Einleitung: Die Herausforderung des Kreuzes
Die Anziehungskraft des Kreuzes ist das Thema, und ich lese als Predigttext aus 2. Korinther 5,19-21: Gott versöhnte in Christus die Welt mit sich selbst und rechnete ihnen ihre Sünden nicht an. Er hat unter uns das Wort von der Versöhnung aufgerichtet. So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott ermahnt durch uns. Deshalb bitten wir nun an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn Gott hat den, der ohne Sünde war, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit werden, die vor Gott gilt. Herr, mach uns dein Handeln neu groß! Amen!
Dass das Kreuz Jesu anziehend wäre, das ist natürlich wieder einmal krass ausgesprochen. Man könnte meinen, so sind die Dinge auf den Kopf gestellt. Ehrlich gesprochen ist das Kreuz Jesu natürlich überhaupt nicht anziehend. Im Gegenteil: Es ist abstoßend, unheimlich und grausam.
Ertragen Sie es wirklich so ohne Schwierigkeiten, auf einen sterbenden Leib zu blicken? Das ist doch eine Qual, eine Zumutung! Und dann noch die Menschen, die um dieses Kreuz herumstehen – ist das Leiden eines sterbenden Menschen nicht schon genug? Sie spotten und lachen, andere fluchen und bringen ihre frommen Sprüche dazwischen, als ob das noch fehlen würde.
Das ist doch nicht zum Aushalten. Von wegen anziehend – dieses Kreuz! Ich kann mir andere Dinge in dieser Welt anziehend vorstellen, aber das Kreuz Jesu ganz bestimmt nicht.
Das Kreuz als Mahnmal und Siegeszeichen
Noch sitzen die geschäftstüchtigen Soldaten unter dem Kreuz und würfeln um den Rock. Vielleicht werden manche Menschen um uns herum im Kreuz Jesu noch ein Mahnmal erkennen. Sie sagen dann: So etwas braucht man. Es erinnert uns an diese schreckliche Welt, das ist ja unsere tägliche Erfahrung.
Wir haben auch solche Mahnmale an den Konzentrationslagern, zum Beispiel in Dachau. Oder wir haben Kriegerdenkmale, die ebenfalls nicht anziehend sind, aber eben notwendig. Diese Mahnmale erinnern an das schreckliche Geschehen, das einmal war. Ähnlich wie an gefährlichen Straßenkurven, wo man ein Kreuz aufstellt, um an die vielen Unfalltoten zu gedenken.
Aber dann wäre der heutige Tag ja ein trister Trauertag, den wir hier miteinander begehen. Wissen Sie eigentlich, dass viele Generationen vor uns den Karfreitag ganz anders empfunden haben? Das Kreuz Jesu wurde von ihnen nicht als trauriges Mahnmal oder als Trauergedenken verstanden, sondern als ein Siegeszeichen!
Weil es ein Siegeszeichen war, haben die Menschen vor uns das Kreuz auf ihre Fahnen gemalt, es als Emblem ausgesucht und es ganz oben auf die Spitze der Kirchtürme gesetzt. Für sie war es ein Zeichen der Ermutigung und der Hoffnung. Solange das Kreuz noch steht, können wir hoffen und zuversichtlich sein – also etwas völlig anderes, als wir heute unter diesem Karfreitag verstehen.
Sie empfanden in diesem Kreuz nichts Wehmütiges, sondern sahen darin sogar Liebe. Eine ganz große, unerschöpfliche Liebe, die ihnen entgegenkommt. Das machte sie fröhlich und erneuerte sie bis tief ins Gemüt hinein. In einem Lied, das wir singen, heißt es: "Als Siegeszeichen tragen, wie stets sein Kreuz empor, den feindlichen Gewalten entfällt der Mut davor, das Kreuz ein Siegeszeichen."
Jetzt weiß ich nicht, wie Sie heute am Karfreitag empfinden. Wie wirkt das Kreuz auf Sie? Als Trauermal, als etwas Bedrückendes oder als etwas Großes und Ermutigendes?
Persönliche Zeugnisse zur Kraft des Kreuzes
Vor kurzem bereitete sich eine treue Christin auf ihr letztes Leidenslager vor. Als sie im Krankenhaus erfuhr, dass die Ärzte nichts mehr für sie tun konnten, ließ sie sich sofort nach Hause fahren.
