Einführung und gesellschaftlicher Kontext der Ehe und Scheidung
Es geht heute Abend um 1. Korinther 7, die Verse 1 bis 16. Allerdings wollen wir nicht direkt im Korintherbrief beginnen. Um die Aussagen des Apostels Paulus richtig zu verstehen, müssen wir weit ausholen – bis hinein ins Alte Testament, auf die ersten Seiten.
Wir wollen das Thema Ehescheidung und Wiederheirat gemeinsam betrachten. Ich bitte euch, anhand des ausgeteilten Ausdrucks mitzuverfolgen. Es ist so viel Stoff, dass ich nicht alles auf Folien schreiben wollte. Ich denke, es ist besser, wenn wir so gemeinsam folgen.
In der Einleitung betrachten wir die heutige gesellschaftliche Situation in der Bundesrepublik Deutschland. Laut dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden gab es 1960 eine halbe Million Eheschließungen. Demgegenüber standen knapp 50.000 Scheidungen, also etwa zehn Prozent. Das war schon viel.
Aber ihr seht, 26 Jahre später, im Jahr 1986, gab es nur noch 372.000 Eheschließungen. Die Zahl der Scheidungen hat sich dagegen fast verdreifacht. 1960 gab es 9,4 Scheidungen auf 100 Ehen, 1986 waren es bereits 32. Leider habe ich keine ganz aktuellen Statistiken, zum Beispiel für 1993, aber es kann nur eine weitere Steigerung gegeben haben.
Eine Ursache dieser dramatischen Zunahme ist der 1977 vollzogene Wechsel vom Schuldprinzip zum Zerrüttungsprinzip in der Rechtsprechung. Dieses Zerrüttungsprinzip ermöglicht eine Scheidung bereits nach einjährigem Getrenntleben der Partner.
Eine besonders brisante Sache ist die Tatsache, dass die römisch-katholische Kirche Ehescheidungen unter bestimmten Umständen nicht anerkennt. Die katholische Kirche unterscheidet zwischen Naturehe und Sakramentalehe.
Eine Naturehe liegt vor, wenn zwei Evangelische heiraten oder wenn zwei Konfessionslose heiraten. Das ist eine Naturehe. Eine Sakramentalehe ist, wenn zwei getaufte Katholiken heiraten. Diese haben das Sakrament der Ehe empfangen, und nach katholischer Sicht kann solch eine Ehe nicht geschieden werden.
Eine andere Ehe kann durchaus geschieden werden, aber zwei getaufte Katholiken, die heiraten, können nach katholischem Verständnis nie mehr geschieden werden. Wenn man das zugrunde legt, lebte bereits 1984 jeder fünfte Katholik in einem Eheverhältnis, das von seiner katholischen Kirche wegen vorausgegangener Scheidung als ungültig betrachtet wird.
Das ist eine große Tragik. Ich weiß von manchen Katholiken, die aus diesem Grund der katholischen Kirche den Rücken kehren, weil sie nicht mehr anerkannt werden als richtig verheiratet.
Ein Blick über den großen Teich, in die USA: Dort endeten 1986 landesweit circa 45 Prozent aller Erstehen und sogar 55 Prozent aller Zweitehen durch Scheidung.
Man sollte also nicht meinen, in einer zweiten Ehe hätte man aus dem Zerbrechen der ersten Ehe gelernt. Das muss nicht unbedingt so sein. In den USA ist die Scheidungsrate bei Zweitehen sogar noch höher.
Diese Zahlen verdeutlichen die Aktualität und Dringlichkeit unseres Themas.
Grundverständnis der Ehe im biblischen Kontext
Jetzt wollen wir zunächst einmal fragen: Was ist überhaupt Ehe im biblischen Sinn, wenn wir heute Abend von Scheidung und Wiederheirat sprechen?
Ehe ist keine gesellschaftliche Notlösung, sondern eine Erfindung Gottes. Viele sagen heute, Ehe sei einfach nur von Menschen erfunden. Sie meinen, es seien gesellschaftliche Zwänge, die dazu geführt haben. Deshalb könne man die Ehe auch wieder auflösen. Zum Beispiel propagiert die Frankfurter Schule, dass genauso gut zwei Männer oder zwei Frauen ein Kind erziehen können.
Zweitens ist Ehe die lebenslange Treuebindung zwischen einem Mann und einer Frau. Früher hatte ich in meinem Manuskript noch „zwischen Zweien“ stehen. Das kann man heute nicht mehr so sagen, weil heute auch offiziell zwei Männer oder zwei Frauen heiraten können. Das gibt es längst.
Deshalb muss man heute sagen: Ehe ist die lebenslange Treuebindung zwischen einem Mann und einer Frau – lebenslange Treuebindung.
Ehe hat immer einen öffentlich-rechtlichen Charakter. Ich habe das neulich unseren jungen Leuten in Heidelberg so zu erklären versucht. Ich habe ein Beispiel aus Afrika gebracht. In Afrika gibt es einen Stamm mit einer interessanten Eheschließungspraxis: Dort kann eine junge Frau in das Haus eines jungen Mannes ziehen, ohne dass sie verheiratet sind. Sie kann dort Monate oder Jahre wohnen, ohne verheiratet zu sein.
Erst wenn sie ihm zum ersten Mal ein Mittagessen gekocht hat und dann durchs Dorf läuft, um allen im Dorf zu sagen: „Ich habe meinem Mann ein Essen gekocht“, sind sie verheiratet.
Merkt ihr, wie interessant das ist? Nicht allein, dass sie ihm das Essen kocht, sondern es muss das Öffentliche dazukommen. Sie muss durchs Dorf laufen und allen bekanntgeben: „Ich habe ihm ein Essen gekocht.“ Dann sind sie verheiratet.
Diese einfachen Menschen dort haben verstanden, was öffentlich-rechtliche Ehe bedeutet.
Und bei uns in unserer Kultur gibt es ein Standesamt. Bei uns wird die Ehe vor dem Standesamt geschlossen, nicht vor dem Traualtar. Das ist ein großer Irrtum vieler Gläubiger. Die Ehe wird nicht vor dem Traualtar in der Kirche oder irgendwo anders geschlossen, sondern vor dem Standesamt. Dort beginnt die Ehe.
Wenn Christen den Wunsch haben, in ihrer Gemeinde auch den Segen Gottes zu erbitten, ist das selbstverständlich gut. Aber die Ehe beginnt bereits vor dem Standesamt.
Die Bibel sagt in 1. Mose 2,24, das ist Gottes Grundordnung für die Ehe, dass ein Mann Vater und Mutter verlassen wird und seiner Frau anhangen soll. Im Hebräischen steht dort, dass er „angelötet“ wird. Das bedeutet die denkbar festeste Verbindung, die es im Altertum gab: Er wird einer Frau angelötet, und dann werden die beiden ein Fleisch sein.
Bedeutung des "Ein Fleisch werden"
Und dieses „Ein-Fleisch-Werden“ wird sehr, sehr missverständlich ausgelegt und gedeutet. Ich habe hier versucht, einige mögliche Deutungsformen zu nennen.
Der Ausdruck „ein Fleisch werden“ meint nicht die geschlechtliche Vereinigung von Mann und Frau. Natürlich soll diese dann auch dazugehören, wenn Mann und Frau verheiratet sind. In jeder gesunden Ehe wird es dazu kommen. Aber das ist eine Folge; es ist nicht das „Ein-Fleisch-Werden“ an sich.
Ein Fleisch werden meint auch nicht, dass Mann und Frau ein gemeinsames Kind zeugen. Natürlich sind in unseren Kindern die Wesens- und sonstigen Merkmale der Eltern zusammengeflossen, aber das ist nicht die Bedeutung, die die Bibel diesem Ausdruck gibt.
Ein Fleisch werden meint auch keine mystisch-transzendente Einheit, also etwas, das man gar nicht richtig erklären kann. Das hebräische Wort „Basar“ wird im Ersten Buch Mose und im gesamten Alten Testament mehrfach als Bezeichnung für Blutsverwandtschaft gebraucht. Zum Beispiel in 1. Mose 37 bei Joseph und in 3. Mose sowie an anderen Stellen.
Aus der ehelichen Verbindung resultiert nicht nur eine vertikale Blutsverwandtschaft – also meine Eltern sind blutsverwandt mit mir, meine Kinder sind blutsverwandt mit mir; das wäre eine vertikale Blutsverwandtschaft. Sondern aus der Ehe resultiert auch eine horizontale Blutsverwandtschaft, „Blut“ in Anführungsstrichen. Natürlich ist nicht das Blut verwandt, da es verschiedene Blutgruppen gibt. Aber es ist wie eine Blutsverwandtschaft im horizontalen Bereich zwischen Mann und Frau, also zwischen den Ehepartnern.
