Ich möchte nicht beginnen, ohne vorher etwas zu sagen, das mir sehr am Herzen liegt. Es ist eine große Dankbarkeit an euch, dass ihr euch mit mir auf das Hohelied einlasst. Denn es ist ja ein Stück Literatur, ein Teil der Bibel, in dem es an manchen Stellen ziemlich zur Sache geht.
Nicht jeder ist davon gleich betroffen. Manche sind stärker betroffen, andere noch nicht. Einige denken sich: „Schön, dass Ehe so schön sein kann, das hätte ich auch gern.“ Wieder andere haben vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht und denken: „So hätte ich es mir auch gewünscht, aber es war ganz anders.“
Ich weiß, dass ich im Moment für dieses Buch sehr brenne. Deshalb möchte ich einfach mal danke sagen, dass ihr mich ertragt, wenn ich hier vorne so vor mich hinrede. Das Buch liegt mir wirklich sehr am Herzen. Ich merke, wie es Menschen hilft, einen neuen Blick auf Beziehungen zu bekommen – einen Blick von Gott auf Beziehungen. Meiner Meinung nach brauchen wir diesen neuen, frischen Blick ganz dringend.
Wir brauchen dringend ein neues Verständnis dafür, was es bedeutet, eine leidenschaftliche Beziehung zu führen, und wo dabei Gefahren lauern. Deshalb finde ich es toll, dass ihr euch darauf einlasst, auch wenn das Ganze noch ein wenig unausgereift ist.
Ich habe hier vorne kein fertiges Predigtskript, sondern schreibe gerade an einem Kommentar dazu. Ich habe meinen Kommentar und die wichtigsten Punkte markiert und schaue, wie sich das entwickelt. Ihr bekommt sozusagen eine Rohfassung. Ich hoffe, dass es ein Rohdiamant ist, aber es könnte auch einfach ein Stück Glas sein. Das wäre schade, aber das merkt man erst, wenn man daran rumschleift.
Ich hoffe einfach, dass ihr euch ein bisschen anstecken lasst. An dieser Stelle möchte ich einfach danke sagen. Ich finde es großartig, dass ihr mir diese Chance gebt.
Wir beschäftigen uns also mit dem Hohelied, einem Liebeslied im Alten Testament. Wir sind gerade in Kapitel 2, am Ende des ersten Abschnitts. Dieser Abschnitt ist gleichzeitig der Prolog, also Kapitel 1, Verse 1 bis 27.
Wir haben gerade gehört, wie sich zwei Menschen gegenseitig anschmachten – fast bis zum Abwinken. Es ist unglaublich, dieses „Ach, du bist schön“ und „du bist auch schön“. Sie sagt: „Du bist wie eine Lilie unter Dornen.“ Das ist wirklich ein tolles Bild, das man sehen muss.
Der Abschnitt endet mit dem Bild, in dem sie sagt: „Du hast mich ins Weinhaus geführt.“ Das ist der Ort, an dem Liebe im Überfluss ist, wo Liebe berauscht. Dort darf ich Leidenschaft leben, genießen und in eine Beziehung einsteigen, die gleichzeitig Sicherheit und Schutz bietet, aber auch eine genussvolle, leidenschaftliche Seite hat.
Die Bedeutung von Liebe als Ordnungsprinzip in der Beziehung
Und sie macht weiter. Ich möchte weiterlesen bei Kapitel 2, Vers 4, wo wir stehen geblieben sind. Da sagt sie: „Und sein Panier über mir ist die Liebe.“ Ein Panier oder ein Feldzeichen ist im Alten Testament etwas, das dazu diente, eine Lagerordnung zu gewährleisten.
Im Alten Testament, wenn die Stämme Israels unterwegs waren – zwölf an der Zahl –, dann stellten sie so ein Panier auf. Jeder wusste dann, wo er sein Lager aufschlagen musste und wohin er gehörte. Das war wichtig, denn wenn zwölf Stämme mit unzähligen, vielleicht hunderttausenden Menschen gemeinsam unterwegs sind, kann man sich das Chaos vorstellen. Da war es entscheidend zu wissen, in welcher Reihenfolge man aufbrechen würde und wann man dran war.
Dieses Ordnungsprinzip, das dahinterstand, waren die Feldzeichen. Sie sagt: Das, was uns verbindet, das, was unserer Ehe Ordnung schenkt, das, woran wir uns ausrichten, das, was unser Bindeglied ist und im Zentrum steht, was uns hilft, uns zu fokussieren und dafür sorgt, dass unsere Ehe nicht ins Chaos läuft, das ist die Liebe.
Ich denke manchmal bei Ehepaaren darüber nach und würde gern die Frage stellen: Was hält eure Ehe zusammen? Was ist der Klebstoff? Sind es die Kinder, die gemeinsame Vergangenheit, die Gemeinde? Ist es das Haus, das man gebaut hat, oder die finanziellen Verpflichtungen, die man eingegangen ist? Ist es vielleicht die Angst vor dem Neuen?
Ich kenne eine Beziehung, die mir sehr nahe steht, bei der ich denke, es ist die Angst vor dem Neuen, die sie zusammenhält. Oder ist es wie hier bei Sulamit die Liebe?
Sie beschreibt noch ein bisschen, was sie damit meint, in Kapitel 2, Vers 5: „Stärkt mich mit Traubenkuchen, erquickt mich mit Äpfeln, denn ich bin krank vor Liebe.“
Ah, schön! „Ich bin krank vor Liebe.“ Wenn ich an diesen Salomo denke, Mann, da bekomme ich Bluthochdruck, mir geht es gar nicht mehr so richtig gut. Und wenn sie an ihn denkt, was kommt ihr in den Sinn? Was kommt dir in den Sinn, wenn du an deine Liebste oder deinen Liebsten denkst?
Sie sagt: „Seine Linke liegt unter meinem Kopf, seine Rechte umfasst mich.“ Das ist die klassische Position von Verliebten. Man liegt da und kuschelt sich. Die Linke liegt in dem Fall unter dem Kopf, die Rechte reicht einmal rüber. Das ist aus der Perspektive des Mannes beschrieben. Das ist, was ihr einfällt. Sie denkt an Salomo.