Als Erstes bat sie mich: „Jetzt helfen Sie mir, dass an der Wand gegenüber von meinem Bett ein Kreuz angebracht wird. Dorthin muss ich blicken. Das soll das Erste am Morgen und das Letzte am Abend sein, was ich sehe.“
Das Kreuz macht sie so froh – richtig gehört, das Kreuz macht sie so froh.
Ein anderes Beispiel stammt von Ludwig Hofacker, der einmal aus Rielingshausen berichtete, wie sich die Menschen in seiner Kirche drängten.
Aus der weiten Umgebung, sogar aus Stuttgart, strömten sie herbei. Sie wollten sich fast erdrücken, um das Wort Gottes zu hören.
Hofacker sagte: „Ich predige den Gekreuzigten, das zieht, das zieht.“
Das wollen wir heute in der Predigt verstehen: Was ist da eigentlich los, dass es auch uns zieht? Was muss geschehen?
Die zentrale Botschaft des Kreuzes: Jesus Christus, der Gekreuzigte
Es war keine Erfindung späterer Menschen, sondern nur die Spur, die schon einst der große Missionar Paulus ging. Er sagte: „Ich habe beschlossen, unter euch nichts anderes zu predigen als Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten.“
Das Erste, worin es deutlich wird, ist, dass es für uns geschehen ist. Wenn man diesen Aspekt aus dem Evangelium herausnimmt – dieses kleine Abschnittchen „für uns“ –, dann bleibt vom Karfreitag nichts weiter übrig als ein trauriges, qualvolles Mahnmal.
Dann sagt man: So schreckliche Dinge passieren in der Welt, das ist ja unheimlich. In diesem Fall würden wir uns heute hier versammeln und sagen: „Also, das ärgert mich, dass es so etwas in der Welt gibt.“ Wir würden einen Schwur ablegen, gegen die Ungerechtigkeit kämpfen, Resolutionen auslegen und erklären: „Wir sind hier zusammen eine Bruderschaft, die jetzt eintreten will für die Entrechteten der Welt. Wir wollen kämpfen für alle, die Unrecht leiden.“
Es wäre immerhin noch ein Sinn, wenn wir diesem Kreuz etwas abgewinnen könnten – wenn Sie das „für uns“ weglassen. Ohne dieses „für uns“ ist das Kreuz Jesu nur ein sinnloses Leiden, eine Qual, eine Zumutung, ein Ärgernis ohnegleichen.
Das Kreuz würde dann für so viele Sinnlosigkeiten dieser Welt stehen, für so viele ärgerliche Unrechtstaten, die tagtäglich geschehen, überall auf der Welt. Und wir könnten sie dann beliebig ergänzen.
Aber nun steht da: „Für uns hat Gott in Christus gehandelt und versöhnte die Welt mit sich selber.“ Das ist kein sinnloses Geschehen, dahinter steckt Sinn.
Gott hat in dem Sterben Jesu gehandelt. Gott war aktiv dabei. Gott hat etwas getan, ohne dass damit die Schuld der Menschen einfach ausgelöscht wäre. Stattdessen hat Gott das Böse der Menschen benutzt und dabei etwas Großes vollbracht.
Die Bedeutung der Versöhnung und die Realität der Schuld
Das stimmt gar nicht, das geht heute nicht an, das ist ein Betrug, wenn jemand aus der Leidensgeschichte eine Geschichte der Unterdrückten und Bedrängten macht. Im Evangelium steht doch etwas ganz anderes. Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selbst. Außerdem steht dort, dass Gott ihn, der ohne Sünde war, für uns zur Sünde gemacht hat. Das ist für uns geschehen. Es ist jetzt wichtig, dass wir dies verstehen und begreifen.
Nun könnten Sie mir natürlich sofort entgegenhalten und sagen: Ja, aber die Leute interessieren sich doch gar nicht für die Sünde. Es ist doch gar nicht aktuell, und das bewegt die Menschen nicht. Ich habe mich beim Vorbereiten lange gefragt, ob Sie überhaupt – so wie Sie heute zum Gottesdienst kommen – betrübt und beschwert sind von Ihrer Schuld, die Sie von Gott trennt.
Doch ich muss Sie darauf hinweisen, dass es ein altes Verhalten des Menschen ist, die Schuld in einer großen Ergebenheit auf sich zu nehmen. Keiner von uns und wahrscheinlich kein Mensch auf der Welt würde Schuld leugnen. Es gibt bei Martin Luther eine ganz interessante Passage, in der er über Kain spricht, den ersten Mörder, den Urmörder, der seinen Bruder Abel erschlagen hat.