Nach biblischem Verständnis wird die Frau mit der Heirat ein integraler Bestandteil der Familie ihres Mannes. Die Frau wird Bestandteil der Familie ihres Mannes, nicht umgekehrt. Nicht der Mann wird Bestandteil der Familie der Frau. Natürlich hat er auch Beziehungen zu seiner Herkunftsfamilie und kann dort aufgenommen werden, aber biblisch verstanden wird die Frau Bestandteil der Familie des Mannes.
Die Ehe verleiht der Beziehung zwischen Mann und Frau also die Bedeutung eines blutsverwandtschaftlichen Verhältnisses ersten Grades.
Mann und Frau gehören in der Ehe auf das Engste zusammen, mehr noch als Eltern und ihre Kinder. Darum haben wir gehört: „Ein Mann verlässt Vater und Mutter und hängt an seiner Frau, und sie werden ein Fleisch.“ Dieses Verhältnis ist enger als das zu den eigenen Eltern oder Kindern.
Viertens: Die Ehe als engste und unlösbare Gemeinschaft zwischen Mann und Frau ist in der Bibel ein Bild für das Geheimnis der Gemeinschaft zwischen Christus und seiner Gemeinde. Das finden wir im Epheserbrief, wo der Apostel Paulus dieses wunderbare Bild der Ehe für die Gemeinschaft von Christus und der Gemeinde vermittelt.
Alttestamentliche Regelung zur Scheidung: 5. Mose 24,1-4
Nun wollen wir heute Abend drei wesentliche Stellen miteinander betrachten, die für das Thema Ehescheidung und Wiederverheiratung maßgeblich sind. Das sind die drei Hauptstellen in der Bibel: eine im Alten Testament, eine in den Evangelien und eine in den Briefen.
Wir beginnen mit 5. Mose 24. Das, was ich euch in diesem ersten Gedankengang zugemutet habe, müsst ihr mir zunächst einfach mal so glauben. Ihr müsst nicht, aber ihr könnt es, und ihr dürft das gerne zu Hause in Ruhe nachlesen. Ich glaube, ihr werdet das bestätigt finden, was ich hier ausgeführt habe.
Kommen wir zum zweiten Teil: Wir besprechen 5. Mose Kapitel 24, Verse 1-4. Hier heißt es:
Wenn ein Mann eine Frau nimmt und sie heiratet, und es geschieht, dass sie keine Gunst in seinen Augen findet, weil er etwas Anstößiges an ihr gefunden hat – wörtlich: weil er die Blöße einer Sache an ihr gefunden hat – und er ihr einen Scheidebrief gegeben, ihr die Hand gegeben und sie aus seinem Haus entlassen hat, und sie aus seinem Haus gezogen ist und die Frau eines anderen Mannes geworden ist,
wenn dann auch der andere Mann sie gehasst und ihr einen Scheidebrief geschrieben, ihr die Hand gegeben und sie aus seinem Haus entlassen hat, oder wenn der andere Mann stirbt, der sie sich zur Frau genommen hat,
dann kann ihr erster Mann, der sie entlassen hat, sie nicht wiedernehmen, dass sie seine Frau sei, nachdem sie unrein gemacht worden ist; denn ein Gräuel ist das vor dem Herrn, und du sollst das Land, das der Herr dein Gott dir als Erbteil gibt, nicht zur Sünde verführen.
Dieser kleine Abschnitt aus dem mosaischen Gesetz vom Berg Sinai wird an wichtigen Stellen des Neuen Testaments mehrfach zitiert. Er ist grundlegend.
Was bedeutet er? Ein Israelit, der seine Frau rechtmäßig mittels eines Scheidebriefs entlassen hatte – das ist so eine Art Scheidungsvertrag, ein Scheidebrief – der durfte diese nicht erneut zur Frau nehmen, wenn sie in der Zwischenzeit mit einem anderen Mann verheiratet gewesen war. Gleich, ob der sie nun auch entlassen hatte oder ob er gestorben war. Er durfte sie nicht wieder zur Frau nehmen.
Der Ausdruck „etwas Anstößiges“ bedeutet im Hebräischen wörtlich „die Blöße einer Sache“. Wenn er also etwas Anstößiges, wenn er die Blöße einer Sache an ihr gefunden hat.
Nun ist natürlich die Frage: Was ist damit gemeint? Was ist das, was einen Mann in alttestamentlicher Zeit berechtigte, seiner Frau einen Scheidebrief zu geben und sie zu entlassen? Was ist das?
Begründet wird das Verbot der Rückkehr der inzwischen wiederverheirateten Frau zu ihrem früheren Mann damit, dass die Frau verunreinigt wurde, dass dieses Verhalten ein Gräuel vor dem Herrn bedeuten würde und dass damit das Land zur Sünde verführt würde. Das alles wird in Vers 4 gesagt.
Wörtlich die gleichen Begründungen finden wir bei den Verboten von geschlechtlichem Verkehr innerhalb enger Verwandtschaftsbeziehungen, zum Beispiel wenn sexuelle Beziehungen mit einem Bruder oder einem Elternteil oder auch mit einer Tante oder einem Onkel stattgefunden haben.
Das sind die Stellen, die hier genannt sind in 3. Mose 18 und 3. Mose 20, das sind die beiden Kapitel, wo diese Dinge im Alten Testament geregelt werden. Dort finden wir die gleichen Ausdrücke wieder: Verunreinigung und Gräuel.
Dieser Befund belegt, dass eine Scheidung das mit der Heirat entstandene Verwandtschaftsverhältnis zwischen Mann und Frau nicht auflöst. Ein Mann darf seine frühere Frau nicht wieder heiraten, da die erste Ehe zwischen den beiden Partnern ein enges Verwandtschaftsverhältnis geschaffen hat.
Versteht ihr, warum ich das vorhin vorgeschaltet habe? Wir haben gesehen: Ein Fleischwerden bedeutet, da entsteht eine geistliche Blutsverwandtschaft zwischen den beiden Ehepartnern.
Und wenn da jetzt eine Scheidung kommt und er entlässt sie, und sie wird inzwischen Frau eines anderen Mannes, und sie kommt zurück und die beiden wollen wieder heiraten, dann heiratet er seine Blutsverwandte. Und das ist verboten im Alten Testament.
Das ist der Grund, warum er seine geschiedene Frau, die wieder mit jemand anderem verheiratet war, nicht mehr heiraten kann. Etwas anderes wäre, wenn die geschiedene Frau für eine Zeit lang weg ist und dann direkt wieder zu ihm zurückkommt. Das geht.
Aber wenn sie zwischendurch Frau eines anderen Mannes geworden war, dann durfte sie der Israelit nicht mehr heiraten. Weil er keine Blutsverwandten heiraten darf. Das ist die Begründung.
Das ist ganz logisch. Das Alte Testament ist immer logisch, die ganze Bibel ist logisch und systematisch aufgebaut. Das ist konsequent und durchgängig aufgebaut.
Die Wiederheirat der früheren Frau käme faktisch der streng verbotenen Heirat der eigenen Schwester oder der eigenen Tante gleich. Und das will Gott nicht.
Warum habe ich das hier aufgeführt? Das ist sehr wichtig.
Drittens: Viele Befürworter der Wiederheirat Geschiedener gibt es heute in der christlichen Gemeinde insgesamt. Garantiert gibt es mehr Befürworter einer Wiederheirat als Gegner.
Viele dieser Befürworter der Wiederheirat Geschiedener behaupten heute, dass die Scheidung, also eine rechtmäßig vollzogene Scheidung, eine geschlossene Ehe vollständig auflösen würde.
Also: Da sind zwei verheiratet, nun gehen sie vor den Scheidungsrichter, sie werden offiziell juristisch geschieden. Und dann sagen diese Leute, damit ist die vorher geschlossene Ehe vollkommen aufgelöst, als wäre sie nie vorhanden gewesen.
Und das stimmt nicht. Das ist nicht biblisch, diese Argumentation.
5. Mose 24, dieser Abschnitt, den wir eben gelesen haben, widerlegt diese These.
Warum? Wenn die Scheidung ein Eheverhältnis vollständig auflösen würde, wäre das Verbot der Wiederheirat des ehemaligen, inzwischen erneut geschiedenen Partners unsinnig.
Versteht ihr? Es wird hier nicht erlaubt, dass der Mann seine frühere Frau wieder heiratet, nachdem sie inzwischen mit einem anderen verheiratet war. Es wird nicht erlaubt.