Und was kommt hoch? Was hochkommt, sind bestimmte Momente der Zweisamkeit, der zärtlichen Zweisamkeit. Ich stelle mir manchmal auch die Frage, auch mir selbst: Was kommt bei meiner Frau hoch, wenn sie an unsere Beziehung denkt? Ist das so das Bild, das sie hat, dass sie sagt: „Wenn ich an Jürgen denke, dann sehe ich uns beide zärtlich umschlungen, wirklich zusammen“? Oder sehe ich uns vielleicht – und ich denke, ich habe viele Fehler gemacht – dass sie eher eine gemischte Erinnerung hat? Momente, in denen ich nicht zärtlich und umarmend bin, sondern eher ärgerlich, streitsüchtig, kritisch oder bitter?
Wir werden uns beim übernächsten Mal mit dem Thema beschäftigen: „Niemand streitet in einer Beziehung, ohne dass die erste Liebe verloren geht.“ Wir werden darüber nachdenken. Ich habe viele Fehler gemacht, und ich glaube, dass bis heute etwas davon im Herzen meiner Frau Narben hinterlassen hat. Ich weiß es, denn wir haben darüber gesprochen. Wenn sie an unsere Beziehung denkt, kommt wahrscheinlich nicht zuerst die Zärtlichkeit hoch, sondern andere Dinge.
Vielleicht ist es auch eher distanziert, und sie denkt: „Muss wirklich jede Frau so viel Romantik erfahren? Er ist halt einfach der weniger leidenschaftliche Typ.“ Es ist doch schön, wenn sie sich an mich erinnert und ich gerade am Auto stehe und die Winterreifen wechsle, zum Beispiel. Das ist auch eine nette Erinnerung. Aber darum geht es hier nicht.
Letzte Woche habe ich gesagt, dass Männer sich eine initiativere Frau wünschen. Ich glaube, Frauen wünschen sich einen zärtlichen Mann. Einen Mann, der es zulässt, dass, wenn sie an ihn denkt, solche Momente der Zärtlichkeit hochkommen. Hier geht es nicht darum, dass das immer das Vorspiel für mehr ist, liebe Männer. Es geht einfach nur darum, nebeneinander zu liegen und zu kuscheln, Zeit füreinander zu haben, Momente der Zärtlichkeit.
Mit diesem Bild beendet Salomo den Prolog. Ich hoffe, dass jetzt vor eurem geistigen Auge die Frage steht, die dieser Prolog provozieren will: Mann, oh Mann, oh Mann, wie haben die das auf die Reihe gekriegt? Wie kriege ich so eine Beziehung hin?
Was Sulamit und Salomo jetzt machen, ist, dass Sulamit uns zuerst ein Prinzip vermittelt. Das ist eine dieser Trennmarken, ein Prinzip, das in unserer Zeit keine Rolle mehr spielt. Sie sagt es dreimal im Hohelied: Das ist etwas, worauf du entweder aufpasst oder das dich vernichten wird.
Warnung vor verfrühter Leidenschaft und die Bedeutung von Geduld
Und sie sagt in Vers 7: „Ich beschwöre euch.“ Das ist eine Warnung aus dem Mund von Sulamit. „Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hirschkühen des Feldes.“
Die Gazellen sind köstlich. Später werden wir sehen, dass sie ein Bild für körperliche Liebe sind. Die zwei Gazellen, die in den Lilien weiden, werden als Bild für die Brüste der Frau verwendet.
Die Hirschkühe kommen ebenfalls vor. Die liebliche Hirschkuh steht für die Frau. Wenn es in Sprüche 5,19 heißt: „Erfreue dich an der Frau deiner Jugend. Ihre Brüste sollen dich berauschen, jederzeit, in ihrer Liebe sollst du taumeln, immerdar“, dann steckt darin die liebliche Hirschkuh. Das ist heute vielleicht nicht mehr modern, aber wir erkennen, wofür die Hirschkuh steht.
Wenn Sulamit hier sagt: „Ich beschwöre euch“, verwendet sie die Stilistik eines Schwurs. Es ist nicht wirklich ein Schwur, aber sie macht damit deutlich: „Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hirschkühen des Feldes.“
Was bedeutet das? Sie warnt: „Weckt nicht, noch erweckt die Liebe, bis es ihr selbst gefällt.“ Dabei spricht sie nicht davon, dass man sich nicht verlieben darf – das ist völlig in Ordnung. Sie spricht sehr explizit von einer Liebe, die ins Sexuelle abdriftet.
Sie sagt: Sei vorsichtig, wenn du an dieser Stelle etwas veränderst. Wenn du dort einen Schritt nach vorne machst, hat das eine Eigendynamik, die du nicht mehr kontrollieren kannst. Wenn du zu früh diesen Schritt gehst, besteht die große Gefahr, dass dieser Bereich plötzlich mächtig wird, die ganze Beziehung erfasst und zu einem Zeitpunkt erdrückt, erschlägt und dominiert, an dem eigentlich etwas ganz anderes dran ist.
Und das, was eigentlich dran ist in einer frühen Beziehung – der zweite Abschnitt, den ich heute vorstellen möchte – heißt: „Vor der Ehe“ beziehungsweise „Grenzen und Sehnsüchte einer jungen Liebe“.
Schönheitsideale und die Entscheidung, Schönheit zu sehen
Stop, kleiner Exkurs: Jürgen, ich soll meiner Frau sagen, sie ist schön. Aber kann ich das eigentlich sagen, wenn sie gar nicht so schön ist? Oder kann ich meinem Mann sagen, er sei schön, wenn er nicht gerade wie ein Adonis aussieht? Sind wir mal ehrlich, in den letzten Jahren hat sich da bei manchen ja doch einiges verändert. Ist das dann nicht eigentlich eine Lüge?
Das ist eine Frage, die oft im Raum steht: Kann ich meinem Partner sagen, er ist schön, wenn er nach den Kriterien dieser Gesellschaft nur Durchschnitt ist? Die Antwort lautet: Ja, aus verschiedenen Gründen. Ich kann das hier nur anreißen.
