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Biblische Gemeinde in Gegenwart und Zukunft

19.10.19962. Timotheus 2,6

Vorbemerkungen

Ich habe etwa ein Jahr lang gedanklich an diesem Vortrag gearbeitet. Und ich muss sagen, die Beschäftigung mit diesem Thema hat mir gut getan. Paulus schrieb einmal an Timotheus: "Der Ackerbauer, der sich müht, muss als erster an den Früchten Anteil haben" (2. Timotheus 2, 6). Nun hoffe ich, dass die Früchte in gewisser Weise ausgereift sind, und auch Euch zur Nahrung dienen können. Der treue Herr möge es schenken!

Als zweites müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass die Gemeinde, über die wir heute sprechen, nirgendwo auf dieser Erde zu finden ist. Es wäre großartig, wenn wir heute den theoretischen Teil abhandeln könnten und morgen früh zusammen als Modell die Gemeinde in Karlsruhe oder in Sindelfingen oder in Pirmasens oder in Mannheim anschauen könnten. Wir alle wissen das; und doch muss ich es zu Beginn meines Vortrages noch einmal betonen: die ideale Gemeinde gibt es hier auf dieser Erde nicht!

Ich habe sie auch im Salzburger Land nicht gefunden, auch nicht bei meinem Besuch in San Leandro - obwohl mich gerade diese Versammlungen außerordentlich stark beeindruckt haben. Daraus will ich keinen Hehl machen. Die Gemeinde Jesu ist in dieser Weltzeit noch in unvollendetem Zustand. Darum trägt sie immer einen gewissen Grad von unbiblischen Zügen an sich.

Warum ist das so? Weil wir alle noch in unvollendetem Zustand sind, trägt auch die Gemeinde Gottes, wo immer sie sich örtlich versammelt, unvollendete Züge an sich. Wer davor die Augen verschließt, ist ein unnüchterner Schwärmer. Aber man kann auch auf der anderen Seite vom Pferd fallen. Es gibt Christen, die sagen sich: "Ja, wenn die Gemeinde hier in dieser Welt immer mit Fehlern und Schwächen behaftet sein wird, warum sollen wir uns dann noch bemühen?" Und dann begnügt man sich allzu schnell mit dem Status Quo. Ihr seht, liebe Brüder und Schwestern, wir sind hier wie in unserem persönlichen Glaubensleben in ein Spannungsverhältnis hineingestellt. Wir haben - im Bild gesprochen - immer ein lachendes und ein weinendes Auge.

Jeder einzelne von uns steht jetzt in diesem Augenblick heilig, gerecht und vollkommen vor dem Vater - so als hätten wir nie gesündigt. Das ist unsere wunderbare Stellung in Christus vor Gott. Aber unser Wandel ist leider oft noch unheilig, ungerecht und alles andere als vollkommen. Es ist noch soviel Schwachheit und Mangel an uns. Darunter leiden wir. Doch "....weil wir diese Hoffnung haben, reinigen wir uns, wie er rein ist" (1. Johannes 3, 3). Und so verhält es sich auch im Blick auf unsere Gemeinden. Wir sind zuerst von Herzen dankbar für alles, was Gott uns trotz unserer Schwachheit an biblischem Gemeindeleben geschenkt hat. Doch zugleich haben wir das weinende Auge. Was wir Gemeinde nennen, ist oft so armselig und kümmerlich, dass wir uns nur schämen können. Aber solange uns das noch auffällt, und wir noch darunter leiden, solange ist noch Hoffnung da! Wenn wir uns allerdings an den Zustand unserer Versammlung gewöhnt haben, betriebsblind geworden sind, oder gar meinen, wir hätten´s gepachtet, dann wird es gefährlich. Also: ein lachendes und ein weinendes Auge. Aber bitte in dieser Reihenfolge.

Und noch eine letzte Vorbemerkung zur Formulierung des Themas: Biblische Gemeinde in Gegenwart und Zukunft. Warum haben wir die Vergangenheit weggelassen? Nun, wir sahen die Gefahr, dass wir uns dann zu leicht bei den Vätern orientieren würden. Wir wollen uns aber an der Schrift orientieren. Wir wollen nicht nur zurückgehen bis 1937 oder 1850 oder 1525 - wir wollen bis ins erste Jahrhundert zurückgehen! Das Neue Testament ist unser Maßstab. Ich habe hier einen Satz zum Nachdenken mitgebracht, der lautet: "Wenn wir das tun, was unsere Väter taten, tun wir eben nicht das, was unsere Väter taten." Darum wollen wir nicht blindlings einer bestimmten Tradition folgen, sondern wieder neu in der Schrift forschen - auch im Blick auf die Wahrheiten der Gemeinde.

Biblische Gemeinde ist der Versuch der Darstellung des Leibes Christi in konkreter Form

Das Neue Testament spricht 113 mal von der "Ekklesia" (wörtlich: die Herausgerufenheit oder die Herausgerufenseinschaft). Davon ist einige Male die Gesamtgemeinde aller Gläubigen aller Orte während des gesamten gegenwärtigen Zeitalters gemeint.

