Wir sind also beim sechsten Gebot angekommen. Gemeinsam schlagen wir in der Bibel nach, und zwar in 2. Mose 20,13, wo das sechste Gebot steht: "Du sollst nicht töten."
Ihr merkt sicherlich, dass die Gebote davor meist etwas länger formuliert waren. Nun kommen wir zu einem kurzen Gebot, das dennoch viel Bedeutung in sich trägt: "Du sollst nicht töten." Ich möchte es lieber übersetzen mit: "Du sollst nicht morden."
Warum? Das Verb, das hier verwendet wird, „rasach“, bedeutet nicht einfach „töten“ im allgemeinen Sinn. Es bezieht sich speziell auf das Töten eines persönlichen Feindes. Das ist wichtig, weil an verschiedenen Stellen in der Bibel erlaubtes Töten beschrieben wird.
Ich beginne mit einem einfachen Beispiel: Du darfst Tiere töten, um sie zu essen. Das ist logisch und erlaubt. Ein weiterer Fall wird in 2. Mose geschildert: Wenn jemand in dein Haus einbricht und deine Familie bedroht, darfst du dich selbst verteidigen. Dabei heißt es nicht, dass du den Dieb umbringen sollst. Wenn es allerdings passiert, etwa weil es dunkel ist und man damals nicht einfach Licht machen konnte, und du dich verteidigst, dann ist das völlig in Ordnung.
In der Bibel wird das Töten auch bei der Ausübung der Todesstrafe oder im Krieg beschrieben, zum Beispiel wenn man angegriffen wird. Der Umgang mit dem Töten wird in der Bibel sehr genau betrachtet. Es gibt zum Beispiel eine klare Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag.
Erlaubtes Töten und die Unterscheidung von Mord und Totschlag
Schlagt mit mir mal 5. Mose 19,5-6 auf. Dort heißt es im Blick auf die Zufluchtsstätte: Wer mit seinem Nächsten in den Wald geht, um Holz zu schlagen, und seine Hand holt mit der Axt aus, um das Holz abzuhauen, und das Eisen fährt vom Stiel und trifft seinen Nächsten, sodass dieser stirbt, der soll in eine dieser Städte fliehen. Gemeint sind bestimmte Zufluchtsstädte, die man im Land einrichten soll, damit der Täter am Leben bleibt.
Das dient dazu, dass nicht der Bluträcher wutentbrannt den Totschläger nachjagt und ihn einholt, weil der Weg zu lang ist, und ihn totschlägt, obwohl kein Todesurteil gegen ihn vorliegt. Vorausgesetzt ist, dass der Täter den Verstorbenen nicht schon vorher gehasst hat.
In dieser Zufluchtsstadt darf der Totschläger wohnen. Er ist dort sicher vor Bluträchern. Außerdem darf er sogar wieder zurückkehren, allerdings erst nach dem Tod des Hohen Priesters in seiner Heimatstadt.
Diese Regelung beschreibt erlaubte oder zumindest irgendwie erklärte Formen von Töten. Was die Bibel grundsätzlich verbietet, ist jede Art von Rache. In Verbindung mit Rache verbietet sie auch jede Art von Selbstjustiz oder Lynchjustiz.
Ich weiß nicht, ob ihr James Bond schaut? Der letzte Bond-Film heißt ja „Ein Quantum Trost“. Und Herr Bond sucht sein Quantum Trost – worin? Indem er Rache übt.
Wenn man sich, so wie ich, gerne mal Actionfilme anschaut – ich mag die Sorte von Actionfilmen, die halbwegs unblutig sind, also so weit hergeholt, dass es irgendwie schon wieder lustig wird – dann muss man leider feststellen, dass viele Motive in diesen Filmen auf Rache basieren. Und das geht von der Bibel her leider gar nicht.
Die Ablehnung von Rache und Selbstjustiz
In Römer 12,19 heißt es ganz eindeutig: Recht euch nicht selbst, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn – gemeint ist der Zorn Gottes. Denn es steht geschrieben: „Meines ist die Rache, ich will vergelten“, spricht der Herr.
Wenige Zeilen später beschreibt Paulus die Funktion des Staates in Römer 13,4: „Denn sie, das ist der Staat beziehungsweise die Regierung, ist Gottes Dienerin dir zum Guten. Wenn du aber das Böse tust, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert.“ Das Schwert ist hier ein Bild für die Todesstrafe. Die Regierung hat das Recht auf Strafe.
Der Staatsapparat trägt das Schwert nicht umsonst, denn er ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe. Gott setzt einen funktionierenden Staatsapparat ein oder wünscht sich zumindest einen solchen. Es ist nicht immer so, aber Gott wünscht sich einen funktionierenden Staatsapparat, der dafür sorgt, dass Gutes gut bleibt und dass das Böse gerichtet wird.
Privatpersonen haben nicht das Recht, sich zu rächen. Das ist wichtig, denn wenn wir uns im Alten Testament die Zehn Gebote anschauen, erkennen wir, dass diese Gebote eigentlich nicht direkt an dich und mich gerichtet sind. Vielmehr sind sie zunächst Gebote an die Richter.