Zum Ersten: Schönheitsideale sind total variabel. Vielleicht gibt es ein paar Konstanten, aber im Großen und Ganzen haben sich Schönheitsideale über die Jahrhunderte hinweg stark verändert. Das macht einfach Spaß – lest Bücher dazu, was wann mal schön war. Mann, oh Mann, wenn es heute danach geht, dann musst du makellose Haut, einen knackigen Po, lange Beine und einen großen Busen haben.
Wenn ich mir anschaue, was vor tausend Jahren als schön galt, sahen die Frauen ganz anders aus. Deswegen gehst du vielleicht ins Museum und schaust dir hübsche Bilder aus dem Mittelalter an und denkst: Die gefallen mir gar nicht so sehr. Mir geht das so. Ja, ja, ja, ja. Dann noch mal tausend Jahre zurück, in die Antike, da finde ich es schon wieder ein bisschen netter. Aber das Mittelalter ist gar nicht so mein Hit.
Schönheitsideale: Wenn du sagst, ich möchte braun gebrannt sein – braun gebrannt ist sowieso erst seit ungefähr zwanzig, dreißig Jahren in Mode. In der restlichen Kulturgeschichte war helle Haut bevorzugt. Die Geschichte der Kosmetik ist eigentlich die Geschichte der Hautaufhellung, nicht der Solariumsbräune.
Lange Beine sind höchstens seit fünfzig, vielleicht maximal siebzig Jahren in Mode, davor waren sie völlig egal. Das ganze Thema Busen: Die Busenbesessenheit gibt es erst seit nicht mal einem halben Jahrhundert. Geht man ein Stückchen weiter zurück, war eher ein kleiner Busen attraktiv.
Oder was ist mit dem kleinen Bauch? Kennt ihr diese Abbildungen von Frauen aus dem Mittelalter mit einem kleinen Bäuchlein? Hatten die schon drei Kinder? Nein, sie hatten einfach nur ein kleines Bäuchlein. Jahrtausendelang galt das als total sexy. Wir finden das auch im Hohelied wieder. Ein kleines Bäuchlein gehörte einfach zu einer Frau dazu, war etwas zum Streicheln und fand großen Gefallen.
Heute, wenn du mit so einem kleinen Bäuchlein herumläufst, sagen viele: „Bauch ist böse, ab ins Fitnessstudio!“ Versteht ihr? Schönheitsideale sind total variabel.
Deswegen, wenn ich sage: Ich entscheide mich dafür, und das ist Gottes Gebot, ich entscheide mich dafür, was ich schön finden will, dann ist das meine Entscheidung. Und es ist Gottes Auftrag an mich. Das steht in Sprüche 5,18-19, was ich vorhin zitiert habe: „Erfreue dich an der Frau deiner Jugend.“ Ich entscheide mich, an wem ich mich erfreuen will. Und das gilt natürlich umgekehrt genauso für Frauen. Wir entscheiden uns, was wir schön finden wollen.
Das Schöne ist: Habt ihr schon mal vom Kuschelhormon gehört? Es gibt ein Kuschelhormon, Oxytocin, das ausgeschüttet wird, wenn man lange miteinander zusammen ist – auch bei bestimmten anderen Anlässen, aber darauf will ich nicht näher eingehen. Das Spannende ist: Wenn dieser Hormonspiegel steigt, finde ich den anderen attraktiver.
Das ist doch toll! Schönheit hängt also ab von der Gesellschaft, in der ich unterwegs bin, und auch von meinem Hormonspiegel. Wovon sonst noch, weiß ich nicht. Aber es zeigt mir, dass ich in super guter Gesellschaft bin, wenn ich zu meiner Frau oder meinem Partner immer wieder sage: „Du bist schön.“
Ich rede dabei nicht als Vertreter der allgemeinen Meinung oder des allgemein akzeptierten Schönheitsideals, sondern einfach als Liebhaber, der das schön findet, was er liebt. Und ich bin da wirklich in guter Gesellschaft mit diesem subjektiven Ansatz. Das machen durch die Jahrhunderte alle so.
Deswegen ist es tatsächlich keine Lüge, wenn meine Frau zu mir sagt: „Du bist schön“, obwohl ich vielleicht lispel, schiele, Senk- und Spreizfüße habe und mindestens fünfzehn Kilo Übergewicht. Aber sie hat sich entschieden, mich schön zu finden, und sie sagt das.
Und ihr lieben Frauen, ihr werdet nie glauben, dass wir das ernst meinen, wenn wir es sagen. Das weiß ich. Diese Reihe wird darauf abzielen, uns Männern beizubringen, es zu sagen. Glaubt es uns doch einfach.
Ich weiß, dass ihr in den Spiegel schaut und denkt: „Huh, das stimmt nicht.“ Wir lieben euch, wie ihr seid. Wir lieben euch genau so. Und wenn wir sagen, dass ihr schön seid, dann meinen wir: Ihr seid schön. Schön.
Ich bete dafür, dass jede Frau, wenn sie das einfach mal fünf, zehn, zwanzig Jahre hört, es auch glauben kann und dann sagen kann: „Stimmt, ich bin schön.“ Du bist nicht schön, weil du irgendeinem Ideal entsprichst, sondern weil du du bist, weil Gott dich schön gemacht hat und weil wir als Männer uns entschieden haben, dich schön zu finden, uns an dir zu freuen und deine Schönheit so zu genießen, wie du sie hast, wie du sie von Gott geschenkt bekommen hast.
Und da wünsche ich mir einfach – weil ich weiß, dass Frauen es da manchmal eher schwierig haben – dass es ihnen leichter fällt, das anzunehmen. Das wäre mir einfach ein wichtiger Punkt.
Die junge Liebe vor der Hochzeit: Sehnsucht und Respekt
Abschnitt zwei, Hohelied 2,8-35: Vor der Hochzeit – Sehnsucht und Grenzen einer jungen Liebe.
Wir springen jetzt ein bisschen zurück. Wie fing das denn an mit Salomo und Sulamit? Sulamit versetzt uns in eine Situation etwa im April oder Mai. Der Winter ist gerade vorbei, und Salomo springt über die Berge wie ein junger Hirsch zu seiner Sulamit. Er möchte sie sehen.
