Einführung und Kontextualisierung der Bibelarbeit
Wir haben heute einen weiteren Bibeltext aus dem Matthäusevangelium vor uns. Dabei möchte ich den Zusammenhang zu unserer letzten Bibelarbeit herstellen. Wir sind beim Vaterunser stehen geblieben. Gestern haben wir uns in der Predigt auch mit einer Dämonenaustreibung Jesu beschäftigt.
Wenn wir vom Vaterunser ausgehen, finden wir im Kapitel 6 neben diesem Gebet den Hinweis, Schätze im Himmel zu sammeln. Außerdem gibt es eine Warnung vor falschen Sorgen. Im Kapitel 7 begegnen uns der ungerechte Richter und der Vergleich zur Erhöhung unserer Gebete durch Gott. Dort finden wir auch die Ermutigung zum Gebet.
In Kapitel 7, Vers 12, steht der Hinweis auf die goldene Regel: „Das, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das sollt ihr ihnen auch tun.“ Weiterhin wird die enge Pforte und die weite Pforte erwähnt. Es wird deutlich, dass es schwierig ist, Jesus nachzufolgen. Das kann im täglichen Leben und bei Entscheidungen mitunter mit Schwierigkeiten verbunden sein.
In Vers 15 folgt eine Warnung vor falschen Propheten. Es wird auf den guten Baum hingewiesen, der gute Früchte bringt, und auf den schlechten Baum, der schlechte Früchte bringt. Dann wird erwähnt, dass manche Menschen „Herr, Herr“ sagen, also Gott als ihren Herrn bezeichnen, obwohl er es in Wirklichkeit nicht ist.
Ab Vers 24 lesen wir den Hinweis auf das Haus, das auf dem Felsen gebaut ist, beziehungsweise auf das, das auf Sand gebaut ist.
In den Kapiteln 8 und 9 finden wir verschiedene Wunderheilungen Jesu. Zunächst heilt Jesus einen Aussätzigen, dann den Knecht des Hauptmanns von Kapernaum und die Schwiegermutter des Petrus. Es geht weiter um die Frage der wahren Jüngerschaft: Wozu muss ich bereit sein? Worauf muss ich verzichten? Die Heilung eines Besessenen hatten wir gestern bereits betrachtet.
Weiterhin wird ein Gichtbrüchiger geheilt. Es folgt eine Diskussion der Pharisäer darüber, ob es richtig sei, mit Sündern zu essen – was Jesus jedoch tut. Dann gibt es den Hinweis auf den alten Wein in neuen Schläuchen (Matthäus 9,18-26). Danach heilt Jesus die Tochter des Jairus. Ab Vers 27 folgt die Heilung von zwei Blinden beziehungsweise von Besessenen.
Kapitel 10 berichtet von der Aussendung der Apostel. In Vers 16 wird die Verfolgung der Christen angesprochen. Jesus sagt voraus, dass auch seine Nachfolger verfolgt werden. Direkt daran schließt sich das Thema der Kosten der Jüngerschaft an.
In Kapitel 11 lobt Jesus Johannes den Täufer als seinen Vorläufer. Im selben Kapitel, Vers 20, finden wir den Wehespruch über Chorazin und Bethsaida.
Schließlich behandelt Kapitel 12 Fragen zum Sabbat. Es werden verschiedene Heilungen beschrieben. Die Pharisäer lästern über den Heiligen Geist. Jesus sagt daraufhin, dass die Sünde gegen den Heiligen Geist die Sünde ist, die nicht vergeben wird.
Soweit vielleicht, um den Zusammenhang deutlich zu machen.
Thematische Einordnung: Vertrauen in Gott bei Krankheit
Den heutigen Abschnitt könnten wir überschreiben mit „Vertrauen in Gott“ oder „Gottvertrauen in Krankheit“ beziehungsweise „Gottvertrauen bei Krankheit“. Es soll darum gehen, wie Jesus zu Menschen steht, die unter Krankheit leiden und die er heilt.
Wir möchten stellvertretend für viele andere Heilungen, die Jesus in seinem Leben auf der Erde vollbracht hat, einige Beispiele betrachten. Diese Heilungen sind letztlich kaum begrenzt, denn in der Bibel lesen wir nur Auszüge davon. Genauer gesagt finden wir diese Beispiele in Matthäus Kapitel 9.
Wir wollen uns drei Heilungen anschauen, die Jesus in dieser Zeit vollbracht hat. Daraus möchten wir auch einige Prinzipien erkennen, wie Jesus heute mit Krankheit und Gesundheit umgeht.
Die Auferweckung der Tochter des Jairus
Aber zuerst also diese drei Heilungen. Zuerst haben wir es mit der Auferweckung einer Toten zu tun, der Tochter des Jairus. Wir beginnen dort in Vers 18. Zwischendrin werden wir einige Verse überspringen, denn da geht es darum, dass Jesus eine Frau heilt, die unter Blutfluss litt – die sogenannte blutflüssige Frau. Diese Heilung werden wir später besprechen. Zunächst möchte ich die Heilung der Tochter des Jairus durchgehend behandeln.
Also, zunächst Vers 18: Als er dies mit ihnen redete, siehe, da kam einer von den Vorstehern der Gemeinde, fiel vor ihm nieder und sprach: „Meine Tochter ist eben gestorben, aber komm und lege deine Hand auf sie, so wird sie lebendig.“
Zuerst sehen wir hier, dass das Ganze geschieht, nachdem Jesus nach Kapernaum übergefahren ist. Wir lesen das in Vers 1 bis 8 im selben Kapitel: Jesus stieg ins Boot und fuhr zurück in seine Stadt. Wenn wir dann lesen, „seine Stadt“, so wird an verschiedenen Stellen im Matthäusevangelium Kapernaum gemeint. Dort hat er gewohnt und sich niedergelassen, nachdem er seine Eltern in Nazaret verlassen hatte. Diese Heilung findet also, soweit wir wissen, in Kapernaum statt.
