
No! Ich heiße Toni und ich bin Philipp, ich heiße Marie. Ah, und einer darf bei uns auch nicht spielen, äh Sammy. Uhuhuh, hier bin ich, die Doppeldecker! Und durch diese Extrarollen können wir mehr Gewicht sparen.
Wow, so einen Flaschenzucker habe ich noch nie gesehen. Ist ja auch meine Erfindung. Toni, was sagst du dazu? Hm, ja, ja, wird schon passen.
Heute will die Crew den Doppeldecker an der Decke aufhängen. Während Mike im Baumarkt einkauft, erklärt Philipp Marie und Toni seine Modellzeichnung. Er dreht sich erwartungsvoll um, als die Scheunentür knarrend aufgeht.
Hallo ihr drei! Hallo! Hey, und? Alles eingekauft? Und Marie? Ja? Schau mal raus ins Auto, ich hab dir was mitgebracht, das dir ganz sicher gefällt. Okay.
Während Marie rausgeht, sortieren Philipp und Mike die Bauteile. Toni schaut nur zu. Eigentlich hatte er sich sehr darauf gefreut, doch jetzt ist er gar nicht recht bei der Sache. Er ist sogar froh, als Marie die ganze Aufmerksamkeit braucht.
Ich stecke in der Tür fest. Ja, wir kommen schon. Warte.
Boah, der Kletterast für Sammy ist echt super, aber riesig. Er soll ja etwas zu tun haben. Sammy freut sich über das neue Klettergerüst neben seinem Stall. Eifrig klettert er auf dem Ast auf und ab und beschnuppert alle Zweige.
Die Crew macht sich nun daran, den Flaschenzug aufzubauen. Bald sind alle Winden festgeschraubt, Rollen montiert und Seile eingefädelt. Jetzt müssen wir nur noch den Doppeldecker holen und mit den Seilen befestigen. Kommt, packt alle mit an! Super!
Stück für Stück schieben sie das schwere Flugzeug an die richtige Stelle. Leider stolpert Toni dabei über den Ast.
Alles in Ordnung, Toni? Nein! Warum muss das blöde Ding hier rumliegen? Steh erst mal auf, hast du dir wehgetan? Ach, danke Mike, geht schon. Ich glaube, ich gehe nach Hause.
Toni verschwindet durch die Scheunentür. Marie und Philipp sehen einander ratlos an.
Seien wir ihm hinterher? Vielleicht. Bleibt ihr erst mal hier, ich rede mit ihm. Ja, okay.
Nun sind Philipp und Marie allein in der Scheune. Vielleicht hat Toni mit jemandem Ärger.
Hey, wohin gehst du? Schau mal, was er da an der Tür beschnuppert. Ich glaube, Toni ist etwas heruntergefallen. Ein Stück Papier, oder?
Philipp hebt es auf und faltet es auseinander. Steht etwas darauf?
Mein lieber Enkelsohn Antonio. Das ist ein Brief an Toni.
Dann lege ich ihn lieber weg. Es ist ja seine Privatsache.
Stimmt. Meinst du, Toni hat deshalb so schlechte Laune?
Eine ganze Weile vergeht. Mike und Toni sind noch nicht zurück. Bestimmt reden sie über ein schwieriges Thema.
Ich möchte wirklich wissen, was in dem Brief steht. Ich wette, das hat etwas damit zu tun.
Meinst du, wir sollen ihn doch lesen?
Ich weiß nicht recht. Ich denke nur, dass wir ihm besser helfen könnten, wenn wir das Problem verstehen, oder?
Ich schätze schon.
Ganz wohl ist den beiden nicht, als Marie zögerlich vorliest:
„Dein Opa und ich haben dich sehr lieb und freuen uns riesig, von dir zu hören. Deine Nonna Adriana.“
Nonna? Das heißt Oma auf Italienisch. Wieso schreibt sie, dass sie ihn kennenlernen will? Haben sie sich noch nie getroffen?
Gute Frage. Darüber habe ich mit Toni noch nie geredet.
Mike und Toni kommen mit ernster Miene zurück in die Scheune. Marie und Philipp schauen sich an. Schuldbewusst streckt Marie Toni den Brief entgegen.
„Hier, der ist aus deiner Tasche gefallen. Wir wissen schon, was deine Oma geschrieben hat. Da muss ich ja nichts mehr erzählen. Warum habt ihr das gemacht?“
„Wir waren uns nicht sicher und wollten helfen. Sorry, Toni.“
„Ja, Entschuldigung. Helfen sieht anders aus.“
„Ja, tut mir echt voll leid. Verzeihst du uns, Toni?“
„Ja, schon. Weiß trotzdem nicht, was ich machen soll. Stimmt das, dass du deine Oma gar nicht kennst?“
„Mama wollte immer mit mir nach Italien, aber der jetzt kann meine Großeltern gar nicht leiden. Er nennt sie fromme Spinner.“
„Autsch, war mir eigentlich immer egal, ist ja deren Sache. Und seit meinem Tod war daran eh nicht mehr zu denken. Deswegen wollte ich das halt vergessen.“
Deine Oma schreibt, dass sie Krebs hat und vielleicht nicht mehr lange lebt. Willst du sie nicht besuchen?
„An sich voll gern. Aber es gibt nur Stress mit meinem Dad. Der lässt mich nie nach Italien fliegen. Außerdem habe ich kein Geld dafür und Schulden auch. Geht einfach nicht.“
Einerseits kann Marie verstehen, dass Toni der Sache lieber aus dem Weg gehen möchte. Andererseits sieht sie, dass ihm die Zeit davonläuft. Hilfesuchend schaut sie zu Mike.
Was denkst du denn dazu? Ich würde euch gern mit einer Geschichte antworten. Seid ihr dafür zu haben?
Eigentlich super gern, aber du auch, Toni?
Keine Ahnung, vielleicht hilft es ja. Lasst es uns herausfinden. Ich schicke euch auf ein Abenteuer in Rio, diesmal allerdings nicht mitten in die Großstadt, sondern in einen Wildtierpark.