Und wenn durch diese Scheidung das erste Eheverhältnis ausgelöscht wäre, dann würde dieses Verbot keinen Sinn machen. Dann gäbe es auch dieses Verbot gar nicht.
Hier in 5. Mose 24 wird Scheidung nicht legalisiert, sondern in ein bestehendes Übel wird ordnend eingegriffen.
Aber das ist der Unterschied: An keiner Stelle in der Bibel wird Scheidung legalisiert, wird Scheidung generell erlaubt oder auch in bestimmten Fällen nur erlaubt.
Das heißt, es gibt zwei Ausnahmen, auf die wir gleich kommen werden, die aber auch nicht umstritten sind.
Jesu Lehre zur Scheidung und Wiederheirat im Matthäusevangelium
Kommen wir zu einem weiteren Schwerpunkt dieses Abends, nämlich der Besprechung von Matthäus Kapitel 19. Wir wollen das aufschlagen.
Ich bitte alle, die eine Bibel zur Hand haben oder noch eine möchten – wir haben genügend Bibeln – dass sie Matthäus 19 mit aufschlagen. Ich freue mich, dass wir heute Abend auch diesen Abschnitt mit einbeziehen können. Denn als wir das Matthäusevangelium im letzten Jahr durchgenommen haben, haben wir diesen Abschnitt ausgelassen. Von daher seht ihr, auch wenn wir mal etwas auslassen, es kommt irgendwann dran – sei es ein halbes Jahr oder ein Jahr später. Wir wollen den ganzen Ratschluss Gottes verkündigen, und dann wird es irgendwann dran sein.
Also lasst uns lesen: Matthäus 19, die Verse 3 bis 12.
Ich habe mich sehr gefreut beim Studium zu diesem Thema, dass mir hier einiges ganz neu aufgegangen ist, was ich vorher nicht verstanden hatte.
Matthäus 19, ab Vers 3:
Und die Pharisäer kamen zu ihm, zu Jesus, versuchten ihn und sprachen: „Ist es einem Mann erlaubt, aus jeder beliebigen Ursache seine Frau zu entlassen?“
Er aber antwortete und sprach: „Habt ihr nicht gelesen, dass der, welcher sie schuf, sie von Anfang an als Mann und Weib schuf? Und sprach: Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und die zwei werden ein Fleisch sein? So sind sie nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“
Sie sagen zu ihm: „Warum hat denn Mose geboten, einen Scheidebrief zu geben und zu entlassen?“
Er spricht zu ihnen: „Mose hat wegen eurer Herzenshärte euch gestattet, eure Frauen zu entlassen. Von Anfang an aber ist es nicht so gewesen.“
Zweimal geht Jesus hier auf den absoluten Anfang der Schöpfung zurück – zweimal in Vers 4 und hier in Vers 8. Dann lehrt er mit autoritativer Vollmacht:
„Ich sage euch aber, dass wer immer seine Frau entlässt, außer wegen Unzucht, und eine andere heiratet, Ehebruch begeht. Und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.“
Seine Jünger sagen zu ihm: „Wenn die Sache des Mannes mit der Frau so steht, so ist es nicht ratsam zu heiraten.“
Sie waren da ganz schön bedient mit dieser Antwort.
Er aber sprach zu ihnen: „Nicht alle fassen dieses Wort, sondern denen ist es gegeben. Denn es gibt Verschnittene, die von Mutterleib so geboren sind, also zur Ehe untüchtig; und es gibt Verschnittene, die von den Menschen verschnitten worden sind, also zur Ehe untüchtig gemacht worden sind; und es gibt Verschnittene, die sich selbst verschnitten haben um des Reiches der Himmel willen. Wer es fassen kann, der fasse es.“
Hintergrund der jüdischen Scheidungspraxis zur Zeit Jesu
Hier müssen wir zunächst einen kleinen Exkurs einführen. Um diese Aussagen zu verstehen, ist es wichtig, den Hintergrund der neutestamentlichen Zeitgeschichte zu kennen. Wir müssen wissen, was im Spätjudentum zur Zeit Jesu in Bezug auf Ehescheidung und Wiederverheiratung üblich war.
Paul Deitenbeck würde sagen, dass einem die Haare zu Berge stehen, wenn man hört und liest, was damals zur Zeit Jesu gang und gäbe war. Zur Zeit Jesu galt die Ehescheidung in Israel als unbedenkliche, allgemein geübte Praxis – ähnlich wie heute. Allerdings war das Recht zur Scheidung ausschließlich den Männern vorbehalten, was ein Unterschied zur heutigen Zeit ist.
Die rechtskräftige Scheidung erfolgte nach streng festgelegten Regeln durch das Abfassen und die Übergabe eines Scheidebriefes. In Fragen der juristischen Legitimität und der Verfahrensweise berief man sich meist auf 5. Mose 24, die Stelle, die wir bereits kennengelernt haben: Scheidebrief geben.
Zur Zeit Jesu gab es unter den Juden zwei theologische Richtungen. Die strenge Richtung des Rabbi Schamai deutete den Ausdruck „die Blöße einer Sache, das Anstößige“ aus 5. Mose 24,1 als unzüchtiges Verhalten. Unzüchtig galt unter anderem das öffentliche Auftreten mit entblößten Armen, unbedecktem Kopf oder anderweitig unzureichender Bekleidung. Das war bei Rabbi Schamai ein Scheidungsgrund.
Die liberalere Richtung des Rabbi Hillel fügte zu den Scheidungsgründen Schamais noch weitere hinzu – bis hin zum Anbrennenlassen der Speise. Dies wurde als Auflehnung gegen den Mann verstanden, wenn die Frau das Essen anbrennen ließ.
Rabbi Akiva erlaubte später sogar, seine Frau zu entlassen, wenn er keinen Gefallen mehr an ihr fand. Das war ein Scheidungsgrund. Wenn er überdrüssig war oder eine andere Frau hübscher oder attraktiver fand, konnte er sich scheiden lassen.
Unabhängig von den bisher genannten galten mehr als zehnjährige Kinderlosigkeit und ein Verhalten, das den Mann öffentlich in Verruf brachte, als legitime Scheidungsgründe.
Die für Ehebruch im Alten Testament geforderte Todesstrafe wurde immer seltener vollzogen. Unter der römischen Besatzung wurde sie sogar ganz abgeschafft. Stattdessen musste der Eheherr seine Frau entlassen und durfte keinen geschlechtlichen Umgang mehr mit ihr pflegen.
Diesen Satz bitte sehr genau hören und, wenn möglich, einprägen, denn er ist sehr wichtig und wird gleich noch einmal aufgegriffen: Wenn eine Frau Ehebruch beging und wirklich des Ehebruchs überführt wurde – also beim Ehebruch ertappt wurde –, dann musste der Ehemann seine Frau entlassen und durfte keinen Umgang mehr mit ihr pflegen. Er konnte nicht sagen: „Ich vergebe ihr, ich halte trotzdem zu ihr.“ Er musste sie entlassen.
Darauf bestand die jüdische Gesellschaft, darauf bestand das ganze Judentum, weil man sonst den Zorn Gottes fürchtete, der über das ganze Volk kommen könnte. Die gesamte Gesellschaft half mit, dass in einem solchen Fall wirklich die Scheidung vollzogen wurde.
Eine geschiedene Frau kehrte in der Regel in ihr Elternhaus zurück. Einer erneuten Wiederverheiratung stand nichts im Wege.
Dies ist der neutestamentlich zeitgeschichtliche Hintergrund für den Text, den wir eben in Matthäus 19 gelesen haben.
Jesu Position zu Scheidung und Wiederheirat
Und jetzt wollen wir noch einmal vor diesem Hintergrund den Text durchgehen.
Erstens: Jesus schloss sich keiner der beiden damals populären Lehrmeinungen an – weder dem Rabbi Schamai, dem Strengeren, noch dem Rabbi Hillel, dem Liberaleren. Stattdessen lehrte Jesus in Vollmacht den Willen Gottes. Wie wir bereits sagten, ging er zurück auf Gottes Grundordnung in 1. Mose bei der Schöpfung.
Zweitens: Jesus bezieht sich auf den Schöpfungswillen Gottes. Er stellt nicht Schriftwort gegen Schriftwort, sondern betont den ursprünglichen Grundgedanken Gottes als vorrangig vor der später hinzugefügten Regelung des Scheidebriefes durch Mose. Er sagt nicht: Hier steht in 1. Mose, was Gott zunächst wollte, und dann steht in 5. Mose, was Gott später wollte, und diese Aussagen stehen im Widerspruch zueinander. Nein, sie stehen nicht nebeneinander, sondern hintereinander, und das, was zuerst stand, ist wichtiger. Das Zweite war nur eine zeitweilige Konzession, ein vorübergehendes Zugeständnis an das Volk Israel, wie wir gleich noch lesen werden, um der Herzenshärtigkeit willen.