Erst einmal wird hier das hohe Amt des Bittstellers erwähnt. Es heißt nämlich, es ist ein Vorsteher der Gemeinde. Gemeinde könnte theoretisch auch eine politische Gemeinde meinen, sehr wahrscheinlich oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist hier jedoch ein jüdischer Gesetzeslehrer gemeint, der gleichzeitig Vorsitzender der Synagogengemeinde war.
Woran können wir das schließen? Zum einen an der Bezeichnung selbst. Noch mehr schließen wir daraus, was später beschrieben wird: die Totenklage im Haus der betreffenden Person. Dieser Vorgang der Totenklage, wie wir ihn hier lesen, war typisch jüdisch. Das muss also ein Jude gewesen sein. Normalerweise wurde mit dem Begriff „Vorsteher“ jemand bezeichnet, der eine Art Gemeindeleiter in der Synagoge war.
Dieses Amt beinhaltete, dass die Person bestimmte, wer am Sabbat predigte und wer aus der Tora vorlesen durfte. Es war eine durchaus vornehme Stellung, meistens besetzt von einem Pharisäer. Stellen wir uns also vor, der Mann ist Pharisäer, möglicherweise auch nur einfacher Schriftgelehrter, jedenfalls jemand, der herausgehoben ist, auf den man hört, der eine wichtige geistliche Stellung in Kapernaum innehat.
Wir merken ja, Jesus hat in der Synagoge in Kapernaum auch schon aus der Bibel vorgelesen, als er dort zum ersten Mal auftrat. Die Leute kennen sich also. Es sind nicht vollkommen Fremde, die weit hergereist sind, sondern jemand, den Jesus schon kennt. Jemand, der sicherlich auch daran denken muss, was die anderen von ihm denken. Jemand, der in der Stadt bekannt ist, eine wichtige Stellung hat – und der wirft sich plötzlich vor Jesus nieder.
Niederwerfen hieß damals meist nicht nur, auf die Knie zu gehen, sondern sich ganz in den Staub zu werfen und zu sagen: Ich bin dir vollkommen untergeben, ich habe nichts mehr zu sagen. Er verstößt dabei gegen die Etikette. Normalerweise sieht er sich als den höchsten geistlichen Vertreter in Kapernaum an, aber darauf schaut er jetzt nicht.
Wir müssen uns auch vorstellen: Es ist ein erwachsener Mann, der diese wichtige Stellung innehat. Wie würden wir reagieren, wenn plötzlich jemand kniend vor uns läge und uns bittet: „Bitte hilf mir, mein Kind ist gerade gestorben.“ Erst einmal hätten wir das Problem, dass wir normalerweise einen Toten nicht auferwecken können. Aber hier sehen wir eine totale Unterwerfung. Man merkt, dieser Mann ist verzweifelt.
Wir merken, er ist verzweifelt, aber auch, dass er gewisse Probleme hatte. Denn er kommt zu Jesus erst, als es nach menschlichem Ermessen schon zu spät ist. Woran kann das liegen? Krankheiten verlaufen normalerweise nicht von einer Minute auf die nächste. Hier ist die Tochter nicht plötzlich krank und sofort tot, sondern die Erkrankung dauert Stunden, Tage oder sogar Wochen, und sie wird nicht besser.
Jetzt könnten wir fragen: Warum kommt er nicht früher zu Jesus? Die Antwort wird wahrscheinlich sein, dass er wie alle anderen Schriftgelehrten in Israel zunächst skeptisch war. Wer ist dieser Mann, der da auftritt? Ist er wirklich auf dem richtigen Weg? Was nimmt er sich heraus? Möglicherweise versucht er, die Sache rational zu erklären, wie moderne Menschen das auch tun.
Er sieht sich selbst als viel wichtiger an. Die Pharisäer traten Jesus oft mit Selbstgerechtigkeit gegenüber. Sie wussten doch eigentlich, wie das Alte Testament zu verstehen ist, und fragten: „Was willst du uns schon sagen?“ Hier sehen wir, dass persönliche Not alle intellektuellen Bedenken überlagert.
Der Mann, als Aushängeschild der Synagoge in Kapernaum, macht sich keine großen Gedanken mehr über geistliche oder theologische Auswirkungen. Er diskutiert nicht erst mit Jesus, ob er wirklich der Messias ist. Ihm ist es so wichtig, jetzt zu Jesus zu kommen, dass alle theologischen Streitigkeiten unter den Tisch fallen.
Aber wir merken auch, dass er Hemmungen hatte, denn er kommt erst zu spät. Wenn euer Kind krank wird, was hätte er wohl getan? Wahrscheinlich erst einen Arzt gerufen, vielleicht seine Pharisäerkollegen, die auch für Heilung beten sollten. Alles hat nicht geholfen, schließlich ist sie tot.
Eigentlich ist es jetzt zu spät. Aber in seiner Verzweiflung macht er das, was nach menschlichem Verstand unmöglich ist: Er kommt zu Jesus und sagt, alles hat nicht geholfen, jetzt bist du dran. Er hat nichts mehr zu verlieren, ist total am Ende und bittet Jesus um Hilfe.
Wir sehen hier also eine totale Verzweiflung. Durch seinen Niederfall und sein Anbeten hebt er die Bedeutung Jesu öffentlich hervor. Danach sehen wir, dass eine ganze Volksmenge dabei ist, also nicht nur privat im Haus. Die Leute drängeln sich durch die Stadt. Die blutflüssige Frau ist auch dabei, und hinterher ist ein großer Volksauflauf im Haus.
