Einführung und Thema der Predigt
Missio Camp 2013 erlebt
Hans-Peter Reuer spricht zum Thema „Erlebt. Bedingt beliebt oder unbedingt geliebt?“
So, guten Abend noch einmal. Danke für die Musik, super gespielt. Danke auch an Matthias Büttner, das ist eine gute Frage von dem Professor, die gefällt mir. Wann hat Jesus gelebt? Das ist eine super Frage. Und Daniel, du hast ganz meine Musikrichtung, finde ich super, auch danke.
Ja, ich bin schon öfter hier gewesen bei Fritz, Stephan und Anke, und es ist schön, wieder da zu sein, diese paar Tage.
Das Thema für heute Abend dreht sich um Liebe: bedingt, beliebt oder bedingungslos geliebt.
Mit dem Wort „Liebe“ ist das so eine Sache, weil das Konzept der Liebe in fast jedem Lied vorkommt – nicht in jedem, aber in den meisten. In den meisten Kulturen geht es immer irgendwie um Liebe, so oder so.
Wir haben Gedichte, die von Liebe handeln. Der Mensch sehnt sich nach Liebe, das ist eigentlich klar.
Das Problem mit dem Wort ist vor allem in der deutschen Sprache, dass wir nicht sehr viele Worte für Liebe haben – was immer das bedeuten mag. Im Vergleich zu den Griechen zum Beispiel, die viel mehr Begriffe für Liebe besitzen, sind wir da eingeschränkt.
Darum lieben wir halt alles Mögliche. Der eine sagt: „Ich liebe meine Frau“, der andere sagt: „Ich liebe meinen Hund“, der nächste sagt: „Ich liebe die Berge“, ein anderer das Meer, und wieder jemand anderes liebt das Wienerschnitzel. Jeder liebt irgendetwas.
Jetzt ist die Frage: Was bedeutet das nun?
Dies ist die Schwierigkeit. Es gibt relativ oft Missverständnisse, wenn man das Wort „Liebe“ verwendet.
Missverständnisse rund um das Wort Liebe
Eine Geschichte, die ein Missverständnis verdeutlicht:
Ein Ehepaar hatte beschlossen, dem kalten Winter zu entfliehen und in den warmen Süden zu fliegen. Aus beruflichen Gründen konnte die Frau jedoch erst einen Tag später fliegen als der Mann. Der Ehemann flog wie geplant.
Als der Ehemann im warmen Süden ankommt, bezieht er sein Hotelzimmer, holt den Computer heraus und schreibt eine E-Mail an seine Frau, die am nächsten Tag ankommen sollte. Dabei unterläuft ihm ein Fehler: Er lässt bei der E-Mail-Adresse einen Buchstaben weg. So landet die Mail versehentlich bei einer Witwe, die gerade ihren Mann zu Grabe getragen hat.
Die Witwe liest die Nachricht am Computer, in der eigentlich Beileid erwartet wird. Als ihr Sohn das Zimmer betritt, findet er die Mutter ohnmächtig auf dem Boden liegen. Sein Blick fällt auf den Bildschirm, auf dem steht: „An meine zurückgebliebene Frau von deinem vorausgereisten Gatten“. Im Betreff steht: „Ich bin angekommen“.
In der Mail schreibt der Ehemann weiter: „Meine Liebste, ich bin soeben gut angekommen, ich habe mich hier gut eingelebt und sehe, dass alles für deine Ankunft morgen vorbereitet ist. Ich wünsche dir eine gute Reise und erwarte dich in Liebe, dein Mann.“ Im Nachsatz fügt er hinzu: „Es ist extrem heiß hier unten.“
So entstehen Missverständnisse. Ich erzähle diese Geschichte, weil es uns in Bezug auf die Liebe ähnlich ergeht.
Die Sehnsucht nach Liebe als Beziehungswesen
Frage: Warum sehnt sich der Mensch überhaupt nach Liebe? Das hat damit zu tun, dass der Mensch als Beziehungswesen geschaffen ist. Darum haben wir diese Sehnsucht.
