Einleitung und Vorüberlegungen zum Thema
Unser Thema heute Abend lautet „Die Frau in der Gemeinde“.
Zunächst möchte ich eine Vorüberlegung anstellen, denn es ist inzwischen einiges eingetreten, was ich befürchtet habe. Deshalb möchte ich noch einmal ausdrücklich darum bitten, die folgenden Überlegungen und Ausführungen selbst anhand der Schrift zu prüfen. Es ist wichtig, dass diese Gedanken nicht ohne Weiteres zum Gegenstand eigener Auslegungen gemacht werden.
Wir können uns im Denken irren, und auch unsere Gewohnheiten können falsch sein. Das passiert leider, denn wir sind Menschen. Aus diesem Grund müssen wir sowohl unser Denken als auch unsere Gewohnheiten immer wieder an der Heiligen Schrift überprüfen.
So verstehe ich auch dieses Thema. Wie ich gestern schon erwähnt habe, habe ich es mir nicht selbst ausgesucht. Ich wurde vielmehr veranlasst, darüber zu sprechen. Insofern muss ich das Thema auch halbwegs gründlich behandeln.
Ich beschränke mich von vornherein nur auf das Neue Testament und dort auf die entscheidenden, wichtigsten Aussagen zum Thema. Ich habe nicht alle Stellen in der Bibel erfasst, denn das würde sehr viel länger dauern.
So, weiter.
Herausforderungen bei der Auslegung des Themas
Jeder Bibelausleger, der sich heute zum Thema Frau in der Gemeinde äußert, sieht sich bereits vor dem ersten Wort von verschiedenen Seiten unter Druck gesetzt. Am stärksten wird er wohl vom Zeitgeist beeinflusst, der es als eine Ungeheuerlichkeit ansieht, einer Frau in der Gemeinde etwa das Reden zu verbieten.
Viele bibeltreue Ausleger scheinen diesem Druck von dieser Seite nachgegeben zu haben. Das ist mein Eindruck und meine Befürchtung. Betrachtet man ihre Auslegungen, entsteht leicht der Eindruck, dass sie in ihrer Exegese vom Wunsch geleitet wurden, einer Frau in der Gemeinde möglichst viele Rechte zuzugestehen, ohne jedoch von der Schrift abzuweichen. Dabei stecken sie in einer Zwickmühle. Der Geruch der Angst, nicht zu den Ewiggestrigen gezählt zu werden, die noch keine Frauenquote eingeführt haben wie andere, schreckt viele davon ab, ernsthaft den Willen des Herrn zu erforschen.
Darum geht es mir: dass wir dies tun.
Die Bedrängnis, in die der Ausleger von der anderen Seite gerät, ist nicht weniger beängstigend. Er wird durch die geballte Macht einer Gemeindetradition genötigt, die von der Auslegung nur die Bestätigung der bisherigen Gemeindepraxis erwartet – nichts anderes. Er muss bedenken, dass diese Gläubigen es als Sakrileg betrachten, ihre gewohnten Auffassungen zu hinterfragen. Was die Väter zu dem Thema sagten, wird praktisch der Schrift gleichgesetzt.
Wagt man es, etwas anderes aus der Schrift herzuleiten, wird man heftig angegriffen. Doch überprüft man ihre Auslegungen, stellt man fest, dass es manchmal gar keine Auslegungen sind, sondern wilde Behauptungen, die von der Schrift nicht gedeckt werden. Über manche geistigen Winkelzüge kann man sich nur wundern.
Der Ausleger kann letztlich nur wählen, von welcher Seite er sich das Wehe auf den Hals zieht – er bekommt es in jedem Fall.
Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma scheint zu sein, das Wort Gottes erneut sorgfältig zu befragen. Darin sind wir uns bestimmt einig. Doch denkt nicht, dass das ohne Probleme ist. Denn das behaupten natürlich alle, genau das zu tun. Das behaupten sowohl die Traditionalisten als auch diejenigen, die praktisch eine Frauenquote in der Gemeinde eingeführt haben.
Wir sind also immer noch nicht aus dem Schneider. Die einen lassen durchscheinen, dass sie noch sorgfältiger vorgegangen sind als die früheren und noch mehr und dickere Wörterbücher studiert hätten als die Väter. Die anderen intervenieren: Willst du etwa klüger sein als unsere Väter? Glaubst du, dass wir uns hundert Jahre lang geirrt haben? Wer bist du eigentlich?
Es scheint also, als komme man nicht aus der Klemme heraus und begäbe sich immer wieder hinein. Ich saß immer auf diesem Platz zwischen allen Stühlen – ja, das war in der DDR-Zeit auch schon so.
Aber wir haben wirklich keine Wahl. Die einzige Chance, uns diesem Thema zu nähern, ist, von der Schrift auszugehen. Wir müssen versuchen, auf dem unruhigen Meer der Auslegung dennoch zu unserem Herrn zu gelangen, ohne auf die Wellen zu achten, die von rechts und links kommen und von den Stürmen der Lehre aufgewühlt werden.
Wir wollen auf ihn schauen, sonst gehen wir unter und ersaufen. Vielleicht gelangen wir doch zu ihm hin – vor allem durch seine Gnade und Hilfe.
Vorgehensweise und Methodik der Auslegung
Ich will jetzt erstens meine Vorgehensweise erläutern und meine Methode kurz begründen.
Dann werde ich die wichtigsten Aussagen des Neuen Testaments über die Aufwertung der Frau gegenüber der damaligen Gesellschaft auflisten. Es geht also um ihre Stellung vor Gott. Drittens werde ich die Stellung der Frau in Familie und Gemeinde betrachten.
Zum vierten Punkt möchte ich versuchen, die drei umstrittensten Schriftaussagen in ihrem Zusammenhang zu erklären. Dabei handelt es sich um 1. Korinther 11, 1. Korinther 14 und 1. Timotheus 2. Ich werde sie kurz erläutern und besonderen Wert auf den Gedankengang des Apostels legen. Denn niemals wird eine Aussage einfach so in den Raum gestellt; sie hat immer einen Zusammenhang, und es ist wichtig, diesen zu verstehen.
Ich habe mich wirklich darüber gewundert, dass in all den Auslegungen und exegetischen Anmerkungen, die ich zum Thema in die Hände bekam, genau das ständig vernachlässigt wurde: der Zusammenhang.
Fünftens müssen wir dann die Folgerungen aus unseren Ergebnissen ziehen und uns die praktischen Konsequenzen überlegen, die sich daraus ergeben.
Wenn wir heute Abend dann noch Zeit haben, könnt ihr mich gerne fragen, solange ihr es aushaltet.
Also, das ist die Begründung meiner Methode.