Wir merken, es ist eine große Menschenmenge, die diese Sensation miterleben will. Das ist ein offizielles Zeugnis, eine öffentliche Bankrotterklärung der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten, die dieser Vorsitzende der Synagoge, dieser Pharisäer, hatte. Angesichts des Todes wartet er auf die Hilfe Jesu.
Wir lesen dann in Vers 19: „Und Jesus stand auf und folgte ihm mit seinen Jüngern.“ Hinterher sehen wir die große Menge, die sensationslustig dabei ist. Es gibt ein großes Gedränge von Schaulustigen.
Man muss sich das so vorstellen: Jesus geht durch enge Gassen, die es damals gab, keine breiten Straßen, kein Autoverkehr. Die Häuser sind weiß getüncht, meist nur ein Stockwerk hoch mit Flachdächern. Die Leute schauen von oben herunter. Was für ein Tumult in Kapernaum! Die Menschen drängen sich hinter und vor Jesus.
Zwischendrin kommt noch eine weitere Heilung, die wir jetzt überspringen. Wir gehen weiter, um zu sehen, wie es mit der Tochter des Jairus weitergeht. Wir lesen im Anschluss Vers 23: „Und als er in das Haus des Vorstehers kam und die Pfeifer und das Getümmel des Volkes sah, sprach er...“
Zunächst müssen wir uns ein Bild machen von dem, was zu diesem Zeitpunkt stattfindet. Es werden Pfeifer erwähnt. Was sind das für Leute? Haben die einfach nur mit den Fingern gepfiffen? Nein. Das war eine offizielle Berufsbezeichnung. Es gab offiziell bestellte Pfeifer und auch Klageweiber in jeder Stadt, die für die Trauer bezahlt wurden.
Die Trauer war nicht still und heimlich, wie wir das vielleicht aus ländlichen Gegenden kennen, wo man den Toten aufbahrt und in stillen, langsamen Schritten zum Friedhof zieht. In Israel war das anders. Dort war lautes Geschrei normal. Man wollte den Schmerz herausschreien.
Weil man das nicht alleine tun konnte, stellte man offiziell Leute dafür an, die bezahlt wurden. Je nach Reichtum gab es mehr oder weniger Klageweiber. Das Minimum für Arme waren mindestens ein Klageweib und zwei Flötenleute. Diese Flöten erzeugten schrille, laute Töne.
Die Klageweiber schrien meist den Namen des Verstorbenen heraus, etwa: „Claudia ist tot!“ Lautes Schreien und Kreischen, sodass es auf der Straße zu hören war und alle wussten, dass Trauer im Haus ist. Deshalb dieses Geschrei, als Jesus hineinkommt.
Das ist der Hintergrund, den wir uns vorstellen müssen. Viele Leute nehmen daran teil, wollen sehen, was bei Jesus passiert, oder ihr Mitleid bekunden. Jesus kommt hinein und spricht: „Geht hinaus, denn das Mädchen ist nicht tot, sondern es schläft.“ Die Leute verlachen ihn.
Zuerst will Jesus Ruhe haben. Bei dem Geschrei kann er nicht mit den Eltern sprechen, auch nicht mit dem Mädchen. Das tut er erst später, wenn er sie von den Toten auferweckt. Deshalb schickt er alle hinaus. Zum Teil, weil Schaulustige dabei sind, die nichts von dem Einzelnen erfahren sollen.
Jesus braucht keine bezahlte und geheuchelte Trauer. Die Eltern, die echt traurig sind, sind etwas anderes. Die Klageweiber haben zwar wild geschrien, aber keine echte persönliche Trauer gezeigt. Man könnte sagen, sie machten ein Geschäft daraus: ein paar Tage schreien und flöten, dann wieder in den Urlaub.
Deshalb erwartet Jesus keine echte Trauer von diesen Leuten und will dem ein Ende setzen. Nun die Frage: Jesus sagt, das Mädchen schläft, ist nicht tot. Irrt er sich?
Punkt eins: Entweder irrt sich Jesus nicht und das Mädchen ist tatsächlich tot, oder...
Eine Möglichkeit wäre, dass sie nicht wirklich tot ist, sondern ins Koma gefallen oder wortwörtlich schläft. Allerdings wird uns erwähnt, dass sie tot ist. Jesus sagt nichts dagegen. In den Parallelstellen wird erklärt, dass sie zuerst schwer krank war, dann starb. Wir müssen davon ausgehen, dass sie wirklich tot war.
Innerhalb Israels wurden die Toten innerhalb von 24 Stunden begraben, da die Hitze die Verwesung beschleunigt. Jesus kommt also rechtzeitig.
Eine andere Möglichkeit ist ein Euphemismus, ein sprachliches Mittel, etwas Schlechtes gut zu benennen. Wir tun das auch heute, wenn wir sagen „er ist entschlafen“ oder „ins Gras gebissen“, statt zu sagen, jemand ist gestorben.
Im damaligen Griechisch gab es zwei verschiedene Ausdrücke für Tod. Einer bedeutete ausschließlich Tod, der andere konnte auch Totenruhe, Entschlafen oder Einschlafen bedeuten. Ähnlich wie im Deutschen.
Jesus irrt sich also nicht. Er benutzt einen Ausdruck, der sowohl Tod als auch Schlaf bedeuten kann. Man könnte erwarten, dass Jesus den eindeutigen Ausdruck für Tod benutzt, aber er wählt den Ausdruck für Schlaf.