Denn im Alten Testament gab es in Israel keine Wiedergeburt, keine gottgewirkte Herzenserneuerung, wie wir sie durch den Heiligen Geist erfahren haben, als wir den Herrn Jesus in unser Herz aufgenommen haben. Das gab es zu Israels Zeit nicht, und deshalb machte Gott hier ein Zugeständnis für eine bestimmte Zeit.
Drittens: Jesu Antwort lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Was nun Gott zusammengefügt hat – hier steht wörtlich „zusammengejocht“. Im Griechischen steht hier das Wort Joch, was sehr interessant ist, wenn wir an 2. Korinther 6,14 denken: „Zieht nicht am gleichen Joch mit den Ungläubigen.“ Das hat ganz gewiss eine Bedeutung für die Eheschließung – man soll sich nicht mit einem Ungläubigen unter das Joch spannen lassen.
In Matthäus 19,6 heißt es: „Was nun Gott zusammengefügt, zusammengejocht hat, soll der Mensch nicht scheiden.“
Viertens: Die Pharisäer begründeten ihr Recht auf Ehescheidung mit dem Hinweis auf 5. Mose 24. Das war immer ihr Argument: Mose hat doch gesagt, man solle einen Scheidebrief geben, und dann sei die Sache geklärt. Also gibt es doch Scheidung, Mose hat das erlaubt, darauf berufen wir uns. Wir sind Juden und halten uns an das alttestamentliche Gesetz.
Jesus widersprach dieser Begründung nicht, deutete jedoch die alttestamentliche Regelung des Scheidebriefes als Notlösung wegen der Herzenshärtigkeit.
Herzenshärtigkeit – im Griechischen steht hier der Ausdruck Sklerokardia. Diesen medizinischen Begriff kennen wir heute, zum Beispiel bei Multipler Sklerose oder der Kardiologie, der Lehre vom Herzen. Sklerokardia bedeutet Herzenshärtigkeit.
In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta (LXX), wurde damit das durch fortgesetzten Ungehorsam gegen Gottes Weisungen empfindungslos gewordene menschliche Herz bezeichnet. Das ist Herzenshärtigkeit.
Wenn man den Willen Gottes hört und sich fortlaufend dagegen verschließt, entsteht Herzensverhärtung. Eines Tages kann man die deutlichste Predigt hören oder lesen, und es geht nicht mehr durch. Die Bibel nennt das auch Verstockung. Der Anfang davon ist Herzenshärtigkeit.
In Vers 9 formuliert der Herr Jesus eine radikale Absage an Ehescheidung und Wiederheirat. Er sagt: „Ich sage euch aber: Wer immer seine Frau entlässt – außer wegen Hurerei – und eine andere heiratet, begeht Ehebruch; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.“
Wichtig ist: Die Scheidung allein ist noch nicht mit Ehebruch gleichzusetzen. Wenn zwei verheiratet sind und sich scheiden lassen, ist die Ehe noch nicht gebrochen. Erst wenn einer der beiden eine Wiederverheiratung vollzieht, ist die Ehe gebrochen. So lehrt Jesus.
Nach Jesu Worten besteht das ursprüngliche Eheverhältnis trotz der Scheidung unauflösbar weiter. Wie wir bereits hörten, wird es nicht aufgehoben durch eine Scheidung. Es kann nicht aufgehoben werden, auch wenn man zuvor nicht die Sakramente der katholischen Kirche empfangen hatte.
Sechstens: Nun kommt etwas sehr Wichtiges – die sogenannten Unzuchtsklauseln in Matthäus 5,32 und Matthäus 19,9, wo es heißt: „außer wegen Hurerei“. Jesus sagt doch selbst, man darf sich nicht scheiden lassen, außer wegen Hurerei. Wenn Hurerei vorliegt, dann ist Scheidung erlaubt. Oder wie müssen wir das verstehen? Wie lassen sich diese sogenannten Unzuchtsklauseln aus den historischen Gegebenheiten wirklich schriftgemäß und plausibel erklären?
Im Griechischen steht hier das Wort Porneia, das auch im Neuen Testament 25-mal vorkommt. Es bezeichnet unrechtmäßiges wollüstiges Begehren und unerlaubte außereheliche Geschlechtshandlungen – sowohl vor der Ehe als auch neben der Ehe, also außerhalb der Ehe.
Ich habe einige Stellen angegeben, nicht alle 25, nur diese stellvertretend. Porneia meint alles, was nach jüdischer Sexualmoral in 3. Mose 18 und 20 unter Strafe stand. Dort wird alles aufgezählt, was Gott im Blick auf Sexualität verboten hat.
In Israel stellten sexuelle Verfehlungen immer zugleich eine Sünde gegen Gott dar, die laut Gesetz bestraft werden musste. Diese Bestrafung lag nicht im Ermessen des Einzelnen, sondern musste durch die gesamte Volksgemeinschaft vorgenommen werden.
Vielleicht verstehen wir jetzt den Hintergrund in Johannes 8, als der Herr Jesus im Tempel steht und die Menschen eine Ehebrecherin auf frischer Tat ertappt bringen. Sie haben schon die Steine in der Hand und sagen: „Mose hat geboten, solche zu steinigen, was sagst du?“
Wir verstehen nun: Die ganze Volksgemeinschaft musste in diesem Fall handeln, und es wäre legitim gewesen, wenn diese Frau gesteinigt worden wäre – nach alttestamentlichem Gesetz stand auf Ehebruch die Todesstrafe.
Der Ehemann einer Frau, die sexueller Vergehen überführt wurde, konnte seine Frau vor den Konsequenzen nicht schützen.
Ich sage das noch einmal: Wenn der Ehemann gekommen wäre und gesagt hätte: „Ich vergebe ihr. Auch wenn sie hundertmal Ehebruch begangen hat, ich vergebe ihr, ich liebe sie, ich will ihr treu sein“, dann hätten sie ihn und die Frau weggezerrt und sie gesteinigt. Er konnte es nicht verhindern, durfte es nicht verhindern.
Diese Sache war eine offizielle Angelegenheit, die das ganze Volk betraf, und die Strafe konnte ausgeführt werden – zu Jesu Zeiten wurde sie nur noch selten vollzogen.
Der Ehemann war durch die Gesellschaft gezwungen, den geschlechtlichen Umgang mit seiner Frau abzubrechen und sie als Geschiedene zu entlassen – das war das Minimum.
Wenn sie nicht gesteinigt wurde, musste er sie mindestens sofort entlassen und durfte keinen geschlechtlichen Umgang mehr mit ihr haben. Selbst wenn er es nicht wollte, wurde er durch die Gesellschaft dazu gezwungen.
Nun verstehen wir auch den Hintergrund von Josef und Maria.
Josef und Maria waren verlobt, das heißt, der Ehevertrag war geschlossen, sie waren juristisch verheiratet. Im heutigen Sinn waren sie verheiratet, nur die Ehe war noch nicht vollzogen.
In Israel wurden damals oft schon Kinder zusammen verheiratet, die Eltern schlossen die Eheverträge, es wurden Brautpreise gezahlt, und die beiden waren juristisch bereits von Kindesalter an verheiratet. Erst mit 20 oder 25 vollzogen sie die Ehe tatsächlich.
Als Josef erfuhr, dass Maria schwanger war, war sein erster Gedanke: „Aha, sie ist fremdgegangen, ein anderer Mann ist im Spiel.“ Josef wird ausdrücklich als gesetzestreuer Jude beschrieben, gerecht, wie es in den Evangelien heißt.
Er hätte zwei Möglichkeiten gehabt: Entweder Maria öffentlich anprangern und sagen: „Schaut, sie ist schwanger, aber nicht von mir.“ Dann hätte Maria gesteinigt werden müssen.
Oder er hätte sie entlassen, den Verkehr mit ihr abbrechen und sie gehen lassen. Josef entschied sich zunächst für den zweiten Weg.
Doch dann erschien ihm der Engel Gabriel und sagte, dass sie schwanger sei – aber nicht von einem anderen Mann, sondern vom Heiligen Geist. Er solle sie nicht verlassen, sondern bei ihr bleiben.
Josef folgte dem Engel und beide trugen die gesellschaftliche Schmach, die das mit sich brachte, weil viele sehen konnten, dass Maria schwanger war, obwohl sie und Josef bis dahin noch nicht zusammengelebt hatten.