Die Zehn Gebote sind Teil eines Gesetzbuches. Es geht um die Frage, wie in einem Volk Recht gesprochen werden soll. In dem Moment, in dem die richterliche Funktion von Privatpersonen übernommen wird, läuft etwas schief.
Jesus und das Prinzip von Gerechtigkeit statt Rache
Deswegen heißt es in der Bergpredigt, Matthäus 5, ab Vers 38 bis 42:
In Matthäus 5,38 heißt es: "Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich aber sage euch: Widersteht nicht dem Bösen. Sondern wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete auch die andere dar. Und dem, der mit dir vor Gericht gehen und dein Unterkleid nehmen will, dem lass auch den Mantel. Wenn dich jemand zwingt, eine Meile zu gehen, mit dem geh zwei. Gib dem, der dich bittet, und weise den nicht ab, der von dir borgen will."
Wir haben nicht die Zeit, die Bergpredigt genau anzuschauen, aber hier weist Jesus darauf hin, dass etwas total schiefgelaufen ist. Er sagt: "Ihr habt gehört, Auge um Auge, Zahn um Zahn." Das stimmt so nicht. "Auge um Auge, Zahn um Zahn" ist eine Anweisung an die Richterschaft, nicht an jeden einzelnen Israeliten.
"Auge um Auge" ist ein Prinzip, und zwar das Prinzip, dass die Strafe nicht schlimmer ausfallen darf als das Vergehen. Dabei wird im Alten Testament klar, dass derjenige, der sich an einem anderen vergeht, oft gar keinen Vorteil davon hat, wenn er das Auge des anderen verliert. Stattdessen ist eine ordentliche Entschädigung in Geld vorgesehen.
Im Fall der Sklaven muss man sich vorstellen, was für ein Gesetz das ist: Ein Sklave muss freigelassen werden, wenn der Herr ihm Schaden zufügt. Es heißt: "Wenn jemand seinem Sklaven oder seiner Sklavin ins Auge schlägt und es zerstört, soll er ihn zur Entschädigung für sein Auge als Freien entlassen."
Darum geht es: Wir sollen begreifen, dass, wenn ein Richter ein Urteil spricht und eine Strafe ausspricht, die Strafe nicht größer sein darf als die Schuld, die entstanden ist.
Wer ein wenig die Bibel kennt, weiß, dass dies eines der allerersten Probleme ist, die in der Bibel auftauchen. Kaum ist die Sache mit Kain und Abel passiert, treffen wir auf einen anderen sehr unangenehmen Zeitgenossen, einen Herrn Lamech.
Lamech ist nicht nur jemand, der sich nicht mit einer Frau zufrieden gibt – solche Männer sind immer heikel – er sagt auch Folgendes: "Ada und Zilla, hört meine Stimme! Für einen Mann erschlug ich einen, für meine Wunde, und einen Knaben für meine Strieme."
Merkt ihr das? Jemand fügt mir eine Wunde zu, und ich bringe ihn um. Hier passt Anlass und Reaktion überhaupt nicht mehr zueinander.
Das Alte Testament macht klar: So etwas geht nicht. Ja, dort, wo jemand schuldig wird, muss eine Strafe folgen, aber bitte eine angemessene Strafe.
Die Bergpredigt und die Haltung zu Gewalt und Selbstverteidigung
Und wenn Jesus hier in Matthäus 5 davon spricht, dass wir dem Bösen nicht widerstehen sollen, dann möchte ich wenigstens so viel sagen: Es geht hier nicht um Selbstverteidigung.
Wenn er sagt, dass jemand dich auf deine rechte Wange schlägt, dann ist damit die übelste Form der Beleidigung gemeint, die man sich in der damaligen Zeit vorstellen kann. Vielleicht sind da wieder Ritterfilme gut als Beispiel. Was passiert immer beim Ritterfilm? Einer tritt davor, zieht seinen Handschuh aus und gibt eine Ohrfeige. Und wenn er das tut, dann war klar, jetzt kommt das Duell. Warum? Das ist eine Beleidigung.
Die Bibel geht davon aus, dass wir Rechtshänder sind. Wenn ich jemanden mit meiner rechten Hand und zwar mit der Innenseite verletzend schlagen will, treffe ich welche Seite seines Gesichts? Die linke. Wenn ich dir also eine Ohrfeige gebe, erwische ich immer deine linke Seite.
Aber wenn ich dich beleidigen will, also nicht angreifen, dann ist es dieser Schlag hier, dieser zack, und der trifft die andere Seite. Deswegen geht es hier um Beleidigung. Es geht nicht darum, dass wir, wenn wir angegriffen werden, einfach dastehen müssen und so nach dem Motto sagen: „Okay, du hast mir jetzt das Messer in die rechte Seite gerammt, hier ist meine linke, willst du noch mal?“
Es bedeutet auch nicht, dass wenn ich mit meiner Frau spazieren gehe und sich zweistämmige Kerle vor uns aufbauen und uns irgendwie bedrohen, ich sage: „Na klar, ihr könnt mich haben, rechte und linke Wange, meine Frau auch.“ Denn in dem Moment, wo jemand uns angreift, werde ich meine Frau und meine Familie verteidigen. Einfach weil ich Mann bin, weil ich Vater bin und weil das eine der Aufgaben ist, die Gott mir gegeben hat.