Was ich am wahrscheinlichsten halte, ist, dass es kein einfacher Euphemismus ist, sondern dass zum Ausdruck gebracht wird: Für Gott ist der Tod nichts Endgültiges. Für Gott ist jemand, der tot ist, ähnlich wie jemand, der schläft.
Wir merken das auch später: Wenn jemand schläft, kann man ihn wecken. So ähnlich sagt Jesus hier, dass für Gottes Macht jemand, der tot ist, nicht schlimmer ist als jemand, der schläft.
Das erklärt auch, warum die Leute lachen. Sie glauben, Jesus irrt sich. Sie wissen doch, dass das Mädchen tot ist. Sie lachen ihn aus.
Vielleicht will Jesus ihnen ein Rätsel aufgeben und sie zum Nachdenken bringen. Ich halte es für das Wahrscheinlichste, dass er seine Macht über den Tod herausstellen will.
Genau, er will zeigen, dass er Macht über Leben und Tod hat. Die Leute unterstellen ihm einen Irrtum, aber das ist nicht so.
Eine Parallele finden wir bei der Auferweckung des Lazarus. Dort spricht Jesus ebenfalls vom Schlafen, meint aber den Tod. Lazarus ist schon längere Zeit tot, im Grab. Das zeigt deutlich: Für Jesus ist der Tod nicht die letzte Grenze.
Jesus hat hebräisch gesprochen, vermutlich Aramäisch, die Umgangssprache in Israel damals. Wir können nur auf den griechischen Text zurückgreifen, der uns überliefert wurde. Die Übersetzung gibt uns aber ziemlich genau wieder, was Jesus gesagt hat.
Darüber hinaus gab es diesen Vergleich zwischen Schlaf und Tod auch in ägyptischen und anderen orientalischen Sprachen. Das war also nicht nur typisch für Deutschland oder Griechenland, sondern auch in der Umgebung.
Wir wissen nicht genau, welches hebräische oder aramäische Wort Jesus benutzt hat, aber der griechische Text gibt uns diesen Vergleich wieder. Im Deutschen kennen wir ähnliche Ausdrücke.
Jesus sagt also: „Das Mädchen schläft.“ Als Sohn Gottes weiß er genau, was mit dem Mädchen los ist. Er ist nicht überrascht, als er das Mädchen sieht.
Wir lesen in Kapitel 9, Vers 25: „Als aber das Volk hinausgetrieben war, ging er hinein, ergriff sie bei der Hand, da stand das Mädchen auf.“
Ob Jesus noch etwas zu dem Mädchen gesagt hat, erfahren wir nicht. Ob er eine große Show gemacht hat, auch nicht. Es scheint ganz selbstverständlich zu sein, wie bei jemandem, der schläft: Man kann ihn wecken, an der Hand fassen, aufrichten.
Derjenige, der bei Bewusstsein ist, ist lebendig und ansprechbar. Die Nachricht von der Auferweckung verbreitet sich rasch im Land.
Hier steckt auch die Verheißung aus dem Psalm: „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten und du sollst mich preisen.“ Die Kraft Gottes wird weitergetragen.
Eine Sensationsmeldung, auf die die Leute neugierig sind. Man könnte sagen, die Sensationspresse würde darüber groß berichten, wenn ein Journalist in der Nähe wäre.
Die Menschen sind fasziniert und hoffnungsvoll, besonders bei ähnlichen Krankheiten, von denen sie selbst betroffen sind. Der Ansturm auf Jesus und seine Predigtstätten wird immer stärker.
Allerdings lassen sich die hartgesottenen Skeptiker, wie die Pharisäer, nicht überzeugen. Bei Lazarus lesen wir später, dass sie versuchten, ihn umzubringen, um den Zeugen der Heilung auszuschalten.
Auch bei anderen Heilungen bedrohten sie die Leute oder brachten alternative Erklärungen. Eine beliebte war, dass Jesus Dämonen durch Beelzebub austreibe oder seine Kraft vom Teufel habe.
So versuchen sie, das Wunder wegzuerklären. Auch heute gibt es Menschen, die sagen: „Wenn Gott sich mir zeigen würde, würde ich glauben.“ Aber meistens ist das ein Trugschluss.
In der Bibel gibt es viele Beispiele, wo Menschen Heilung in Anspruch nehmen wollen, aber nicht automatisch gläubig werden.
Ich erinnere mich an einen älteren Mann, der im Zweiten Weltkrieg kämpfte. Er erzählte, dass er in einer lebensbedrohlichen Situation zu Jesus gebetet habe, und überlebte. Später vergaß er das Erlebnis und schrieb es seinem Glück zu.
Viele Menschen erleben wunderbare Dinge, vergessen sie aber später und erklären sie als Glück. Manche sagen, was müsste passieren, damit sie überzeugt sind?
Ein echter Skeptiker würde sagen: „Halluzination, Einbildung, oder eine technische Täuschung.“ Wenn jemand eine Stimme vom Himmel hört, wird er das als Einbildung abtun.
Wenn Gott vor einem steht und sagt: „Hier bin ich“, wird ein Skeptiker das als Holographie oder Einbildung abtun. Wenn ein Blitz neben einem einschlägt und man überlebt, wird er das als Glück erklären.
Man kann immer alles erklären. So könnte man auch die Offenbarung am Sinai als Gewitter oder Naturphänomen abtun.
Manche sagen, Jesus war ein guter Heilkundiger, der wusste, was er tat. Vielleicht war das Mädchen nicht wirklich tot, sondern nur krank, und Jesus gab die richtige Behandlung.
Aber das lesen wir hier nicht. Es ist ein Wunder, ein übernatürliches Eingreifen Gottes.