Das waren die beiden Möglichkeiten, und Josef entschied sich zunächst für den zweiten Weg, setzte ihn aber nicht um, weil ihn der Engel korrigierte.
Angesichts dieser historischen Sachlage erweisen sich die Unzuchtsklauseln, die nur zweimal in der Bibel stehen – Matthäus 5,32 in der Bergpredigt und Matthäus 19,9, hier in unserem Text – nicht als Scheidungslegitimation für den unschuldigen Partner.
Heute leben wir nicht in Israel und nicht in einer Gesellschaft, in der die ganze Volksgemeinschaft verlangt, eine Ehebrecherin zu bestrafen. Deshalb können diese Unzuchtsklauseln heute nicht als Legitimation für Ehescheidung herangezogen werden.
Oft hört man heute: Ein Mann geht fremd, die Frau sagt, „Er hat eine andere, jetzt kann ich mich scheiden lassen und nach der Scheidung wieder heiraten.“ Oder umgekehrt.
Das stimmt nicht. Diese Stellen können nicht dafür herangezogen werden.
Diese Unzuchtsklauseln stammen aus der jüdischen Rechtssituation, in der sexuelle Verfehlungen der Frau das Fortbestehen der ehelichen Verhältnisse nicht zuließen. Das war damals die Situation.
Deshalb hat Jesus gesagt: Wenn so etwas passiert und es öffentlich wird, muss der Mann sich an das alttestamentliche Gesetz halten, den Verkehr mit der Frau abbrechen und sie entlassen – weil die Gesellschaft das verlangt.
Wenn es nur der Mann weiß und er zu der Frau steht, ist das etwas anderes. Aber sobald es öffentlich wird, verlangt die jüdische Gesellschaft die Scheidung.
Dieser Umstand erklärt, warum die Unzuchtsklauseln nur im an jüdische Leser gerichteten Matthäusevangelium vorkommen und nicht bei Markus und Lukas.
Markus und Lukas sprechen ebenso über Scheidung und Wiederverheiratung, erwähnen diese Unzuchtsklauseln aber nicht, weil sie nicht an Juden schreiben.
Man sieht, wie genau die Schriften vom Heiligen Geist inspiriert sind. Ich habe mich heute darüber gefreut und gestaunt über die innere Systematik, Logik und den Aufbau, den wir in der Schrift finden, auch bei diesem Thema.
Markus und Lukas lehnen Scheidung und Wiederheirat ebenso deutlich ab wie Matthäus, machen aber keinerlei Einschränkung, da sie an heidenchristliche Leser schreiben.
Ihr könnt das nachlesen in Markus 10,1-12 und Lukas 16,18. Dort wird Scheidung und Wiederheirat ohne die Unzuchtsklausel verboten.
Siebtens: In den Versen 10 bis 12 erklärt Jesus, dass es um der Belange des angebrochenen Gottesreiches willen für die wahrhaft Glaubenden angemessen sei, von sich aus die Scheidung zu vermeiden und im Fall einer unvermeidlichen Trennung keine anderweitige Ehe zu Lebzeiten des früheren Partners einzugehen.
In Vers 12 sagt Jesus: „Nicht alle fassen dieses Wort, sondern denen, denen es gegeben ist. Denn es gibt Verschnittene, die vom Mutterleib so geboren sind; es gibt Verschnittene, die von den Menschen verschnitten worden sind; es gibt Verschnittene, die sich selbst verschnitten haben um des Reiches Gottes willen. Wer es fassen kann, der fasse es.“
Früher habe ich nie verstanden, warum dieser Abschnitt im Zusammenhang mit Scheidung und Wiederheirat steht. Ich sah keinen Zusammenhang, aber jetzt habe ich ihn verstanden.
Mit den Beispielen im Vers 12 will Jesus zeigen, dass Gott Menschen grundsätzlich zur Ehelosigkeit befähigen kann. Er kann auch denen helfen, deren Ehe zerbrochen ist, das Leben als Alleinstehende zu gestalten.
Jesus sagt: Es gibt genug Menschen, auch damals in der Gesellschaft, die nie geheiratet haben und denen Gott die Kraft gegeben hat, ehelos zu leben – aus verschiedenen Gründen, die er hier nennt.
Damit will er sagen: Gott kann auch einem Glaubenden, der mit ihm in Verbindung lebt, die Kraft geben, als Geschiedener ohne Ehe zu bleiben.
Gott kann die natürlichen Kräfte in uns, auch die sexuellen, in geistliche Kräfte umwandeln und ummünzen.
Das haben mir schon einige Ehelose bestätigt: Der Herr hat ihnen diese natürlichen Bedürfnisse genommen und in geistliche Kräfte verwandelt.
Wer sich für diesen Weg entscheidet, auch als Geschiedener, kann erleben, dass Gott diese natürlichen Kräfte verwandelt und für sein Reich einsetzt.
Ich weiß, dass das ein schwerer Weg ist, aber es ist kein unmöglicher Weg.
So verstehe ich nun diese Verse und warum Jesus diese Beispiele von den drei Gruppen bringt, die generell ehelos bleiben und denen Gott die Kraft dazu gibt.
Paulus’ Lehre zu Scheidung und Wiederheirat in 1. Korinther 7,10-16
Nun wollen wir noch zu einem letzten großen Schwerpunkt kommen, heute Abend nämlich zu unserem eigentlichen Abschnitt, der jetzt von unserer Korintherbrieffolge dran ist, nämlich 1. Korinther 7.
Heute wollen wir uns auf die Verse 10 bis 16 in 1. Korinther 7 beschränken, weil es hier um Ehescheidung und Wiederverheiratung geht. Wir wollen zusammen lesen:
Paulus schreibt an die Korinther im Jahr 55 nach Christus von Ephesos aus:
„Den Verheirateten aber gebiete nicht ich, sondern der Herr, dass eine Frau sich nicht vom Mann scheiden lassen soll. Wenn sie aber doch geschieden ist, so bleibe sie unverheiratet oder versöhne sich mit dem Mann. Und dass ein Mann seine Frau nicht entlasse. Den übrigen aber sage ich, nicht der Herr: Wenn ein Bruder eine ungläubige Frau hat und sie willigt ein, bei ihm zu wohnen, so entlasse er sie nicht. Und eine Frau, die einen ungläubigen Mann hat und er willigt ein, bei ihr zu wohnen, entlasse den Mann nicht. Denn der ungläubige Mann ist durch die Frau geheiligt, und die ungläubige Frau ist durch den Bruder geheiligt. Sonst wären ja eure Kinder unrein, nun aber sind sie heilig. Wenn aber der Ungläubige sich scheidet, so scheide er sich. Der Bruder oder die Schwester ist in solchen Fällen nicht geknechtet. Zum Frieden hat uns Gott doch berufen. Denn was weißt du, Frau, ob du den Mann erretten wirst? Oder was weißt du, Mann, ob du die Frau erretten wirst?“
Zu dem letzten Vers sagte Johannes Busch einmal, es sei leichter, die ganze Welt zu bekehren als den eigenen Ehepartner. Da ist etwas dran: Es sei leichter, die ganze Welt zu bekehren als den eigenen Ehepartner. Aber es ist nicht unmöglich. Wir haben Beispiele unter uns. Wenn ich da rüber schaue – nein, das ist klar, kein Mensch kann den anderen bekehren, aber mitgeholfen.
Gut, lasst uns zunächst wieder den zeitgeschichtlichen Hintergrund betrachten, denn jetzt wechseln wir in einen ganz anderen Kulturraum: vom jüdischen Kulturraum in den hellenistisch-römischen, also griechisch-römischen Kulturraum, nämlich Korinth, damals und auch heute Griechenland.
Im hellenistisch-römischen Kulturraum war Ehescheidung und Wiederverheiratung ebenfalls eine häufig geübte Praxis, sie war an der Tagesordnung. Es gab aber einen wesentlichen Unterschied zum jüdischen Umfeld: Nach hellenistischem und römischem Recht konnten prinzipiell beide Ehegatten die Scheidung durchsetzen, so wie bei uns heute.
Ansonsten war Scheidung und Wiederverheiratung möglich und wurde oft praktiziert.
Erstens zitiert Paulus das Herrengebot: Die Frau soll sich nicht von ihrem Mann scheiden lassen, und der Mann soll seine Frau nicht verstoßen. Seine Aussage ist inhaltlich identisch mit dem Jesuswort in Lukas 16,18. Paulus zitiert hier den Herrn Jesus; er hat ein Wort Jesu in seine Argumentation eingebaut.