An dieser Stelle sagt Jesus ja ganz klar: „Tu es weg!“ Die Jünger fragen ihn ja im Lukas-Evangelium. Dort steht: „Wir haben doch hier zwei Schwerter.“ Sie verstehen also gar nichts, wenn Jesus sagt: „Verkauft bitte das, kauft euch Schwerter.“ Petrus hört das und sagt: „Ja, wir haben schon zwei.“ Die Jünger sagen: „Ey, komm, das Stecken.“ An der Stelle hat Petrus nicht verstanden, was gerade Sache ist. Das muss man deutlich sagen.
Jesus sagt: Hier wird nichts gemacht, und er macht es trotzdem. Das darf nur nicht dazu führen, dass wir vor lauter Passivität vergessen, welche Verantwortung wir haben.
Es gibt so eine Gruppe von Christen in der Geschichte, die mich persönlich sehr fasziniert, das sind die Waldenser. Sie wurden verfolgt und in die Berge getrieben, bis an den Punkt, an dem es nicht mehr anders ging und sie tatsächlich zurückschießen mussten, um ihre Familien zu verteidigen.
Ich muss ehrlich sagen, das würde ich auch tun, wenn jemand meine Familie angreift. Dann bin ich quasi die letzte Verteidigungswahl. Das heißt aber nicht, weil es irgendwo eine Grenze gibt, an der wir für die, die Gott uns anvertraut hat, einstehen – und zwar aus Liebe mit unserem Leben –, dass wir deshalb in jeder x-beliebigen Situation draufschlagen oder Rache üben. Das auf keinen Fall.
Mord und die Unmöglichkeit der Sühne
Im Alten Testament gibt es für nahezu jedes Vergehen die Möglichkeit, ein Lösegeld zu zahlen. Für Mord jedoch ist das nicht vorgesehen.
In 4. Mose 35,30-32 heißt es: Für jeden, der einen Menschen erschlägt, gilt, dass er getötet werden soll. Die Aussage von Zeugen ist entscheidend. Dabei darf es keine Lynchjustiz geben, bei der einfach so gehandelt wird. Ein einzelner Zeuge reicht nicht aus, um jemanden zum Tode zu verurteilen. Es werden zwei unabhängige Zeugen benötigt. Das ist bemerkenswert modern, wenn man bedenkt, dass diese Regelung etwa 1400 vor Christus verfasst wurde.
Außerdem soll kein Sühnegeld angenommen werden für das Leben eines Mörders, der schuldig ist, getötet zu werden. Auch soll kein Sühnegeld angenommen werden für jemanden, der in seine Zufluchtsstadt geflohen ist, um dort vor der Strafe zu entkommen. Er darf nicht vor dem Tod des Priesters zurückkehren, um im Land zu wohnen.
Sowohl bei Mord als auch bei Totschlag darf kein Sühnegeld angenommen werden, um die Strafe zu mildern. Der Mörder muss getötet werden, der Totschläger darf nicht vorzeitig aus der Zufluchtsstadt zurückkehren.
Warum diese strengen Strafen? Warum ist die Reaktion so extrem? Die Antwort lautet nicht, dass es nichts Schlimmeres gibt, als einem Menschen das Leben zu nehmen. Die Erklärung findet sich in 1. Mose 9,6. Kurz nach der Sintflut heißt es dort: „Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll durch Menschen vergossen werden.“
Die Begründung dafür ist, dass der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen wurde. Deshalb ist das Leben eines Menschen besonders zu schützen.
Der Wert des menschlichen Lebens als Ebenbild Gottes
Der Wert menschlichen Lebens hängt von seiner Gottesebenbildlichkeit ab. Wer einen Menschen tötet, tötet das Bild Gottes. Er tötet ein Geschöpf, in dem Gott sich selbst spiegelt.
Die Bibel stellt uns den Menschen nicht als ein hochentwickeltes Tier vor, sondern als das Spiegelbild, als das Ebenbild Gottes. Der Mensch besitzt Intellekt, einen freien Willen, Bewusstsein, Kreativität und Abstraktionsvermögen. Er hat ein Gewissen, die Fähigkeit, andere wahrzunehmen, Forscherdrang, musische Talente, handwerkliche Fähigkeiten sowie Schrift und Sprache. Das sind wir.
Gott sagt: Dieser Mensch, sicherlich auf eine von der Sünde verzerrte Weise, spiegelt mich wider. Ich erlaube niemandem, ihn umzubringen. Er ist unendlich wertvoll, weil er im Ebenbild Gottes geschaffen ist. Deshalb ist Mord in all seinen Varianten ein so schlimmes Verbrechen.
Wer Menschen tötet, verletzt Gott, weil Gott etwas von sich selbst in den Menschen hineingelegt hat. Wer tötet, bringt nicht nur Verachtung für den Menschen zum Ausdruck, sondern auch Verachtung für Gott.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen in ein Museum und spritzen mit einem Behälter voller Säure gegen ein Gemälde. Man könnte sagen: „Na ja, ist ja nicht weiter schlimm, es ist nur eines von zig Millionen Bildern auf der Welt.“ Aber was tun Sie da eigentlich? Sie bringen Verachtung zum Ausdruck.