Dafür muss man aber bereit sein, es zu akzeptieren. Wenn man nicht will, kann selbst Gott vor einem stehen und man glaubt es nicht.
Man kann alles weg erklären. Man muss bereit sein, das Wunder anzuerkennen.
Die Leute reagieren darauf und verbreiten die Nachricht. Obwohl Jesus sie immer wieder ermahnt, nicht davon zu reden, will er nicht als Wunderheiler verehrt werden.
Jesus will, dass die Menschen erkennen, dass er sie von der Sünde befreien will, nicht nur heilen.
Die Heilung der blutflüssigen Frau
Nun kommen wir zur zweiten Heilung, die quasi währenddessen geschieht, als Jesus zu der ersten Heilung unterwegs ist. Stellen wir uns die Situation vor: Jesus wird dringend gerufen, denn jemand ist in größter Not und fällt vor ihm nieder. Jesus könnte sich geehrt fühlen vor diesem hohen Würdenträger der Stadt, in der er lebt. Er hat jetzt die Gelegenheit, den Leuten ringsherum zu zeigen, dass es keine Grenzen für seine Macht gibt. Die Menschen drängen sich bereits, sie wollen sehen, was passiert. Jesus wird also ordentlich gepusht.
Dann lesen wir, dass plötzlich eine Frau dazukommt. Vers 20: „Und siehe, eine Frau, die seit zwölf Jahren an Blutungen litt, trat von hinten an ihn heran und berührte den Saum seines Gewandes.“
Wir müssen uns vorstellen: Jesus ist inmitten einer großen Volksmenge, die ihn rechts und links umdrängt. Von hinten kommt diese Frau und fasst ihn an. Nun stellt sich die Frage: Warum tut sie das gerade jetzt? Warum wartet sie nicht auf einen anderen Zeitpunkt? Jesus ist doch gerade mit der Heilung der Toten beschäftigt und könnte danach zu ihr kommen.
Das liegt an der Art ihrer Erkrankung. Nach dem Alten Testament machte ihre Krankheit sie vollkommen unrein. Wir lesen 3. Mose 15,25, das uns die Situation der Frau näher vor Augen führt. Ich lese: „Wenn aber eine Frau den Blutfluss eine lange Zeit hat, zu ungewöhnlicher Zeit, also außerhalb der Periode oder über die gewöhnliche Zeit hinaus, so wird sie unrein, solange sie ihn hat. Wie zu ihrer gewöhnlichen Zeit, so soll sie auch da unrein sein. Jedes Lager, worauf sie liegt, die ganze Zeit ihres Blutflusses, soll gelten wie ein Lager zu ihrer gewöhnlichen Zeit, also zur gewöhnlichen Zeit der Periode. Und alles, worauf sie sitzt, wird unrein wie bei der Unreinheit ihrer gewöhnlichen Zeit. Wer davon etwas anrührt, der wird unrein und soll seine Kleider waschen und sich mit Wasser abwaschen und als unrein gelten bis zum Abend. Wird sie aber rein, ...“ und so weiter.
Wenn das Bluten aufhört, ist sie wieder rein. Wir müssen uns vorstellen, dass diese Frau seit zwölf Jahren aus der normalen Gemeinschaft der Stadt ausgeschlossen war. Hätte sie sich offiziell an Jesus gewandt, wäre sie fortgewiesen worden, wie jemand mit Aussatz oder Lepra. Für die Juden war Reinheit das Höchste. Diese Frau durfte seit zwölf Jahren nicht in die Synagoge gehen, in den Tempel schon gar nicht. Denn wenn man unrein war, durfte man dort nicht hinein. Sie durfte auch kaum Gäste empfangen. Stell dir vor, du hast einen Gast, bietest ihm einen Stuhl an, und der setzt sich darauf – zack, der wird unrein. Dann muss er erst nach draußen gehen, alles waschen, darf nicht mehr am Gottesdienst teilnehmen und auch keinen anderen berühren, weil der dann wieder unrein wird.
Und nun drängt sich diese Frau unverschämterweise mitten in diese Menschenmenge hinein. Von allen möglichen Leuten wird sie berührt, und diese werden alle unrein, nach jüdischer Auffassung, alttestamentlich belegt. Das war eine ganz tragische Situation für die Frau. Ihre Krankheit war nicht nur mühsam, weil sie immer mit einer Binde herumlaufen musste, sondern sie bedeutete tatsächlich einen Ausschluss aus dem öffentlichen und religiösen Leben.
Hätten die Menschen sie bemerkt, hätten sie wahrscheinlich gerufen: „Weg da!“ Sie kannten die Frau, sie kam aus dem Ort, und sie wussten um ihre Krankheit. Doch jetzt ist so viel Gedränge, dass sie nicht auffällt. Die Frauen trugen damals alle ein Kopftuch, und von außen sahen sie ähnlich aus. So kann die Frau Jesus von hinten berühren und macht ihn damit nach jüdischem Gesetz eigentlich unrein. Sie tut das sehr wahrscheinlich, weil sie Angst hat, Jesus offiziell anzusprechen – Angst vor der Bevölkerung und vor Jesu möglicher Ablehnung. Jesus hätte auch sagen können: „Frau, lass mich in Ruhe, rühr mich nicht an, ich kann dir jetzt nicht helfen, du bist unrein, das ist vielleicht eine Strafe Gottes.“ Das hat sie aber nicht erlebt.