Z.B. in Matthäus 16, 18: "...auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen." Sie ist identisch mit dem Leib Christi. Nur wiedergeborene, mit dem Heiligen Geist versiegelte Menschen gehören dazu. Dieser weltweite Leib des Christus ist im Unterschied zu Israel ein "himmlisches Volk". Israel war und ist Gottes irdisches Volk. Es wurde in dieser Zeit erwählt, hat ein sichtbares Land mit einem sichtbaren Zentrum und einer konkreten Reichserwartung hier auf dieser Erde. Die Gemeinde des Christus ist in ihrem Wesen nach ein "himmlisches Volk". Als Gott den Petrus darauf vorbereitete, dass bald Heiden mit dem Geist getauft würden, da sah Petrus in seiner Vision ein leinenes Tuch, das aus dem Himmel kam und wieder in den Himmel gezogen wurde (Apostelgeschichte 10, 11ff). Aus dem Himmel - in den Himmel. Genau das ist der Weg der Gemeinde Gottes. Sie wurde vor Grundlegung der Welt erwählt, wird jetzt in dieser Zeit herausgerufen aus den Juden und aus den Nationen, und wird am Tag der Entrückung in den Himmel geholt. Die Gemeinde Jesu ist ein himmlisches Volk.

Daraus folgt für die örtliche Versammlung der Jünger Jesu, um die es in den übrigen 95 Stellen geht:

  1. Wenn die Gemeinde Gottes ein geistlicher, himmlischer Organismus ist, dann darf er nicht mit irdischen oder staatlichen Körperschaften vermischt werden.
    Nun, wir wissen alle, dass die Weichen an dieser Stelle in der Kirchengeschichte oft falsch gestellt worden sind - am Gravierendsten im 4. und im 16. Jahrhundert, als die beiden großen Staatskirchen entstanden. Aber Gott will diese unselige Verquickung von Staat und Kirche nicht. Die beiden großen Kirchen haben nämlich ein territorial-sakramentales Gemeindeverständnis. Alle Getauften, die in einem bestimmten, geographischen Gebiet wohnen, gehören zu der römisch-katholischen oder evangelischen Kirchengemeinde, sofern sie nicht aus ihrer Denomination ausgetreten sind. Die persönliche Glaubenseinstellung spielt hinsichtlich ihrer Mitgliedschaft nur eine untergeordnete Rolle. Gemäß der oben angeführten Tatsache kann es sein, dass eine Kirchengemeinde aus hundert Prozent Getauften besteht, jedoch achtzig Prozent oder mehr im biblischen Sinn nicht gläubig sind. Die wenigen Wiedergeborenen bilden dann mit ihnen zusammen eine "Gemeinde" und müssen sich u.U. einer Gemeindeleitung unterordnen, die überwiegend / ganz aus Ungläubigen besteht.
    Die Heilige Schrift hingegen lehrt ein personales Gemeindeverständnis. Jeder, der durch Gottes Wort und Geist wiedergeboren ist, gehört zur weltweiten Gemeinde, zum Leib Jesu Christi. Es war nie Gottes Wille, dass Gläubige und Ungläubige "zusammengejocht" werden. Der Apostel Paulus schrieb: "Geht nicht unter fremdartigem Joch mit Ungläubigen. Denn welche Verbindung haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Gemeinschaft Licht und Finsternis? Und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? Oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? Und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildern? Denn wir sind der Tempel des lebendigen Gottes; wie Gott gesagt hat: "Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. Darum geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt nichts Unreines an, und ich werde euch annehmen und werde euer Vater sein, und ihr werdet mir Söhne und Töchter sein, spricht der Herr, der Allmächtige" (2. Korinther 6, 14 - 7, 1). Dieser Abschnitt bezieht sich im Kontext der Korintherbriefe zuerst auf religiöse Vermischung! Wir wenden diese Verse oft einseitig nur auf Partnerschaft an.
    Fazit: Die Versammlung am Ort darf niemals mit irdisch-weltlichen Organisationen vermischt werden.

  2. Weil die Gemeinde Jesu ein himmlisches Volk ist, hat sie auch kein irdisches Zentrum
    ... weder in Jerusalem, noch in Antiochia
    ... weder in Rom, noch in Wittenberg, weder in Plymouth noch in Dillenburg.
    Die Schrift lehrt die organisatorische, finanzielle und geistliche Unabhängigkeit der Ortsgemeinde. Jede Art von Zentralismus oder gar Synodalismus birgt Gefahren in sich. Biblische Gemeinden dulden keine andere Instanz über sich als den auferstandenen Herrn, das Haupt der Gemeinde. Fred Colvin wurde einmal gefragt, wo das Hauptquartier der Salzburger Gemeinden sei. Darauf hat er geantwortet: Dort wo unser Haupt quartiert - im Himmel!

Was ist unserem Herrn eigentlich das Liebste auf dieser Erde?