Begründung meiner Methode
Das Ziel jeder Schriftauslegung ist es, den jeweiligen Text so zu verstehen, wie ihn die ersten Leser verstanden haben – und zwar im Zusammenhang.
Daher erscheint es nicht sinnvoll, wie es manche Brüder leider tun, einzelne Begriffe auseinanderzunehmen, die verschiedenen Bedeutungen der Begriffe aufzulisten und das Ganze dann zu einem dogmatischen Gebäude zusammenzuschlichten.
Es ist auch wenig angebracht, ein bestimmtes Wort in einem Bibelvers durch das gleiche Wort in einem anderen Bibelvers, aber in einem anderen Zusammenhang, zu erklären. Dabei entsteht oft ziemlicher Unsinn.
Machen wir uns das an einem Beispiel klar. Ich nehme ein ganz einfaches Beispiel zum Verständnis: das deutsche Wort „Schwein“. Je nach Zusammenhang bedeutet es etwas völlig anderes.
Es kann das Haustier bedeuten, das du dir zu Hause hältst, vermutlich im Stall. Es kann ein Schimpfwort sein, wenn ich sage „du Schwein“. Und es kann ein Synonym, also ein austauschbares Wort für Glück sein, wenn ich sage: „Ich habe Schwein gehabt.“ Versteht ihr? Das gleiche, das identische Wort „Schwein“ hat je nach Zusammenhang eine völlig andere Bedeutung.
Genauso ist es in der Schrift. Ich nehme ein Beispiel: das Wort „Fleisch“. Im Griechischen heißt es „sarx“. Im griechischen Text steht immer das gleiche Wort „sarx“. Es kommt 151 Mal im Neuen Testament vor.
Es kann das Fleisch meinen, das man in Korinth auf dem Markt kaufen konnte – also „sarx“. Es kann eine Umschreibung meines Körpers sein, also mein Körper einfach neutral, nicht negativ gemeint.
Es kann aber auch mein irdisches Leben meinen. Es kann eine ich-süchtige Gesinnung meinen. Und das hängt immer vom Zusammenhang ab.
Da nützt dir dein Griechisch überhaupt nichts. Da hilft dir nur etwas, wenn du den Zusammenhang verstehst. Und dazu kannst du eine beliebige deutsche Bibel nehmen, das reicht.
Nehmen wir ein zweites Beispiel – oder es ist jetzt schon ein drittes – das wir auch brauchen für die umstrittenen Texte: der Begriff „Brüder“. Im Neuen Testament heißt er „adelphoi“. Er kommt ungefähr zweihundert Mal vor.
Er kann je nach Zusammenhang ganz verschiedene Dinge meinen. Zum Beispiel können damit wirkliche Brüder in der Verwandtschaft gemeint sein, also die, die die gleichen Eltern haben, oder Halbbrüder. Die „Brüder des Herrn“ meint die Halbbrüder Jesu.
Es kann aber auch die Angehörigen der gleichen Nation meinen. Paulus sagt das manchmal. Wenn ihr eine alte Übersetzung habt, steht da „Ihr Männer, liebe Brüder“. Das ist so ein Hebraismus, also eine hebräische Anrede. Das meint nicht seine leiblichen Brüder, sondern die Angehörigen der gleichen Nation. Unter Umständen auch Frauen, aber eigentlich an dieser Stelle wohl mehr die Männer.
Aber „Brüder“ kann auch die Männer meinen, die an Christus glauben, in einer Versammlung: „Ihr Brüder“.
Es kann aber auch Brüder und Schwestern meinen, also es können die Schwestern eindeutig eingeschlossen sein. Den Begriff „Geschwister“ gibt es im Griechischen nicht. Das gibt es in manchen Sprachen nicht. Wir haben im Deutschen ein Wort, das beides einschließt, also Männer und Frauen, Brüder und Schwestern. Zum Beispiel haben die Ungarn das auch nicht. Da muss man das immer extra sagen.
Wenn ich sage „liebe Geschwister“, wundere ich mich manchmal, wie lange das in der Übersetzung dauert. So ist es im Griechischen auch: Es gibt diesen Begriff nicht. Aber der biblische Zusammenhang macht eindeutig klar, dass hier die Schwestern mitgemeint sind.
Ich muss immer vom Zusammenhang entscheiden, ob hier Brüder und Schwestern gemeint sind oder nur die Männer in der Gemeinde, und dann die Frauen nicht.
Es ist ganz leicht zu entscheiden, zum Beispiel in Römer 12,1: „Ich ermahne euch nun, Brüder, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, gottwohlgefälliges Schlachtopfer.“
Sollen das die Schwestern vielleicht nicht tun? Das ist eigentlich unsinnig zu fragen. Jeder versteht das so: Selbstverständlich meint das hier Geschwister, das heißt alle. Paulus spricht alle an.
Aber 1. Korinther 7,29 ist ein anderes Beispiel: „Dies aber sage ich, Brüder, die Zeit ist begrenzt, dass künftig die, die Frauen haben, seien, als hätten sie keine.“
Hier werden also im gleichen Atemzug, im gleichen Zusammenhang, nicht nur Brüder genannt, sondern auch speziell das weibliche Geschlecht angesprochen.
Also können hier Brüder nur die christlichen Männer meinen, und die, die verheiratet sind. Das meint dann eindeutig, dass hier nicht automatisch Männer und Frauen gemeint sind.
Wir stellen also fest – und das halte ich für wichtig für die Begründung der Methode: Ein Begriff wird grundsätzlich aus seinem Zusammenhang definiert, und seine Bedeutung wird durch den Gedankengang des Abschnitts bestätigt.
Und da muss man variieren. Das ist so in jeder Sprache.
Daher erlaube ich mir eine Nebenbemerkung: Manche Kritik, die an neueren Übersetzungen geübt wird – sie würden feministisch sein, mindestens zum Teil –, ist weit überzogen und manchmal auch wirklich unberechtigt.
Denn früher hat man an vielen Stellen so verstanden, dass die Frauen automatisch mit drin waren. Bei uns an der Bibelschule gab es früher so einen Spaß: Wenn man sagte, im Himmel sind die Schwestern auch Brüder oder so.
Es ist natürlich weit überzogen, was heute in der Politik gemacht wird, dass immer Brüder und Brüderinnen sozusagen genannt werden. Das ist verrückt.
Aber es ist wirklich so im Neuen Testament, dass an einigen Stellen, und das könnt ihr euch mal überlegen, vom Gegenteil her die Schwestern nicht angesprochen sind.
Es gibt eindeutige Stellen, da wird unterschieden zwischen Männern und Frauen. Und da müssen wir also sorgfältig darauf achten, sonst kommen wir zu keinem vernünftigen Ergebnis.