Sie kommt von hinten an Jesus heran und fasst den Saum seines Kleides an. Dort heißt es, der Saum des Kleides verweist auf die sogenannten Quasten, die an den Kleidern jüdischer Männer angebracht sein mussten. Wiederum im Alten Testament, 4. Mose 15,37, lesen wir: „Und der Herr sprach zu Mose: Rede mit den Israeliten und sprich zu ihnen, dass sie und ihre Nachkommen sich Quasten machen an den Zipfeln ihrer Kleider und blaue Schnüre an den Quasten an die Zipfel tun. Und dazu sollen die Quasten dienen, dass ihr, wenn ihr sie anseht, an die Gebote des Herrn denkt und sie tut.“
Manche Bibelübersetzer übersetzen dort „Quasten“ als „Trotteln“. Das sind lange Fäden, unten blau gefärbt. Stellen wir uns also Jesus mit einem langen, weißlichen oder bräunlich-grauen Gewand vor, denn damals konnte man es nicht ganz weiß färben, und unten hängen blau gefärbte Fäden. An diese Fäden greift die Frau. Normalerweise würde das in dem Gedränge kaum jemand merken. In der Parallelstelle im Markus-Evangelium lesen wir, dass Jesus es bemerkt. Jesus dreht sich um, und die Frau hält daran fest.
Was wir hier nebenbei lernen, ist, dass Jesus ein gesetzestreuer Jude war. Er erfüllt das alttestamentliche Gebot, wie wir es auch in der Bergpredigt sehen. Hier greifen keine Regeln der Rabbiner, sondern Regeln des Alten Testaments, die Jesus praktiziert. Hätte er diese Fäden nicht gehabt, hätte die Frau ihn nicht berühren können. Das wird uns hier sozusagen nebenbei erzählt.
Dann lesen wir in Vers 21: „Denn sie sprach bei sich selbst: ‚Wenn ich nur sein Gewand berühre, werde ich gesund.‘“
Man könnte der Frau vorwerfen, sie sei abergläubisch. Stellt euch vor, da ist ein bekannter Arzt, der eine Diagnose stellt, und man glaubt, dass man allein dadurch gesund wird, dass man den Rockzipfel berührt. Das klingt nach Aberglauben, nicht wahr? Aber wir müssen zugeben, dass es solche Vorstellungen auch an anderen Stellen der Bibel gibt, zum Beispiel die aufgerichtete Schlange in der Wüste: Wer sie anschaut, wird gesund. Oder die Schweißtücher der Apostel, mit denen Menschen geheilt werden (Apostelgeschichte). Solche Stellen fördern aber nicht den Aberglauben, sondern zeigen, dass Gott auf vielfältige Weise wirkt.
In der katholischen Kirche wurde das später übersteigert und es entstand ein System von Reliquien – Überreste von Heiligen, von denen man annimmt, dass etwas von ihrem Heiligsein auf die Gläubigen übergeht. Wenn wir ehrlich sind, ist uns das nicht ganz fremd.
Ich erinnere mich an einen Wettbewerb vor Weihnachten im Ideaspektrum, bei dem der Hauptpreis ein Abendessen mit Peter Hahne war. Viele wollten mitmachen, nur um bei diesem bekannten Fernsehmoderator zu sein. Schon allein die Nähe zu einer bekannten Person lässt etwas auf uns abfärben, oder? Ähnlich ist es bei Menschen, die einen bekannten Politiker treffen und ein Foto machen. Sie fühlen sich verbunden, als gehöre etwas von dieser Person auch zu ihnen.
Oder stellt euch vor, in einem Nachbarort käme Billy Graham vorbei. Ob man ihn mag oder nicht, die meisten würden wohl zur Bibelstunde gehen. Nun stellt euch vor, dort hält Pastor XY regelmäßig seine Bibelstunde. Würdet ihr auch hingehen? Wahrscheinlich nicht. Das ist unsinnig. Man kann ja nicht alle Gottesdienste in der Umgebung besuchen. Warum ist das so? Weil wir annehmen, dass von einer bekannten Person etwas Segen auf uns übergeht, wenn wir in ihrer Nähe sind.
Wenn ihr Predigten von Billy Graham anschaut, sind sie oft relativ normal. Unser Pastor hätte das vielleicht genauso predigen können. Aber unser Pastor ist eben nicht Billy Graham oder Bill Hybels oder Hudson Taylor, die zwar tot sind, aber bekannte Persönlichkeiten. Das zeigt, dass wir so etwas in uns haben.
Heute Morgen, als ich im Radio die Nachrichten hörte, wurde berichtet, dass der Bundeskanzler in einen ostdeutschen Ort kommt. Die Leute wurden gefragt, ob sie hingehen wollen. Die meisten sagten ja, sie wollen hören, was er zu sagen hat. Das zeigt, wie wir auf bekannte Personen reagieren.
So ähnlich ist es auch hier. Die Frau weiß, dass Jesus eine besondere Person ist. Viele sind durch ihn gesund geworden. Sie will auch hingehen, mit der starken Hoffnung, dass allein die Nähe etwas auf sie abfärbt und Heilung bringt.
Dann lesen wir Vers 22: „Da wandte sich Jesus um, sah sie an und sprach: ‚Sei getrost, meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen.‘ Und die Frau wurde gesund zur selben Stunde.“
Hier gibt es mehrere wichtige Punkte. Zunächst sehen wir, dass Jesus stehen bleibt und sich umdreht. Das ist spannend, nicht nur, weil er sich umsieht, sondern wegen des Hintergrunds. Vor ihm läuft der Vater der toten Tochter, der es eilig hat, seine letzte Hoffnung umzusetzen. Jede Minute ist kostbar, wenn das Mädchen gerade erst gestorben ist. Die Leute drängen Jesus, doch er lässt sich von Gott gebrauchen. Er sieht, dass diese Frau von Gott in seinen Weg gestellt wurde. Er kümmert sich scheinbar nicht mehr um die anderen, sondern wendet sich nur dieser Frau zu.