Anscheinend war das im Winter etwas schwierig, vielleicht war alles verschneit oder unpassierbar. Auf alle Fälle kommt er jetzt. „Horch, mein Geliebter, siehe, da kommt er springend über die Berge, hüpfend über die Hügel.“ Das ist schön, oder? Ein Mann, der sich anstrengt, Zeit mit seiner Frau zu verbringen. Ein schönes Vorbild!
Ich wünsche mir, dass wir Männer sind, die sich anstrengen, Zeit mit ihrer Frau zu verbringen. Und ich wünsche mir, dass wir Frauen werden, die das anerkennen. Dort, wo ein Mann sich einsetzt, wirklich da ist, Zeit mit ihr und den Kindern verbringt, sich um die Dinge kümmert, da sollten Männer auch ein Feedback von ihren Frauen bekommen. Dass man merkt: „Oh, meine Frau freut sich darauf, sie sieht mich, sie sieht, was ich investiere.“
Sulamit steht an ihrem Haus. „Er kommt!“ Vers 9: „Mein Geliebter gleicht einer Gazelle, einem jungen Hirsch.“ Dazu muss ich nicht viel sagen. Wir hören das alle gern. Das hat etwas mit Mobilität zu tun, mit Schönheit, damit, dass man kräftig ist. Toll! Da steht er vor unserer Mauer, vor dem Haus der Mutter, schaut durch die Fenster.
Der Begriff, der hier für „schauen“ steht, ist ein ganz intensives Blicken. Er blickt durch die Fenster. Wir merken sofort: Junge Liebe ist immer davon geprägt, beieinander zu sein, Zeit miteinander zu verbringen.
Ich denke, es ist die Herausforderung einer reifen oder reifenden Liebe, genau diesen Wunsch zu bewahren, an der Stelle dran zu bleiben. Nicht zu sagen: „Na klar, vor zwanzig Jahren bin ich auch bei jedem Wetter mit dem Fahrrad zu meiner Freundin gefahren, aber heute, na ja, ich habe zwar ein Auto, aber soll ich wirklich allein nach Hause kommen?“ Versteht ihr? Das ist die Gefahr, dass es irgendwann mal so war, und jetzt steht er draußen.
Vers 10: „Mein Geliebter hob an und sprach zu mir: Mache dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!“ Herrlich! „Mache dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!“ Hey, ich möchte mit dir spazieren gehen, Zeit verbringen. Draußen blühen die Blumen, huhu, komm, komm raus!
Was mich begeistert, ist, wie taktvoll Salomo an dieser Stelle mit Sulamit umgeht. Das ist ein großer Unterschied zu heutigen Verliebten, die beim ersten Anzeichen von Verliebtsein jegliche Distanz verlieren, eng umschlungen knutschend und kuschelnd ihre Liebe allen zeigen. Salomo bleibt einfach ein Stückchen auf Distanz.
Er bleibt draußen, wartet ab, ruft und weckt die Liebe nicht auf. Er stürzt nicht ins Haus, reißt sie an sich oder wirft sich für einen langen leidenschaftlichen Kuss aufs Bett. Nein, dann ist es vorbei. Dann kannst du auch gleich liegen bleiben, weil das bleibst du auch.
Stattdessen steht er draußen. Und obwohl er König ist, achtet er den Willen seiner Freundin. Ich finde das super: Er dominiert sie nicht, er lädt sie ein und lässt zu, dass Sulamit die Geschwindigkeit bestimmt, mit der sich diese Beziehung entwickelt.
Er bringt Argumente, aber nicht solche wie: „Hey, ich habe hier das Sagen, und jetzt komm endlich raus, Kleine!“ Sondern Vers 11: „Denn siehe, der Winter ist vorbei, der Regen ist vorüber, er ist dahin.“ Also wir haben Frühsommer, etwa April oder Mai. Die Blumen erscheinen im Land, schau, wie schön es draußen ist! Die Zeit des Gesangs ist gekommen, und die Stimme der Turteltaube ist in unserem Land zu hören. Der Feigenbaum reift seine Feigen, und die Weinstöcke blühen und geben Duft.
Er sagt: „Hey, draußen wartet eine Welt voller Farben, voller Gerüche, voller Entdeckungen, ein Abenteuer.“ Als ich das las, musste ich daran denken, dass das etwas ist, was ich mir von Männern wünsche – oder was Gott sich von Männern wünscht.
In manchen Beziehungen – das gilt nicht für alle – sind die Männer entdeckerfreudiger als die Frauen. Vielleicht durch den Job geprägt trauen sie sich eher Dinge, sind eher nach außen gerichtet.
Was Salomo hier macht, ist: Er lädt Sulamit ein, ihn auf dieser Entdeckungstour zu begleiten. Gerade Frauen wie Sulamit, die in ihrer Jugend Männer nicht als Beschützer erfahren haben, sondern als solche, die sie ausnutzen, stehen in der Gefahr, überängstlich zu werden und sich in ihr Häuschen zu verkriechen.
Wenn dann so eine Einladung kommt, sagen sie nicht sofort: „Na klar, los, lass uns raus!“ Sondern eher abwartend, weil innen drin ein Stück Angst ist. Sich auf etwas Neues einzulassen, ist dann nicht mehr das Tolle, sondern es entsteht ein Gefühl von Angst.
Da brauchen ängstliche Frauen – und umgekehrt, wo ängstliche Männer auf sie treffen – jemanden, der sie einlädt, lockt, sie nicht zwingt, sondern mitnimmt in eine Welt, die er kennt, die er entdeckt hat, und sie da ein Stückchen hineinführt.
Als ich das durchdachte, dachte ich mir: Genau das ist es, was Jesus mit jedem von uns tut. Er lädt uns ein, eine Welt zu entdecken und an seiner Hand die Wunder des ewigen Lebens zu bestaunen.
Jesus möchte uns ganz praktisch Mut machen, eine Welt zu entdecken, in der es Liebe, Vergebung, Hoffnung und Freude gibt. Ich nenne das mal vorsichtig ein geistliches Abenteuer.