Die Stellung der Frau vor Gott
Das war jetzt eine ausführliche Darstellung zur Methode, nun komme ich zur Stellung der Frau vor Gott. Dazu möchte ich euch eine Folie zeigen, die eine gewisse Übersicht gibt, damit die ganze Geschichte nicht zu lang wird. Ich zeige sie euch gleich insgesamt, und auf einzelne Punkte gehe ich dann noch näher ein.
Es geht um die Gleichwertigkeit vor Gott. Dabei steht nicht Mann und Frau im Vordergrund, sondern der Gedanke: „Ihr alle seid einer in Christus.“ Dieser Vers wird oft zitiert, aber auch häufig missbraucht.
Zum Einstieg ein Schöpfungszitat: „Er erschuf sie als Mann und Frau.“ Die Stellung der Frau vor Gott zeigt sich in der Zuwendung durch den Herrn, in der Belehrung durch den Herrn, in der Nachfolge, im praktischen Dienst und als Zeugen der Auferstehung. Dazu möchte ich an zwei Texten ein paar Bemerkungen machen.
Bei Lukas 10,39 wird deutlich, dass der Herr Jesus in der Öffentlichkeit mit Frauen sprach und sie belehrte. Das war in der damaligen Gesellschaft durchaus etwas Besonderes. Ein Rabbi sprach nämlich nicht mit einer Frau. Von Rabbi Eleeser, der um 90 nach Christus gestorben ist, sind folgende Aussprüche überliefert: „Wer seine Tochter Tora lehrt, ist wie einer, der sie zur Ausgelassenheit lehrt.“ Ein weiteres Zitat von ihm lautet: „Mögen die Worte der Tora verbrannt werden, aber man möge sie nicht den Weibern überliefern.“ So extrem waren die damaligen Juden.
Der Herr Jesus war anders. Er belehrte sogar eine Samariterin, dazu noch eine übel beleumdete Frau, über Anbetung. Das ist schon sehr bemerkenswert. Vor Gott sind Mann und Frau wirklich gleichwertig – was ihre Stellung betrifft, die Schöpfung, die Zuwendung durch den Herrn, die Belehrung durch den Herrn, auch die Nachfolge. Frauen können mitkommen, auch im praktischen Dienst, und sie sind sogar Zeugen der Auferstehung.
Der Herr Jesus ehrte einige Frauen besonders dadurch, dass sie die ersten Zeugen seiner Auferstehung wurden. Dieses Zeugnis hatte damals vor Gericht zwar keinen Wert, aber der Herr Jesus hat es trotzdem so gemacht. Aus diesem Grund lässt Paulus diese Frauen in seiner Aufzählung der Zeugen der Auferstehung, zum Beispiel in 1. Korinther 15, weg, weil er dort nur die Zeugen aufzählt, die vor Gericht hätten aussagen können. Chronologisch betrachtet kann man das zum Beispiel in dem Buch „Wie ist das vonstattengegangen?“ gut nachlesen. Das ist für mich eine spannende Geschichte.
Also, wie war das bei der Auferstehung? Es waren wirklich Frauen, was im Vergleich zur damaligen Umwelt auffällig ist.
Schauen wir uns eine andere Tabelle an. In der rabbinischen Überlieferung, also in der damaligen Umwelt, war die Frau eindeutig verachtet. Sie war nicht wert, die Tora gelehrt zu bekommen. Im Neuen Testament war das anders. Der Herr Jesus sprach öffentlich mit Frauen und belehrte sie sogar über die Anbetung Gottes. Ein Rabbi sprach eine Frau niemals in der Öffentlichkeit an.
Der Herr Jesus gab Frauen sogar die Ehrenbezeichnung „Tochter Abrahams“. Abrahams Söhne zu sein, war etwas ganz Ehrenvolles für die Juden, und er sagte das sogar von einer Frau in einem bestimmten Fall.
In der damaligen Umwelt konnte eine Frau leicht aus der Ehe entlassen werden. Im Neuen Testament nicht. Die Frau wird geschützt, ihre Ehe wird geschützt. Der Mann konnte damals mit ihr machen, was er wollte. Nach rabbinischer Auslegung von 5. Mose 24,1 war eine Ehescheidung zulässig. Es gab zwei verschiedene Schulen: die Schule Chamais lehrte, die Frau könne entlassen werden, wenn sie sich etwas Schandbares zu Schulden kommen ließ. Die Schule Hillels, eine andere schriftgelehrte Schule zur Zeit des Herrn Jesus, fügte einen zweiten Grund hinzu: Der Mann durfte seine Frau durch Scheidebrief entlassen, wenn er irgendetwas Missfälliges an ihr fand.
Rabbi Akiba, ein sehr berühmter Gelehrter jener Zeit, der am zweiten Aufstand der Juden gegen die Römer beteiligt war und sogar Bar Kochba, den Sternensohn, als Messias angekündigt hatte – ein falscher Messias –, hielt eine Scheidung sogar dann für berechtigt, wenn dem Mann eine andere Frau besser gefiel als die eigene.
Als Schandbares wurde damals Unzucht angesehen, natürlich. Aber auch der Verstoß gegen die guten Sitten, zum Beispiel wenn eine Frau auf offener Straße gierig war oder trank. Das galt als Verstoß gegen die guten Sitten und war ein Scheidungsgrund. Ebenso, wenn sie eine Schreierin war oder keine Kinder hatte. Das waren ebenfalls Scheidungsgründe.
Es gab aber auch bestimmte Regeln, nach denen eine Frau das Recht hatte, den Mann zu entlassen. Zum Beispiel, wenn er Aussätziger war. Dann durfte auch eine Frau sich scheiden lassen. Oder wenn der Mann einen stinkenden Beruf hatte, wie Gerber, was ein Scheidungsgrund war.
Übrigens ist es eine interessante Bemerkung, dass Petrus einmal in der Apostelgeschichte erwähnt wird, längere Zeit bei einem Gerber gewohnt zu haben. Das muss entsetzlich gestunken haben, denn beim Gerben der Felle entsteht ein unangenehmer Geruch. Auch Kupferschmelzer und Hundekotsammler hatten stinkende Berufe, die als Scheidungsgrund galten.
Scheidung war in der damaligen Zeit leicht zu erlangen, auch im Heidentum. Sie wurde von der Gesellschaft allgemein akzeptiert. Manche Römer wechselten ihre Frauen wie das Hemd. Es war relativ leicht. Für eine Eheschließung mussten nur ein paar Formeln gesprochen werden, und die Ehe war gültig. Mit der Scheidung war es genauso einfach: Der Mann schickte der Frau ein paar Pantoffeln, das war schon das Zeichen, dass er von ihr geschieden war.
Eine dritte Sache: In der damaligen Umwelt gab es kultische Prostitution. Der Aphroditekult war dafür berühmt. Allein in Korinth soll es an die tausend Frauen oder Mädchen gegeben haben, die diesem Kult dienten.