Luther sagt, wenn Kain das Wort der Vergebung nicht hören könnte, würde Kain stolz hinstehen und sagen: So etwas verachte ich, als ob es Vergebung geben könnte. Kain würde sagen – so Luther –, ich will meine Schuld selbst tragen. Ich muss damit leben, ich muss selbst damit fertig werden. Und das ist der Fluch des Kain, fährt Luther fort: dass er unter seiner Schuld steht und gar nicht die Vergebung Gottes sucht.
Darin liegt ja gerade die Not des modernen Menschen, dass er so altmodisch wie Kain geblieben ist. Er schiebt sogar den Gedanken an die Vergebung beiseite und sagt, das wäre ja billig, als ob ich da Gott bemühen könnte und dann einfach so alles ihm übertragen könnte. So lebt dieser Mensch von heute unbeständig und flüchtig, ohne Heimat, ohne Ziel, ohne Sinn in seinem Leben.
Und da sagt uns das Evangelium: Gott kann es nicht mehr mit ansehen. Dieser Mensch, der in den Spuren Kains wandelt, hält es noch ganz lange aus, dem geht es ganz wohl. Aber Gott kann es nicht ertragen, wie ein Mensch lebt – ohne Ziel, ohne Sinn in seinem Leben.
Gottes Eingreifen in die Welt der Ablehnung
Und darum geht Gott hinein, mitten in diese Mauer der Ablehnung, mitten hinein in unsere Welt, wo die Leute sagen: „Wir wollen dich doch nicht.“ Das ist genau wie vor zweitausend Jahren. Die Ohren sind verstopft, andere lächeln, spotten oder schauen neugierig aufs Kreuz und fragen sich, was dort wohl passiert. Aber niemand versteht, dass Gott hier Schuld vergeben und auslöschen will. Gott will Schuld von unserem Leben wegnehmen.
Natürlich ist das keinem von uns bewusst. Da müssen wir still werden vor diesem Kreuz Jesu und hinschauen. Dann erkennen wir, wie furchtbar unser Leben ohne Vergebung ist und wie hoffnungslos es wird. Jesus steht da, lässt sich die Dornenkrone ins Gesicht drücken und erträgt die Schmerzen, weil ihn das keine Ruhe mehr lässt. Er sagt: „Sie brauchen Vergebung. Sie, Sie brauchen sie. Sie brauchen Erlösung, Sie brauchen den Frieden Gottes – und den haben Sie nicht.“
Für sie sind alle Trostworte nur kurze Erinnerungen, doch sie tragen nicht den Frieden in sich. Jesus selbst hat das große Gleichnis vom verlorenen Sohn erzählt. Dabei kommt auch der andere Bruder ins Blickfeld, der draußen vor dem Haus steht, während drinnen fröhlich gefeiert wird. Er will nicht hineinkommen und sagt: „Das ist ja ein komisches Ding, so eine Rettungshausatmosphäre bei meinem Vater. Da kommt der lumpige Sohn nach Hause, hat sein Geld und Gut verprasst mit Huren, und jetzt vergibt Gott einfach – er löscht das zu. Da mache ich nicht mit. Ich halte dafür, dass in dieser Welt Leistung und Gerechtigkeit zählen. Wer sich anstrengt, und die Moral muss doch noch etwas gelten.“
Dann wird erzählt, dass der Vater mitten im Fest aufsteht. Er will nicht mehr mitfeiern, solange er weiß, dass draußen jemand steht, der nicht teilhat an seiner Festesfreude. Da geht der Vater hinaus und bittet ihn. Dieses Bitten Gottes ist im ganzen Kreuzesgeschehen dargestellt. Wenn Sie nie verstanden haben, warum in Ihrem Leben eine ganze Hingabe und eine ganze Unterwerfung an den Gekreuzigten notwendig sind, dann sehen Sie hier am Kreuz dieses Bitten Gottes.
Er fällt vor Ihnen auf die Knie und sagt: „Das kann nichts werden, wenn du dein Leben mit eigener Frömmigkeit fertig machen willst, wenn du versuchst, selbst die Gebote zu halten. Das wird nichts, denn Jesus trägt die Schuld für dich. Komm doch, leg dein Leben hier unter das Kreuz nieder. Für dich ist das geschehen, für dich – nimm es doch an!“ Da ging der Vater hinaus und bat ihn: „Lass dich versöhnen mit Gott! Das muss doch über deinem Leben stehen, diese große Vergebung und Versöhnung.“
Das ist der Grund, warum Karfreitag für uns kein Trauertag ist. Er ist kein Mahnmal für die Ungerechtigkeit der Welt oder für schweres Lebensschicksal, sondern ein ganz, ganz großes Siegeszeichen. Gott will mein Leben herausholen aus der Traurigkeit und uns Frieden geben.