Gott schuf den Menschen als sein Gegenüber, als sein Ebenbild. Deshalb ist Gott bereits in sich selbst ein dreieiniger Gott, denn Gott hat schon von Ewigkeit her Beziehung in sich selbst. Seit Ewigkeit lebt Gott Beziehung. Der Vater liebt den Sohn, und der Sohn liebt den Vater.
Übrigens ist Gott nicht Liebe wegen Johannes 3,16 („So sehr hat Gott die Welt geliebt“). Gott ist Liebe wegen Johannes 17,24, wo Jesus sagt: „Mein Vater hat mich geliebt seit Ursprung der Welt. Mein Vater hat mich immer geliebt.“ Gott ist nicht Liebe, weil er dich oder mich liebt. Gott ist Liebe, weil er seit Ewigkeit immer geliebt hat. Darum ist Gott Liebe.
Und der Vater hat immer den Sohn geliebt, der Sohn den Vater. Darum kann man sagen, Gott ist die erste Universität. Das Wort „University“ kommt von zwei Wörtern: Unity in Diversity – Einheit in der Vielfalt. Gott ist die erste University, die erste Einheit in der Vielfalt einer Person.
Wir werden morgen Vormittag genauer hinschauen. Wir haben eineinhalb Stunden Zeit, um die Dreieinigkeit Gottes vor allem aus dem Alten Testament zu erarbeiten, und wir werden ein bisschen näher hinsehen.
Weil der Mensch im Ebenbild Gottes geschaffen ist, ist er auch ein Beziehungswesen. Darum spricht die Bibel von der ersten bis zur letzten Seite über Beziehung. Der Mensch ist nicht geschaffen, um allein zu sein, sondern um in Beziehung zu leben.
Ich spreche darum sehr gerne von der vertikalen Beziehung zu Gott und der horizontalen Beziehung zu anderen Menschen. Diese zwei Beziehungsebenen sind Leben. Das heißt: Ein Mensch, der keine Beziehung hat – weder zu Gott noch eine liebende Beziehung zu anderen Menschen –, ist lebendig tot. Er existiert, aber er lebt nicht. Denn leben tust du nur in Beziehung. Ansonsten existierst du nur, aber du lebst nicht. Das ist der Unterschied.
Identität und Beziehung – ein Beispiel aus dem Alltag
Das heißt: Wenn du wissen willst, wer du bist, darfst du niemals in den Spiegel schauen. Denn der Spiegel zeigt nur dich selbst, und du kannst dir dadurch nicht sagen, wer du wirklich bist.
Vor einigen Jahren hatten wir ungefähr 30 Mitarbeiter am Dauernhof, wo ich bin. Davon sind etwa 15 feste Mitarbeiter, die das ganze Jahr über dort sind. Zusätzlich haben wir meistens zehn bis fünfzehn Praktikanten, die in der Regel ein halbes Jahr bis ein Jahr bleiben.
Vor einigen Jahren habe ich in Australien, in Brisbane, bei einer Konferenz gepredigt. Nach der Konferenz kam ein Mädchen auf mich zu und sagte: „Hans-Peter, ich möchte gerne zu dir in den Dauernhof kommen und bei dir arbeiten. Aber ich sage dir gleich eins: Ich bin kein Christ und ich will auch keiner werden. Kann ich trotzdem kommen?“
Ich antwortete: „Ja, du kannst ruhig kommen. Du musst halt ein bisschen tun, was wir sagen, weil es sonst etwas schwierig wird. Aber ansonsten kannst du gern kommen.“ Sie kam dann tatsächlich. Helen war ein tolles Mädchen. Sie war ein halbes Jahr bei uns, total lieb, hat überall mitgemacht und war sehr engagiert.
Aber wann immer ich eine Mitarbeitenden-Andacht hielt oder etwas über Gott sprach, schaute sie immer nur auf den Boden. Viertelstunde, halbe Stunde lang. Solange es um die Bibel und Jesus ging, schaute sie weg. Wenn ich dann „Amen“ sagte, war alles wieder gut.