 Epheser 5, 25 Christus hat die Gemeinde geliebt...
 Epheser 2, 10 Gottes Meisterstück!
Wir haben einen Schreinermeister in unserer Gemeinde. Er hat mir erzählt, dass er mehrere hundert Stunden in sein Meisterstück investiert hat. Alle Liebe, sein ganzes handwerkliches Können, etc. hat er da hineingelegt. Die Gemeinde ist Gottes Meisterstück! Unser Gott hat durch sein Heilshandeln die Gemeinde ins Leben gerufen. Am Pfingsttag waren es zuerst nur Juden, später kamen die Samariter als Halbjuden dazu, bis dann im Haus des Kornelius auch die ersten Heiden in den Leib Christi hineingetauft wurden. Der zweite Teil der Apostelgeschichte und die neutestamentlichen Briefe zeigen uns, dass Gott in der ganzen bewohnten Welt Gemeinden haben möchte. Und diese örtlichen Gemeinden sollen quasi "en miniature" den weltweiten Leib des Christus darstellen. Da aber alle Gemeinden aus fehlerhaften Menschen bestehen, können wir nur von einem Versuch der Darstellung sprechen. Wenn ich so auf die letzten sechs Jahre zurückblicke, dann muss ich Euch ehrlich bekennen: Trotz mir gibt es in Mannheim so etwas wie eine Gemeinde. Ich habe in dieser Zeit genügend Fehler gemacht, um die Gemeinde mehrfach zugrunde zu richten. Aber die Gnade des Herrn war größer! Die Gemeinde ist das Meisterstück Gottes! Weil es um Gottes Meisterstück geht, in das er sein ganzes Herz hineingelegt hat, darum wollen auch wir mit aller Energie und Leidenschaft an diese großartige Aufgabe gehen.

Die Gemeinde ist das Meisterstück Gottes!

Biblische Gemeinde darf allein nach der Schrift gebaut werden

Während der KFG-Tagung 1994 erinnerte uns Benedikt Peters an einige fundamentale Wahrheiten der Heiligen Schrift; u.a. auch im Blick auf den Bau des Hauses Gottes.
 2. Mose 25, 9
 2. Mose 40 (7x): "...ganz wie der Herr dem Mose geboten hatte ..."
 3. Mose 10, 1-3: Gott setzt ein Zeichen: kein Eigenwille in seinem Haus!

Liebe Geschwister, wie viel mehr gilt das für den Bau der Gemeinde Jesu als neutestamentliche Wohnung Gottes! Kein Eigenwille! Kein menschliches Gutdünken! Sondern Gehorsam gegenüber Gottes Wort! Wenn wir biblische Gemeinde bauen wollen, dann muss die Heilige Schrift allein und hundertprozentig der Maßstab sein. Alles was sie lehrt, muss praktiziert werden, und alles was im Widerspruch zur Bibel steht, muss abgelehnt werden. Brüder, ich kenne die Gefahr des Pragmatismus! Kennt Ihr sie auch?

Was ist Pragmatismus?

Ich habe mal eine originelle chinesische Definition gehört, die lautete folgendermaßen: "Es spielt keine Rolle, ob die Katze schwarz oder weiß ist; wenn sie Mäuse fängt, dann ist es eine gute Katze!" Der Apostel Paulus mahnt uns eindringlich in 1. Korinther 3, 10: "Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe als ein Weiser Baumeister den Grund gelegt; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut!" Diese Worte sind mir wirklich zu Herzen gegangen. Wir sollen nach der Schrift bauen, und zwar in allen Bereichen.

  1. Im Blick auf die Strukturen der Gemeinde:
    Ich erkenne in der Schrift folgende, unverzichtbare Strukturelemente einer biblischen Gemeinde:
    • regelmäßige Lehre, Gemeinschaft, Brotbrechen und Gebet (Apostelgeschichte 2, 42)
    • die biblische Taufe der Gläubigen durch Untertauchen
    • Einsatz der geistlichen Gaben aller Glieder ohne Unterscheidung des Leibes in Klerus und Laien (Priesterschicht und Fußvolk)
    • Leitung der Gemeinde durch mehrere Älteste
    • Gemeindezucht (Apostelgeschichte 5, 1-11;
      1. Korinther 5, 1-13)
    • Unabhängigkeit von Staat, Staatskirchen und Genfer Ökumene
    • aktiver Einsatz der Gemeinde in Evangelisationen, Mission und Diakonie
  2. Im Blick auf die Zusammenkünfte der Gemeinde:
    • wöchentliche Sammlung der Gemeinde am Tisch des Herrn
    • Ausrichtung der Zusammenkünfte der Gemeinde nach dem NT (bes.
      1. Korinther 11-14)
    • die schönste und die schwierigste Art des Zusammenkommens

Man könnte jetzt zu jedem dieser Punkte Bibelstellen aufschlagen. Das möchte ich nicht tun. Lasst mich aber zu dem letzten Punkt der Aufzählung etwas anmerken; nicht zum Dienst der Schwestern in der Versammlung. Ich habe den Eindruck, wir sollten lieber öfters etwas sagen an die Adresse der Männer, z.B. wie sie ein hingegebenem Leben führen können, wie sie gottgemäße Prioritäten setzen können und wie sie eine biblische Ehe und Familie führen können. Vielleicht wären diese Themen in manchen Gemeinden wichtiger!