Im Neuen Testament gibt es das nicht. Es wehrt sich strikt dagegen. Frauen sind niemals Lustobjekte oder Kultobjekte. Das Neue Testament macht das deutlich durch seine Aussagen.
Ach so, ich habe noch vergessen zu erwähnen: In heidnischen Religionen waren Frauen oft Priesterinnen. Das ist ganz typisch. Wenn heute in Großkirchen Frauen als Priesterinnen eingesetzt werden – die katholische Kirche wehrt sich noch ein Stück dagegen, aber evangelische Kirchen haben das längst eingeführt, die anglikanische Kirche schon lange –, dann kommt das aus dem Heidentum. Mit der Bibel und dem Neuen Testament hat das nichts zu tun.
Das soll erst einmal genügen.
Ich habe hier noch eine weitere Tabelle, die ich kurz suchen muss. Ja, hier ist sie. Das ist eine Ergänzung zur Stellung der Frau vor Gott und zur Gleichwertigkeit der Schwester. Das ist schon interessant.
Ich habe hier wieder die Gleichwertigkeit deutlich gemacht, jeweils mit Schriftzitat und Beleg. Ihr seht, es gab Schwestern, die Diakone in der Gemeinde waren. Diakon ist ein bestimmter Dienst. Das meint nicht nur, dass sie irgendeinen Dienst getan haben, sondern sie hatten einen Verantwortungsbereich innerhalb der Gemeindearbeit.
Das war zum Beispiel Phöbe, die in Kenchreja war und im Römerbrief erwähnt wird. Im ersten Timotheusbrief, Kapitel 3, Vers 10, werden weibliche Diakone genannt. Das ergibt im Zusammenhang am meisten Sinn.
Sie waren sowieso in praktischen Diensten tätig. Eine Jüngerin mit Namen Tabitha, das Haus der Maria, der Mutter des Johannes Markus, die ihr Haus zur Verfügung stellte, eine Frau namens Lydia – wenn man urteilt, dass sie dem Herrn gläubig war –, ließ andere in ihr Haus einziehen. Diese Frauen haben also praktische Dienste getan.
Auch die Frauen, die dem Herrn Jesus gefolgt sind, waren mit den Jüngern unterwegs. Sie haben selbst im Werk des Herrn gearbeitet. Maria hat viel für euch gearbeitet, heißt es in Römer 16.
Tryphäna und Tryphosa arbeiteten im Herrn, Persis, die Geliebte, hat viel im Herrn gearbeitet. Euodia und Syntyche kämpften im Evangelium zusammen mit Paulus. Was bedeutet „im Evangelium gekämpft“? Ich denke, es bezieht sich auf ihre Arbeit im Herrn und in der Gemeindearbeit.
Auch bei Mannschaftsevangelisationen, zum Beispiel, wenn Paulus mit einer Mannschaft unterwegs war, gab es viel zu tun außerhalb der öffentlichen Predigt. Wer schon einmal eine Mannschaftsarbeit mitgemacht hat, zum Beispiel bei einem Teebus, weiß, wie viele Schwestern man dafür braucht – und nicht nur zum Brötchen schmieren, sondern für alle möglichen Aufgaben.
Man kämpft wirklich miteinander, ringt miteinander vor dem Herrn im Gebet, und man braucht Leute, die natürlich die Frauen ansprechen können. Das ist überhaupt keine Frage. Es wäre töricht, wenn man das alles nur auf die Verkündigung beziehen wollte.
Dann sollten Frauen sogar in der persönlichen Unterweisung aktiv sein. Die alten Frauen sollten die jungen belehren. Schließlich nahmen Priscilla und Aquilla Apollos zu sich und belehrten ihn extra.
Und schließlich im Gebet und Weissagen – da kommen wir unserem Thema näher. Das Letzte hier unten: Nach dem Zeugnis des Neuen Testaments sind Frauen von Gott gleichgestellt.
Zum Beispiel in Apostelgeschichte 1,14 verharrten alle einmütig im Gebet, auch mit einigen Frauen, die extra erwähnt sind. Auch Maria, die Mutter des Herrn, war dabei, als die Jünger im Obersaal beteten.
Weiter in 1. Korinther 11,5: Jede Frau, die betet oder weissagt, wird in Parallele zu jedem Mann gesehen, der betet oder weissagt. Sie soll beten, sie soll weissagen. Philippus hatte Töchter, die weissagten – eindeutig. So werden Frauen gleichgestellt.
Das wollte ich darstellen: Die großartige Stellung, die der Herr den Frauen gegenüber der damaligen Gesellschaft zugemessen hat. Das wird deutlich durch das Verhalten des Herrn Jesus selbst und auch durch das Verhalten der Apostel und ihre Aussagen in den Briefen.
Die Stellung der Frau in Familie und Gemeinde
Kommen wir nun zu einem weiteren wichtigen Thema: der Stellung der Frau in Familie und Gemeinde. Ich beschränke mich dabei zunächst auf die Aussagen, die in allen bibeltreuen Kreisen im Großen und Ganzen anerkannt sind. Die entsprechenden Bibeltexte habe ich in einer Tabelle zusammengestellt und versucht, mir darüber halbwegs Klarheit zu verschaffen.
Dabei ist mir aufgefallen, dass all diese Aussagen über die Frauen eine wichtige geistliche Bedeutung haben. Es ist eine ganze Menge, deshalb kann ich hier nur kurz darauf eingehen. Ich habe die Stellung der Frau in Familie und Gemeinde an erster Stelle genannt und dann etwas zur geistlichen Bedeutung gesagt.
Christus ist das Haupt jedes Mannes, der Mann ist das Haupt der Frau, aber Christus selbst hat Gott als sein Haupt. Das bedeutet: Das Verhältnis zwischen Mann und Frau ist vergleichbar mit dem Verhältnis zwischen Christus und Gott. Das klingt nicht nach Knechtung, sondern nach etwas ganz anderem – nach freiwilliger Unterordnung und einer wunderschönen Gemeinschaft. So hat Gott es sich gedacht. Wer etwas anderes hineinliest, liest nicht das hinein, was in der Bibel steht.
Im Epheserbrief heißt es: Der Mann ist das Haupt der Frau, wie Christus das Haupt der Gemeinde ist. Die Stellung der Gemeinde gegenüber Christus ist eine großartige Sache. So ist auch das Verhältnis zwischen Mann und Frau in Familie und Gemeinde gemeint. Es soll etwas von dem wunderbaren, unsichtbaren Wesen Gottes sichtbar werden – auch in unseren Ehen, im Normalfall. An unseren Ehen sollen Gemeinden und Menschen sehen, wie Gott ist und wie Gott sich sein Volk gedacht hat. Wir sollen das sozusagen sichtbar machen.