Super, ich liebe Tiere!
Hört mal genau hin! Es gibt dort alle möglichen Tiere, vom winzigen Frosch bis zum majestätischen Löwen. Sich die vielen verschiedenen, lauten und leisen Tiere vorzustellen, ist leicht.
Schon fühlt es sich für Marie, Philipp und Toni an, als wären sie mittendrin.
Guckt euch die an, sind die niedlich! Ganz schön flauschig für Brasilien. Das sind Bergmummeltiere, die gibt es hier nur im Weltpark. In freier Wildbahn findet man sie sogar eher bei uns.
Oh, und guck mal da, Flamingos! Cool!
Tch, ich weiß gar nicht, was ihr habt. Ihr könnt doch den ganzen Tag mich bewundern, da braucht ihr doch die anderen doofen Tiere nicht. Wird da etwa jemand eifersüchtig? Tja, von wegen.
Aber wir sollten auf jeden Fall noch Eintrittskarten kaufen.
Stimmt, schau mal da vorne, die Frau mit dem Zooschlüssel können wir bestimmt fragen.
Die Frau stapelt gerade schwere Kisten neben dem Affenhaus auf. Sie ist sehr vertieft, deshalb bemerkt sie die Crew erst auf den zweiten Blick.
Schleicht euch doch nicht so an!
Oh, Entschuldigung! Also, eigentlich sind wir nicht geschlichen, sondern ganz normal von da gekommen. Haben Sie uns nicht gesehen?
Nein, nein, hab ich nicht.
Wie auch immer, ich habe sehr viel zu tun, bitte lasst mich weiterarbeiten.
Wir wollten auch nur Tickets kaufen. Können Sie uns sagen, wo es zur Kasse geht?
Zur Kasse? Wie seid ihr denn ohne Tickets hier reingekommen?
Äh, naja, ist ja auch egal.
Spart euch den Weg, ich verkaufe euch welche.
Ach echt?
Hier, ich schreibe es schnell auf, das sind vierzig Real für jeden.
Bekomme ich keinen Kinderpreis?
Was ist denn das?
Oh, ein Streifenhörnchen, sieht man doch.
Eher ein Papageinhörnchen, so wie du plapperst.
Nein, Tiere müssen hier nichts bezahlen. Aber von den anderen drei also dann insgesamt einhundertzwanzig Real.
Äh, wir haben leider kein brasilianisches Geld. Vielleicht gehen wir doch lieber an der Kasse fragen. Können wir einen Euro bezahlen?
Wenn's sein muss, dann zehn Euro für jeden.
Marie drückt der Frau zehn Euro in die Hand, Toni kramt kurz in der Hosentasche und gibt ihr ebenfalls Geld.
Ich habe aber leider nichts mit.
Ich bezahle für dich, kannst du mir ja später wiedergeben.
Danke.
Gut, dann sind hier eure Tickets. Ich schleppe dann mal weiter diese schweren Kisten.
Sollen wir ihm beim Tragen helfen?
Das würdet ihr tun?
Oh, das ist ja wirklich nett von euch. Dann gehe ich gleich mal den Transporter vorfahren und ihr stellt sie dann rein. Aber passt auf, dass nichts kaputtgeht. Die hier nehme ich schon mit.
Einen Moment denkt sie darüber nach, ob es zu riskant war, diese Hilfe anzunehmen. Doch sie wischt den Gedanken beiseite und verschwindet mit einer der Kisten zum nächsten Ausgang.
Bisschen komisch ist das schon. Was denn? Der Eintrittspreis beträgt vierzig brasilianische Real, das sind umgerechnet etwa sieben Euro fünfzig. Aber sie hat zehn verlangt. Na ja, so groß ist der Unterschied auch nicht.
Na ja, aber immerhin haben wir jetzt Eintrittskarten. Wobei ich es schon ein bisschen seltsam finde, dass sie diese einfach per Hand geschrieben hat. Vielleicht sollten wir uns doch mal lieber bei der Kasse melden. Aber sie arbeitet ja offensichtlich hier. Vielleicht läuft es in Brasilien einfach ein bisschen anders, als wir das kennen.
Und jetzt braucht sie erstmal Hilfe. Wollen wir schon mal anfangen, die Kisten in die Richtung zu tragen, in die sie... äh, wie heißt sie eigentlich? Ähm, das sollten wir sie noch fragen. Na gut, lasst uns loslegen. Je eher wir anfangen, desto schneller sind wir fertig.
Jetzt hab dich mal nicht so, bisschen Sport ist immer gut. Hm, na ja. Meinen Sport hätte ich heute lieber bei einem Spaziergang zu den Riesenschildkröten. Habt ihr gewusst, dass manche von denen fast zweihundert Jahre alt werden können? Echt? Die könnten auch ganz schön viele Geschichten erzählen. Ja, voll. Da will ich heute unbedingt noch hin.
Ich habe den Transporter da hinten abgestellt. Legen wir los? Mhm, okay. Verrätst du uns, wie du heißt? Äh, wieso fragst du denn? Einfach nur so. Ich bin Philipp und das sind meine Freunde Marie und Toni und Sammy. Gut, dann kann ich euch wohl auch sagen, wie ich heiße. Ja, ich heiße Melly. Ja, Melly, freut mich, euch kennenzulernen.
Jetzt aber mal los, die Kisten müssen alle in den Transporter. Wir haben nicht viel Zeit, weil ich sie noch ausliefern muss.
Eine schwierige Aufgabe
Es sind etliche große Pappkartons, die meisten davon sehr schwer. Als sie ungefähr bei der Hälfte angekommen sind, machen sie eine kurze Pause. Sammy hat einen Verdacht und wendet sich besorgt an Marie.