Wenn ich 1. Korinther 11-14 richtig verstehe, dann liegt der Schwerpunkt unserer Zusammenkünfte auf folgenden drei Elementen:

  • wir wollen unseren Gott und Vater anbeten (nach oben)
  • wir wollen einander auferbauen durch die verständliche Weitergabe des Wortes Gottes (zur Seite)
  • wir wollen uns zurüsten lassen, um hinauszugehen und in dieser sterbenden Welt das Evangelium zu bringen (nach außen).

Nach meiner Erkenntnis sind die Zusammenkünfte der Gemeinde keine Evangelisations- veranstaltungen. Bitte versteht mich nicht falsch! Wir sollten unbedingt evangelisieren, in speziellen Bibelstudien, in evangelistischen Hauskreisen, durch Teebus - Einsätze, mit Offenen Abenden und Fachvorträgen, und, und, und ... Aber warum denn in den Zusammenkünften der Gemeinde?

In unserem Land kann folgende paradoxe Situation beobachten:

  • in den Kirchen sitzen überwiegend Ungläubige, die aber als Christen angesprochen werden und denen quasi Heiligung gepredigt wird...
  • und in den Gemeinden sitzen zu einem ganz großen Teil Gläubige - und die werden ständig evangelisiert... Das ist doch paradox!
    Wenn Paulus in
    1. Korinther 14, 23-25
    von Unkundigen schreibt, die hereinkommen könnten, so verwendet er den Konjunktiv (die Möglichkeitsform). Es steht nicht da, dass wir die Ungläubigen in die Versammlung der Gemeinde einladen sollen oder gar die ganze Versammlung auf solche Besucher ausrichten sollen. Ich fürchte, dass wir an dieser Stelle schon ein ganzes Stück weit infiziert sind vom Anthropozentrismus der humanistischen Gesellschaft, d.h. von der Neigung, immer und überall den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.

Vielleicht habt Ihr von Bill Hybels und seiner Willow Creek Community Church in Chicago gehört. Hybels hat seinen Gottesdienst am Sonntagmorgen total auf Außenstehende umgestellt. Ich lehne weder ihn, noch sein Konzept pauschal ab. Aber ich bin in großer Sorge, dass wir auf diese Weise aus dem Heiligtum einen Vorhof machen! Das dürfen wir nicht! Dass die Evangelikalen weltweit für dieses Konzept sehr offen sind, verwundert mich keinen Augenblick. Dafür bin ich aber umso erschütterter, dass der Ansatz des Neo- Evangelikalen Hybels bis in konservativste Brüderkreise sehr schnell Eingang gefunden hat, die doch von den Vätern her ganz anders geprägt waren.

Von den Vätern hatten wir's ja vorhin schon mal. Es gibt noch einen Satz, den ich anführen möchte, auch wenn er von dem völlig ungläubigen Goethe stammt: "Was du geerbt hast von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen!" In diesem Satz ist unwahrscheinlich viel Weisheit drin. Wie sagte mal ein anderer? >"Die erste Generation hatte es im Herzen, die zweite im Kopf, und die dritte nur noch im Bücherregal!"

Liebe Brüder, ich fürchte, manche wertvollen biblischen Wahrheiten haben wir nur noch im Bücherregal! Goethe sagt: "... erwirb es, um es zu besitzen!" Auch wir in unserer Generation müssen neu die Schrift studieren - auch im Hinblick auf die Wahrheiten der Gemeinde und ihrer Zusammenkunft. Nur so können wir biblische Gemeinde bauen, wie der Herr... geboten hat!

Biblische Gemeinde hat keine äußere Attraktion, sondern vielmehr eine verborgene, innere Herrlichkeit.

Was heißt das? Ich muss an dieser Stelle etwas ausholen. Die ganze Bibel zeigt uns, dass Gott nicht mit Macht und Getöse kommt, sondern mit in Niedrigkeit und Unscheinbarkeit. Seine Herrlichkeit war quasi vor den Augen der Welt verborgen. Wenn wir im AT die Stiftshütte anschauen, die hatte von außen gesehen überhaupt nichts Gewaltiges. Die äußere Bedeckung war gar nicht anziehend, fast sogar hässlich (graue Decke aus einer Art Dachsfell). Aber die ganze Herrlichkeit war drinnen! Innen glänzte alles von purem Gold! Beim salomonischen Tempel war es genauso. Von außen war es nur eine große, weiße Schachtel. Alle Herrlichkeit war drin! Von außen nichts besonderes. Aber beim herodianischen Tempel - tausend Jahre später - da sah es anders aus. Die Jünger gerieten geradezu ins Schwärmen als sie Jesus das imposante Gebäude zeigten. Warum war der Tempel von Herodes in jahrzehntelanger Arbeit äußerlich so aufgemotzt worden? Weil innen nichts mehr drin war. Von dem Tempel, der nach der babylonischen Gefangenschaft durch Esra und Serubabel wieder aufgebaut worden war, lesen wir nie mehr, dass ihn die Herrlichkeit Gottes erfüllt hatte. Und deswegen wurde er wenigstens äußerlich kunstvoll mit Gold und Silber verziert und verschnörkelt.