Schon die ersten Aussagen machen deutlich, dass Unterordnung überhaupt nichts Negatives ist. Der Wert des Herrn Jesus hat durch seine Unterordnung unter den Vater nicht abgenommen. Ebenso ist es großartig, dass sich die Gemeinde Christus unterordnet und er das Haupt ist. Das ist keine knächtige oder schlimme Stellung.
Daraus lässt sich ein Grundsatz ableiten, den ich hier deutlich machen möchte. Ich habe im Laufe des Vortrags bereits einige Grundsätze genannt. Grundsatz Nummer eins lautet: Unterordnung bedeutet niemals Abwertung oder persönliche Minderwertigkeit.
In der langen Liste der Bibelstellen, die ich aufgezählt habe, sind auch einige dabei, die den Mann betreffen. Diese stehen gewöhnlich in Klammern, weil sie auch die Frau betreffen, aber besonders die Verantwortung des Mannes deutlich machen. Das Verhältnis ist wie das zwischen Gemeinde und Christus.
Zum Beispiel heißt es: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Gemeinde geliebt hat.“ Die Männer tragen also dieselbe Verantwortung wie die Frauen, nur aus der anderen Perspektive. Es ist ein ähnliches Verhältnis.
In 1. Petrus 3,1 wird gefragt: Warum sollen sich die Frauen ihren eigenen Männern unterordnen? Es hat eine geistliche Bedeutung, damit sie ohne Worte durch ihren Wandel die Männer gewinnen. Viele Frauen kennen diese Stelle gar nicht, auch gläubige Frauen nicht. Ich habe das bei einer Zeltevangelisation erlebt, als eine Frau erzählte, was sie alles tut, um ihren Mann zu gewinnen. Ich sagte ihr, sie solle vor allem ruhig sein und die beste Frau sein, die er sich denken kann – so gewinnt sie ihn. Sie meinte aber, sie müsse ihn zwingen, Andachten halten und viel reden. Das ist das Gegenteil von dem, was die Bibel sagt.
Manche kennen diese Stelle überhaupt nicht, dabei hat sie ein geistliches Ziel. Es gibt auch Stellen, die sagen, dass geistlicher Schmuck vor Gott sehr kostbar ist. Bei all dem wird deutlich, dass Gott hier etwas sieht.
Auch die Männer sind ebenso angesprochen. Schaut euch 1. Petrus 3,7 an: „Gebt euren Frauen Ehre, ihr Männer, als Miterben der Gnade.“ Wenn Männer ihre Frauen despotisch behandeln, nützt auch viel Beten nichts. An anderen Stellen wird ebenfalls gesagt, dass unser Gebet eine Farce ist, wenn wir uns untereinander nicht vertragen.
Der Herr ist sehr konsequent: Es geht wirklich um geistliche Dinge, und alles hat eine wesentliche geistliche Bedeutung.
Zu den oberen Teilen habe ich mir noch einen wichtigen Merksatz aufgeschrieben, der oft nicht verstanden oder falsch angewendet wird: Unterordnung ist eine aus Liebe freiwillig eingenommene Stellung und darf niemals erzwungen werden.
Es steht nirgends, dass Männer dafür sorgen sollen, dass Frauen ihnen gehorchen. Es heißt: „Ihr Frauen, gehorcht euren Männern“, und das ist von Gott her gesagt. Tut das, weil es eine geistliche Bedeutung hat. Kein Mann hat das Recht, seinen Daumen herunterzudrücken oder Zwang auszuüben.
Leider wird das in bibeltreuen Kreisen manchmal von Einzelnen so vertreten. Das sind oft Extremisten, die auf unangenehme Weise über die Schrift hinausgehen und Dinge tun, die sie nicht tun dürfen.
Unterordnung ist eine aus Liebe freiwillig eingenommene Stellung. Sie kann nicht erzwungen werden, auch nicht in der Gemeinde. Trotzdem hat man oft den Eindruck, dass Brüder beim Thema Rolle der Frau genau das tun: den Daumen herunterdrücken.
Ich kenne Brüdergemeinden, in denen manche sagen, dass es schlecht läuft, weil die Schwestern sich nicht so kleiden, ihr Haupt nicht bedecken oder sich anders verhalten. Sie machen die Schwestern verantwortlich und vergessen, wie ungeistlich sie selbst sind. Das steht so nie in der Schrift.
Wir kennen oft nur die Worte, die für andere gelten, aber nicht die, die für uns selbst gelten. Das ist ein generelles Problem. Mein Sohn kannte zum Beispiel die Stelle „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn“ sehr gut, aber die vorherige Stelle „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern im Herrn“ hat er nie gegenüber mir zitiert. Er kannte immer nur die andere Seite.
Wir Väter müssen also aufpassen, dass wir nicht nur die Stellen kennen, die uns gefallen. Gott spricht uns an den Stellen an, wo es uns wirklich betrifft. Da kommen wir nicht heraus.
Deshalb stehen auch solche Aussagen über die Männer in diesen Texten, die ich bereits erwähnt und zitiert habe. Zum Beispiel: „Gebt ihnen Ehre, damit eure Gebete nicht verhindert werden“ oder „Liebt eure Frauen und seid nicht bitter gegen sie“ – so wie Christus die Gemeinde geliebt hat.
Mir ist aufgefallen, dass in mehreren Texten, etwa im Timotheusbrief oder anderen Briefen, wo von der Rolle von Mann und Frau die Rede ist, die Aussagen über den Mann oft mehr als doppelt so lang sind wie die über die Frau.
Das ist nicht mein Thema heute, ich will es nur der Vollständigkeit halber erwähnen, damit kein falscher Eindruck entsteht, als ob hier jemand geknechtet werden soll. Nein, es geht darum, was Gott will.
Die Aussagen in den letzten beiden Tabellenblöcken, also zum Beispiel um das Wort Gottes nicht zu verlästern und Gottes Ordnung zu wahren, gehören zu den Stellen, die umstritten sind. Über diese müssen wir noch sprechen. Hier macht der Zeitgeist die Auslegung sehr schwierig.
Zum Schluss noch eine grundsätzliche Aussage, die schon deutlich geworden ist: Das Gebot an die Männer ist nicht die Unterwerfung der Frau, überhaupt nicht. Vielmehr lautet das Gebot an die Männer, sich für die Frau liebevoll aufzuopfern. Das darf man niemals missverstehen.
Beobachtungen zur Rolle der Frau in der Gemeinde
Werfen wir nun einen Blick auf eine andere Tabelle, die einige interessante Überlegungen zusammenfasst. Ihr findet sie hier.