„Du, Marie, psst!“
„Was ist denn, Sammy? Hast du Hunger?“
„Nein! Also auch, aber das meine ich gar nicht.“
„Was denn dann?“
„Kannst du nicht erst runterschlucken, Phil? Entschuldigung, mag noch jemand eine Banane?“
„Nein, danke.“
„Seid ihr dann fertig?“
„Sag doch einfach, was los ist.“
„Oh, der Karton, den die Zofrau vorhin schon mitgenommen hat, der jetzt ganz hinten im Auto steht, der riecht komisch und klingt komisch.“
„Klingt komisch?“
„Ja, genau. Und die Zofrau hat...“
„Du hast ganz komisch geguckt dabei. Ich glaube, die hat das auch gehört.“
„Also, ich habe nichts gehört. Und ihr?“
„Nee, m-m.“
„Du kannst uns ja nochmal Bescheid sagen, wenn du nochmal was hörst.“
„Ja, wer weiß, wie die Zofrau dann reagiert. Irgendwas ist da faul mit der.“
„Wieso sagst du denn sowas?“
„Schau mal, da ist Melly, sei nett zu ihr.“
„Doch, ich bin immer nett, aber die ist nicht nett.“
„Ja, ja, machen wir weiter?“
Sammy ärgert sich, dass ihm keiner zuhören will. Irgendetwas stimmt da nicht, er hat es genau gerochen. Aber wenn ihm keiner helfen will, dann finde ich es eben allein heraus. Merkt eh keiner.
Trotzig huscht er davon. Tatsächlich sind alle so abgelenkt, dass sie seine Abwesenheit nicht gleich bemerken.
Das ist so lieb von euch, dass ihr mir helft. Wir machen das sehr gern.
Wofür sind diese Kisten eigentlich?
Ach, die sind mit ein paar Werkzeugen und Tierzubehör gefüllt. Sie braucht nicht mehr und ich darf sie deshalb verkaufen. Das Geld brauche ich dringend für meinen lieben Bruder.
Was ist mit ihm?
Er hat eine schwere Krankheit. Deshalb muss er viele Medikamente nehmen und braucht eine Operation. Meine Familie hat keine Krankenversicherung, und uns fehlt das Geld. Deshalb arbeite ich auch extra hart.
Das klingt super traurig. Können wir noch mehr für dich tun?
Ja, genau. Vielleicht können wir deinen Bruder besuchen und ihn ein bisschen aufheitern.
Super Idee, Phil!
Nein, nein, für einen Besuch ist er zu krank. Ihr müsst nichts weiter machen. Dass ihr die Kisten tragt, hilft mir schon unendlich weiter, also ihm.
Da wäre höchstens eine kleine Sache. Aber ich will eure Gutmütigkeit nicht ausnutzen.
Was denn?
Der Tank vom Transporter ist fast leer. Der Zoodirektor hat ihn mir so großzügig ausgeliehen, aber vollgetankt hat er ihn nicht. Ich bin ein bisschen pleite. Hättet ihr vielleicht noch ein paar Euro für Benzin?
Ja klar, wie viel brauchst du denn?
Wie viel habt ihr denn?
Ich hab leider nichts.
Hm, bei mir sind's noch sieben Euro.
Und du, Tony?
Fünfzehn.
Damit würde ich schon sehr weit kommen, aber fühlt euch nicht verpflichtet, mir zu helfen.
Hier, nimm das Geld. Dein Bruder braucht das bestimmt viel mehr als ich.
Ja, denke ich auch.
Mhm, hier. Da bin ich echt gerührt. Vielen Dank, ihr drei.
Melly verdrückt sich eine Träne, greift nach einer Kiste und geht damit zum Transporter. Dass sie stumm in sich hineingrinste, hat niemand gesehen. Hoffentlich kann sie ihrem Bruder helfen.
Siehst du, Sammy, du musst dir bei Melly wirklich keine Sorgen machen.
Sammy, wo bist du denn? Sag nicht, er ist abgehauen. Er war vorhin schon eifersüchtig auf die anderen Tiere und auf Melly. Bestimmt sitzt er gerade irgendwo in einem Baum, futtert Nüsse und schmollt.
Kann sein, aber wir sollten ihn suchen. Nicht, dass ihn noch eine Schlange zum Essen einlädt oder so.
Wollen wir erst noch fertig einladen? Bestimmt kommt er klar.
Ja, schon. Dann beeilen wir uns aber.
Aber Sammy schmollt gar nicht. Er versucht, dem Rätsel auf die Schliche zu kommen. Er ist sich ganz sicher, dass er aus dem Karton etwas gehört hat. Fast sicher ist er, dass es so etwas wie ein leises Kichern war.
Er fragt sich durch den ganzen Zoo, ob jemand etwas Verdächtiges bemerkt hat. Doch die anderen Tiere nehmen ihn gar nicht ernst. Manche ignorieren ihn einfach, andere lachen ihn aus.
Die Klapperschlange hat ihn zum Mittagessen eingeladen. Im Affenhaus ist endlich jemand bereit, mit ihm zu sprechen.
Habe ich was Falsches gesagt?
Was fragst du nur, du Streifenhorn?
Was hast du denn für kleine Ohren?
Armes Frauchen, ja ja ja, die Kinderleinen sind nimmer da.
Hat das was mit einer gewissen Melly-Zofrau zu tun?
Melly, Propelli, Spirelli, Mirabelli. Ich verstehe kein Wort.
Also diese Melly, ich glaube, die hat etwas Fieses vor. Habt ihr etwas gemerkt? Hier im Affenland hat sie ja ihre Kisten gepackt.
Affenland? Schlaraffenland?
Wen nennst du Affen, du Meckerziege? Mach mal lieber schnell die Biege!
Hä, aber ihr seid doch Affen, oder nicht?
Nein, wir sind niedlich.
Ihr habt doch vorhin irgendwas von Kindern gesagt.
Ich ziehe dir gleich die Ohren lang!
Wäre ich hier dein Schuh? Mir wäre jetzt Angst und Bang.
Ha, ha, ha!
Hä, was denn für Schuhe?
Es ist nicht einfach, mit den kleinen Primaten zu reden. Wobei, was heißt klein? Die erwachsenen Weißbüscheläffchen sind fast doppelt so groß wie Sammy.