Wir kommen aus einem Erfahrungsschatz, in dem wir oft genug erlebt haben, dass Liebe vergeblich ist, Vergebung gefährlich, Hoffnung trügerisch, Freude nicht von Dauer. Das Leben ist oft genug einfach nur Tortur. In welchem Film bist du gerade?
Seien wir ehrlich: Es ist oft genug schwer. Und jetzt steht Jesus draußen und klopft an die Tür. Er sagt: „Hey, ich möchte in dein Leben hinein, ich möchte dich rauslocken zu einer Beziehung, die weit über das hinausgeht, was du je an Liebe, Vergebung, Hoffnung und Freude erlebt hast. Ich stehe da.“
Wir merken, wie wir innen drin manchmal zögerlich sind und sagen: „Ja, das ist ein Angebot, aber uns wirklich darauf einzulassen, trauen wir uns nicht.“ Wir sind verletzt an vielen Stellen und trauen uns nicht, wenn Jesus sagt: „Hey, jetzt geh einen Schritt mit mir.“ Zu sagen: „Ja, logisch, gehen wir mit!“
Ich denke, Jesus steht da und sagt: „Mach dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!“ Das ist das Angebot.
Vers 14: „Meine Taube im Geklüft der Felsen, im Versteck der Felswände, lass mich deine Gestalt sehen.“ Merkt ihr dieses Bild? Er spricht von ihr als einer Taube, ein Bild für Unnahbarkeit. Tauben sitzen immer irgendwie da, und wenn man sich nähert, fliegen sie gleich weg. Unnahbar, etwas schüchtern, ängstlich, vorsichtig.
Sulamit ist nicht Jeanne d’Arc, die mit dem Schwert in die Schlacht zieht. Sie weiß noch nicht genau, da ist eine Beziehung am Entstehen. Sie hat sich verliebt, das ist echt, sie haben sich wahrscheinlich schon ihre Liebe gestanden, da ist etwas im Werden. Trotzdem ist sie noch vorsichtig.
Wir begegnen Salomo, wie er ihr sagt: „Ja, meine Taube im Geklüft der Felsen, im Versteck der Felswände, lass mich deine Gestalt sehen, lass mich deine Stimme hören, denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt ist anmutig.“
Hier ist ein Mann mit Einfühlungsvermögen, der die Grenzen seiner Frau respektiert, der ihre Schutzbedürftigkeit achtet, sie ohne Zwang herauslockt, rücksichtsvoll auf sie eingeht. Er drängt ihr nichts auf, dominiert nicht, manipuliert nicht, sondern sagt einfach: „Hey, ich stehe hier draußen, ich habe dich lieb, und ich bin bereit, so mit dir umzugehen.“
Ich bin davon überzeugt, weil ich das selbst in meiner Beziehung zu meiner Frau erlebt habe. Ich kenne beides: Ich weiß, was es heißt, wenn man zu früh miteinander schläft und Sexualität die Beziehung dominiert. Und ich weiß, was es heißt, damit aufzuhören, es einfach mal zwei Jahre ruhen zu lassen und zu sagen: „Ich möchte das lernen, ich möchte einen respektvollen, rücksichtsvollen Umgang mit dieser Frau lernen. Ich möchte nicht nur ihren Körper lieben, sondern ihre Person, ihre Seele kennenlernen.“
Salomo lernt das. Und ich glaube, man muss es vor der Hochzeitsnacht lernen. Das ist der beste Ort, es überhaupt zu lernen.
Vers 15: „Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse, welche die Weinberge verderben, denn unsere Weinberge sind in der Blüte!“
Sind die beiden verklemmt oder nicht miteinander verliebt? Oh nein! „Ja, unsere Weinberge sind in Blüte, da ist richtig viel!“
Sulamit hat keine emotionale Blockade. Und Salomo ist durchaus zu einer sehr leidenschaftlichen Beziehung fähig. Nein, er blüht total auf.
Deshalb diese Aufforderung: „Fangt uns!“ Die beiden bitten andere Leute, gerade weil sie um ihre Beziehung wissen, „fangt uns die kleinen Füchse, die durch die Weinberge rennen und die Blüten abreissen.“ Die müssen gefangen werden.
Das sind Bilder für kleine Probleme und Problemchen, die sich gerade in dieser Zeit der Freundschaft ergeben, wenn die Sehnsucht erwacht, aber die Erfüllung noch aussteht.
Ich finde das toll. Dieser Vers zeigt mir zwei wichtige Prinzipien:
Erstens: Auch die sinnlichste Beziehung will bewahrt sein, egal wie sehr man füreinander brennt. Es wird ganz normal irgendwo Probleme geben. Du musst Vorkehrungen treffen, damit du eine auf dauerhaftes Glück angelegte Beziehung entwickeln kannst. Sie entwickelt sich nicht einfach von alleine.
Zweitens: Probleme sind normal. Wo Leidenschaft ist, kommen Probleme. Ist dir das klar? Wenn du eine Beziehung ohne Probleme suchst, suchst du letztlich eine Beziehung, in der nichts mehr blüht.
Solange es blüht, solange zwei Sünder sich leidenschaftlich aufeinander zubewegen, sich öffnen und Nähe wagen, werden sie Fehler machen. Diese Fehler sind in uns angelegt. Niemand kommt drum herum. Dieses Desaster ist vorprogrammiert, weil du Sünder bist. Du wirst Fehler machen.
Je leidenschaftlicher und enger du die Beziehung lebst, umso mehr wirst du den anderen verletzen. Es wird einfach passieren.
Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass eine junge Beziehung, dort wo etwas wächst, Schutz und Hilfe von außen braucht, wenn sie gelingen soll.
Wir leben im Zeitalter der Individualisten. Das Äußerste, was ich mache, ist einen Erziehungs- oder Eheratgeber zu lesen, ja? Ja, das kannst du tun.
Die beiden hier sagen: „Wir brauchen Hilfe! Wir suchen uns ein Ehepaar, wir suchen Leute, die uns helfen, mit unseren Problemen klarzukommen, denn Probleme sind normal.“ Ist das nicht eine schöne Botschaft?
