliche Aufgaben, wie bei den Aposteln der ersten Zeit. Aber manchmal sind es auch Aufgaben, die von außen eher klein erscheinen, in denen wir stehen.
Ich möchte dich bitten, dass du uns Klarheit gibst, welcher Platz von dir für uns bestimmt ist. Und wenn wir das wissen, dass wir dann auch mit dieser Gewissheit auftreten können. Wir stehen nicht da, weil es uns so gut gefallen hat, sondern weil du uns an diese Stelle gestellt hast. Ich möchte dich bitten, dass uns das Kraft gibt, denn so müssen wir nicht mehr nur aus eigener Kraft handeln.
Ich möchte dich auch bitten, dass uns immer wieder deutlich vor Augen geführt wird, dass Jesus, dein Sohn, unsere Hoffnung ist. Danke, dass ich das in meinem Leben schon immer wieder erfahren durfte. Gerade in schwierigen Situationen, in denen ich keine Perspektive mehr hatte, wie es weitergeht, wusste ich, dass dein Sohn Jesus Christus bei mir ist. Er gibt mir Hoffnung für die Zukunft.
Danke auch dafür, dass du uns Gnade, Barmherzigkeit, Vertrauen und Glauben schenken willst und eigentlich schon gegeben hast. Ich möchte dich bitten, dass wir das immer wieder in jeder neuen Situation und bei allen Herausforderungen, die du uns hineinstellst, durchbuchstabieren können. Dass wir uns immer wieder daran erinnern und es leben können – das, was du uns da wünschst und zusprichst im 1. Timotheusbrief.
Amen.