Ob ihre verlorenen Kinder etwas mit Mellys kicherndem Karton zu tun haben? Sammy vermutet es.
Bloß was genau?
Während er weiter Fragen stellt, hat die Crew den Transporter fertig beladen.
„Geschafft, vielen Dank, ihr drei.“
„Gern geschehen.“
„Und wo fährst du jetzt mit den ganzen Sachen hin?“
„Das ist streng geheim.“
„Warum?“
„Okay, ich sag euch warum. Aber nur ganz im Geheimen, okay?“
„Ein paar von den Sachen sind sehr wertvoll. Deshalb soll sich auch niemand verplappern. Nicht, dass böse Diebe alles stehlen. Womit soll ich dann die Operation für meinen armen Bruder bezahlen? Deshalb ist alles streng geheim.“
„Hä, aber ich dachte, da sind nur Werkzeuge und ein paar Sachen aus den Gehegen drin. Was soll daran denn so wertvoll sein?“
„Je weniger du weißt, desto weniger kannst du dich verplappern. Ich muss los. Nochmal vielen Dank. Ihr habt mir so geholfen. Das hätte der Zoodirektor nie gemacht. Er hat einfach nicht so viel Mitgefühl wie ihr.“
Mit diesen Worten steigt Melly ein und fährt los. Marie, Philipp und Toni schauen dem Transporter hinterher.
„Okay, dann wird es jetzt höchste Zeit, dass wir nach Sammy schauen.“
Hier gibt es so viele Tiere, und ein kleines Streifenhörnchen könnte sich überall verstecken. Lange gehen die drei von einem Gehege zum nächsten. Irgendwann stehen sie vor dem Affenhaus.
„Vielleicht sollten wir da mal reinschauen.“
„Ja, gute Idee, hier waren wir ja schon am Anfang. Vielleicht wollte Sammy hier irgendwas suchen.“
Hinein kommen sie aber gar nicht. Ein aufgebrachter Sammy kommt ihnen schon daraus entgegen.
„Marie, Toni, Willi, Nilli.“
„Warum nennt er mich immer so?“
„Marie, komm her, Sammy! Warum bist du so aufgeregt? Wo ist Melly?“
„Weggefahren.“
„Wohin?“
„Wir müssen hinterher.“
„Wieso?“
„Weil sie eine fiese Entführerin ist. Kommt mit, los!“
„Bleib erst mal ruhig. Wen hat sie denn entführt?“
„Benny, Tommy, Lilly, Regina, Tiffi, Miffi, Rosalie, Dieter, Bibi, Ronny, Melly, Lola, Cola, Lola.“
„Was? Was sind das für Namen, die du da aufzählst?“
„Na, die Kinder von Bonnie und Clyde und die von Donald und Daisy. In Brasilien ist es einfach zu heiß für den Zwerg.“
„Dann kommt doch mit und fragt sie selbst. Aber schnell!“
Das ist ja wirklich alles sehr seltsam. Die Verwirrung wird perfekt, als die Crew Sammy ins Affenhaus folgt und er dort wild gestikulierend stehen bleibt.
„Das sind meine Freunde, bestimmt. Können Sie euch helfen?“
„Na, weil Sie mir nicht geglaubt haben. Jetzt müsst ihr es ihnen sagen.“
„Das weiß ich auch nicht. Wo sind eigentlich Donald und Daisy?“
„Ehrlich? Oh nein! Siehst du, Marie, wir müssen schnell helfen.“
„Was meinst du denn?“
„Hä, aber Bonnie hat's doch gerade gesagt.“
„Warte, sind Bonnie und Clyde etwa Affen?“
„Ihr mittelgroßer Junge hat's nicht so gemeint, Clyde. Ihr kennt euch nicht so gut aus mit Tieren. Erst letzte Woche hat er behauptet, dass er...“
„Sammy! Was? Warum hast du uns ins Affenhaus geführt?“
„Ihr wollt mich doch veräppeln.“
„Warte mal, Zwerg.“
„Ja?“
„Wenn du mit den Affen ... den kleinen haarigen ... wie wollen die denn eigentlich genannt werden?“
„Das habe ich auch nicht ganz verstanden.“
„Ich glaube, was Toni versucht zu sagen, ist: Antworten sie dir, wenn du mit ihnen redest?“
„Ja klar, hört ihr doch.“
„Ja, bloß leider verstehen wir kein Wort.“
„Echt? Aber mich versteht er doch auch.“
Die Crew weiß immer noch nicht, was hier los ist. Ohne dass sie es ahnen, läuft langsam die Zeit davon.
Melly ist gerade am nahe gelegenen Hafen dabei, die ersten Kisten auszuladen.
„Wenn jetzt diese leichtgläubigen Kinder hier wären! Dann könnte ich sie die Drecksarbeit machen lassen. Armer kranker Bruder, es klappt jedes Mal.“
„Wo ist denn die Kiste mit dem ...“
„Oh nee, die hatte ich noch nicht gepackt. Ohne Futter geht's nicht, dann überleben sie vielleicht die Überfahrt nicht. Und auf dem Schwarzmarkt will sie keiner mehr haben.“
„So ein Mist, muss ich doch noch mal zurückfahren.“
„Oh oh, das klingt gar nicht gut.“
Sammy übersetzt jetzt für die Crew, was die Weißbüschel-Äffchen sagen. Dann hat sie die Äffchenkinder einfach wachgemacht und in eine Kiste gesteckt, sogar die ganz kleinen Babys. Clyde und Donald haben sie fest in die Arme gebissen, aber das hat nichts genützt.
Was sagt er? Dass Bonnie und Daisy sie sogar mit Sachen beworfen haben. Dann ist sie ganz schnell abgehauen, aber sie hat die Kinder mitgenommen. Das ist ja furchtbar! Was hat sie mit ihnen vor? Das Weißkleid auch nicht.
Findet ihr das nicht ein bisschen zu abgefahren, mit so einer Affenentführung? Wir waren doch mit Melly unterwegs und uns ist nichts Verdächtiges aufgefallen.