Du hast Eheprobleme? Vielleicht hast du sie nur, weil überhaupt noch etwas blüht. Wenn da nichts mehr blühen würde, hättest du auch keine Probleme. Aber du hast sie, und du möchtest mehr. Da ist noch Leidenschaft da, und du sagst: „Hey, das kann doch nicht alles sein!“ Dann lass dir an dieser Stelle helfen.
Für uns etwas ältere Ehepaare – also zwanzig Jahre plus – tut es auch gut, immer mal wieder Input von außen zu bekommen. Vielleicht ist das einfach mal einen Kurs zu besuchen oder sich irgendwo zu treffen, wo Leute Fragen stellen können.
Letztes Jahr habe ich das mit meiner Frau gemacht, es war sehr wertvoll. Oder mal in Urlaub fahren, ein schönes Ehebuch mitnehmen, einfach mal wieder Input bekommen und mal so ein bisschen gegen den Strich kämmen. Manchmal braucht man das, um die eigene Seele zu bewegen und zu sehen, was dann herauskommt.
Warum ist das wichtig? Weil wir alle in der Gefahr stehen, Liebe zu leben, die eigentlich keine Liebe ist.
Die Herausforderung der Liebe: Besitz und Hingabe
Vers 16: Mein Geliebter ist mein und ich bin sein, der in den Lilien weidet. Noch einmal: Mein Geliebter ist mein und ich bin sein, der in den Lilien weidet.
Merkt ihr, was Liebe ist? Das ist eine Definition, für mich die schönste Definition von Liebe. Was ist Liebe? Liebe ist Besitz und Hingabe. Mein Geliebter ist mein – ich besitze ihn ein Stück weit. Das kann man doch nicht so sagen, oder? Und ich bin sein. Liebe heißt, dass ich mich gleichzeitig an den anderen verliere, dass ich bereit bin, den anderen als Geschenk anzunehmen.
Ich verspreche euch, das ist die größte Herausforderung eures Lebens: euch selbst in der Liebe zu verlieren – sowohl in der Ehe als auch in der Gemeinde und darüber hinaus in der Gesellschaft. Sich selbst einem anderen zu geben, sich so weit zu öffnen, dass die Distanz irgendwann aufhört, Distanz zu sein. Dass ich wirklich den anderen rankommen lasse. Ich glaube, das ist die Herausforderung. Und deswegen ist Liebe eine Herausforderung.
Deshalb ist es so großartig, dass Gott diese Distanz überbrückt und Mensch wird. Er lässt sich wirklich auf eine kaputte Welt ein, in der er leiden muss. Denn er sagt: Ich bin bereit, so viel Nähe zu wagen, dass ihr mir Nägel durch die Hände treiben könnt, dass ich für euch bluten werde, dass ich eure Schuld an ein Kreuz tragen werde. Das ist Nähe, das ist Liebe. Und das ist das, was hier dahintersteckt.
Es ist so leicht, eine Beziehung zu führen, die auf Sicherheitsabstand geführt wird. Ja, das geht. Man kann einander umsorgen, füreinander da sein, ohne die eigene Seele dem anderen zu öffnen. Weil man irgendwann entschieden hat, sich nicht mehr dem anderen zu schenken. Weil man irgendwann beschlossen hat: Ich werde diese Beziehung mit angezogener Handbremse führen. Ich werde nicht aus Liebe, sondern aus Schmerzvermeidung eine Form von Beziehung führen, in der wir uns super gut arrangieren.
Mann, es gibt so schön arrangierte Ehen, in denen an die Stelle der Liebe vielleicht gemeinsame Aktivitäten, Hobbys, Kultur oder anderes treten. Aber man bleibt letztlich auf Distanz. Man kommt durchs Leben, streitet sich auch nicht – das ist irgendwie nett, aber es ist nicht Liebe und nicht Leidenschaft. Es ist ein Arrangement, das man getroffen hat.
Und jetzt kommt dieser hässliche Text aus dem Alten Testament, der uns einen Spiegel vorhält und sagt: Das ist Gottes Idee, da will er mit uns hin. Mein Geliebter ist mein und ich bin sein.
Eigentlich befinden wir uns hier ja gar nicht in der Frage, wie du deine Ehe lebst. Hier geht es um die Zeit vor der Ehe. Eigentlich ist die Zeit der Freundschaft und der Verlobung am besten geeignet, um herauszufinden, ob der zukünftige Ehepartner überhaupt bereit ist, sich zu öffnen, ob er bereit ist, in eine Beziehung zu investieren.
Und auch wenn jetzt hier nicht so viele sind, die noch heiraten – ich werde es trotzdem sagen, weil ich es gerne mal auf Kassette oder MP3 hätte: Ich würde immer sagen, heirate niemanden, der unaufrichtig ist, Geheimnisse hat, merkwürdig kühl oder distanziert wirkt, ein dominantes Verhalten zeigt oder sich nicht öffnen will. Tut es einfach nicht, denn irgendetwas stimmt nicht, irgendetwas ist an der Stelle faul.
Denn Liebe ist: Mein Geliebter ist mein und ich bin sein. Ich bin sein, der in den Lilien weidet. Nicht: Ich habe meinen Freund zum Fressen gern, nein, ich möchte von ihm gefressen werden. Weil er ist der junge Hirsch und sie ist die Lilie. Ja, er weidet in den Lilien. Ja, komm! Und sie sagt: Ich möchte von dir aufgefressen werden.
Merkt ihr, das ist Leidenschaft pur und trotzdem die nötige Distanz, die man braucht, um nicht voneinander verzerrt zu werden.
Und deswegen: Wenn der Tag sich kühlt und die Schatten fliehen, wenn es Abend wird, wende dich weg, mein Geliebter. Ich habe das bewusst anders übersetzt. In vielen Übersetzungen heißt es: Wende dich her.
Wenn ihr wissen wollt, warum ich es anders übersetze: Diese Präposition wird an der Stelle nur mit „herwenden“, also mit Nähe, übersetzt. An allen anderen Stellen in der Bibel hat sie immer damit zu tun, dass sich jemand wegwendet oder weggeht. Deswegen ist hier „weggehen“ die richtige Übersetzung.