Die anderen Leute ringsherum werden ungeduldig, scharren mit den Füßen, doch Jesus nimmt sich Zeit für diese Frau. Das finde ich erstaunlich und herausfordernd für uns. Es geht darum, die Ohren offen zu haben, wo Gott uns gebrauchen will, auch wenn wir selbst im Stress sind. Manchmal sind wir unterwegs, haben eigene Pläne oder wollen einfach nur entspannen, und dann kommt jemand, der ein Gespräch braucht. Sind wir bereit, die Zeit zu nehmen? Jesus tut es hier.
Weiter spricht Jesus: „Sei getrost, meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen.“ Das Thema Glaube ist manchmal schwierig, weil wir oft eine falsche Vorstellung davon haben. Man glaubt, je stärker der Glaube, desto besser wirkt es. Und Glauben wird oft mit Einbildungskraft verwechselt. Man denkt: Wenn ich mir stark genug einbilde, gesund zu sein, dann werde ich es auch.
Aber in der Bibel hat Glaube nichts mit Einbildungskraft zu tun. Glaube bedeutet Vertrauen. Wenn Glaube von der Intensität der Einbildungskraft abhängen würde, müssten wir fragen: Warum wurden dann nicht alle geheilt, die zu Jesus kamen? Warum wurden manche schneller gesund als andere? Warum wurden manche gar nicht gesund? Die Bibel sagt, Jesus akzeptiert das äußere Bekenntnis des Glaubens, ohne Zweifel zu prüfen.
Wir erinnern uns an die Aussage: „Ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben!“ – ein Ausdruck von innerem Zweifel und dennoch dem Wunsch zu glauben. Glaube heißt nicht, hundertprozentige Sicherheit zu haben, sondern Vertrauen zu schenken.
Es geht nicht darum, ein Naturgesetz intellektuell zu begreifen. Es ist wie bei einem Mann, der seiner Frau vertraut, dass sie ihm treu ist. Kann er das beweisen? Nein. Er kann nicht in ihr Herz schauen. Aber er vertraut. Ebenso können wir Gott nicht beweisen, dass er da ist, aber wir können ihm vertrauen.
Oder wenn man in ein Flugzeug steigt: Weißt du, welche Noten der Pilot bei der Prüfung hatte? Ob er vielleicht vorher Alkohol getrunken hat? Nein, du vertraust einfach darauf, dass er fliegen kann. Das ist Vertrauen.
Diese Frau hat Jesus vertraut. Das ist das Entscheidende. Sie hat nicht eingebildet, sondern vertraut, dass Jesus ihr helfen kann. Sie war am Ende ihrer Kräfte, aber Jesus kann helfen.
Dann lesen wir: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Das griechische Wort für „geholfen“ bedeutet auch „gerettet“, umfasst hier aber in erster Linie die körperliche Heilung. Die Heilung setzt erst ein, als Jesus ihr das zuspricht. Sie war nicht vorher schon gesund, sondern wurde zur selben Stunde geheilt, als Jesus mit ihr sprach.
Das zeigt, dass Glaube kein Automatismus ist. Es ist nicht so, dass sie schon vorher gesund war. „Zur selben Stunde“ bedeutet, dass die Heilung sofort geschah. Damals gab es keine Uhren mit Sekundenzeigern, sondern Sonnenuhren oder Sanduhren. Man würde heute sagen: Zur selben Minute oder Sekunde war sie gesund.
Es gab keine langsame Nachheilung. Die Leute sahen, dass sie gesund war, sie ging weg. Sie sagte nicht, dass sie noch nicht spürt, dass der Blutfluss aufgehört hat. Es war tatsächlich vorbei.
Abschluss und Anwendung: Heilung und Vertrauen heute
Nun gibt es noch eine ganz interessante dritte Heilung ab Vers 27. Diese werden wir im Hinblick auf die Frauenstunde nicht mehr bis zum Ende besprechen. Schaut sie euch trotzdem noch an, denn sie ist ebenfalls sehr spannend und interessant. Ich hätte euch dazu noch einige interessante Dinge zu sagen, aber leider darf ich jetzt nicht mehr.
Das Einzige, was ich euch hier noch sagen möchte, ist ein kurzer Hinweis zum Abschluss: Was können wir daraus lernen? Wie können wir damit umgehen? Das, was wir daraus lernen können, lesen wir auch direkt im Anschluss. Dort werden nämlich die Jünger berufen und ausgesandt. Wir sind also auch dazu aufgerufen, Menschen Heilung zusagen und geben zu können.
Wir lesen von der Gabe der Krankenheilung, wir sehen aus dem Jakobusbrief und aus dem Vorbild der Jünger in der Apostelgeschichte, dass wir Jesus darum bitten sollen, wenn wir krank sind. Wir sollen uns zuerst an ihn wenden, nicht zuerst irgendwelche eigenen Methoden durchsetzen, sondern zuerst zu Jesus kommen und ihn um Hilfe bitten. Seinen Kindern tut er das auch.
Gestern kam unsere Tochter wieder zu uns. Sie hatte sich irgendwie hinten am Bein etwas aufgeratscht. In der Nacht hatte sie das irgendwie am Bett festgeklebt. Sie ist morgens aufgestanden und musste zur Schule. Das tat ihr weh. Dann sagte sie sofort: „Papa, lass uns jetzt dafür beten, dass es nicht mehr so weh tut.“ Für sie ist ziemlich klar: Egal, was sie hat – ob Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder etwas anderes – zuerst beten wir dafür. Und in vielen Fällen hilft das.