In der letzten Woche kamen wir noch einmal ins Gespräch. Ich fragte Helen: „Du bist ein liebes Mädchen. Warum bist du eigentlich immer so negativ, wenn es um Gott, die Bibel und Jesus geht?“
Sie antwortete: „Ich habe Angst, wenn ich mich auf Jesus einlasse, dass ich meine Identität verliere.“
Daraufhin fragte ich sie: „Helen, das ist interessant. Du hast Angst, deine Identität zu verlieren. Könntest du mir bitte sagen, wer du bist?“
Sie sagte: „Ich bin die Helen.“
Ich antwortete: „Nein, das ist dein Name. Wer bist du?“
Sie sagte: „Ich bin Australierin.“
Ich sagte: „Nein, das ist deine Nationalität. Wer bist du?“
Sie sagte: „Ich werde Krankenschwester.“
Ich sagte: „Nein, das ist dein Beruf. Wer bist du?“
Dann gingen mir die Fragen aus, und sie hatte keine Antwort mehr.
Ich sagte: „Helen, mach mir einen Gefallen: Setz dich heute Nacht hin, denk nach und schreib auf, wer du bist. Denn du hast gesagt, du hast Angst, deine Identität zu verlieren. Ich möchte nur gerne wissen, was du Angst hast zu verlieren.“
Sie sagte: „Ja, das mache ich.“
Am nächsten Morgen kam sie mir entgegen, mit einem großen Lachen im Gesicht. Ich dachte, sie hätte sicher wieder etwas Neues entdeckt.
Dann sagte sie: „Hans-Peter, ich habe gestern Abend mein Leben Jesus gegeben. Ich habe nachgedacht und nachgedacht und nachgedacht, und ich wusste nicht, wer ich bin. Heute weiß ich, wer ich bin: Ich bin ein Kind Gottes.“
Du kannst dir nämlich deine Identität niemals selbst geben. Sie kann dir nur von außen gegeben werden. Diese Identität hat Gott uns gegeben, als sein Ebenbild in der Beziehung zu ihm.
Die Bedeutung von Körper, Psyche und Geist in der Heilung
Übrigens hat die moderne Humanwissenschaft dieses Wissen ganz neu entdeckt. Wir sind sehr dankbar für körperliche Heilung. Ich hatte gerade eine Grippe und habe Antibiotika genommen. Dadurch wird es vielleicht etwas schneller besser, oder auch nicht – da bin ich mir nicht sicher. Aber auf jeden Fall sind wir froh, dass es für unsere körperlichen Probleme Heilung gibt.
Der Begriff Somatik stammt von „Soma“, was Leib bedeutet. Man hat erkannt, dass körperliche, somatische Heilung allein oft nicht ausreicht. Der Mensch ist häufig auch in seiner Psyche krank. Deshalb kann nicht nur der Körper behandelt werden, sondern auch die Psyche. So entstand die Psychosomatik.
In den letzten Jahren wurde zudem erkannt, dass es manchmal nicht genügt, nur den Leib und die Psyche zu behandeln. Viele Menschen sind auch in ihren Beziehungen krank. Pneuma bedeutet Geist. Deshalb gibt es in der modernen Medizin die Pneuma-Psychosomatik.
Was mich immer fasziniert, ist, dass das, was moderne Medizin und Psychologie herausfinden, bereits in der Bibel verankert ist. Ich bin jedoch froh über psychologische Bücher, denn sie beschreiben das oft auf einfache Weise. In der Bibel finde ich es nicht immer so leicht verständlich, aber wenn ich es kenne, entdecke ich es dort.
So ist es wunderbar zu sehen: Gott hat das immer schon gewusst – natürlich, weil er unser Schöpfer ist.
Die Not in zwischenmenschlichen Beziehungen
Die Frage ist nun: Wenn wir als Beziehungswesen geschaffen sind, warum gibt es dann so viel Not in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen?