Stimmt schon, aber was, wenn doch? Also höchstens das mit den Eintrittskarten. Aber ich stimme dir zu, Tony. Woher wollen die Affen überhaupt wissen, dass es Melly war?
Echt? Cool! Also? Bonnie kann lesen, und die Frau hatte ein Namensschild am Hemd. Und da drauf stand Melly. Sie sagt Melissa. Könnte ein Spitzname sein, aber Melissa ist in Brasilien ein ziemlich häufiger Name.
Aber die Kisten. Nicht mal das Namensschild hat genau gepasst.
Marie, du glaubst mir doch, oder?
Ich will dir ja glauben, Sammy. Aber ehrlich gesagt klingt diese Geschichte ziemlich verrückt. Vielleicht wurden die Äffchen auch nur von Pflegern eingesammelt, um sie zum Tierarzt zu bringen. Das muss auch manchmal sein.
Und was machen wir jetzt?
Wir können mal jemanden vom Personal fragen. Andere Tierpfleger, die hier arbeiten. Vielleicht wissen die Bescheid.
Na gut, aber ganz schnell müssen wir das machen.
Bloss die Tierpfleger zu finden, ist schwieriger als gedacht. Im Wildpark ist es inzwischen sehr voll. Diejenigen, die man sieht, stehen gerade in den Gehegen, um die Bewohner zu füttern.
Schaut mal da vorne, die Frau dort können wir ansprechen. Sehr gut, es wird auch langsam Zeit, dass wir jemanden finden... Hey, warte! Das ist doch Melly, und sie ist gerade am Telefon. Wir sollten kurz warten. Kommt mal mit.
Tony winkt den anderen, ihm hinter eine Ecke des Tigergeheges zu folgen. Dort können sie Melly im Blick behalten, ohne gleich aufzufallen. Sie können sie ansprechen, sobald sie auflegt.
Erst um sieben, mir hat man um sechs gesagt. Wie lange soll ich denn noch auf mein Geld warten? Los, schnappen wir diese fiese Äffchennepperin!
Psst, erst mal hören, was sie sagt.
Los, auf du Idiot, ich mach doch hier die ganze Drecksarbeit. Natürlich wäre es schneller gegangen, wenn mich keiner entdeckt hätte, aber so etwas passiert im Zuhalt. Ich habe eben die alte Leier mit dem kranken Bruder aufgetischt, darum sind sie reingefallen.
Für wie dämlich hältst du mich denn? Ich habe einfach einen Spitznamen genommen, so heißt auch jede Zweite hier. Der Ausdruck auf den Namensschildern hier ist so klein, das haben sie bestimmt nicht gelesen.
Gut, mach ich, aber gern ganz sicher nicht. Sei dann wenigstens um sieben pünktlich am Hafen. Daher muss ich die blöden Affen doch selbst verfluten, oder? Nein, ich beeile mich.
Dir das auch gehört? Sag ich doch, das ist übel.
Entsetzt sehen alle Crewmitglieder einander an. Sammy hatte also Recht gehabt: Melly hat die Kinder der Äffchen entführt. Sie will sie zum Hafen bringen und dann erst mal hinterher.
Zu spät, schau mal, zwischen den vielen Leuten erwischen wir sie nicht mehr. Wir sollten Hilfe holen.
Wollen Sie versuchen, den Zoodirektor zu finden? Ja, vielleicht schon. Wirklich sicher klang Philipp gerade nicht, oder?
Seine Bedenken verstärken sich noch, als sie den Zoodirektor im Eingangsbereich tatsächlich finden. Er spricht aufgeregt mit einer Mitarbeiterin.
Ehrlich, ich weiß es nicht. Das glaube ich dir doch. Ich bin einfach so erschüttert. So viel Nachwuchs hatten wir bei den Weißbüscheläffchen noch nie. Das ist eine echte Ausnahme. Und jetzt sind alle weg.
Wir sind unruhig, als sie doch ausgebüxt sind. Dafür sind sie noch zu klein, und die Eltern würden das verhindern. Ich bin sicher, dass wir bestohlen wurden. Die Äffchen sind die absoluten Lieblinge der Besucher.
Was ist jetzt zu tun, Chef? Ich werde herausfinden, wer die Kleinen entführt hat, und dann werde ich mal ausführlich mit ihm reden.
Sie verabschieden sich. Lass uns hingehen. Alles klar.
Wartet mal einen Moment! Was ist? Verdutzt halten Toni und Marie inne. Philipp scheint es sehr unangenehm zu sein, was er jetzt sagt.
Mal ausführlich mit ihm reden. Könnt ihr euch nicht denken, was das heißt? Was meinst du?
Na, der Zoodirektor wird bestimmt jeden, der etwas mit dem Diebstahl zu tun hat, hart bestrafen. Ist ja auch richtig so. Ja, schon. Und Melly, oder wie auch immer sie heißt, hat einfach die Äffchen entführt. Ich finde auch, das muss bestraft werden. Sicher, ist ja alles richtig.
Aber fällt euch nicht noch jemand ein, der etwas mit dem Diebstahl zu tun hat?
Wie meinst du denn? Na, uns. Wer hat denn die Kisten in den Transporter gepackt? Wer hat ihr denn geholfen, wahrscheinlich den halben Zoo auszurauben? Und wer hat Eintrittskarten gekauft, die bestimmt gefälscht sind?
Wie, versteht ihr, was ich meine? Wir sind gerade nicht unbedingt die Richtigen, andere des Diebstahls zu bezichtigen.
Hm, ja, er klang schon ziemlich aufgebracht. Aber irgendwas müssen wir doch machen.
Ja, ich weiß doch. Sie will doch zum Hafen, oder? Ja, glaub schon. Lass uns da hingehen.
Sammy hat vorhin gesagt, dass eine Kiste komisch riecht. Ja genau, wie bei den Affen zuhause. Dann werden da die Zwerge drin sein.
Wir gehen hin, schnappen uns die Kiste und bringen sie wieder her. Dann erklären wir danach alles dem Zoodirektor. Bestimmt stehen wir dann etwas besser vor ihm da.