Man muss schon sagen, es gehört dazu: Auch Frauen folgten Jesus und dienten ihm. Dennoch wurde keine von ihnen zum Apostel erwählt. Ja, auch Frauen waren Jüngerinnen, aber keine von ihnen wurde zum Lehrdienst bestimmt. Auch Frauen erhielten Offenbarungen und Weissagungen, doch keine von ihnen wurde mit der inspirierten Niederschrift beauftragt. Ebenso dienten Frauen der Gemeinde und kämpften mit dem Evangelium, aber keine von ihnen wurde mit der Leitung einer Gemeinde betraut.
Diese Folgerungen ergeben sich zwar nicht aus direkten Aussagen, die explizit vorhanden sind, aber sie lassen sich aus einigen Stellen zwingend ableiten. Das sind also einfach mal ein paar interessante Beobachtungen.
Ich möchte letztlich weiter bei diesem Thema bleiben, doch jetzt wenden wir uns den umstrittenen Texten zu, die für uns eine große Rolle spielen. Bei jeder der drei Schriftstellen werde ich zunächst den Zusammenhang erklären und dann versuchen, den Gedankengang der jeweiligen Stelle deutlich zu machen.
Beginnen wir mit dem Ersten Korintherbrief, Kapitel 11.
Kontext und Einführung zu 1. Korinther 11
Der grobe Zusammenhang ist folgender: Zunächst hatte Paulus einen Brief aus Korinth erhalten. Dieser wurde ihm wahrscheinlich durch die Leute einer gewissen Chloe überbracht. Diese Personen könnten aus dem Haushalt stammen und möglicherweise Sklaven oder andere Diener gewesen sein. Sie berichteten Paulus von Streitigkeiten zwischen den Geschwistern in der Gemeinde Korinth.
Paulus geht in den ersten sechs Kapiteln des ersten Korintherbriefes auf diese Unordnung in der Gemeinde ein. Er kämpft also gegen Spaltungen. Dabei tadelt er Sittenlosigkeit und Rechtsstreitigkeiten und warnt vor Unzucht.
Wenn man 1. Korinther 7 aufschlägt, sieht man, dass Paulus ab diesem Kapitel auf schriftliche Anfragen eingeht. Er hatte solche Anfragen erhalten und beantwortet sie nun der Reihe nach. Er schreibt über Ehe und Ehelosigkeit.
In den Kapiteln acht bis zehn behandelt er das Problem des Götzenopferfleisches. Dieses Thema hatte in Korinth eine besondere Bedeutung und verunsicherte manche Geschwister. Den Gedankengang schließt Paulus in 1. Korinther 11,1 ab. Dort fordert er die Geschwister auf, seine Nachahmer zu sein. Das ist sozusagen der letzte Satz zu diesem ganzen Block von Ermahnungen und Korrekturen, die Paulus hier anbringt.
Ab Kapitel 11, Vers 2 beginnt Paulus jedoch mit einem neuen Gedankengang. Er beginnt damit, die Geschwister zu loben. In 1. Korinther 11,2 heißt es: „Ich lobe euch aber, dass ihr in allem meiner gedenkt und die Überlieferungen, wie ich sie euch überliefert habe, festhaltet.“
Dies kann sich nicht auf etwas beziehen, das er zuvor kritisiert hatte, denn diese Dinge musste er ja tadeln und zurechtrücken. Mit „Überlieferungen“ sind hier apostolische Anweisungen gemeint. Diese beziehen sich aber auch nicht auf den unmittelbar folgenden Text, sondern auf Dinge, die er ihnen mündlich gesagt hatte.
Diese Stelle ist sozusagen eine Einleitung für einige Aussagen, die Paulus nun machen will. Er möchte ihnen einige Dinge vermitteln – salopp gesagt. Zunächst lobt er die Korinther: „Ihr habt das ja doch gemacht, ich habe euch schon damals einige Dinge gesagt, ihr habt sie eingehalten, das ist gut so. Und jetzt sage ich euch noch etwas.“
Ich denke, das geht aus dem Text sehr deutlich hervor.
In Vers 17 desselben Kapitels finden wir eine ganz ähnliche Formulierung, nur dass hier das Gegenteil gesagt wird. In 1. Korinther 11,17 heißt es: „Wenn ich aber Folgendes vorschreibe, so lobe ich nicht, denn ihr kommt nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren zusammen.“
Einmal am Anfang von Kapitel 11 lobt Paulus sie also in Bezug auf bestimmte Dinge, weil sie diese gehalten haben. Am Schluss, und das bezieht sich auf das Brotbrechen, kann er sie nicht loben, weil sie Dinge getan haben, die nicht in Ordnung waren.
Hier beginnt ab 1. Korinther 11,17 wieder ein neuer Gedanke. Paulus muss die schlechten Angewohnheiten der Korinther beim Zusammenkommen der Geschwister tadeln.
Aha, hier quietscht es mal wieder. Oder wollen wir gleich eine Pause machen? Du musst dich erst melden, wenn Schluss ist. Ja, ich höre auf, wenn du jetzt ein Signal gibst. Nein, weil wir sowieso zwischendurch eine Pause machen müssen. Wir schaffen das nicht hintereinander. Okay? Wir machen es stückweise, ja? Zehn Minuten ungefähr, eine Viertelstunde.
Erste Überlegungen zum Text von 1. Korinther 11
Die Frage, über die viele Ausleger kaum nachdenken, lautet: Geht es schon im ersten Teil von Kapitel elf um das Zusammenkommen der Gläubigen oder nicht? Was bedeutet diese Aussage, und wo gehört der Text eigentlich hin? Von der Beantwortung dieser Frage hängt viel für unsere Praxis ab.
Ich denke, dass erst ab Kapitel 11, Vers 17 direkt von der Versammlung der Gläubigen gesprochen wird. Dafür möchte ich vier Gründe nennen, die ich gefunden habe und die dafür sprechen. Es sind nur Indizien, keine schlüssigen oder endgültigen Beweise, aber hört euch das mal an.
Erstens: In diesem Abschnitt kommt ein Verb vor, das Paulus insgesamt nur achtmal verwendet, und sonst im Neuen Testament gar nicht. Von diesen achtmal verwendet Paulus dieses Wort siebenmal genau im Abschnitt von Kapitel 11, Vers 17 bis Kapitel 14, Vers 26. Das heißt, es ist unstrittig, dass es ab Kapitel 11, Vers 17 um das Zusammenkommen der Gläubigen geht. Das bestreitet niemand, auch nicht jemand, der über Einzelheiten anders denkt. Es gibt noch eine andere Stelle, in der das Wort die eheliche Gemeinschaft beschreibt, aber das hat einen ganz anderen Zusammenhang. Sonst kommt dieses Wort im ganzen Neuen Testament nicht vor, was schon bemerkenswert ist.