Zweitens fügt er hinzu, dass keinesfalls eine neue Ehe geschlossen werden soll, falls es trotz des Verbots zu einer Scheidung gekommen ist. Es steht hier in Vers 11: „Wenn sie aber doch geschieden ist“ – trotz Scheidungsverbot –, „so bleibe sie unverheiratet oder versöhne sich mit dem Mann.“ Das sind die beiden Möglichkeiten.
Sie soll unverheiratet bleiben, dann bricht sie nicht die Ehe. Oder sie versöhnt sich mit dem Mann, was natürlich das Schönste wäre. Aber sie soll nicht heiraten, sie soll unverheiratet bleiben, so lesen wir es hier.
Als mögliche Alternativen für die weitere Lebensgestaltung kommen nur Ehelosigkeit oder die Versöhnung mit dem ursprünglichen Partner in Frage, vorausgesetzt, der macht da mit. Das geht natürlich nur, wenn beide wollen.
Drittens, in den Versen 12 bis 16, bezieht sich Paulus auf Mischehen zwischen gläubigen und ungläubigen Partnern, die es ja auch oft gibt.
a) Wenn es dem Ungläubigen nicht widerstrebt, soll der Gläubige in der Ehe auf keinen Fall die Ehe auflösen wollen – auf keinen Fall.
Etwaige Bedenken, dass der Gläubige durch den Einfluss des Ungläubigen oder durch die Geschlechtsgemeinschaft mit ihm in seiner Heiligkeit befleckt würde, weist Paulus ab. Das ist ein ganz berechtigtes Denken, ja, denn im Judentum war das so: Ein Jude durfte nicht mit einer heidnischen Frau zusammen vermählt sein, das befleckte ihn in seiner Heiligkeit.
So war es im Judentum. Das ist auch ein Grund, warum bereits geschlossene Ehen zur Zeit Esras und Nehemias wieder aufgelöst werden mussten. Aber das war nur die Auflösung einer ohnehin nicht rechtlich geschlossenen Ehe. Das war keine Ehe nach göttlichem Recht, und deswegen konnte sie aufgelöst werden.
Zur Zeit Esras und Nehemias ist das eine Ausnahme und rechtfertigt nicht die Sicht, dass Ehe grundsätzlich aufgelöst werden kann. Das ist eine Ausnahme, weil diese Ehen gar nicht legitim waren. Sie waren vor Gott überhaupt nicht wirklich in dem Sinn vollzogen.
Hier steht in b), dass diese Bedenken, die Heiligkeit des Gläubigen könne durch die Geschlechtsgemeinschaft mit dem ungläubigen Partner befleckt werden, Paulus zurückweist.
Tatsächlich ereignet sich genau das Gegenteil: Der Ungläubige wird durch den Einfluss des Gläubigen geheiligt. Auch die Kinder, die aus dieser Ehe hervorgehen, werden durch den gläubigen Teil geheiligt.
Das ist etwas ganz Großartiges für die unter uns, die mit einem noch nicht gläubigen Partner verheiratet sind.
Das ist eine wunderbare Aussage: Der noch nicht gläubige Partner und auch die noch nicht gläubigen Kinder sind mitgeheiligt. Mitgeheiligt heißt noch nicht mitgerettet – das müssen wir unterscheiden. Aber sie stehen unter dem besonderen Segenseinfluss Gottes.
Sie können natürlich eher zum Glauben kommen als jemand, der gar keinen Gläubigen kennt. Und sie sollen ja gewonnen werden durch den Wandel des gläubigen Partners ohne Worte, wie Petrus in Kapitel 3 seines Briefes schreibt.
c) Wenn der Ungläubige auf einer Scheidung besteht – also da sind zwei, die nicht gläubig sind, und jetzt bekehrt sich einer von beiden – dann ist das eine besondere Situation.
Ich habe das mal vor einigen Jahren miterlebt: Ein jung verheiratetes Ehepaar, beide ungläubig, dann kam der Mann zum Glauben. Die Frau sagte: „Du hast jetzt die Wahl: Dein Jesus oder ich. Überleg dir, es gibt nur entweder oder.“
Dieser junge Bruder blieb bei dem Herrn, und seine Frau reichte die Scheidung ein. Sie wurden geschieden, genau aus diesem Grund. Die Frau bestand auf Scheidung, und er konnte sich dagegen nicht wehren.
In diesem Fall ist auch Scheidung gestattet, wenn der ungläubige Partner wirklich darauf besteht.
Aber meistens ist der ungläubige Partner bereit, mit dem Gläubigen zusammenzuleben – in unserer Welt heute, in unserer Gesellschaft. Und das ist erlaubt, das ist gut so, denn dann kann er noch gewonnen werden.
Wenn der Ungläubige auf einer Scheidung besteht, soll sich der Gläubige um des Friedens willen nicht sperren. In dieser Lage ist der Gläubige nicht an das Scheidungsverbot gebunden. So schreibt der Apostel Paulus, in voller Übereinstimmung mit den Lehren des Herrn Jesus.
Noch eine kleine Anmerkung: Wenn wir hier die Formulierung finden „denn ich sage, nicht der Herr“ oder „denn der Herr sagt, nicht ich“, dann heißt das nicht, dass Paulus seine Privatmeinung einfließen lässt.
Wenn er sagt „Den Verheirateten gebiete nicht ich, sondern der Herr“, will er sagen, dass der Herr Jesus in den Evangelien, als er auf dieser Erde wandelte, schon ein autoritatives Gebot gegeben hat. Paulus nimmt dieses Gebot auf.
Was der Herr Jesus nicht geregelt hatte, nämlich wie diese Sache in der Heidenwelt sein sollte, außerhalb der jüdischen Kultur, ordnet Paulus nun durch seinen Apostelauftrag.
Da kann er sagen „Das sage ich“. Aber das heißt nicht, dass es hier seine Privatmeinung ist. Auch wo Paulus schreibt „Das sage ich“, ist das vom Geist Gottes inspiriert.
Ich werde nie vergessen, wie einmal eine reife gläubige Dame, die ich sehr schätze, eine alte Fabrikantenwitwe, in einer Bibelstunde sagte: „Ja, ja, das ist ja nur der Apostel Paulus, der war ja ohnehin ein Frauenfeind und hat da seine Äußerungen getan, und das ist da eingeflossen.“
Ich war erschüttert. Eine ganz feine, liebe Frau, die viel für das Reich Gottes getan hat, aber an der Stelle hat sie sich dieser irrigen und bibelkritischen Sicht geöffnet. Ich hoffe, dass sie das inzwischen abgelegt hat.
Das dürfen wir unter gar keinen Umständen so auseinanderdividieren. Sonst stehen wir in einer Linie mit Rudolf Bultmann und allen anderen bibelkritischen Theologen. Das dürfen wir nicht tun.
Zusammenfassung der biblischen Lehre zu Scheidung und Wiederheirat
Ich möchte zusammenfassen, was im Römerbrief Kapitel 5 dargestellt wird.
Erstens: Das Neue Testament schafft an keiner Stelle eine Voraussetzung für eine legitime Ehescheidung mit absoluter Wirkung. Eine solche gibt es weder im Neuen Testament noch im Alten Testament. Im Alten Testament gab es lediglich die Regelung mit dem Scheidebrief, der jedoch nur vorübergehend galt, und zwar in der Zeit des Volkes Israel. Daraus können wir heute keine Legitimität für eine Scheidung ableiten.
Zweitens: Stattdessen entbindet das Neue Testament den unschuldigen oder gläubigen Partner von der Verantwortung für eine Scheidung, wenn diese auf öffentlichen Druck, wie damals im Judentum, oder auf das Drängen des ungläubigen Partners erfolgte. Ich möchte jedoch gleich sagen, dass ich kein Land auf der Erde kenne, in dem heute eine solche Scheidungspraxis wie im damaligen Judentum praktiziert wird. Auch im heutigen Israel ist das nicht mehr der Fall, da Israel heute ein säkularer Staat ist. Es gibt keine Kultur oder kein Land, in dem die Gesellschaft darauf besteht, dass in solchen Fällen zwingend geschieden werden muss, wie es damals im Judentum der Fall war.
Drittens: Das Neue Testament setzt die Wiederverheiratung zu Lebzeiten des ehemaligen Partners mit der Sünde des Ehebruchs gleich. Noch einmal: Scheidung allein ist noch kein Ehebruch. Scheidung ist auch nicht gut und sollte nicht angestrebt werden. Erst wenn ein Geschiedener wieder heiratet, wird die geschlossene Ehe gebrochen.