Marie, Philipp und Toni verlassen im Laufschritt den Wildpark. Wirklich glücklich sind sie mit ihrer Entscheidung nicht, denn die Affen gehören nicht ihnen, sondern dem Zoo. Sollte da nicht der Direktor entscheiden, wie es weitergeht? Doch die Zeit drängt, und die Crew fürchtet, dass er ihnen nicht glaubt, dass sie betrogen wurden.
Da entdecken sie ein Schild: „Porto“ heißt Hafen. Also müssen sie in diese Richtung. Wenn sie sich beeilen, schaffen sie das in weniger als zwanzig Minuten. Schön wär’s. Aus den zwanzig Minuten sind über fünfunddreißig geworden, bis sie endlich am Hafen ankommen. Die Schilder haben sie am Ende nur noch verwirrt, und sie mussten sich durchfragen.
Schließlich sind sie da. Sie halten sich im Schatten großer Containerstapel, um nicht gesehen zu werden. „Wie sollen wir sie denn hier finden?“ „Da drüben.“ Im Zwielicht der untergehenden Sonne und der Hafenlaternen sehen sie weiter entfernt zwei Gestalten an einem Transporter.
Wären sie näher dran und das Meeresrauschen nicht so laut, könnten sie hören, was gesprochen wird.
„Also füttern?“
„Ich bin ja wohl nicht die Wohlfahrt. Jetzt stell dich nicht so an! Wenn sie nicht überleben, kriegen wir beide kein Geld. Oder würdest du gern tote Babyaffen auf dem Schwarzmarkt kaufen?“
„Geht das vielleicht auch ein bisschen leiser?“
„Ja, ja, schon gut.“
„War da was?“
„Ist wohl Gespenster.“
„Was? Quatsch, ich dachte einfach, ich hätte da jemanden gesehen.“
„Ja, im Hafen.“
„Wow.“
„Oh Mist.“
Währenddessen bei der Crew. Doch ich bin sicher, dass sie hier rübergeschaut hat. Bestimmt hat sie uns gesehen. Auf die Entfernung hat sie uns sicher nicht erkannt. Und wenn doch, wir haben sie doch auch erkannt. So viele Leute laufen wohl auch nicht mit Streifenhändchen auf der Schulter herum, weil die alle nicht cool genug sind.
Leise, Sammy, sollen wir uns verstecken?
Ja, aber langsam, das fällt sonst nur auf, weil sie uns wirklich noch nicht erkannt hat.
Okay, leider hat Melly sie sehr wohl erkannt. Diese Kinder sind hier, zumindest habe ich den Dicken und das Mädchen gesehen. Hast du ihnen erzählt, dass du mit deinem armen, kranken Bruder eine kleine Bootsfahrt machst, oder was?
Halt die Klappe, du Blödmann, ich habe denen gar nichts gesagt.
Okay, und was hast du jetzt vor?
Wir behalten sie hier und sorgen dafür, dass sie nichts ausplaudern.
Philipp und den anderen ist gar nicht wohl. Im Schatten der Container haben sie sich noch etwas näher herangeschlichen. Melly und der fremde Mann haben das nicht bemerkt, weil sie energisch flüstern und in eine Diskussion vertieft sind. Vor den beiden steht der Transporter mit offenem Kofferraum. Der Deckel eines Kartons bewegt sich, als würde jemand von innen versuchen, ihn aufzudrücken, ist aber nicht stark genug dafür.
Das müssen die Äffchen sein. Anschleichen, mitnehmen, abhauen – so riskant. Wenn sie uns sehen, erwischen sie uns auch.
Ich habe eine Idee. Sammy, kannst du mit den Affenkindern auch reden?
Boah, das ist mit den Großen schon schwer, die reimen immer nur.
Echt?
Mhm, wieso fragst du?
Sammy kann sich unbemerkt anschleichen, vielleicht können ihm die Äffchen heimlich folgen, während Melly und der Mann nicht hinschauen.
Aber das sind so viele.
Gut, ich versuch’s.
Ja, aber was ist, wenn ... habe ich jemand bemerkt?
Doch da ist Sammy schon auf leisen Sohlen weggetrippelt. Angespannt verfolgen die drei, wie er auf die Kiste zuläuft und vorsichtig daran schnuppert. Plötzlich hält er inne.
Was macht er denn da?
Sammy schnuppert in der Luft und läuft langsam um die Kiste herum. Dann trippelt er hinter den Transporter. Einen Moment lang ist er außer Sichtweite, dann brüllt er laut:
„Ah, loslassen, sofort loslassen, ihr fiesen Eichhörnchen!“
Während er sich windet und zappelt, ertönt noch eine weitere Stimme. Darin ist überhaupt nichts Freundliches mehr.
„Wenn ihr den Kleinen lebend wiederhaben wollt, dann kommt gefälligst aus eurem Versteck!“
Irgendwelche Ideen? Vielleicht, wenn wir uns stellen, sind sie gnädiger.
Jungs, wir schaffen das alleine nicht, wir brauchen Hilfe.
Und wer soll uns helfen?
Der, den wir am besten von Anfang an angefragt hätten: der Direktor.
Aber wir haben keine Telefonnummer.
Es ist nicht so weit bis zum Zoo.
Haltet sie irgendwie hin, ich laufe hin und hole ihn.
Warte, da wird’s bald, ihr denkt wohl, ich meine das nicht ernst.
Was?
Ich stand vorhin hinter dem Container, vielleicht haben sie mich noch nicht gesehen.
Okay, viel Glück, Toni, euch auch!
Hastig verschwindet Toni in der Dunkelheit. Philipp und Marie schauen einander ängstlich an. Sie heben die Hände in die Luft und treten langsam ins Laternenlicht.
Da seid ihr ja. Bitte tut ihm nichts.
Das überlege ich mir noch. Hier, halt du ihn fest.
Ey, du hässliches Vieh, du bist auch nicht gerade ein Schönheitskönig.