Als unser Herr Jesus über diese Erde ging, da heißt es von ihm bei Jesaja: "Er hatte keine Gestalt und keine Pracht. Und als wir ihn sahen, da hatte er kein Aussehen, dass wir Gefallen an ihm gefunden hätten" (Jesaja 53, 2). Und doch kann Johannes später bezeugen: "Und das Wort wurde Fleisch, und wohnte (wörtlich: zeltete - ein Begriff der übrigens wörtlich an die Stiftshütte erinnert) unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit" (Johannes 1, 14). Und in der Gemeinde? Soll es da anders sein? Das wünschen sich natürlich viele Christen, gerade heute in unserer weltseligen Christenheit. Die Popularität der Gemeinde Jesu in dieser Welt ist mit vielen widergöttlichen Kompromissen erkauft worden. Aber das NT zeigt uns für die Gemeinde einen anderen Weg, nämlich den gleichen Weg, den unser Meister vor uns gegangen ist. Der Grundsatz gilt auch hier: die Herrlichkeit ist innen!

Wir sehen das sehr deutlich ausgedrückt im Sendschreiben an Philadelphia. Der Schlüssel für das Wohlgefallen Gottes, das über dieser Gemeinde war, liegt in einem kleinen, unscheinbaren Sätzlein: "...denn du hast eine Kraft..." (Offenbarung 3, 8). Bitte beurteilt eine Gemeinde nicht nach äußeren Gesichtspunkten! Wie oft höre ich, wenn eine Gemeinde beschrieben wird, Sätze wie diese: "Die haben ein tolles Gebäude; und ein Super - Musikprogramm; und der Lobpreis ist spitze; und die Anspielgruppe hervorragend; und der Pastor ist so humorvoll und spritzig; und die Predigt dauert nur 20 Minuten; aber dafür werden jede Woche Kranke gesund; und Freitagnacht gibt's immer Tanz bis zur Morgenandacht ..." (natürlich überzeichnet). Das ist mir sehr ernst: Philadelphia hatte eine kleine Kraft. D.h. nach außen hin nichts Weltbewegendes, unscheinbar, von der Welt ignoriert oder sogar verachtet, keine gesellschaftliche Größe, kein Machtfaktor in dieser Welt - aber mit verborgener, innerer Herrlichkeit! Das ist der Weg der Gemeinde Jesu durch diese Weltzeit! Es ist Gemeinde Jesu in Knechtsgestalt, oft benachteiligte und verfolgte Gemeinde - noch nicht triumphierende Gemeinde! Gemeinde Jesu Christi ist jetzt in dieser Weltzeit Gemeinde unter dem Kreuz! Ich fürchte, dass die Popularität der Gemeinde Jesu in dieser Welt mit vielen widergöttlichen Kompromissen erkauft worden ist. Das soll aber nicht heißen, dass wir uns nur in kahlen, ungemütlichen Räumen versammeln sollten. Dem will ich hier auf keinen Fall das Wort reden.

Aber worin nun besteht die verborgene, innere Herrlichkeit der Gemeinde Jesu Christi?

Ich glaube, das ist ER selbst, der auferstandene, lebendige Herr. Wenn er gegenwärtig ist in einer Gemeinde. Wenn ER im Mittelpunkt steht, und alle Herzen auf ihn hin ausgerichtet sind.

Im letzten Kapitel des Johannesevangeliums war es dem Schreiber sehr wichtig festzuhalten, dass der Herr Jesus in die Mitte seiner Jünger trat. Christus im Zentrum! Wie bei einem Rad alle Speichen zur Mitte, zur Nabe hin zusammenlaufen, so wollen wir als Gemeinde zu unserem auferstandenen Herrn hin versammelt sein, zu ihm hin und zu seinem Namen!

Diejenigen, die bei uns in Mannheim freitags zum Gebetsabend kommen, die hören mich im Blick auf unsere Sonntagsversammlung oftmals beten: "Herr, lass uns deine Gegenwart erleben!" Wie ist das? Muss man so überhaupt beten? Hat er nicht seine Gegenwart versprochen, wenn er sagt: "Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters" (Matthäus 28, 20)? Sollen wir überhaupt so beten, oder ist das nicht Unglaube? Willem Ouweneel gab einmal in einem Vortrag über eine ähnliche Thematik folgende Antwort. Er sagte: "Nun, die Mathematiker unter uns, die werden sagen: "Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte". Und dann zählen sie durch und sagen: Zwei, drei, zehn, zwanzig, fünfzig, ... Das reicht dicke - also ist der Herr Jesus in unserer Mitte. Die Gefühlsbetonten, die werden das schon etwas einschränken. Die sagen: Gut, er mag in unserer Mitte sein, aber ich habe es weder gefühlt noch gespürt. Ich hatte nichts davon."