Viertens: Das Aufheben der Lebensgemeinschaft, nicht der ehelichen Bindung, kann nur unter den Vorzeichen des Alleinbleibens und der Wiederversöhnung erfolgen. Die Lebensgemeinschaft kann aufgehoben werden. Ich werde dazu gleich noch bei den seelsorgerlichen Konsequenzen mehr sagen. Wenn eine Ehe wirklich in eine solche Sackgasse geraten ist, dass es keinen Millimeter mehr vor- oder zurückgeht, kann vorübergehend eine Trennung von Tisch und Bett erfolgen, also eine räumliche Trennung. Diese kann unter Umständen sogar ein Dauerzustand werden. Dennoch sollte daraus keine Scheidung erfolgen und schon gar keine Wiederverheiratung.
Ich weiß, einige denken vielleicht: Das hätte ich vor einigen Jahren wissen sollen, dann hätte ich anders gehandelt in jener Situation. Aber es kann auch heute noch alles gut werden.
Seelsorgerliche Konsequenzen und abschließende Gedanken
Was wollen wir nun im Schlussteil hören? Es geht um die seelsorgerlichen Konsequenzen aus Römer Kapitel sechs. Das ist mir sehr wichtig, und ich würde mich freuen, wenn wir noch ein paar Minuten konzentriert bleiben könnten.
In der Seelsorge darf die Liebe Gottes nicht gegen die Ordnung Gottes ausgespielt werden. Das passiert heute sehr oft. Die Heilige Schrift lehrt an keiner Stelle, dass die Gnade Gottes den im Wort manifestierten Willen Gottes außer Kraft setzt. Wir dürfen nicht sagen: Ja, die Liebe Gottes und seine Barmherzigkeit sind so groß, dass er alles wegwischt. Das heißt, wenn ich geschieden bin, dann vergibt er mir das, und dann erlaubt er mir auch, einen neuen Anfang zu machen. Ich werde wieder heiraten, und wenn es gut geht, ist es gut. Wenn es noch mal nicht gut geht, dann werde ich mich wieder scheiden lassen. Nein, so geht es nicht. Das wäre, als würden wir die Liebe Gottes gegen die Ordnung Gottes ausspielen.
Zweitens: Die Überbetonung beziehungsweise falsche Interpretation der Barmherzigkeit Gottes unterschlägt seine Gebote und gibt die Gemeinde schutzlos der weltlichen Scheidungs- und Wiederverheiratungspraxis preis.
Drittens: Zweifellos gibt es außerordentlich große menschliche Notlagen. Ich habe mir das heute vor Augen gehalten. Es gibt wirklich die Notlage, dass eine junge gläubige Ehe vielleicht mit ein, zwei, drei Kindern auseinanderbricht. Angenommen, die Frau kommt zum Glauben in der jungen Ehe mit zwei, drei kleinen Kindern, und der Mann verlässt sie und sagt: "Nee, mit so einer Glaubensschwester will ich nicht zusammenleben." Dann würde das bedeuten, er scheidet sich, heiratet eine andere, und sie kann nie mehr zurück. Er ist wieder verheiratet mit der anderen, und sie soll dennoch ohne Ehe bleiben ihr Leben lang. Das klingt unheimlich hart, und das ist es ganz gewiss auch. Aber ich will gleich begründen, warum auch selbst in einem solchen extremen Fall keine Ausnahme geben kann.
Wenn hier vorschnell eine falsche Barmherzigkeit geübt wird, werden automatisch Präzedenzfälle geschaffen. Das würde sofort eine schiefe Ebene geben. Dann käme der Nächste und würde sagen: "Ja, bei der habt ihr das erlaubt, und bei mir ist es ähnlich, also bestehe ich auch darauf." Glaubt mir: Wenn Gott auch nur an einer Stelle die Scheidung grundsätzlich erlauben würde, hätten wir heute wahrscheinlich nur noch zehn Prozent intakte Ehen, überhaupt noch zusammen funktionierende Ehen. Die Ehescheidungsrate würde dramatisch in die Höhe schnellen, und am Ende wäre bald gar keiner mehr verheiratet, weil unser Herz so böse ist. Wir neigen dazu, wenn wir in Schwierigkeiten kommen, davonzulaufen. Dann würden kaum noch Leute zusammenbleiben. Das wäre letztlich unbarmherziger von Gott, als wenn er an dieser Stelle konsequent ist und sagt: Nein, generell keine Scheidung und Wiederverheiratung. Das wird insgesamt weniger Härtefälle produzieren und weniger Schaden anrichten, als wenn das generell erlaubt wäre. Das müssen wir einfach so sehen.
Viertens: Eine Scheidung und/oder Wiederverheiratung, die vor der Bekehrung erfolgte, wird gemäß Johannes 8,1-11 – die Geschichte mit der Ehebrecherin, der Jesus vergeben hat und die nicht gesteinigt wurde – durch die Gnade Gottes vergeben, gar keine Frage. Ihr Leben, wenn jemand unter uns geschieden ist, auch wenn er danach wieder verheiratet ist, wenn er es einfach nicht so sah oder noch gar nicht gläubig war, das vergibt die Gnade Gottes ohne Zweifel. Das Blut Jesu Christi macht rein von aller Sünde, lehrt die Bibel.
Scheidung und Wiederverheiratung im Leben eines bereits unter der Herrschaft Gottes lebenden Menschen bedeuten jedoch eine Auflehnung gegen die von Gott erlassene Ordnung und damit gegen ihn selbst. Das ist ein grundlegender Unterschied: Ob das vorher passiert ist oder ob ich gläubig bin und weiß, dass es nicht nach Gottes Willen ist und es dann doch tue oder es einfach nicht sehen will. Oft ist ja da der Wunsch der Vater des Gedankens, wenn jemand eine junge Frau unbedingt wieder heiraten will. Natürlich wird sie dann schon ein Buch finden, in dem Ehescheidung und Wiederverheiratung erlaubt sind. Da wird sie gar nicht lange suchen müssen. Es gibt Dutzende christliche, evangelikale Bücher, in denen das erlaubt wird. Natürlich kann sie das finden.
Der Zuspruch der Vergebung mündet immer in den Anspruch der Vergebung. Das habe ich jetzt falsch betont: Der Zuspruch der Vergebung – "Hier sind deine Sünden vergeben" – mündet immer in den Anspruch der Vergebung: "Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr." Das ist ganz wichtig. Das sagt Jesus zu der Ehebrecherin im Tempel, die auf frischer Tat ertappt wurde – eigentlich Todesstrafe. Jesus vergibt ihr, weil er der war, der sich später für sie kreuzigen ließ, die noch grausamere Todesstrafe. Darum konnte er sagen: "Geh hin, hier sind deine Sünden vergeben." Aber jetzt kommt der Anspruch der Vergebung. Das gilt generell für unser Leben: Geh hin und sündige hinfort nicht mehr.
Natürlich fallen wir noch aus Schwachheit, aber hier ist gesagt, dass wenn wir in der Gottesherrschaft drin sind, wenn Christus Herr in unserem Leben geworden ist, wir auch die Kraft bekommen zu einem neuen Leben im Gehorsam. Er will uns befähigen, in seinen Geboten, in seinem Willen zu leben.
Fünftens: Wir müssen unterscheiden zwischen ewiger Strafe für unsere Sünden und irdischen Folgen unserer Sünden – eine ganz wichtige Unterscheidung. Die ewige Strafe für unsere Sünden hat der Herr Jesus am Kreuz getragen. Jesaja sagt: "Fürwahr, er trug unsere Schmerzen und unsere Strafe auf sich." Oder wie es da heißt: "Schmerzen, ja, wir hielten ihn für den, der geplagt und gemartert war." Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, so heißt es genau.
Jawohl, die Strafe liegt auf ihm. Wir müssen nicht mehr die Strafe für unsere Sünde tragen. Das ist sehr wichtig. Die Strafe hat Jesus getragen (Jesaja 53). Aber die zeitlichen Folgen unserer Sünde bleiben unter Umständen bestehen. Ich habe letztes Jahr ein Beispiel von David gezeigt, der vergeben bekam, aber der Sohn, der aus dem ehebrecherischen Verhältnis entstanden war, musste trotzdem des Todes sterben.
Wenn sich ein Alkoholiker bekehrt, der zwanzig Jahre lang jeden Tag eine Flasche Schnaps getrunken hat, dann bekommt er alle seine Schuld vergeben. Aber seine Leber ist deswegen nicht unbedingt heil. Ist doch klar: Die Folgen unserer Sünde bleiben unter Umständen bestehen. Manchmal nimmt Gott in seiner Gnade Folgen weg, aber manchmal bleiben sie bestehen, damit wir erzogen werden und umgewandelt werden in das Bild des Herrn Jesus.