Die Bedeutung des Tauschs im Kreuzesgeschehen
Das Zweite, was ich erklären muss und was die Passionsgeschichte von einer Mahnmalgeschichte und von einem Volkstrauertag unterscheidet, ist die Sache mit dem Tausch. Das Erste war also dieses „für uns“, das Zweite ist die Sache mit dem Tausch.
Ich muss Sie einfach bitten, das bei der Passionsgeschichte nicht zu unterschlagen, wie es heute oft geschieht. Es werden sehr ans Herz gehende Worte über das Leiden Jesu gemacht, aber verschwiegen, dass ein entscheidender Punkt in allem der Tausch ist. Das muss ich etwas ausholen und erklären.
Man könnte jetzt sehr schön über das Wort reden, das wir als Text haben, nämlich von der Versöhnung. Es gäbe sicher eine ganz nette Predigt: Versöhnung tut in unserer Welt sehr Not – zwischen Ost und West, angesichts unserer Waffenarsenale und der Menschen, die sich nicht mehr grüßen, auch in ihren Familien tut Versöhnung Not. Aber warum funktioniert die Versöhnung nicht?
Vielleicht meint jemand, wenn man eine andere Partei in die Regierung setzt, klappt die Versöhnung besser. Oder wenn man aufrüstet oder abrüstet. Meinen Sie, daran liegt es? Die Versöhnung scheitert in unserer Welt, weil sie gar nicht funktionieren kann.
Es gab in Frankreich vor dem Ersten Weltkrieg ein Wort, geprägt von einem berühmten Politiker, das oft zitiert wurde: „Immer dran denken, nie davon reden“. Das war die Wunde des Siebzigerkrieges. Man hat Staatsbesuche gemacht, sich Höflichkeitsadressen ausgetauscht, aber es gab nie eine Versöhnung, weil unten die alte Wunde weiterlebte.
Wo Menschen auf dieser Welt leben, ist der Gedanke an eine Versöhnung schon eine Zumutung. Wie soll es im Ernst eine echte Versöhnung mit dem Volk Israel geben für uns Deutsche? Es kann sein, dass die Juden nicht mehr darüber sprechen oder sagen, sie wollen es nicht mehr erwähnen. Aber Versöhnung im tiefsten Sinn gibt es ja gar nicht, weil die Sache unbewältigt dasteht. Die kann man nicht mehr aufarbeiten.
Und das ist doch auch in den Familien so, wo Streit herrscht. Darum bleibt der Appell an die Versöhnung immer nur ein oberflächliches Gerede, ein Moralappell. Vielleicht erreicht er noch ein Stück weit etwas, aber echte Versöhnung lebt doch davon, dass die Gegensätze ausgeräumt und weggenommen sind.
Die göttliche Versöhnung als Vorbild
Ja, wo gibt es denn überhaupt Versöhnung? Von Versöhnung hat zuerst der heilige Gott gesprochen. Wenn der moderne Mensch meint, er könne dies ausblenden, ist es nur oberflächlich, wie wir sie heute oft leben.
Sehen Sie sich die Religionen der ganzen Welt an. Sie wissen etwas von dieser tiefen Kluft zwischen uns und Gott. Auch im modernen Menschen von heute schlummert ganz tief das Bewusstsein, dass zwischen mir und Gott etwas Schlimmes zerbrochen ist. Darum sind die Leute so hilfsbereit. Man muss ja irgendwie etwas Gutes tun, um etwas auszugleichen. Jeder hat das Gefühl, wir sind Schuldner.
Aber die Frage ist: Wie kommt es zwischen Gott und uns zu einer Versöhnung? Es hat ja gar keinen Sinn, wenn man ein paar nette Sachen tut. Damit ist das Alte nicht ausgelöscht. Und es bleibt doch immer ein Verhältnis. Selbst wenn Gott uns die bösen Dinge vergeben würde, dann wäre doch immer wieder da, dass wir vor ihm Schuldner waren.
Die Sache muss doch ausgeräumt werden. In unserem Leben herrscht so viel Aufruhrstimmung gegen Gott, so viel Feindschaft, so viel Hass, so viel Gottlosigkeit. Paulus sagt: Darum hat Gott Christus zur Sünde gemacht, zum Anstoß, zur Schuld. Sie müssen das mal richtig verstehen, was da geschieht.