Aber können wir wirklich sagen, dass Christus generell in unserer Mitte ist, ganz gleich, ob wir das feststellen können oder nicht? Nach Philadelphia kommt noch das Sendschreiben an die Gemeinde von Laodizea. Diese Gemeinde dachte von sich sehr positiv, sie sei reich und brauche nichts. Alles in bester Ordnung. Aber der Herr stand draußen vor der Tür! Angenommen, er stünde am nächsten Sonntag während unserer Zusammenkunft draußen vor der Tür. Würden wir das überhaupt merken? Würden wir nicht die gleichen Lieder singen? Würden wir nicht die gleichen Gebete sprechen? Würde nicht alles ablaufen wie sonst auch? Liebe Brüder und Schwestern, ich glaube, wir sollten nicht nur beten, nein, wir sollten darum flehen, dass wir die Gegenwart Gottes unter uns erleben und die Kraft des Heiligen Geistes! Wir haben weder ein Abonnement, noch ein Monopol darauf!

Doch wir dürfen darum bitten, denn der Herr offenbart sich doch so gerne unter seinen Kindern. Wie auch immer - wenn wir nur unter uns ganz real die Gegenwart Gottes erleben! Das ist das alles entscheidende Kennzeichen einer lebendigen, biblischen Gemeinde. Ohne das wird alles andere leer und hohl! Ohne die Gegenwart des Herrn sind wir nicht Philadelphia, sondern Laodizea!

Es fehlt so oft der Geist in unseren Versammlungen - dafür erleben wir umso mehr Mensch, und damit Fleisch. Das dürfen wir in keiner Weise entschuldigen. Darunter können wir uns nur beugen. Ganz gleich, wo wir in unseren Gemeinden im Blick auf diesen Punkt stehen - wir wollen dankbar sein für das, was uns bereits geschenkt ist; aber wir wollen uns dennoch danach ausstrecken, dass es besser wird mit uns!

Ich bin einfach fest davon überzeugt: Bei einer biblischen Gemeinde liegt der Schwerpunkt nicht auf äußerer Attraktion, sondern vielmehr auf einer verborgenen, inneren Herrlichkeit. Sie bejaht das und strebt nichts anderes an. Das hat Auswirkungen. Eben weil sie sich ihrer kleinen Kraft in dieser Welt bewusst ist, geht sie z.B. keine ungöttlichen Verbindungen mit Machtorganisationen ein, sondern sie möchte aus Überzeugung eine von Menschen unabhängige Gemeinde bleiben, aber dafür um so abhängiger vom Herrn sein! Eine Gemeinde, die sich ihrer kleinen Kraft in dieser Welt bewusst ist, wird eine betende Gemeinde sein.

Die Gebetszusammenkünfte sind der Gradmesser des geistlichen Lebens einer Gemeinde. Man kann es einfach auf folgenden, kurzen Nenner bringen: In einer lebendigen, biblischen Gemeinde wird beim Gebet viel gearbeitet und beim Arbeiten viel gebetet. So soll es sein.

Und noch eine dritte Auswirkung will ich anführen:

Eine Gemeinde, die sich ihrer kleinen Kraft in dieser Welt bewusst ist, wird das baldige Erscheinen ihres Herrn liebhaben.

In Offenbarung 3, 10 sagt der Herr Jesus: "Weil du das Wort vom Harren auf mich bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung,..." Eine Gemeinde, die mit ganzem Herzen an ihrem Herrn hängt, die wird ihn auch mit Inbrunst erwarten - selbst in einem derart materialistischen und diesseitsorientierten Zeitalter wie dem unsrigen. Hier klingt das Bild von Braut und Bräutigam an. Braut und Bräutigam pflegen ihre Liebesbeziehung. Und genau das ist der Kern eines richtig verstandenen Christenlebens.

Ich darf ausruhen am Kreuz. Dort bin ich mit ewiger Liebe geliebt. Ich bin angenommen, und mein Erlöser wird mich nie mehr hergeben! Nie mehr! Das ist schon hier meine Seligkeit. Darum hänge ich an ihm und diene ihm freiwillig aus Liebe und Dankbarkeit. Biblische Gemeinde hat eine verborgene, innere Herrlichkeit!

Ihr geliebten Geschwister, ich weiß nicht, wie Ihr die Dinge seht. Aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die Akzente auch in dieser Hinsicht verschoben haben. Wenn ja, dann lasst uns dessen eingedenk werden und zum biblischen Christentum zurückkehren!

Lasst mich noch einen vierten Punkt anführen:

Biblische Gemeinde möchte die Prinzipien von Evangelisation, Jüngerschaft und Multiplikation verwirklichen.

Über Evangelisation haben wir vorhin bereits ein wenig nachgedacht. Über Jüngerschaft möchte ich ein paar Sätze sagen und noch etwas über Multiplikation. Ich persönlich glaube, dass wir das Thema Jüngerschaft noch nicht in seiner vollen Bedeutung erkannt haben. Woher ich das wissen will? Man kann es in einer Gemeinde erkennen,

  • wenn die Junggläubigen ohne Begleitung gelassen werden (wenn man sich also damit begnügt, dass sie bestimmte Veranstaltungen besuchen)
  • wenn viele Brüder und Schwestern in der Gemeindearbeit keine Mitarbeiter sind, sondern nur Konsumenten, und wenn ihnen niemand Aufgaben gibt
  • oder wenn man die älteren, reiferen Brüder immer alleine sieht - und nicht in der Begleitung von jungen Brüdern.