Wen schädigen Sie? Nur das Gemälde oder auch den, der es geschaffen hat? Natürlich immer den, der es geschaffen hat, denn das ist sein Werk. So sind auch wir Gottes Geschöpfe. Gott hat jeden Einzelnen von uns gemacht.
Deshalb ist es, um noch einmal auf James Bond zurückzukommen: Auch wenn der Superbösewicht im vorletzten Bond-Film seine Freundin Vesper umgebracht hat, tut mir das leid. Das ist aber kein Grund, Rache zu üben und im Alleingang alles umzubringen, was sich ihm in den Weg stellt.
Mord in all seinen Varianten ist immer falsch. Das gilt auch für Abtreibung.
Das Leben im Mutterleib und die biblische Sicht auf Abtreibung
In Hiob Kapitel 10, Verse 8 bis 12, lesen wir etwas über das ungeborene Leben. Dort heißt es: „Deine Hände haben mich ganz gebildet und gestaltet, um und um, und nun verschlingst du mich? Bedenke doch, dass du mich wie Ton gestaltet hast und jetzt willst du mich zum Staub zurückkehren lassen. Du hast mich hingegossen wie Milch und wie Käse mich gerinnen lassen. Mit Haut und Fleisch hast du mich bekleidet und mit Knochen und Sehnen mich durchflochten. Leben und Gnade hast du mir gewährt, und deine Obhut bewahrt meinen Geist.“
Wenn Hiob darüber nachdenkt, woher er kommt und wer ihn gemacht hat, dann denkt er sofort an Gott. Er sagt, das war Gottes Idee, nicht seine eigene. Zu dem Zeitpunkt in Hiob 9 ist er allerdings nicht ganz so gut auf die Zeit zu sprechen, in der er geboren wurde.
Oder im Psalm 139, Vers 13 bis 16, heißt es: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke, und meine Seele erkennt das sehr wohl. Nicht verborgen war mein Gebein vor dir, als ich gemacht wurde im Verborgenen, gewoben in den Tiefen der Erde, meiner Urform.“
Anmerkung bei mir: Mein ungeformtes Gemeind ist der Embryo, meine Urform sahen deine Augen. Das ist doch fantastisch.
Wir haben gerade ein paar Schwangere, die ersten in unserer kleinen Gemeindegründung. Wenn alles gut geht, bekommen wir dieses Jahr drei Babys. Das ist relativ viel, fast zehn Prozent biologisches Wachstum. Ich hoffe, dass wir auch geistliches Wachstum in ähnlichem Maße erreichen.
Da kommen oft die Mütter und sagen: „Es hat sich bewegt, das erste Mal!“ Sie sind total begeistert. Ich weiß nicht, ob ihr Mütter kennt, die zuhause irgendwo diese kleinen schwarz-weiß Bilder von der ersten, zweiten und dritten Ultraschalluntersuchung hängen haben. Es wird immer ein bisschen größer. Am Anfang ist es nur ein weißer Punkt, da sieht man kaum etwas. Aber es ist natürlich das Kind.
Gott sieht das Kind ohne Ultraschall. Vom ersten Moment an, denn das ungeborene Kind ist eine Persönlichkeit, die Gott erschaffen hat. Jesaja 44, Vers 2 sagt: „So spricht der Herr, der dich gemacht und von Mutterleib an gebildet hat.“
Daher überrascht es uns nicht, dass wir bei verschiedenen Personen – Jeremia und Paulus sind vielleicht die bekanntesten – lesen, dass sie von Mutterleib an, also vor ihrer Geburt, berufen wurden. Weil in Gottes Augen der Mensch schon vor seiner Geburt Mensch ist, ist Abtreibung auch Mord an Menschen.
Das bedrückt mich immer wieder. Man geht so darüber hinweg, was in unserem Land passiert. Ich glaube, die Bibel ist deutlich genug: Dort, wo Samen und Eizelle sich verbinden, wo ein Mensch in dieser kleinsten Einheit entsteht, entsteht tatsächlich ein Mensch. Dieser muss noch wachsen und sich entwickeln. Dafür braucht er zuerst eine Gebärmutter und danach am besten eine Familie.
Wir leben in einem Land, das unglaublich reich ist, und trotzdem schreit das Blut der Kinder zu Gott. Ich glaube, wir müssen uns nicht wundern, wenn diese Welt in Gewalt versinkt, wo der Mutterleib in Deutschland zum gefährlichsten Ort geworden ist.
Im Jahr 2007 sind nicht mal fünf Personen im Straßenverkehr gestorben. Aber ich rede jetzt nur über die statistisch gemeldeten Abtreibungen. Wir sprechen von 117 Abtreibungen. Die Dunkelziffer ist höher. Ich ziehe von diesen Zahlen die medizinische Indikation und Vergewaltigungsopfer ab, das sind drei Prozent. Dann bleiben 114 Kinder übrig, die abgetrieben wurden, weil sie ungewollt waren, weil sie weggemacht wurden.
Weltweit kommen auf 100 Geburten 31 Abtreibungen. Das sind 40 Millionen Abtreibungen pro Jahr. Das ist die Welt, in der wir leben.