Na warte du!
Na, lass ihn schwätzen, halt ihn nur ordentlich fest, nicht dass er dich beißt.
Und ihr sagt mir jetzt mal ganz plötzlich, warum ihr hier seid.
Und wo ist eigentlich der andere?
Toni hat einen sehr guten Orientierungssinn und ist ein schneller Läufer. Ohne auf die Leute um sich herum zu achten, rennt er so schnell er kann zurück zum Zoo. In nur zehn Minuten ist er wieder dort.
Gerade noch rechtzeitig kann er der Mitarbeiterin hinterherrufen, die eben von innen die Tore geschlossen hat: „Warten Sie bitte!“
„Wir haben geschlossen, mein Junge, tut mir leid“, antwortet sie und dreht sich um. Sie hatte sich schon zum Gehen gewandt, will Toni aber nicht einfach stehen lassen. Also kommt sie die wenigen Schritte zurück zum Eingangstor.
Zwischen großen Holzbalken hindurch können sie sich sehen und miteinander reden.
„Hast du etwas im Wildpark vergessen?“
„Nein, kann ich mit dem Zoodirektor sprechen?“
„Wieso das denn?“
„Na ja, also ich wollte es ihm schon selbst sagen.“
„Sag schon, wenigstens worum es geht. Es braucht schon einen guten Grund, ihn bei seinem abendlichen Rundgang zu stören.“
„Okay, okay. Haben Sie etwas von den verschwundenen Affenbabys mitbekommen? Hat sich das auch schon unter den Kästen herumgesprochen? Jeder von den Mitarbeitern weiß von dieser Tragödie.“
„Aber darauf würde ich den Herrn Direktor lieber nicht ansprechen, wenn es sich vermeiden lässt. Der Verlust setzt ihm sehr zu.“
„Aber ich weiß, wer sie geklaut hat.“
„Was? Hast du etwa etwas mit der Sache zu tun?“
„Nein, also ja, schon irgendwie. Darf ich das bitte dem Direktor selbst sagen? Es ist sehr eilig.“
„Na gut, ich bringe dich zu ihm.“
Bei ihm angekommen, erklärt Toni alles in großer Eile: Sie dürfen dort sein, und meine Freunde sind in Gefahr. Ich habe viele Fragen dazu, aber jetzt lassen Sie uns erst mal zum Hafen fahren. Mit dem Auto sind wir in fünf Minuten da. Da Silva, rufen Sie bitte so lange bei der Polizei an. Klar, Chef.
Rücken an Rücken gefesselt sitzen Marie und Philipp auf dem glitschigen Hafenboden. Die Zeit vergeht endlos langsam, und Toni ist immer noch nicht zurück. Bedrückt mussten sie mit ansehen, wie der Mann Sammy unter heftigen Protesten in einen winzigen Käfig gesperrt hat. Jetzt laden er und Melly gerade Kiste für Kiste auf ein kleines Frachtschiff.
„So, das war die Letzte. Pack mir noch das Eichhörnchen ein, und dann nichts wie weg hier.“
„Ich bin kein Eichhörnchen!“
„Du bist ein Eichhörnchen, du fieser Dieb, bestimmt klaust du auch Nüsse.“
„Wir können die Kinder nicht hier lassen.“
„Was hast du dann vor? Willst du sie ins Wasser werfen oder was?“
„Nein! Hören Sie, wir machen Ihnen keinen Ärger. Bitte geben Sie uns einfach Sammy wieder, und dann tun wir, als wäre nie was gewesen.“
„Und die Äffchen?“
„Das klingt für mich wie ein schlechter Deal. Ihr kommt mit uns mit. Sie wissen, dass Entführung eine schlimmere Straftat ist als Diebstahl. Wollen Sie wirklich riskieren, erwischt und noch härter bestraft zu werden? Nur weil wir Ihnen auf die Nerven gehen?“
„Hm, da hat er irgendwie nicht Unrecht.“
„Ja, der macht doch nur so, hör nicht auf ihn.“
„Und wenn ich sie jetzt schon nerve, dann stellen sie sich das erst mal unterwegs vor. Ich werde nämlich ziemlich schnell seekrank, dann gibt’s ’ne Riesensauerei. Und wenn Sammy nicht regelmäßig seine Nüsse bekommt, dann ...“
„Ich will den nicht mitnehmen, Melissa.“
„Werden Sie auch nicht die Kriminelle.“
„Na, so ’n Dreck. Sag mal, gibt’s auch irgendjemanden, den du nicht eingeladen hast? Alle stehen bleiben und sofort die Hände hoch! Was frag ich denn auch noch so blöd?“
Als die Polizisten Melissa und ihren Partner festnehmen, herrscht ein riesiges Durcheinander. Sammy ruft sich beinahe seine kleine Lunge aus dem Leib, weil er denkt, das Schiff fährt los. Einst der Äffchen hat es geschafft, den Karton zu öffnen. Fünfzehn winzig kleine Flauschbällchen klettern neugierig heraus und wuseln über das Deck.
Nachdem Toni und der Zoodirektor Marie und Philipp befreit haben, klettern sie mit einem Polizisten an Bord. Zusammen fangen sie die Affenkinder ein. Erst als alle wieder in der Kiste sitzen, kehrt endlich Ruhe ein.
„Und Reginald nicht zu vergessen, hab ich dich. Na los, ab mit dir zu deinen Geschwistern und Cousins.“
„Haben wir alle?“
„Alle da und alle wohlbehalten. Ich will ihnen gleich was zu essen geben, damit es auch so bleibt.“
„Toni, hilfst du mir so lange mal Sammy zu befreien?“
„Ja, so ein fieses Eichhörnchen! Wo ist der hin? Den schnapp ich mir und dann sperre ich ihn mal in so einen blöden Minikäfig.“
„Alles gut, Zwerg, spring raus. Sonst alles okay bei dir?“
„Weiß ich nicht, ich hätte gerne ein paar Nüsse, damit ich besser darüber nachdenken kann.“
Also alles bemalten. Die beiden Kriminellen müssen im Polizeiauto warten, die Polizisten durchsuchen den Transporter und den Frachter. Beide sind gestohlen. Zum Glück wurden nicht noch mehr Tiere entführt. Die meisten Kisten sind mit exotischen Früchten gefüllt, und ein paar wenige mit Kaffee – ebenfalls beliebte Güter auf dem Schwarzmarkt.