Ihr lieben Brüder, wenn eine Gemeinde keine Jünger heranbildet, warum sollte ihr dann der Herr noch Neubekehrte anvertrauen? Unser Herr hat uns befohlen, Jünger zu machen, indem wir die Gläubigen taufen und lehren. Es ist nicht in unser Belieben gestellt. Wenn wir biblische Gemeinde sein wollen, müssen wir es tun! Ich komme zum letzten Stichwort: Multiplikation. Es fällt mir nicht leicht, über diesen Punkt zu sprechen, weil ich weiß, dass hier Brüder aus ganz unterschiedlichen Gemeinden zusammen sind.

Die eine Versammlung hat seit Jahren Wachstum zu verzeichnen; eine andere stagniert schon lange Zeit und rekrutiert sich nur noch durch biologisches Wachstum; und wieder eine andere geht trotz treuem Einsatz mancher Geschwister kontinuierlich zurück. Wenn ich jetzt im folgenden trotzdem etwas über Multiplikation sage, dann deswegen, weil es einfach ein neutestamentlicher Grundsatz ist - ganz unabhängig von dem jeweiligen Zustand einer Gemeinde.

Ich persönlich glaube, dass in einer biblischen Gemeinde alle Bereiche auf Multiplikation hin ausgerichtet werden sollen.

  • die Zahl der Bekehrten soll multipliziert werden durch Evangelisation
  • die Zahl der Jünger soll multipliziert werden durch Jüngerschulung
  • die Zahl der Mitarbeiter/in soll multipliziert werden durch Schulung und Zurüstung der Mitarbeiter - sei es in der Kinderarbeit, Sonntagsschularbeit, Hauskreisarbeit, Seelsorgearbeit, oder sei es im Verkündigungsdienst der Brüder!
  • und die Zahl der Leiter soll multipliziert werden durch das Heranbilden von neuen, bewährten Leitern. Und genau an dieser Stelle sehe ich eine große Schwachstelle in vielen Gemeinden. Zu wenige machen zu viel! Und zu viele machen viel zu wenig! Das ist aber alles andere als biblisch! Ihr lieben älteren Brüder, seht doch bitte mehr Eure Aufgabe darin, Jüngere zuzurüsten! Wir kennen doch alle den Vers in
    1. Timotheus 2, 2
    : "Was du (2) von mir (1) gehört hast, ... das vertraue treuen Menschen (3) an, die tüchtig sein werden, auch andere (4) zu lehren."

Das Prinzip ist einfach, aber wirkungsvoll: Zuerst mache ich etwas allein. Dann nehme ich mir einen bewährten Bruder hinzu; und der schaut mir zunächst einmal nur zu und beobachtet, wie ich es mache. Eines Tages darf er ran, und ich schaue ihm zu. Ich gebe ihm Ermutigung und Korrektur. Wenn er sicher geworden ist, macht er die Aufgabe allein, bis er eines Tages wiederum jemanden anderes anlernen kann. Ihr Lieben, so geschieht Multiplikation! Und das ist biblisch. Das will unser Herr! Nur ist die Frage, ob wir es auch wollen.

Wenn wir das Prinzip der Multiplikation bejahen, dann gilt es letztlich sogar für die gesamte Gemeinde. Auch sie soll sich durch Tochtergemeinden multiplizieren. Auch dieser Gedanke ist m.E. noch viel zu wenig in unserem Bewusstsein. Es gibt viele Versammlungen, die bereits Jahrzehnte bestehen und noch nie eine Tochtergemeinde abgelegt haben. Ich empfinde das als großen Mangel.

Warum sollte eine Gemeinde bestrebt sein, Tochtergemeinden zu gründen?

I. Argumente, die dafür sprechen:
  1. Ein Argument aus der Natur:
    Donald McGavran gebrauchte immer wieder ein Lieblingsbeispiel: "Was ist die wahre Frucht eines Apfelbaums?" Ein Apfel? Falsch! - Die wahre Frucht eines Apfelbaums ist nicht ein Apfel, sondern ein weiterer Apfelbaum." Das stimmt. Wenn die wahre Frucht ein Apfel wäre, dann hätte Gott sicherlich kernlose Äpfel geschaffen. Aber Gott hat es so eingerichtet, dass Bäume Samen werfen, und weitere Bäume entstehen können. Wir erkennen in der Natur ein Prinzip: Eine Pflanze wird nicht unendlich groß, sondern sie bringt weitere Pflanzen hervor, die wiederum weitere Pflanzen hervorbringen. Noch einmal zurück zu dem Bild vom Apfelbaum. An einem Baum können einzelne Äpfel wachsen. Das ist gut. Es können vielleicht auch ganz neue Äste an ihm wachsen - vielleicht mit vielen neuen, schönen Äpfeln. Aber das Maximalziel wäre so noch nicht erreicht. Erst wenn neue Apfelbäume entstehen würden... das heißt: neue Gemeinden. > Willst du etwas pflanzen, das einen Sommer dauert, so pflanze Blumen!
    Willst du etwas pflanzen, das ein Leben dauert, so pflanze Bäume!
    Willst du etwas pflanzen, das eine Ewigkeit dauert, so pflanze Gemeinden!