Es wird ein Pärchen skizziert, das weiß, wann es Zeit ist zu gehen. Sie sind noch nicht verheiratet, und Salomo wird weggeschickt. Sulamit sagt: „Und tschüss! Wird Abend, wir fahren nicht gemeinsam in den Urlaub, wir übernachten auch nicht beieinander, tschüss.“
Und Salomo sagt nicht: „Ha, Kleiner, ich bin der König, du kannst mir gar nichts sagen, ich bestimme hier!“ Nein, Salomo macht das. Er geht. Er tut das, was der Apostel Paulus später sagt, wenn er in 1. Thessalonicher 4 davon spricht, dass man eine junge Beziehung nicht in Leidenschaft und Lust führen soll.
Er sagt: Du hast völlig Recht. In dem Moment, in dem das Gefühl der Lust unsere Beziehung dominiert, laufen wir in Richtungen, die wir gar nicht wollen. Dann passiert genau das, dass etwas aufgeweckt wird, was jetzt noch nicht dran ist, was erst in der Hochzeitsnacht dran ist.
Deshalb Vorsicht an der Stelle: Die Zeit vor der Ehe soll von Sinnlichkeit und Schutz geprägt sein – von beiden Aspekten, von Begehren und Warten.
Hier ist ein Mann, der sich wegschicken lässt. Ich finde das total toll. Und wisst ihr, was das heißt? Wenn ihr das nicht gelernt habt, ihr Männer, dann müsst ihr das jetzt nachholen. Das tut mir auch leid.
Männer brauchen Selbstbeherrschung. Hier lässt sich jemand vor der Ehe wegschicken und erlernt Selbstbeherrschung. Wenn du es nicht lernst, selbstbeherrscht zu sein als Mann, wirst du in bestimmten Situationen der Ehe über- und falsch reagieren. Lern das vor der Ehe. Du brauchst es in der Ehe, ich verspreche es dir einfach.
Wir werden beim Thema Streit noch einmal darauf zurückkommen und sehen, was für ein Typ Salomo ist. Das, was er hier gelernt hat, wendet er in der Ehe an. Es ist fantastisch.
Und deswegen gehört das dazu: Wende dich weg, mein Geliebter, gleich einer Gazelle oder einem jungen Hirsch auf den zerklüfteten Bergen!
Sehnsucht und Suche in der Zeit der Trennung
Ja, kommen wir zum Schluss für heute. Sulamit schickt ihn weg, aber sie kann noch nicht schlafen. Sie liegt in ihrem Bettchen auf meinem Lager.
Kapitel 3, Vers 1: „Suchte ich ihn die ganze Nacht.“ Also in Gedanken. Ja, sie versucht immer einzuschlafen, und dann kommt der Gedanke wieder hoch. Wenn sie an ihn denkt, kann sie wieder nicht schlafen. Sie wälzt sich hin und her. „Auf meinem Lager suchte ich ihn die ganze Nacht, den meine Seele liebte, ich suchte ihn und fand ihn nicht.“ Klar ist er nicht da, aber irgendwie merkt sie es einfach durcheinander.
Dann steht sie auf und denkt sich: „Ah, dann hole ich ihn. Ich will noch mal, ich muss noch mal. Ich kann eh nicht schlafen. Ja, ich schau mal, wo er steckt.“
Bild von der Distanz: Du musst, wenn du in der Freundschaft lebst, dem anderen nicht alles sagen. Sie weiß nicht, wo sie Salomo findet, sie muss suchen gehen.
Vers 2: „Ich will doch aufstehen und in der Stadt umhergehen, auf den Straßen und auf den Plätzen will ich suchen, den meine Seele liebt, ich suchte ihn und fand ihn nicht.“ Boah, hilflos!
Dieser Aspekt: Die Zeit vor der Ehe ist eine Zeit, in der es auch Distanz geben darf. Manchmal ist man einfach nicht beieinander, man darf noch selber bleiben und hat den letzten Schritt noch nicht gegangen.
„Es fanden mich die Wächter, die in der Stadt umhergehen: Habt ihr den gesehen, den meine Seele liebt?“ Und jetzt denkst du dir: Na klar, die Wächter wissen, wo jeder wohnt. Aber der Höhepunkt der Hoffnungslosigkeit ist: Nein, sie wissen es nicht.
Vers 4: „Kaum war ich an ihnen vorüber, da fand ich den, den meine Seele liebt, ich ergriff ihn und ließ ihn nicht mehr los.“
Dieses Wort „ergreifen“, das hier steht, taucht im Text weiter oben auf, wo es um die Füchse geht, um die kleinen Füchse, die Problemchen, die so in einer leidenschaftlichen Ehe da sind. Wir merken, diese beiden Dinge gehören zusammen, sie werden verbunden: Auf der einen Seite müssen wir, wenn wir Verliebtheit bewahren wollen, unsere Probleme in den Griff kriegen. Und auf der anderen Seite, genauso wie wir zupackend an Beziehungsprobleme herangehen, müssen wir dafür sorgen, dass wir immer wieder voneinander ergriffen sind.
Merkt ihr? Die Probleme greifen – Füchse fangen, Kante schlagen. Den anderen packen, nicht Kante schlagen, sondern umarmen. Das sind so die beiden Seiten, die man gepackt kriegen muss: Die Probleme in den Griff kriegen und den anderen gegriffen kriegen und sagen: „Hey, ich lasse dich nicht mehr los.“
Dieses Voneinander-Ergriffen-Sein, auch nach zehn, zwanzig, dreißig, vierzig Jahren. Wenn sie auf eine goldene Hochzeit eingeladen werden, dann sehe ich die beiden. Ich mag die beiden, das sind die Eltern von Thomas Richter. Boah, die sind so lieb, die schauen einander an. Ich habe ein Bild herumgeschickt, da steht sie einfach da und sagt „Uh.“ Kennt ihr solche Beziehungen, wo du einfach merkst, es kribbelt noch zwischen den beiden? Das ist einfach so schön.
Und das ist dieses: Ich bin im hohen Alter noch ergriffen vom Anderen. Warum? Weil ich es gelernt habe, auf ihn zu warten, weil ich die Lektionen gelernt habe, die es braucht, um eine solche Beziehung aufzubauen.