Ich muss zugeben, ich kann das nur leben, weil ich diese Zahlen ein Stück weit aus meinem Leben verdränge. Immer, wenn ich darüber nachdenke oder mich darüber unterhalte, tauchen Bilder auf, die ich von zerstückelten Föten gesehen habe. Dann bin ich manchmal so... Und das will ich euch einfach mitgeben, auch wenn ich schweige: Ich frage mich, ob wir uns mit unserem Schweigen nicht schuldig machen. Ob wir in einer Demokratie nicht viel lauter Nein sagen sollten.
Ich stelle diese Frage in den Raum. Wahrscheinlich bin ich genauso schweigsam wie ihr. Trotzdem denke ich manchmal: Wenn es wirklich ein Wunder in dieser Welt gibt, dann ist das größte Wunder darin zu finden, dass Gott dieser Welt noch eine Zeit der Gnade schenkt.
Eine Freundin von mir ist erst in ihren Vierzigern zum Glauben gekommen. Bis sie das Evangelium verstanden hatte, hatte sie schon abgetrieben. Sie war sich dann der Tatsache bewusst, was da passiert ist.
Deshalb muss ich an dieser Stelle sagen: Ich weiß nicht, wer von euch vielleicht diese Schuld mit sich herumträgt. Ich kenne euch nicht. Aber wenn das der Fall ist, wenn das in deinem Leben passiert ist, möchte ich dir sagen: Gott kennt dich, deine Schuld, dein Versagen und die Umstände, die dich zu diesem Schritt getrieben haben.
So wie die Frau, die ich vor Augen habe, Frieden gefunden hat und ihre Schuld Gott abgegeben hat, so wünsche ich mir, dass jeder, der das mit sich herumträgt und vielleicht noch nicht damit im Reinen ist, diese Schuld nimmt und sie dahin bringt, wo sie hingehört – an ein Kreuz.
Oh Jesus, für jede Form von Schuld. Auch für diese vielleicht fast schlimmste Form, bei der man das Leben eines Menschen vernichtet hat – du bist dafür gestorben.
Mord als Prozess und die innere Haltung
Mord ist ein Thema, das ich oft im Volkshochschulkurs bespreche. Ich habe ja einige Volkshochschulkurse über die Bibel gemacht. Wenn man dann über die Zehn Gebote spricht, heißt es immer: „Ich habe noch nie jemanden umgebracht.“
Immer wenn das so gesagt wird, stellt sich die Frage: Was ist eigentlich mit Mord gemeint? Damit möchte ich Folgendes sagen: Ich höre gerne Hörbücher, und im Moment höre ich gerade wieder von Stefan Zweig „Die Sternstunden der Menschheit“. Ich weiß nicht, ob ihr das Buch kennt. Es gehört wirklich zu den literarischen Höhepunkten der deutschen Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts. Außerdem ist es Geschichte, und Geschichte macht immer Spaß.
Gerade habe ich die Geschichte von Cicero gelesen. Ich weiß nicht, ob ihr wisst, wer Cicero ist. Er lebte etwa zur Zeit Caesars, etwas länger als Caesar, nicht viel, aber doch ein bisschen länger. Die Geschichte von Cicero endet total dramatisch, weil er sich politisch auf die falsche Seite schlägt. Er wird erschlagen, und das Letzte, was man von ihm sieht, sind sein abgeschlagener Kopf und seine abgeschlagenen Hände. Diese werden an der Stelle, wo er normalerweise seine Reden gehalten hat – am Marktplatz – angenagelt.
Es ist völlig klar: Wenn ich mir das so anschaue, da ist der Mord zu Ende. Da ist auf alle Fälle Mord geschehen. Das heißt, wenn ich jemanden erschlage und die Leiche vor mir liegt, ist das der Endpunkt von Mord. Aber wo fängt Mord eigentlich an? Hat mir das Gebot „Du sollst nicht töten“ nichts zu sagen, bis ich den blutverschmierten Dolch aus meinem Nachbarn herausziehe? Gibt es vorher etwas?
Das ist der Punkt, den wir jetzt betrachten wollen. Es ist so leicht zu sagen: „Ich habe noch nie jemanden umgebracht.“ Stimmt, mag sein. Du warst noch nicht am Ende. Aber mich interessiert die Frage: Wo fängt Mord an?
Deshalb müssen wir noch einmal in die Bergpredigt schauen, Matthäus 5,21-24. Dort geht Jesus nämlich auf dieses Thema ein: Wo fängt eigentlich Mord an?
Matthäus 5,21: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht töten. Wer aber tötet, wird dem Gericht verfallen sein.“ Das klingt noch ganz orthodox. Aber dann sagt Jesus etwas anderes, das nicht mehr so orthodox klingt.
Wichtig ist, was jetzt kommt: „Ich aber sage euch, dass jeder, der seinem Bruder zürnt, dem Gericht verfallen sein wird.“ Merkt ihr was? Das ist der Text, bei dem in der Volkshochschule oft gesagt wird: „Also, wenn man das schon nicht darf, na gut, dann bin ich halt doch ein Sünder.“ Denn jeder hat das schon mal gemacht.
Jesus sagt weiter: „Jeder, der seinem Bruder zürnt“ – gemeint ist ein ungerechtfertigter Zorn – „wird dem Gericht verfallen sein.“ Wer aber zu seinem Bruder sagt „Raka“ – und „Raka“ ist kein richtiges Wort, es klingt ungefähr so – „Raka“ bedeutet so viel wie „Du Narr“ oder „Dummkopf“. Das Wort „Raka“ bezieht sich auf den Hohen Rat, ungefähr unser Bundesgerichtshof.