Viele von euch sitzen heute hier, viele sind verheiratet, und ihr hört beide dem Wort Gottes zu. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es einige Ehepaare gibt, die kaum noch miteinander reden. Ihr seid vielleicht im Streit hierhergekommen oder sogar aus einem Streit heraus. Nach außen mag alles in Ordnung wirken, aber in der Beziehung gibt es sehr viel Leid und Not.
Warum ist das so? Wenn wir doch Beziehungswesen sind, warum ziehen wir uns dann oft beleidigt zurück oder schlagen zurück?
Wir kennen die Geschichte aus dem Alten Testament. Dort steht geschrieben: Gott schuf den Menschen in seinem Ebenbild. Beide, Adam und Eva, waren nackt und ungeschützt, und sie schämten sich nicht. Das war eine offene und ehrliche Beziehung.
Heute schämen wir uns. Warum ist das so? Adam und Eva, die ersten Menschen, schämten sich nicht. Wir schämen uns, weil wir nicht gerne aufgedeckt werden wollen. Wir möchten nicht, dass andere entdecken, wie wir wirklich sind. In der Regel präsentieren wir uns so, dass wir nur die guten Seiten zeigen, um beliebt zu sein. Die Seiten, von denen wir wissen, dass sie nicht gut ankommen, verdecken wir geschickt. Wenn diese Seiten doch an die Oberfläche kommen, dann schämen wir uns.
Ich kann sagen, ich bin relativ sportlich, das ist mein Beruf. Aber eines kann ich überhaupt nicht: Ball spielen. Ich kann überhaupt nicht Fußball spielen oder Ähnliches. Ich habe einmal Tennis ausprobiert, aber nach der fünften Stunde sagte ich, ich gehe lieber wieder Skifahren, das ist hoffnungslos.
Ich erinnere mich, als Schuljunge sind wir Fußball spielen gegangen. Ich war zwar immer klein, aber immer frech, mit lautem Mundwerk. Wer ist der Kapitän? Ja, ich natürlich, wer sonst? Aber ich konnte nicht Fußball spielen. Beim Nachhausegehen gingen zwei Jungs etwa zehn Meter hinter mir und sagten: „Dieser Volltrottel will Kapitän sein, der trifft nicht mal den Ball.“ Wisst ihr was? Seit diesem Tag habe ich nie mehr Fußball gespielt, weil ich mich geschämt habe.
Warum schämen wir uns? Weil wir nicht aufgedeckt werden wollen.
Adam und Eva waren nicht deshalb selbstbewusst, weil sie superschön, hochintelligent oder sportlich waren. Sie waren selbstbewusst, weil sie in einer ehrlichen, ungeschützten Beziehung zu Gott lebten. Das war ihre Identität – nicht gut sein, groß sein, sportlich oder gescheit sein, sondern eine liebevoll ehrliche Beziehung zu leben. Das war ihre Identität.
Der Zerbruch kam, als der Mensch mehr sein wollte als Gott. Das hat mir beim Bibelstudium sehr geholfen. In der Bibel ist es ganz klar: Gott ist Gott und der Mensch ist Mensch. Der Mensch muss nie mehr sein als Mensch. Das hat Gott nie geplant. Der Mensch ist nur Mensch, und Gott bleibt Gott. Wir werden keine Götter, und Gott wird nicht Mensch im Wesen; er bleibt immer Gott.
Wir können völlig zufrieden sein, Mensch zu sein. Wir brauchen nicht mehr zu sein.
Das Problem entstand, als der Mensch mehr sein wollte als Mensch. Er wollte so sein wie Gott. Das war das Problem. Er wollte nicht mehr das Ebenbild Gottes sein, sondern ein Abbild Gottes. Er wollte selbst wie Gott sein – und das war der Ursprung des Zerbruchs der Beziehung.
Persönliche Reflexion und die Bedeutung von Beziehung
Ich möchte etwas sagen: Ich muss ehrlich zugeben, dass ich von Haus aus kein Beziehungsmensch bin. Ich bin ein sehr zielorientierter Mensch und muss jeden Tag neu lernen, in Beziehungen zu investieren. Es kommt bei mir nicht von alleine, und das ist okay. Wir sind alle verschieden, aber wir sollten immer voneinander lernen.