Zweitens: In dem von diesen beiden Schriftstellen begrenzten Text geht es auch inhaltlich eindeutig um das Miteinander der Gläubigen bei ihren Zusammenkünften. Im ersten Teil von Kapitel 11 ist das nicht so eindeutig.
Drittens: Der Text danach – also nach diesem großen Abschnitt über das Zusammenkommen der Gläubigen – behandelt wieder eine ganz neue Frage. Das ist nämlich das fünfzehnte Kapitel, und dort geht es um die Auferstehung. Ein ganz neues Thema, das Paulus wunderbar beschrieben hat. Es ist eines der schönsten Kapitel in der Bibel zum Thema Auferstehung, sehr logisch und wunderbar angeordnet. Das spricht ebenfalls dafür, dass es sich hier um ein neues Thema handelt. Es könnte sein, dass vor diesem auffälligen Abschnitt ein anderes Thema behandelt wurde. Das ist zumindest denkbar.
Viertens: Der einzige Hinweis darauf, dass es sich im ersten Teil von Kapitel 11 doch um gemeindliche Zusammenkünfte handeln könnte, ist die Erwähnung des Betens und Weissagens. Beten und Weissagen geschieht natürlich im Gottesdienst. Aber es wäre eine arme Gemeinde, wenn man voraussetzen müsste, dass das nur im Gottesdienst geschieht und nicht auch zuhause, im Kindergottesdienst, in der Jugendarbeit oder in der Schwesternarbeit. Paulus verwendet den Begriff „beten“ (griechisch: euchomai) für das Gebet eines Einzelnen, einer kleinen Gruppe oder der ganzen Gemeinde – das ist also gleichwertig.
Unser Text, um den es jetzt geht, soll nun genauer betrachtet werden. Ich habe dafür eine Gliederung entwickelt, um den Zusammenhang etwas deutlicher zu machen.
Der Text beginnt mit einer Aussage, die sozusagen „in apostolischer Autorität“ formuliert ist. Die Aussage lautet: „Ich will aber, dass ihr wisst.“ Paulus erinnert sich an bestimmte Dinge, die die Gemeinde auch wirklich gemacht hat. Er hatte sie gerade im Vers 1 gelobt, weil sie an all dem festhielten. Nun will er ihnen noch etwas hinzufügen, was ihnen vielleicht noch nicht so richtig klar war. Vielleicht hat er es schon mal gesagt, aber offensichtlich nicht in dieser Klarheit.
Wir lesen den Text jetzt gemeinsam und schauen dabei auch die Gliederung an. Ich habe eine bestimmte Formulierung gewählt, um den Zusammenhang deutlich zu machen. Man kann darüber streiten, aber ich denke, es kommt nicht wesentlich etwas anderes heraus, wenn man hier andere Formulierungen wählt.
Vers 3: „Ich will aber, dass ihr wisst, dass Christus das Haupt eines jeden Mannes ist, das Haupt der Frau aber der Mann, das Haupt Christi aber Gott.“ Paulus stellt hier zunächst die grundsätzliche, von Gott gegebene Ordnung dar: Gott, Christus, Mann, Frau – das ist keine Frage.
Als Zweites beschreibt er im nächsten Vers die Durchführung dieser Ordnung. Also: Wie wirkt sich das, was von Gott gegeben ist, praktisch in der Gemeinde aus?
Vers 4: „Jeder Mann, der betet oder weissagt und dabei etwas auf dem Haupt hat, entehrt sein Haupt. Jede Frau aber, die mit unverhülltem Haupt betet oder weissagt, entehrt ihr Haupt.“
In der Exegese ist es etwas strittig, ob mit „Haupt entehrt“ das Haupt gemeint ist, das über mir steht, oder der eigene Kopf. Man kann das nicht mit letzter Sicherheit entscheiden, der Zusammenhang sagt es nicht eindeutig. Ich neige eher dazu, dass es um das Haupt geht, das über mir steht. Den eigenen Kopf zu entehren scheint wenig Sinn zu machen, da immer der ganze Mensch entehrt wird oder so. Es scheint eher so zu sein, dass das Oberhaupt von mir entehrt wird – in jedem Fall.
Das hat auch Sinn: Es kann durchaus sein, dass ein Mann Christus durch sein Verhalten entehrt, obwohl er sich Christ nennt. Es kann auch sein, dass eine Frau ihrem Mann Schande macht, zum Beispiel durch ihr Verhalten. Vielleicht hat der Mann eine bestimmte Stellung in der Gemeinde, und die Frau macht derartige Dinge, dass der Mann dadurch beschädigt wird. Den eigenen Kopf zu entehren, kann man sich kaum vorstellen. Oder wenn ihr das könnt, von mir aus – aber ich neige jedenfalls dazu, dass es sich um das Oberhaupt handelt.
Jetzt beginnt Paulus mit einer ganzen Reihe von Begründungen für diese Ordnung. Er stellt erstens die Ordnung fest, zweitens zeigt er, wie diese Ordnung durchgeführt werden soll, also wie sie sich praktisch auswirkt, und dann begründet er, warum das so ist.
Es handelt sich hier keineswegs um die Erniedrigung der Frau, sondern um ihre Ehre. Die Frau hat eine höhere Stellung bekommen, als sie in ihrer Umwelt hatte – in der Gemeinde. Es soll ihr deutlich gemacht werden, dass sie das gleiche Recht hat, vor Gott zu erscheinen wie der Mann, freilich in einer bestimmten Ordnung, die Gott will, dass sie gewahrt bleibt.
Dass es sich wirklich um die Ehre der Frau handelt, wird auch in der Ausdrucksweise deutlich: Eine Frau entehrt ihr Haupt, wenn sie das und das tut. Das wäre also der erste Grund.
Eine Frau, die ihr Haupt entehrt, ist gleichbedeutend mit einer Geschorenen. Eine Geschorene war offensichtlich eine Frau, die eine Strafe erlitten hatte und öffentlicher Schande preisgegeben war.
Vers 6: „Denn wenn eine Frau sich nicht verhüllt, so werde ihr auch das Haar abgeschnitten. Wenn es aber für eine Frau schändlich ist, dass ihr das Haar abgeschnitten oder geschoren wird, dann soll sie sich verhüllen.“
Manchmal wird behauptet, dass Dirnen oder Prostituierte mit abgeschnittenem Haar herumgelaufen seien. Interessanterweise habe ich in keinem einzigen Kommentar jemals eine Begründung für diese Ansicht gefunden. Ich fürchte, da hat ein Ausleger bloß vom anderen abgeschrieben, weil ihm der Gedanke so schön war. Aber plausibel ist er nicht.
Könnt ihr euch vorstellen, wie anziehend eine glatzköpfige Prostituierte für Männer ist? Das ist eigentlich das Gegenteil von anziehend. Auch für eine Frau ist es eine Schande, wenn sie eine Glatze hat oder die Haare ausfallen – das ist eine schlimme Sache.