Wer aber sagt „Du Narr“ – also wer nicht nur im Geheimen zürnt oder so ein bisschen vor sich hinmurmelt, sondern sich wagt, einem anderen Menschen aus Zorn ein Wort wie „Du Narr“ ins Gesicht zu sagen, um ihn zu verletzen – da sagt Jesus: Da ist jede Hoffnung dahin. Wer aber sagt „Du Narr“, der wird der Hölle des Feuers verfallen sein.
Da fängt Töten an. Und woher weiß ich das? Ich weiß das, weil es in der Bibel eine ganz bekannte Geschichte gibt, wo wir das nachlesen können. Es ist ein generelles Prinzip: Wenn euch irgendein Thema interessiert, schaut wenigstens einmal kurz nach, wo es das erste Mal passiert. Es lohnt sich ganz oft, das erste Mal sich anzuschauen.
Und wo begegnet uns Mord das erste Mal? Kain und Abel, genau. Das ist ja auch nicht verwunderlich. Schauen wir uns das gemeinsam noch schnell an.
Die Geschichte von Kain und Abel als Ursprung des Mordes
Kain und Abel, 1. Mose 4,1. Die Geschichte beginnt ganz harmonisch. Der Mensch erkannte seine Frau Eva, sie wurde schwanger und gebar Kain. Sie sagte: „Ich habe einen Mann mit dem Herrn hervorgebracht.“ Danach gebar sie erneut, und zwar seinen Bruder Abel.
Abel wurde ein Schafhirte, und Kain wurde Ackerbauer. Bis zu diesem Punkt verläuft alles sehr harmonisch. Es gibt eine klare Arbeitsteilung: Der eine kümmert sich um die Schafe, der andere um das Getreide und andere Pflanzen.
Nach einiger Zeit brachte Kain vom Ertrag seines Ackers dem Herrn eine Opfergabe dar, und auch Abel brachte eine Opfergabe, nämlich von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Der Herr blickte auf Abel und seine Opfergabe, aber auf Kain und seine Opfergabe blickte er nicht.
In der Kinderstunde wird oft gefragt: „Warum hat Gott nicht auf die Opfergabe von Kain geblickt?“ Die falsche Antwort lautet: „Weil es kein Blutopfer war.“ Die richtige Antwort ist: „Weil Kain keinen Glauben hatte.“ Woher weiß man das? Das steht im Hebräerbrief. Man muss zwar etwas länger lesen, aber dort findet sich die Erklärung.
Es ist so: Beide bringen etwas dar, was sie haben. Gott sagt: „Wunderbar, das nehme ich an.“ Aber dann fügt er hinzu: „Nein, dein Opfer möchte ich nicht.“ In manchen Kinderbibeln wird dargestellt, dass der Rauch von Kains Opfer nicht gerade aufsteigt, sondern zur Seite weht. Das steht so nicht in der Bibel, aber es vermittelt die Idee.
Hier wird die Geschichte richtig spannend, denn Kain bekommt ein Stoppschild. Gott sagt: „Stopp, mein Freund! Das, was du hier treibst, ist Show, fromme Show. Mich interessieren deine Brandopfer nicht, solange dein Herz nicht voll von mir ist.“
In Vers 5 wird es ernster, wir sind mitten im Zorn. Man merkt, dass Kain sehr zornig wurde und sein Gesicht sich senkte. Ich stelle mir vor, wie ein kleiner Junge, der gerade etwas falsch gemacht hat, der angespannt ist. Das geht so nicht.
Was kommt hier hinzu? Erst die fromme Show, dann ein unbußfertiges Herz, das sich nicht von Gott korrigieren lässt. Gott sagt Stopp!
Was wäre die richtige Reaktion gewesen, wenn Kain ein gläubiges Herz gehabt hätte? Ein gläubiges Herz hätte gesagt: „Entschuldige, Vater Himmel, du hast recht, es war Show. Es tut mir leid, es soll nie wieder vorkommen. Es wird vielleicht wieder vorkommen, aber ich möchte es nicht. Bitte vergib mir, du hast so recht.“
Doch was passiert? Kain reagiert wie ein kleiner Junge, der beim Klauen von Süßigkeiten auf frischer Tat ertappt wird. Er wird bockig. Gott gibt ihm eine Warnung:
„Der Herr sprach zu Kain: ‚Warum bist du zornig, und warum hat sich dein Gesicht gesenkt? Wenn du recht tust, wird es dich erheben. Wenn du aber nicht recht tust, liegt die Sünde vor der Tür, und ihr Verlangen ist nach dir; du aber sollst über sie herrschen.‘“
Jeder, der Kinder hat, kennt das: Wenn ein Kind etwas angestellt hat, schaut es nicht in die Augen, sondern am liebsten auf den Boden. Wenn die Beziehung gut ist, kann das Kind freundlich in die Augen schauen.
Gott gibt Kain eine letzte Warnung: Wenn du jetzt nicht Buße tust, wenn du nicht umkehrst, wenn diese Mischung aus Zorn, Unbußfertigkeit und Spielchen mit Gott nicht aufhört, dann wird es gefährlich.