Sie bringt ihn dann ins Haus ihrer Mutter, das ein Ort ist, der ihr Sicherheit und Geborgenheit gibt. Dort kann sie sich auch treffen, ohne dass die Gesellschaft daran Anstoß nimmt.
Und dann sagt sie noch mal diesen Marker, diesen ganz wichtigen Punkt: „Du möchtest eine glückliche Beziehung haben, eine glückliche Langfristbeziehung? Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen und bei den Hirschkühen des Feldes, dass ihr nicht weckt noch aufweckt die Liebe.“ Es geht um diese sexuelle Seite. Ja, du darfst dich verlieben, so oft du magst, bis es ihr gefällt.
Für mich kommen an dieser Stelle auf uns als Gemeinde drei Punkte zu.
Herausforderungen und Aufgaben für die Gemeinde
Ich überlege mal, was das für uns als Gemeinde bedeutet. Sagst du dir vielleicht: Man trifft mich nur sehr begrenzt, zum Glück haben wir ein Pärchen, das gerade... Ich glaube, dieser Text fordert uns als Gemeinde dreifach heraus.
Erstens: Sind wir eine Hilfe für junge Pärchen? Sind wir das wirklich? Haben wir das verstanden, wenn Salomo sagt: "Auf zur Fuchsjagd", also an die Seite stellen bei jungen Pärchen? Du kannst sagen, der Text spricht mich nicht an, wenn ich Single bin oder schon länger verheiratet. Aber der Text sagt uns: Jede Beziehung braucht irgendwo Hilfe. Gerade wenn sie mit einer gewissen Dynamik gelebt wird. Mindestens eine junge Beziehung braucht Unterstützung.
Da stellt sich die Frage: Sind wir bereit dazu? Wenn wir sehen, dass Leute sich verlieben, dass Freundschaften entstehen, sind wir dann wirklich bereit, hilfreich an die Seite zu treten? Oder sagen wir eher: "Nö, sollen die mal machen, sie haben ja auch eine Bibel." Dann schenkt man noch ein Buch mit den Worten: "Hier, lest mal." Und das soll dann genügen. Das wäre falsch.
Der zweite Punkt, der mir aufgefallen ist: Ermutigen wir Beziehungen zu reinen Beziehungen? Ermutigen wir dazu zu sagen: "Hey, baut eine Beziehung nicht auf Leidenschaft und Lust auf, sondern baut sie rein." Enthaltet euch vor der Ehe. Ja, das ist nicht mehr populär, das ist mir völlig klar. Aber wir haben inzwischen so viele kaputte Beziehungen, dass ich mich langsam wieder traue, es zu sagen. Ich gehöre zu den wenigen, die beide Seiten kennen in ihrem Leben und genau wissen, warum meine Beziehung läuft, wie sie läuft.
Solange Asexualität in Deutschland Jahr für Jahr zunimmt, werde ich sagen, das ist der Weg, der zu gehen ist, weil es der göttliche Weg ist. Jeder erntet, was er sät – ganz einfach. Ermutigen wir also zu solchen Beziehungen. Ich wünsche uns eine gewisse Offenheit. Nicht, um mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, darum geht es doch gar nicht. Sondern um zu sagen: "Hey, was möchtest du für ein Idealleben? Welche Beziehungsqualität schwebt dir vor?"
Der dritte Punkt ist vielleicht am schwierigsten zu beschreiben. Was Salomo hier macht, ist, er trennt einfach mal zwei Dinge voneinander: Auf der einen Seite Leidenschaft und auf der anderen Seite Sex. Das, was zwei erwachsene Menschen in der Ehe im Bett erleben, steht auf einer Seite. Das lasse ich mal außen vor.
Aber Leidenschaft, Bewunderung füreinander – das darf sich vorher, das muss sich in einer Beziehung vor der Hochzeit entwickeln. Und jetzt kommt es: Ist das nicht ein Stück weit – und ich glaube, ein großes Stück weit – das, was unsere Beziehung auch ausmachen müsste? Ist Leidenschaft nicht das, was Liebe ausmacht? Das ist das, was wir hier von Salomo lesen.
Es ist nicht nur ein einfaches "Ja", da gibt es ein Pärchen vor dreitausend Jahren, und die haben sich halt lieb, und damit ist es erledigt. Kann ich das nicht heranziehen und sagen: Das ist eine Beziehung, die so eng und herzlich miteinander ist, das ist ein Stück weit ein Einvernehmen? Aber ist das nicht etwas, wo ich sagen kann: Das wünsche ich mir für die Gemeinde, nicht nur mit meiner Frau, sondern auch mit anderen Menschen?
Bitte versteht mich richtig. Ich möchte es lernen, Menschen zu bewundern. Ich möchte lernen, von Menschen begeistert zu sein. Ich möchte lernen, Menschen zu sagen, dass sie schön sind. Ich möchte lernen, in eine Beziehung so zu investieren, dass ein Mensch, der mir begegnet, wenn er wieder geht, sagt: "Du, ich bin bereichert worden."
Wir lesen das und bekommen ein warmes Herz, oder? Man kann das nicht lesen, ohne ein mildes Lächeln und ein leises "Ja" zu empfinden. Wünschen wir uns das nicht in abgeschwächter Form – volle Kanne von unserem Ehepartner, aber auch in abgeschwächter Form von jeder Begegnung, die wir haben?
Stellt euch das mal vor: Ich nehme diese Leidenschaft und sage: Das möchte ich in der Gemeinde. Das möchte ich in der Gemeinde erleben. Stellt euch das vor – wow! Da will ich hin.
Deshalb predige ich das Hohelied, damit es uns anstachelt, über unsere Beziehungen mit anderen Menschen nachzudenken. Nicht nur über unseren Ehepartner, sondern darüber hinaus. Und dass wir uns die Frage stellen: Ist da eigentlich Liebe drin in diesen Beziehungen? Bin ich bereit, mich zu verschenken? Auch innerhalb der Gemeinde, auch innerhalb der Gesellschaft, da, wo ich stehe.
Das wünsche ich mir. Danke.