Sobald du beginnst, Beziehung durch etwas anderes zu ersetzen, bist du bereits der Verlierer. Du bist immer der Verlierer, wenn du Beziehung ersetzt. Wenn du Beziehung durch deine Karriere, Erfolg, Reichtum oder was auch immer ersetzt, bist du der Verlierer. Denn der Mensch ist ein Beziehungswesen.
In 1. Mose 3, Vers 4 lesen wir, dass Satan eine rätselhafte Figur in den Erzählungen ist. Satan ist einfach da, auf einmal. Übrigens wird er nicht direkt als Satan bezeichnet, sondern zunächst als Schlange. Später lesen wir, dass Schlange und Satan identisch sind. Die Schlange kam und sagte: „Ihr werdet nicht sterben, wenn ihr esst, ihr werdet sein wie Gott.“
Als sie jedoch gegessen hatten, was erkannten sie? Haben sie erkannt: „Jetzt sind wir wie Gott“? Nein, sie erkannten nur, dass sie nackt waren. Von da an mussten sie sich ständig bedecken, und das tun wir bis heute, Freunde. Wir bedecken uns ständig, wir machen uns ständig etwas vor. Wir tun so, als ob alles in Ordnung wäre – und das geschieht durch den Zerbruch der Beziehung von Anfang an. Darum ist es geschehen.
Unterschiedliche Arten der Liebe im Griechischen
Im Griechischen gibt es viele Wörter für Liebe. Zwei davon sind jetzt entscheidend für das, was ich noch sagen möchte, und zwar das Wort Eros. Die meisten von euch kennen es zumindest, denn davon leiten wir das Wort „erotisch“ ab, was auch seine Richtigkeit hat. Im Griechischen ist das Wort Eros jedoch viel umfassender.
Zum Beispiel wird die erotische Liebe geweckt, wenn ich eine attraktive Frau vor mir sehe. Wenn du normal bist, passiert dir das auch: Du fühlst dich angezogen von einer attraktiven, schönen Frau, sie zieht deine Blicke auf sich. Hier liegt der Punkt: Die erotische Liebe ist immer abhängig von der Attraktivität des Gegenübers.
Wenn das Gegenüber sehr attraktiv ist, dann ist die erotische Liebe stark. Fehlt die Attraktivität, ist die erotische Liebe sehr gering. Und je schöner und attraktiver jemand ist, desto begehrter und beliebter ist er natürlich. Wenn ich weniger attraktiv bin, werde ich weniger geliebt und bin weniger beliebt.
In Deutschland gibt es ja die Sendung „Germany’s Next Topmodel“. Wenn du gewählt wirst, ist das ganz nett, aber diejenigen, die nicht gewählt werden, erleben das nicht so positiv. Das gilt jedoch nicht nur für erotische Liebe, sondern Eros ist ein Prinzip, das in unserer Gesellschaft allgemein gilt.
Das habe ich lange nicht verstanden, aber es ist wichtig zu begreifen: Um in unserer Gesellschaft etwas zu gelten, musst du attraktiv, dynamisch und erfolgreich sein. Wenn du das nicht bist, bist du „Fußvolk“. Schon ein kleines Kind tut Dinge, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Ein kleines Kind klimpert zum Beispiel mit den Augen bei der Großmutter, und dann bekommt es Schokolade, Zuneigung und Küsse. Wenn das Kind jedoch anfängt, Sand auf die Großmutter zu werfen, bekommt es nicht mehr so viel Schokolade. Schon von klein an wissen wir, wie wir Aufmerksamkeit erlangen.
Später, wenn ich gute Leistung bringe, werde ich vom Chef anerkannt und gelobt. Wenn ich weniger Leistung bringe, werde ich weniger gelobt. Und Freunde, in der Religion ist es genau dasselbe. Viele Christen leben nach dem Prinzip von Eros.
Je mehr Erkenntnis ich habe, je länger meine stille Zeit ist, je gerechter ich lebe, desto mehr wird Gott mich lieben. Das ist Eros. Eros liebt, weil ich liebenswert bin. Ich habe es verdient, geliebt zu werden.