Dein Leben ist wie ein Haus mit einer Tür. Vor der Tür steht ein Monster. Wenn du glaubst, du kannst die Tür ein wenig öffnen und mit dem Monster spielen, dann wird die Sünde, die vor deiner Tür lauert, in dein Lebenshaus eindringen. Sie wird alles zerstören, dir jeden Traum rauben, jedes Glück aus deinem Leben entfernen und dich restlos vernichten.
Dann heißt es: „Buße!“
Kain sprach zu seinem Bruder Abel, und als sie auf dem Feld waren, erhob sich Kain gegen Abel und erschlug ihn.
Hier zeigt sich ein Mann, der nichts gelernt hat. Der Zorn, der am Anfang da war – der Zorn darüber, dass Abel, der Gläubige, Kains Unglauben aufgedeckt hat und dass Gott nicht mitgespielt hat – schlägt um in Mord.
Ungerechtfertigter Zorn ist der Punkt, an dem Mord beginnt. Das ist, was ich vorhin meinte: Töten ist ein Prozess. Man weiß, wo er aufhört – nämlich dort, wo der andere nicht mehr zuckt. Aber wo fängt er an?
Mord ist nichts anderes als die schlimmste Form, eine Beziehung abzubrechen.
Liebe als Gegenmittel gegen Mord und Zorn
Aber wo fange ich an, in kleinen Beziehungen zu Menschen abzubrechen? Immer dann, wenn Unversöhnlichkeit in mein Leben tritt, wenn ich anfange, auf Menschen zornig zu werden, obwohl es eigentlich gar keinen Grund dafür gibt und ich diesen Zorn trotzdem kultiviere. Wenn ich lerne zu verachten, wenn ich lerne zu hassen. Letztlich fängt Töten dort an, wo ich durch Worte, Gesten oder Gedanken einer Beziehung schade.
Ich habe mir heute ein T-Shirt machen lassen. Ich habe es noch nicht an, weil es erst nächste Woche fertig ist. Das mache ich manchmal so: Wenn ich Ideen habe, die mir nicht aus dem Kopf gehen, dann lasse ich mir ein T-Shirt machen. Vielleicht habt ihr das schon gesehen. Auf meinem T-Shirt steht „heilige Gelassenheit“, weil ich einfach denke, dass es für mich total wichtig ist, das nie zu vergessen.
Heute habe ich ein neues T-Shirt in Auftrag gegeben. Darauf steht ein Bibelvers aus 1. Korinther 13,2: Dort heißt es, dass wir, wenn wir keine Liebe haben, nichts sind. Ihr kennt den Anfang des 1. Korintherbriefs: Wenn wir keine Liebe haben, dann können wir alles Mögliche tun, aber wir sind nichts.
Warum habe ich mir dieses T-Shirt machen lassen? Habe ich da noch etwas darunter geschrieben? Mir ist im Moment ein Gedanke unglaublich wichtig: Wenn Liebe das Höchste ist, dann sind Menschen keine Probleme, die es zu lösen gilt, sondern Geheimnisse, die es zu entdecken gilt.
Dann sind Menschen nicht Mittel zum Zweck, sondern mein Umgang mit ihnen ist die Methode, um wahre Liebe zu lernen. Warum stellt Gott mir Menschen in den Weg, mit denen ich vielleicht gar nicht klarkomme? Damit ich mich ärgere und zornig bin? Jawohl nicht.
Warum lässt Gott uns in Beziehungen leben? Die schönste Antwort, die ich bisher dazu kenne, ist die, dass ich glaube, Gott möchte, dass wir dem Herrn Jesus dadurch ähnlicher werden, dass wir lernen zu lieben.
Und weißt du, wie du lieben lernst, wenn du jemanden gegenüber hast, der ein bisschen komplizierter ist, um ihn gleich auf Anhieb völlig zu lieben? Wenn du die Traumfrau hättest, die nie etwas falsch machen würde, oder den Traummann, dann würdest du sagen: „Mann, ist es leicht, den zu lieben.“ Kann sein. Aber du hast ihn oder sie nicht.
Du hast einen waschechten Sünder geheiratet, oder dein Arbeitskollege ist ein waschechter Sünder, oder der Busfahrer, mit dem du fährst, ist ein waschechter Sünder. Gott wirft dich in eine Welt voller waschechter Sünder.
Warum? Ein Aspekt ist, dass du an diesen Begegnungen Liebe lernen darfst. Du darfst Liebe lernen, so wie Gott dich in diesen schwierigen Situationen geliebt hat.
Merk dir: Wenn das eine der höchsten Berufungen ist, wenn es darum geht, dass wir Liebe lernen – und ich weiß, das geht mir ja nicht anders –, dann rennen wir vor diesem Thema oft davon. So ein Vers wie „Wenn wir keine Liebe haben, sind wir nichts“ glaubt keiner. Das ist viel zu gefährlich, das ist brandheiß, wenn man das wirklich glauben würde.
Ihr müsst diesen Text mal lesen, und vielleicht predige ich ja mal darüber. Mord beginnt dort, wo ich den anderen nicht mehr als Geheimnis sehe, das es zu entdecken gilt, als Gegenüber, das es zu lieben gilt, sondern wo er mir zum Problem wird.