So kann auch die Folge einer falschen Partnerwahl zum Beispiel – da hat es schon angefangen, dass sich bei der Partnerwahl nicht nach dem Willen Gottes gefragt wurde – oder die Folge einer unreifen Ehebeziehung, die gescheitert ist, in meinem Leben bestehen bleiben. Das heißt aber nicht, dass da jetzt Strafe abgewischt werden muss. Die Strafe hat Jesus getragen. Die Folgen können bestehen bleiben.
Darum ist es nicht gerechtfertigt, einer Person, deren Ehe in der Scheidung endete, mit der Vergebung zugleich auch das Recht auf Wiederheirat zuzusprechen. Das ist nicht legitim. Dies gilt umso mehr, als Jesus gerade erst die Wiederheirat mit der Sünde des Ehebruchs gleichsetzt.
Sechstens: Wer geschieden und/oder wiederverheiratet ist, soll auf jeden Fall in dem Stand bleiben, in dem er jetzt lebt. Nicht, dass einer auf den Gedanken kommt und sagt: "Ach du liebe Zeit, meine erste Ehe war doch die richtige und vor Gott gültige. Also löse ich jetzt schnell die zweite und versuche, zu der ersten zurückzukommen." Das geht nicht. Das würde ein größeres Chaos geben und größeren Schaden anrichten, als vorher.
Deswegen haben wir generell, gerade auch in 1. Korinther 7, die Linie: Jeder bleibe in dem Stand, in dem er ist. Das ist die durchgängige Struktur in 1. Korinther 7. Wir sollen bleiben in dem Stand, in dem wir jetzt stehen. Das heißt: Ein Geschiedener soll allein bleiben, ein Wiederverheirateter soll auf keinen Fall die zweite oder dritte Ehe lösen, um zu einem früheren Partner zurückzukehren. Sonst wäre der Schaden größer als zuvor.
Wie viele Ehen müsste da Elizabeth Taylor schon wieder lösen, um zu ihrem ersten Partner zurückzukehren? Ich glaube, sie war sechs- oder siebenmal verheiratet.
Wenn die Vergebung Christi in Anspruch genommen wurde, kann nicht davon gesprochen werden, dass die gegenwärtige Lebenssituation beständig unter der Strafe und dem Gericht Gottes steht. Bitte, ganz wichtig, dick umrahmen, wenn das betrifft: Wenn die Vergebung Christi in Anspruch genommen wurde – und das gilt für alle Situationen unseres Lebens – kann nicht gesagt werden, dass ich jetzt in meiner gegenwärtigen Lebenssituation noch beständig unter der Strafe oder dem Gericht Gottes stehe. Das Blut Jesu Christi macht rein von aller Sünde. Ich darf neu anfangen. Ich bin nicht mehr unter der Strafe, nicht unter dem Gericht. Es kann sein, dass Folgen bestehen bleiben, die ich tragen muss.
Siebtens: Bei außerordentlich großen ehelichen Schwierigkeiten käme als äußerste Lösung die vorübergehende Auflösung der Lebensgemeinschaft, also die Trennung von Tisch und Bett, in Frage. Dies allerdings nur unter den Vorzeichen des Alleinbleibens und der angestrebten Wiederversöhnung.
Bei Christen gibt es keine unheilbare Zerrüttung, das gibt es nicht. Bei Christen, die wiedergeboren sind zu einer lebendigen Hoffnung, die selbst eine lebendige Hoffnung in Person darstellen, kann es keine unheilbare Zerrüttung geben. Das kann es nicht geben.
Ich werde nie vergessen, wie Volkhard und Gerlinde Scheunemann bei einem Eheseminar erzählten, wie sie in Indonesien erlebt haben, dass eine Frau von ihrem Mann ungezählte Male grün und blau geschlagen wurde. Sie blieb dennoch bei ihm und durfte erleben, wie der Mann zum lebendigen Glauben kam und die Ehe heil wurde. Da hätten 99,9 Prozent aller gläubigen Ehepartner sofort Scheidung gesagt. 99,9 Prozent hätten es gesagt, und es wäre falsch gewesen.
Es darf nicht sein. Ich habe noch niemandem zu einer Scheidung geraten, und ich werde es auch nicht tun, ganz gleich, wie die Lebensumstände sein mögen. Selbst wenn ein Trinker Leib und Leben der Frau bedroht, dann muss natürlich räumliche Trennung erfolgen, aber nicht Scheidung – jedenfalls nicht von der Frau ausgehend. Wenn der Mann sich scheiden lässt, ist das immer etwas anderes, oder eben der andere Partner.
Räumliche Trennung, wie wir hier gesehen haben, vorübergehende Auflösung der Lebensgemeinschaft, das kann es geben in solchen Situationen. Aber Scheidung – und erst recht keine Wiederverheiratung – auf keinen Fall.
Wer angesichts des eindeutigen biblischen Verbotes dennoch das Recht auf Wiederheirat vertritt, der muss sich fragen lassen, ob er nicht persönlichen Glücksvorstellungen den Vorrang vor den Ordnungen Gottes einräumt. Der Satz hat mich bewegt. Das machen wir alle sehr gerne. Das ist nicht nur eine Frage von jemandem, der gerne wieder heiraten möchte. Das ist eine Frage in unserem Leben, ob wir persönlichen Glücksvorstellungen den Vorrang vor den Ordnungen Gottes geben wollen.
Glück und Zufriedenheit können nicht durch eigenwilliges Vorgehen erreicht werden. Wir finden sie nur in der Liebes-, Vertrauens- und Gehorsamsbeziehung zu Jesus Christus.
Im Leben eines Christen sollen die Belange des Reiches Gottes oberste Priorität haben. Das bedeutet, dass er sein Kreuz tragen muss, in welcher Form auch immer. Das kann für einen Alleinstehenden heißen, dass er vielleicht nie heiraten wird. Das kann für einen in der Ehe Befindlichen heißen, dass er in dieser Ehe ausharrt, selbst wenn es nicht immer harmonisch ist, dass er treu bleibt und an dem Platz stehen bleibt. Das kann für einen Geschiedenen heißen, dass er jetzt als Geschiedener allein bleibt und nicht mehr heiratet. Das kann auch für einen Geschiedenen und Wiederverheirateten heißen, dass er jetzt in diesem Verhältnis bleibt und so dem Herrn dienen möchte.
Lassen wir uns zunächst diesen Teil mit einem Gebet abschließen. Dann würde ich denen, die gehen wollen oder müssen, Gelegenheit dazu geben. Ich würde mich freuen, wenn die meisten noch ein paar Minuten Zeit hätten, falls Fragen da wären.
Wollen wir aber zunächst still werden und mit einem kurzen Gebet diesen Teil abschließen?
Ja, Herr, unser Gott und Vater, wir stehen nun wirklich vor der Frage, ob wir unser Glück, unser Lebensglück in deinen Ordnungen suchen wollen oder auf eigenem Weg, in selbstgezimmerten Bahnen.
Herr, lass uns erkennen, dass du es letztlich gut mit uns meinst, auch wenn es zunächst hart erscheint. Lass uns doch diese Gedanken, die deine Gedanken sind, die wir eben nachvollzogen haben von deinem Wort her, verinnerlichen. Lass sie uns zu den unseren machen. Schenke doch, dass diese ganz deutlichen Aussagen, die wir in der Schrift finden, wirklich zu unseren Sichtweisen werden.
Ich möchte dich bitten für die unter uns, die jetzt als Betroffene zugehört haben heute Abend, die geschieden sind und/oder wiederverheiratet, dass sie Frieden bekommen über ihr vergangenes Leben, dass sie da wirklich Frieden bekommen, dass die Dinge in deinem Licht geordnet sind und dann auch die Gegenwart und die Zukunft wirklich mit dir gestaltet werden können.
Herr, ich möchte dich für unsere Ehen bitten, dass unsere Ehen stabil werden und immer fester, immer treuer, immer hingebungsvoller von beiden Seiten aus.
Ich möchte dich auch bitten, dass wir als Gemeinde hier eine gute Ehevorbereitung geben können, den jungen Paaren unter uns, den Unverheirateten, dass wir da wirklich ein gutes Fundament legen, damit die Weiche nicht falsch gestellt wird.
Herr, bitte lass uns auch als Gemeinde an diesem Punkt Licht und Salz sein in unserer Gesellschaft, in unserer Umgebung.
Wir preisen dich, dass unser Lebensglück in deinen Ordnungen liegt. Amen.