Im Alltag erleben wir fast ausschließlich bedingte Liebe. Das Wort „liebenswürdig“ zum Beispiel beschreibt einen liebenswürdigen Menschen. Was bedeutet das? Er ist würdig, geliebt zu werden. Er hat sich die Liebe verdient.
Die Umkehrung durch Jesus und die bedingungslose Liebe Gottes
Und da möchte ich jetzt ansetzen, denn dieses Konzept hat Jesus völlig auf den Kopf gestellt.
Und wenn ihr heute Abend alles andere überhört, dann hört bitte diesen Satz: Gott liebt dich nicht, weil du liebenswert oder liebenswürdig bist, sondern weil Gott dich liebt. Darum bist du wertvoll. Du bist nicht liebenswürdig, und deshalb liebt Gott dich, sondern Gott liebt dich, liebt mich, und darum bin ich würdig und wertvoll.
Ich möchte euch eine Passage vorlesen aus dem ersten Johannesbrief, Kapitel 4, Vers 7. Dort schreibt der Apostel:
Geliebte, lasst uns einander lieben, denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, ist aus Gott geboren und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist Liebe.
Hierin ist die Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben.
Hierin besteht die Liebe nicht darin, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat. Und das ist ein ganz wichtiger Satz.
Liebe besteht nicht darin, dass wir Gott geliebt haben, sondern darin, dass er uns von Anfang an geliebt hat. Wir können sie nicht verdienen, und darum gebraucht Gott nicht Eros, sondern das Wort Agape.
Es geht gar nicht darum, dass wir Gott aus uns selbst lieben müssten. Es geht darum, dass wir Gottes Liebe empfangen, die er schon immer für uns hat.
Unterschiedliche Lebensweisen: Eros und Agape im Alltag
Ich habe ein Beispiel gehört, das den Unterschied zwischen Eros und Agape anhand von zwei Ehefrauen verdeutlicht. Beide Frauen haben eine sehr hingebende Liebe zu ihren Ehemännern.
Doch eine der beiden Frauen ist ständig unruhig, besorgt, müde und ängstlich. Die andere Frau hingegen ist voller Freude, zuversichtlich und strahlt Frieden aus. Worin liegt der Unterschied?
Der Unterschied ist folgender: Die Frau, die immer besorgt und ängstlich ist, unterstützt ihren Mann, damit er sie liebt. Das ist Eros. Die andere Frau, die Freiheit ausstrahlt, unterstützt ihren Mann, weil er sie liebt. Das ist Agape.
Und Freunde, das ist wie Tag und Nacht. Es sind zwei völlig verschiedene Lebensweisen: Eros oder Agape – in jeder Hinsicht.
Gott liebt uns mit Agape. So sehr hat Gott die Welt geliebt, den Weltkosmos, die gottlose Welt hat er geliebt – nicht eine Welt, die schon umgekehrt ist.
Liebe als Tat und ihre Intensität
Liebe ist nicht nur ein Wort, sondern immer eine Tat. Wenn ich zum Beispiel sage: „Ich habe eine wirklich nette Frau, wir sind schon 26 Jahre verheiratet“, dann kann ich das nur jedem empfehlen. Ich meine nicht nur meine Frau, sondern allgemein: so lange verheiratet zu sein, ist etwas Schönes, das ist großartig.
Doch wenn ich sage: „Ich liebe meine Frau“, dann kann sie antworten: „Ja, das ist nett.“ Wenn sich das, was ich sage, aber nicht in einer Tat zeigt, sind meine Worte wertlos. Liebe ist kein bloßes Wort, sie muss sich in einer Tat beweisen.
Deshalb lesen wir im Johannes-Evangelium, was wir gerade gelesen haben: Darin ist die Liebe Gottes zu uns offenbart worden, indem Gott seinen eingeborenen Sohn gab. Gott sitzt nicht nur im Himmel und schaut hinunter, um zu sagen: „Liebe Menschen, nur damit ihr wisst, ich liebe euch, ich habe euch sehr gern.“ So ist es nicht.