In vielen Fällen sind die Schmerzen danach weg, Bauchschmerzen gehen vorbei, Kopfschmerzen gehen vorbei. Auch heute, als ich sie zum Bus gebracht habe, konnte sie einigermaßen wieder gehen. Ich denke, es ist wichtig, dieses Vertrauen in Gott zu haben, dass auch bei solchen körperlichen Dingen Gott eingreifen kann. Nicht nur theoretisch im Alten Testament oder zur Zeit Jesu, sondern auch heute noch.
Es ist die Frage, auf wen wir vertrauen. Hier steht: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Vertraue auf Jesus! Wenn du Jesus nicht darum bittest und ihm nicht dein Vertrauen aussprichst, wird er das auch nicht tun. Denn wir sehen, Jesus heilt immer nur dann, wenn Menschen auf ihn zukommen und ihn darum bitten. Er weiß, dass wir krank sind, aber vielfach will er warten, bis wir zu ihm kommen und ihm das sagen.
Ihr seht keine Heilung, die es gibt, ohne dass die Kranken vorher gesagt haben: „Bitte mach uns gesund!“ Oder Angehörige bitten, wie bei dem toten Mädchen – das konnte ja selbst nicht mehr bitten. Aber immer nur auf direkte Bitte von einer Person. Wir müssen unser Vertrauen also nicht auf den Staat, auf Versicherungen, auf Ärzte oder unsere eigenen Erfahrungen legen, sondern zuerst sagen: Wir sind am Ende. So wie der Pharisäer, der alles probiert hat und es nicht geht – oder vielleicht sogar bevor wir es probiert haben –, und dann zuerst unser Vertrauen auf Gott aussprechen.
Darüber hinaus sehen wir auch, dass Jesus meistens in der Gegenwart handelt, also nicht in Fernbehandlung. Er hätte sagen können: „Jetzt heile ich mal alle in Israel.“ Aber so funktioniert es nicht. Die Leute sollen direkt zu ihm kommen und sich ihm zuwenden. So sollten auch wir daran denken, dass Heilung nicht durch Ekstase, Aufputschen oder Zaubersprüche geschieht. Jesus macht das Ganze relativ ruhig und gelassen.
Wir können uns vorstellen, wie er einfach kommt und sagt: „Na, steh auf!“ – und es läuft. Deshalb sollten wir skeptisch sein bei Leuten, die sich selbst in den Mittelpunkt stellen und daraus ein großes Theater machen.
Wenn wir ganz am Ende bei der Frage der Wunder sind, müssen wir sagen: Wunder sind oft auch eine Frage des Paradigmas, wie Erkenntnistheoretiker sagen würden. Die Frage ist: Erkenne ich das Wunder überhaupt als Wunder, oder erkläre ich es weg? Zum Beispiel hatten wir im Frühjahr in der Bibelschule eine Zeit lang 50, 60, 70 Mark Schulden auf dem Konto. Als Mitarbeiter hatten wir regelmäßig finanzielle Engpässe. Dann plötzlich bekamen wir das Geld.
Man könnte sagen: „Na ja, das wurde ja von Leuten überwiesen, es ist ja nicht vom Himmel gefallen, also ganz irdisch.“ Aber es bleibt die Frage, warum gerade zu diesem Zeitpunkt, ohne dass wir vielen Leuten davon erzählt hatten. Da muss man sagen: Gott gebraucht häufig irdische, innerweltliche Mittel, um uns Wunder zu schenken.
Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen: Wenn ich hier dir gegenüber stehe, du bist ja ganz freundlich, und ich plötzlich mit der Faust zuschlage, würdest du fragen: „Warum tust du das?“ Physikalisch könnte ich das genau erklären: Masse meiner Faust, Beschleunigung, Impuls, Verformung der Nase und so weiter. Alles physikalisch genau erklärt.
Aber das, was du eigentlich wissen willst, ist: Warum tue ich das? Wo steckt der Impuls dahinter? Und das ist das Entscheidende beim Handeln Gottes. Gott benutzt manchmal innerweltliche Möglichkeiten, aber entscheidend ist, warum es gerade so passiert, nicht nur was passiert.
Ich habe neulich ein Buch über Liebe gelesen. Dort wird genau erklärt, warum wir uns verlieben. Wenn ihr eure Frau oder euren Mann anschaut, wird gesagt: Dann werden diese chemischen Substanzen, diese Hormone, genau bei diesem und jenem ausgeschüttet. Alles wird wissenschaftlich erklärt.
Stellt euch vor, ihr habt eure Frau nicht ausgesucht, weil ihr sie liebt, sondern nur wegen ein paar Chemikalien im Gehirn. Natürlich benutzt Gott die Chemikalien, aber eigentlich steckt viel mehr dahinter.
Das war nun wirklich der Abschluss. Das Buch kann ich euch auch mal geben, aber das nur nebenbei.
Was wir jetzt tun wollen, und zwar in aller Kürze – und dann ist Lilli dort hinten, der ich nachher nicht begegnen darf, ich gehe dann schnell vorne raus –, ist Folgendes: Bevor Lilli hier nach vorne kommt, wollen wir uns kurz in Gruppen von zwei, drei oder vier Leuten zusammenstellen. Wir wollen das praktizieren, was wir gerade gehört haben.
Wir wollen für Menschen beten, die krank sind, oder für uns selbst, wenn wir krank sind. Dabei drücken wir Gott unser Vertrauen aus und beenden dann die Runde. Wenn ihr füreinander gebetet habt, ist die Stunde beendet.
Lasst uns, so wie wir stehen, ein bisschen zusammenkommen und uns austauschen. Wenn ihr Probleme mit eurer Gesundheit habt, drückt Jesus euer Vertrauen aus und bittet ihn darum. Das gilt auch für Menschen aus eurem Bekanntenkreis und eurer Gemeinde.