Wo ich mich nicht mehr darauf einlassen will, wo ich zornig werde, wo ich ihn ablehne, wo ich die Berufung zur Beziehung nicht so weit auslebe, wie es möglich ist.
Ich weiß, dass die Bibel sagt, dass man nicht mit allen Menschen in Frieden leben kann, und ich weiß, dass es Grenzen gibt. Das ist völlig klar. Trotzdem glaube ich, dass wir oft viel zu früh Schluss machen.
Die Wiederherstellung von Beziehungen als Gottes Anliegen
Und deshalb möchte ich diesen Gedanken und dieses Thema „Du sollst nicht morden“ nicht mit nur einem oder zwei Versen abschließen. Vielmehr sollen uns Verse deutlich machen, wie sehr Gott an der Wiederherstellung von durch unsere Zornesausbrüche zerstörten Beziehungen gelegen ist.
Wir bleiben bei Matthäus 5, jetzt bei den letzten beiden Versen 23 und 24. Eben noch sagt der Herr Jesus: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht töten. Wer aber tötet, wird dem Gericht verfallen.“ Dann kontert er das und sagt: „Wo du mit Zorn anfängst, bist du eigentlich schon wie ein Mörder.“ Dein Zorn ist der erste Schritt auf dem Weg zum Mord, und ich bin dagegen.
Ich könnte euch das jetzt auch aus dem Alten Testament zeigen, was dort über Streiten und Zorn steht. Das sind keine positiven Dinge. Ich glaube, wir haben in einem der Ethikkurse auch das Thema Streit, Konflikte und Zwistigkeiten behandelt. Ihr könnt das gerne noch einmal nacharbeiten.
Hier heißt es in Matthäus 5, Vers 23: „Wenn du nun deine Gabe darbringst zu dem Altar und dich dort erinnerst, dass dein Bruder etwas gegen dich hat…“ Das ist eine spannende Sache. Du sagst: „Ich möchte eine Gabe bringen.“ Nehmen wir an, du wohnst 50 Kilometer entfernt vom Tempel. Du schnappst dir deine Ziege, schleppst dieses arme Tier bis nach Jerusalem, stellst dich in die Reihe der Opfernden, stehst vor dem Opferaltar. Der Priester kommt auf dich zu und fragt: „Was wollen Sie opfern?“ Du gibst ihm das Tier, er schaut es sich an und sagt: „Ja, das wäre geeignet.“
In dem Moment fällt dir ein: „Stimmt, da ist etwas nicht geklärt. Ich habe mich an jemanden versündigt in der Beziehung.“ Was machst du jetzt? Ich hätte gedacht, dass Gott an dieser Stelle sagt: „Okay, dann bring mal schnell dein Opfer dar, und dann kannst du nach Hause gehen und die Sache mit deinem Bruder regeln.“ Aber so steht es hier nicht.
Hier steht: „Wenn das so ist, wenn du deine Gabe darbringst zu dem Altar und dich erinnerst, dass dein Bruder etwas gegen dich hat – gemeint ist nicht einfach jemand, der immer etwas gegen einen hat, dem man es nie recht machen kann, sondern es gibt einen konkreten Vorfall und jemand hat gerechtfertigt etwas gegen dich – dann lass deine Gabe dort vor dem Altar.“ Du lässt die Ziege dort angebunden, sie wird nicht geopfert.
„So lass deine Gabe dort vor dem Altar und geh zuvor hin, versöhne dich mit deinem Bruder. Dann komm und bring deine Gabe dar.“
Vielleicht atmet jetzt jemand auf und sagt: „Puh, zum Glück müssen wir keine Ziegen mehr opfern.“ Aber wir bringen geistliche Schlachtopfer. Geistliche Schlachtopfer sind zum Beispiel finanzielle Opfer, zeitliche Opfer, Gebet, Evangelisation und das Einbringen in die Gemeinde.
Wenn ich diesen Text frei übersetzen darf, heißt das: Bevor du – wenn dir einfällt, dass es noch etwas zwischen dir und jemand anderem gibt, dass du in einer Beziehung Mist gebaut hast, dass du angefangen hast, eine Beziehung zu zerstören und du schuld daran bist, nicht der andere – bevor du beten willst, bevor du in der Gemeinde mitarbeitest, an einem Workshop teilnimmst, den Gottesdienst besuchst oder einen Ethikkurs machst, geh vorher hin.
Heute würde man sagen: Schnapp dir dein Handy, ruf an und sag: „Du, an der und der Stelle ist das und das vorgefallen, bitte verzeih mir, das war Quatsch.“
Für Gott ist es ganz, ganz wichtig, dass wir Menschen werden, die intakte Beziehungen leben. Dass wir mehr tun, als nur Streit zu vermeiden. Wir sollen Menschen werden, die das Leben fördern, echte Beziehungsbauer und Friedensstifter.
Und von daher: „Du sollst nicht morden.“ Ich glaube, das ist die Anwendung, die uns am meisten betrifft. Ich wünsche euch, dass ihr Menschen werdet, von denen man sagt: „Das ist jemand, der eine Beziehung zum Leben bringt, zum Blühen bringt.“ Und nicht jemand, der Beziehungen meuchelmordet.