Kiste für Kiste wird alles beschlagnahmt, und die Crew hat endlich Gelegenheit, alles aufzuklären, was ihnen passiert ist.
„Wir hätten gleich zu ihnen gehen sollen.“
„Na, das hätte vieles leichter gemacht. Ich bin froh, dass euch nichts passiert ist. Ihr habt euch in große Gefahr gebracht.“
„Wissen wir. Das war wohl meine Schuld.“
„Ach so?“
„Ich habe befürchtet, sie glauben uns nicht, dass wir von dem Diebstahl nichts wussten. Mitgeholfen hatten wir so gesehen schon. Ich habe auch geahnt, dass die Eintrittskarten gefälscht sind, aber nichts mehr gesagt. Dann kam eins zum anderen. Wir dachten, es wäre für die Äffchen zu spät, bis wir ihnen alles erklärt haben. Deshalb sind wir dann alleine los.“
„Verstehe. Das ist mal voll nach hinten losgegangen. Tut uns leid.“
„Mhm. Sie sind sicher ziemlich sauer.“
„Eigentlich nicht.“
„Echt?“
„Meine verlorenen Äffchen sind wieder da, und ihr habt den Mut gefasst, mir die Wahrheit zu sagen und mich um Verzeihung zu bitten. Deshalb können wir jetzt offen miteinander reden.“
„Sollte ich da nicht überglücklich sein?“
„Also, ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich da an Ihrer Stelle so glücklich wäre. Aber ich freue mich natürlich, wenn Sie nicht sauer sind. Ich trage euch nichts nach.“
„Ist schon erstaunlich.“
„Was denn?“
„Euer Abenteuer erinnert mich total daran, wie ich damals Jesus kennengelernt habe.“
„Ach echt? Was hat das denn miteinander zu tun?“
„Ja, ich war in einer verzwickten Situation und hatte Angst, mich ihm anzuvertrauen. Aber als ich beschlossen habe, ihn kennenzulernen, war das die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Eine bessere Eile, als zu Ihnen zu gehen, wäre uns heute wohl auch nicht mehr eingefallen.“
„Ja, voll, die Äffchen sind gerettet und so super niedlich.“
„Nicht so niedlich wie ich.“
„Dürfte ich Sie noch etwas anderes fragen?“
„Aber gern.“
„Sie haben einst der Äffchen vorher mit Reginald angesprochen. Die sehen doch alle gleich aus. Können Sie die ernsthaft auseinanderhalten?“
„Ich kenne jedes einzelne meiner Tiere ganz genau, und ich habe sie von Herzen lieb. Ich würde kein einziges je zurücklassen.“
Am Ende kamen alle Äffchen gesund und munter zu ihren Eltern zurück. Nun ratet mal, wie die sich gefreut haben.
„Meine lieben Kinderleins! Sie sind wieder da, hurra! Ich mag Marmelade, ist doch klar.“
„Schön, dich wieder lächeln zu sehen, Toni.“
„Ja, schon. Ich sehe jetzt auch alles ein bisschen anders.“
„Und wie?“
„Na ja, wenn's um was Wichtiges geht, ist’s okay, dass es schwer ist. Ich würde gern meine Großeltern kennenlernen.“
„Wow, dann reist du nach Italien? Find ich voll super! Und wenn du in den Fähren fliegst, verpasst du auch nichts in der Schule. Und das Geld bekommst du ja von deiner Oma.“
„Was?“
„Na, stand doch in dem Brief.“
„Wo?“
„Lies mal ganz unten auf der Seite. Möglich machen könntest du, ich weiß, dass dein Flugzeug höher ist. Wenn du dich entschließt, uns zu besuchen, werden wir dir gern alles bezahlen.“
„Hab ich voll überlesen.“
„Dann muss es nur noch dein Vater erlauben.“
„Das wird am schwersten, aber wenn er nichts organisieren muss, ist es leichter. Ich glaube, die Überwindung lohnt sich. Ich finde es echt mutig und großartig, dass du deine Großeltern kennenlernen willst.“
„Danke, Mike. Darf ich dich noch was fragen?“
„Na klar.“
„Das ist schon ziemlich schwer für mich, in echt mit meiner Oma und in der Geschichte auch mit dem Zoodirektor. War das für dich auch so schwer, Jesus kennenzulernen?“
„Sagen wir so, es hatte immer funktioniert, das vor mir herzuschieben, zumindest schien es mir so. Aber mir wurde irgendwann klar, dass ich vor der Entscheidung stehe: Mache ich immer weiter mein Ding und will Gott vergessen, oder fasse ich den Mut und frage ab jetzt nach ihm? Das zu machen hat mich eine Menge Überwindung gekostet, aber es hat sich gelohnt. Das merke ich an jedem einzelnen Tag.“
„Und wie genau hast du das gemacht?“
„Na ja, ich habe angefangen, mit Gott zu sprechen. Ihm erzählt, was ich auf dem Herzen habe, und ihm gesagt, dass ich ihn und Jesus kennenlernen will. Ganz schüchtern am Anfang.“
„Kenn ich irgendwo her.“
„Das mit dem Vergessen klappt einfach irgendwann nicht mehr. Es gibt auch echt viel, was da einen von abhalten kann: Zeitdruck, Sorgen, Probleme ...“
„Ja, stimmt.“
„Aber Gott gibt auch Kraft, diese Dinge auszuhalten. Wir dürfen mit ihm über alles sprechen, er hört uns gern zu.“
„Das klingt echt super schön. Werde ich vielleicht auch mal machen.“
„Mach das sehr gern. So, und jetzt ziehen wir den Doppeldecker hoch, okay?“