Gott offenbart seine Liebe in einer Tat – er hat seinen Sohn gegeben. Liebe ist kein Wort, sie zeigt sich immer in deinem Handeln. Du kannst hundertmal sagen: „Ich liebe meine Frau“, doch wenn sich das nicht in einer Tat an ihr zeigt, sind es nur leere Worte.
Das Zweite: Liebe wird sichtbar in der Intensität. Die Frage ist: Kann man Liebe messen? Das ist schwierig, wenn überhaupt, dann nur an der Intensität.
Wenn du zum Beispiel morgens aus dem Haus gehst und einen Nachbarn grüßt: „Guten Morgen, lieber Nachbar“, das ist nett und sollte man tun. Aber das Ausmaß der Liebe ist dabei noch nicht überschwänglich.
Wenn dir jemand Zeit schenkt und sagt: „Komm mal auf einen Kaffee oder ein Glas Wein vorbei“, dann ist das schon Wertschätzung. Das ist mehr als nur eine Nettigkeit.
Wenn jemand zu dir sagt: „Ich teile mein Leben mit dir“, dann ist das schon große Hingabe.
Aber weißt du, was die äußerste Liebe ist? Wenn ein anderer Mensch sein Leben für dich gibt. Das ist die höchste Form der Liebe. Genau das hat Gott für uns getan.
Also sind Tat und Intensität ausschlaggebend für die Liebe.
Warum viele Menschen Gottes Liebe nicht annehmen
Nun, ein letztes noch: Man könnte jetzt meinen, warum stürzt sich nicht jeder Mensch auf so einen Gott, der solche Liebe ist? Das müsste doch jeden Menschen vom Hocker hauen und sagen: Das will ich! Warum wollen so viele Menschen diese Liebe nicht?
Das hat viele Gründe. Ich will nur einen nennen. Ich glaube, ein ganz wesentlicher Grund ist, dass viele Menschen in ihrem Leben biografisch eine solche Liebe noch nie erfahren haben und sie daher nicht kennen. Sie ist ihnen fremd.
Ich bin sicher, in diesem Raum gibt es einige Menschen, die keinen einzigen anderen Menschen aufzählen könnten, von dem sie hundertprozentig sagen könnten, dass er wirklich sie liebt – nur sie. Denn sie kennen nur bedingte Liebe. Wenn ich ihn liebe, liebt er mich. Wenn ich mich anstrenge, strengt er sich an. Wenn ich gut drauf bin, ist er gut drauf. Wenn ich schlecht drauf bin, ist er auch schlecht drauf.
Das ist Eros, und das ist es, was die meisten Menschen kennen. Agape ist ihnen fremd. Wir müssen uns die Zuneigung anderer Menschen fast immer verdienen, und deshalb kennen wir Agape nicht. Gott ist uns fremd in seiner Liebe, weil er sich so hingegeben hat.
Und so versuchen wir, selbst bei Gott zu punkten. Wir glauben, wenn ich mehr bete, dann wird Gott mich mehr akzeptieren. Freunde, das ist Eros. Wenn ich mehr faste, dann wird Gott mich noch mehr segnen. Das ist Eros. Wir glauben, durch fromme Leistungen können wir Gott gewinnen. Gott sei Dank ist es nicht so.
Abschlussgebet und Segenswunsch
Und darum schließe ich jetzt mit einem Bibelvers ab. Das ist eine meiner Lieblingsstellen, eines der vier Gebete des Paulus, die aufgeschrieben sind. Wenn du eine Bibel hast, kannst du gerne aufschlagen: Epheser Kapitel 3, Vers 14.
Hier betet Paulus für die Christen in Ephesus. Dieses Gebet ist so gewaltig, dass ich es euch vorlese. Es ist ein ewig langer Satz, den ich später auf einen kurzen Satz reduzieren werde.
Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, von dem jede Vaterschaft in den Himmeln und auf der Erde benannt wird. Übrigens: Die Vaterschaft wird nicht von unseren irdischen Vätern benannt, sondern von Gott. Wenn du einen schlechten Vater gehabt hast, ist das tragisch. Aber dein Gottesbild muss dadurch nicht zerstört werden, denn die Vaterschaft geht nicht von deinem irdischen Vater aus, sondern von oben. Gott ist das Beispiel, nicht irdische Väter. Er ist die Vaterschaft, nach der alle Vaterschaften benannt werden.
Dann betet Paulus: Er gebe euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit mit Kraft gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inneren Menschen. Damit der Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in Liebe gewurzelt und gegründet seid. So werdet ihr imstande sein, mit allen Heiligen völlig zu erfassen, was die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, damit ihr erfüllt werdet zur ganzen Fülle Gottes.
Jetzt kürze ich diesen Satz ab. Wisst ihr, was Paulus hier betet? Er betet für die Christen in Ephesus: Ich bete um die Kraft des Heiligen Geistes.
Übrigens, wenn ich früher gehört habe „Kraft des Heiligen Geistes“, dachte ich: Ja, das brauche ich. Wozu? Um Kranke zu heilen, Dämonen auszutreiben, Tote aufzuwecken – dazu brauche ich ihn.
Aber wisst ihr, was Paulus schreibt? Ich bete um die Kraft des Heiligen Geistes, damit ihr etwas erkennt, was die Erkenntnis übersteigt. Das ist ein interessanter Satz. Wie kann ich etwas erkennen, was die Erkenntnis übersteigt? Gar nicht.
Ich brauche die Kraft des Heiligen Geistes, ich brauche Offenbarung. Und was ist das, was unsere Erkenntnis übersteigt? Ich lese den Satz noch einmal: „... und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus“ (Epheser 3,19).
Diese Liebe des Christus können wir nicht vollständig erfassen. Sie ist uns fremd, sie ist zu groß.
Tut euch einen Gefallen: Wenn ihr füreinander betet, betet für den anderen und für euch selbst um die Kraft des Heiligen Geistes, damit ihr das erkennt, was ihr nicht erkennen könnt – nämlich die Liebe des Christus.
Wer das erkennt, erlebt eine Freiheit, die er noch nie gehabt hat. Und darum bin ich Christ. Darum tue ich das, was ich tue, und fahre herum, um Menschen von Jesus zu erzählen.
Für Religion würde ich mich keine Minute hier raufstellen. Für die Liebe Jesu würde ich mich jeden Tag raufstellen, denn es ist das Größte, was uns passieren kann.
Alles, was Gott will, ist, dass wir ihn Vater nennen. Ein wunderschöner Vers, mit dem ich jetzt ehrlich schließe: Jeremia 3,4 – „Gott spricht: Von jetzt an rufst du zu mir: Mein Vater, der Freund meiner Jugend bist du.“
Alles, was Gott will, ist, dass du ihn Vater nennst. Das ist ein Wunsch. Dazu bist du geschaffen, um in dieser Beziehung zu leben.
Ich will noch beten: Lieber Vater, wir danken dir, dass du uns in deinem Ebenbild geschaffen hast, im Ebenbild des dreieinigen Gottes, der in sich selbst seit Ewigkeit Beziehung lebt.
Und wir sind in deinem Ebenbild geschaffen, um in Beziehungen zu leben – vertikal und horizontal, in Beziehung zu dir, unserem Vater, und in Beziehung zu anderen Menschen, die wir lieben und die uns lieben.
Vater, ich bete um die Kraft des Heiligen Geistes, dass wir gewurzelt und gegründet sind in der Liebe des Christus. Damit wir erkennen, was die Erkenntnis übersteigt, nämlich die Länge und die Breite und die Höhe und die Tiefe – die vier Dimensionen der Liebe Gottes, die wir in unserer dreidimensionalen Welt nicht erkennen können.
Vater, ich danke dir, dass deine Liebe anders ist als unsere gefallene Liebe, dass deine Liebe unendlich ist, unbedingt und für immer gilt.
Dafür danke ich dir im Namen unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi. Amen.