Ich habe selbst mal in Museen griechische Köpfe von Männern und Frauen angesehen. Dort sieht man nie so etwas. Es scheint also eine Strafe gewesen zu sein, ganz offensichtlich, oder zumindest etwas anderes.
Das Schändliche für eine Frau ist hier wohl nicht, dass sie ihre Weiblichkeit besonders zur Schau stellt, sondern dass sie sich äußerlich zum Mann macht, praktisch die Rollen der Geschlechter vertauscht und wie ein Mann auftritt.
Ein Mann ließ sich damals regelmäßig die Haare scheren. Das Wort meint hier auch „scheren“ oder „rasieren“. Bei den Römern war das nicht selten. Wenn ein Mann Glatze rasiert bekam, war das keine besondere Sache. Heute machen das manche noch, es geht leichter. Paulus redet sehr drastisch: Meiner Meinung nach, wenn die Schwester sich wirklich dem Mann gleich machen will, dann soll sie sich auch eine Glatze rasieren lassen.
Meines Wissens nach ist Glatze für eine Frau zu allen Zeiten in allen bekannten Kulturen nie etwas Erstrebenswertes gewesen, sondern eher etwas sehr Bedauernswertes.
Also soll sie ihr Haupt verhüllen, wenn sie betet oder weissagt. Paulus will mit diesem drastischen Bild etwas klar machen.
Die Männer dürfen ihr Haupt nicht bedecken. Das ist interessant, weil das meistens falsch ausgelegt wird.
In der damaligen Zeit, so kann man es bei Strack-Billerbeck nachlesen – das sind bis heute die anerkannt gründlichsten Gelehrten über das damalige Judentum –, fingen einige Rabbiner erst zur Zeit des Paulus an, ihr Haupt mit einem Gebetsschal zu verhüllen.
Diese Jamulke, dieses kleine Käppchen, das man in Israel in der Synagoge trägt, gab es damals überhaupt noch nicht. Man fing erst damit an, den Gebetsschal zu verwenden.
Es ist fraglich, ob das stimmt, was etwa im Jesusfilm dargestellt wird, dass Jesus sich beim Beten einfach so einen Schal umhängte. Man hat erst später damit angefangen, und das war damals nicht üblich.
Das hätte durchaus Konsequenzen für unsere Auslegung. Ganz sicher ist es nicht.
Jedenfalls wurde die Jamulke für jüdische Männer erst im vierten Jahrhundert nach Christus allgemeine Sitte.
Vers 7: „Der Mann freilich soll sich das Haupt nicht verhüllen, da er Gottes Bild und Abglanz ist.“
Wahrscheinlich wollte Paulus hier Folgendes sagen: Ebenso wenig, wie die Frau sich zum Mann machen soll, soll der Mann sich zur Frau machen und ein Kopftuch aufsetzen, wenn er betet oder weissagt. Das wäre eine sehr beschämende Angelegenheit, denn am Mann wollte Gott wahrnehmbar machen, wer er ist.
Übrigens geht es hier nicht um den Schleier, der das ganze Gesicht verhüllt, sondern um ein Tuch, das nur das Haar bedeckt und vom Kopf herunterhängt – ein Kopftuch.
Ob dieses kunstvolle Gebilde, das in alten Brüdergemeinden manche Schwestern auf ihrem Kopf auftürmen, diese Wahrheit gut symbolisiert, wage ich sehr zu bezweifeln. Mit was für einem Monstrum sie da anmarschieren, ist wahrlich das Gegenteil von dem, was es ausdrücken soll.
Das nächste Argument ist das der Entsprechung, Vers 7b: „Die Frau aber ist des Mannes Abglanz, denn der Mann ist nicht von der Frau, sondern die Frau vom Mann; denn der Mann wurde nicht um der Frau willen geschaffen, sondern die Frau um des Mannes willen.“
So wie der Mann Gott widerspiegelt, spiegelt die Frau den Mann wider, denn sie wurde aus ihm und für ihn geschaffen. Gott hat Mann und Frau unterschiedlich gemacht, und wir sollen diesen Unterschied respektieren, besonders wenn wir im Gebet vor Gott treten oder Gott durch Weissagen repräsentieren.
Schließlich das Argument der Engel, Vers 10: „Darum soll die Frau eine Macht auf dem Haupt haben um der Engel willen.“
Das griechische Wort für Macht, „Exousia“, ist wichtig. Es meint nie eine Macht, der man sich unterstellt. Das ist entscheidend.
Es ist nicht ein Zeichen der Macht, das sich also unter die Macht des Mannes stellt – denn der Mann hat überhaupt keine Macht dazu. Die Frau macht das ja freiwillig.
„Exousia“ meint Vollmacht. Denkt an Johannes 1, denen also gab er das Recht, Kinder Gottes zu heißen, die an seinen Namen glauben.
Du hast das Recht, etwas zu tun.
Es meint hier nicht, dass sie sich irgendwo unterordnet, sondern dass sie durch diese Kopfbedeckung deutlich macht: Ja, ich habe das Recht, genauso wie der Mann, vor Gott zu treten.
Sonst, um der Engel willen, soll das Zeichen da sein, dass sie das Recht wirklich hat. Das heißt, sie fügt sich in die Schöpfungsordnung Gottes ein und darf trotzdem vor Gott treten.
Es ist also ein Zeichen eines Rechtes, und sie symbolisiert, dass sie etwas tun darf – nicht, dass sie sich duckt.
Das ist der Sinn.
Das Wort „Exousia“ hat im Neuen Testament nie eine andere Bedeutung, und ich glaube auch nicht, dass man hier etwas anderes herauslesen kann. Ich halte diesen Sinn für viel plausibler.
Das Wort meint also niemals eine Macht, der man passiv unterworfen ist, sondern immer eine Macht, die man aktiv ausübt, eine Ermächtigung.
Der Sinn ist – und jetzt wird es schon kribbelig –, wenn die Frau betet und andere Geschwister dazu Amen sagen oder wenn eine Frau im Namen des Herrn zu ihnen spricht – keine Angst, ich rede noch nicht von einer Gemeindezusammenkunft –, dann besitzt sie nur dann geistliche Vollmacht dazu, wenn sie das im Gehorsam gegenüber ihrer schöpfungsgemäßen Stellung als Frau tut und das Zeichen dieser Macht auf dem Haupt hat. Dann hat sie auch Vollmacht.
Jemand hat mal gesagt, es ist nicht gut so zu beten, dass sich der himmlische Engel mit Widerwillen vom Betenden abwendet. Das betrifft Männer und Frauen gleichermaßen.
So, jetzt machen wir erstmal eine Pause von einer Viertelstunde, und dann mache ich an dieser Stelle weiter.