  2. Ein Argument aus der Praxis:
    a.) "Eine Gemeinde kann nur ihr näheres Umfeld evangelistisch erreichen. Gäste scheuen in der Regel zu große Anfahrtswege" Ernst Maier (Handbuch für Gemeindegründung, S.134). Die Glieder vieler Gemeinden wohnen geographisch sehr weit verstreut. Es wäre wünschenswert, wenn wenigstens in den benachbarten Stadtteilen, Städten oder großen Dörfern eines Tages Gemeinden entstehen könnten.
    b.) Die Stadtteile einer Stadt verstehen sich oft als "soziologische Einheit", besonders dann, wenn sie früher einmal selbständig waren (die "Käfertäler", die "Wallstädter", die "Feudenheimer", etc.). Erfahrungen aus Großstädten zeigen, dass es sehr gut ist, in solchen in sich geschlossenen Stadtteilen Gemeinden zu gründen.

  3. Ein Argument der Vernunft:
    Gemeinde - Räumlichkeiten haben meistens nur ein begrenztes Fassungsvermögen. Bei uns in Mannheim überschreiten wir z.B. an fast allen Sonntagen die baugesetzlich zugelassene Personenzahl von 70 Personen (inkl. Kinder). Bei den gegenwärtigen Immobilien- und Mietpreisen wäre es m.E. sehr unweise, größere Räume anzumieten oder gar zu erwerben. Die vernünftigere Lösung ist die Gründung von Tochtergemeinden.

  4. Ein Argument aus der Schrift:
    "Theologisch gesehen besitzt die örtliche Gemeinde keinen Selbstzweck. Das übergeordnete Ziel ist das Reich Gottes, und die Ortsgemeinde ist lediglich Werkzeug dieses Reiches" (frei nach Peter Wagner, Gemeindegründung, S.43). Das ist wie in einer Familie. Die Familie hat keinen Selbstzweck. Die übergeordnete Kategorie ist die Gesellschaft. Darum dürfen Eltern ihre Kinder nicht lebenslang an sich binden, sondern sie führen sie zur Selbständigkeit und lassen sie eines Tages ziehen, um neue Familien zu gründen.

II. Standard - Einwände gegen Tochtergemeinden
  1. Wenn eine Gemeinde ein neues Gemeindegründungsteam aussendet, dann wird die Muttergemeinde u.U. zu stark geschwächt... Antwort nach P. Wagner (Gemeindegründung, S.44): In Wirklichkeit ist - bei richtiger Planung - das Gegenteil wahrscheinlicher. In der Regel wird die Neugründung der Muttergemeinde sogar helfen. Dieser Erkenntnis liegt die biblische Verheißung zugrunde: "Gebt, so wird euch gegeben ..." (Lukas 6, 38). Studien von Brian Larson zeigen, dass eine Muttergemeinde, die Mitglieder für Gemeindegründungen freigibt, diese gewöhnlich innerhalb von sechs Monaten ersetzt bekommt (Anm.: In Deutschland vielleicht innerhalb von 1 - 2 Jahren).  Apostelgeschichte 13, 1-3 --> Apostelgeschichte 15, 35

 2. Wenn eine Gemeinde ein neues Gemeindegründungsteam aussendet, dann wird die vertraute Gemeinschaft mit den ausgesandten Geschwistern zerbrochen... Antwort: Das ist dann eben der Preis, der für eine neue Gemeinde dieser Art bezahlt werden muss. Im Reich Gottes geht gar nichts ohne Opfer. Wenn Gott nicht sein großes Opfer gebracht hätte, wären wir alle nicht hier. Noch ein Hinweis: Wenn Gemeindeglieder aus beruflichen Gründen an einen anderen Ort ziehen, wird das viel leichter akzeptiert. Warum eigentlich?  Lukas 15, 3-7: Als der Hirte feststellt, dass nur 99 seiner 100 Schafe in Sicherheit sind, verlässt er die 99 und sucht so lange nach dem Verlorenen, bis er es gefunden hat. Wenn wir unsere heutige Situation anschauen, dann haben wir eher das umgekehrte Verhältnis: ein gerettetes Schaf und 99 Verlorene! Sollten wir da noch lange nachdenken, wo unsere Prioritäten liegen müssen? Der treue Herr möge uns vor einem "Gemeinde-Egoismus" bewahren!

Schluss:

Ich weiß sehr wohl, dass wir jetzt bei weitem nicht alles angesprochen haben, das zu diesem Thema gesagt werden könnte und vielleicht auch müsste. Vielleicht hilft uns da der Austausch nachher noch weiter. Ihr müsst auch nicht mit allem einverstanden sein, was ich gesagt habe. Wenn es nur dazu dient, dass wir am Forschen und beten bleiben im Blick auf die Gemeinde des lebendigen Gottes. Wir können die Welt nicht hindern, Welt zu sein. Wir können auch die Kirchen nicht hindern, Kirchen zu sein. Aber Welt und Kirchen können uns nicht hindern, biblische Gemeinde zu sein und immer zu werden.