Da nimmt Gott Jesus und macht es so, als hätte Jesus das alles verbrochen. Dabei hat er gar nichts verbrochen. Er stellt ihn einfach an unsere Stelle. Dann wird gerichtet, verurteilt, abgerechnet, gebüßt, was gebüßt werden muss – und alles wird auf ihn gelegt.
Sie können sagen: Ich verstehe das nicht, und wo soll es so etwas geben? Nein, da gibt es überhaupt kein Beispiel in unserer Welt. Es ist zwar nett, wenn Sie in ein Lokal gehen und reiche Freunde haben, die Ihnen die Rechnung bezahlen. Es gibt ja manchen Tausch und manchen Wechsel. Oder es gibt Situationen, in denen ein anderer für einen einspringt. Das gibt es in unserer Welt auch.
Aber so etwas gibt es doch nicht, dass man den Falschen verurteilt. Gott muss die Sünde richten. Das muss einmal geklärt werden, weil Gott ein heiliger Gott ist. Gott sagt nicht zweimal: Zwei ist siebenundvierzig. Gott ist ganz genau, haargenau. Sünde muss gerecht gerichtet werden. Der Abfall des Menschen muss vor Gott einmal bestraft werden – so deutlich, so unübersehbar, dass wir wissen, wie furchtbar unsere Schuld ist.
Und das hat er getan in Jesus. Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht. Denn Gott will, dass Sie sich nun lösen von diesem trügerischen Leben ohne Gott. Und dass Sie Liebe haben zu ihm. Nur aus der Liebe kann die neue Gerechtigkeit kommen und das neue Verhalten.
Darum hat Gott das gemacht. Er bittet Sie: Lassen Sie sich versöhnen!
Das Wunder des Karfreitags und die Annahme der Vergebung
Das Wunderbare am Karfreitag ist, dass wir auf Jesus schauen und danken können. Wir können sagen: Du, nimm doch jetzt auch noch die Last meines Lebens weg.
Ich wälze all die Schuld, die mich anklagt, auf dich. Gleichzeitig nehme ich deine Rechtfertigung an und danke dir dafür, dass du sie mir schenkst. So kann ich Frieden haben – ganzen Frieden.
Das ist dann wirklich bewältigt, nicht nur ein Spruch bei Gott, der doch wieder hervorgeholt wird, sondern wirklich bewältigt. Keiner kann seine Sünde selbst bewältigen. Keiner kann sich von seiner Sünde lösen, sagt die Bibel.
Kann ein Neger seine Haut wandeln? Kann jemand Gutes tun, der das Böse gewohnt ist? Das geht gar nicht, wenn nicht das Wunder der Stellvertretung eintritt. Und genau das ist der Schlüssel zur Passionsgeschichte.
Auftrag und Ermutigung für die Botschafter Christi
Noch ein letztes Wort dazu: Davon muss jetzt geredet werden. Es sprach vom Für uns, vom Tausch. Davon muss nun geredet werden.
Wir sprachen ja bei diesen Predigten vom missionarischen Jahr und von unserem Zeugnis, dass wir als Christen einander und der Welt Schulden haben. Ich habe mich gefreut, wie viele von Ihnen sich haben ermutigen lassen. Ich habe einiges Echo bekommen.
Es gab teilweise turbulente Szenen. Sie haben das missionarische Jahr richtig verstanden und Gespräche bei Freunden im Haus begonnen. Natürlich gab es auch manches negative Echo – das kann ja nicht ausbleiben.
Ich möchte Sie noch einmal bitten, darauf zu achten. Und damit soll der Schluss sein: Reden Sie nicht von Christen, reden Sie nicht von Kirche, reden Sie nicht von Ihrem frommen Herzen und reden Sie nicht von Ihrer Lieblichkeit. Reden Sie vom Kreuz Jesu.
Wir sind Botschafter an Christi statt. Wir gehen in ein fremdes Land, so wie ein Botschafter in einem feindlichen Land lebt, einer ganz anderen Gesellschaftsordnung. Dort fühlt er sich als Gesandter seines Heimatlandes. So haben wir diese Predigtreihe begonnen, mit diesem Begriff des Botschafters.
Dort bittet er die Menschen nun inständig und sagt: „Ich komme an Christi statt, als wenn Christus jetzt dastehen würde mit seinen Wundmalen und mit seiner Dornenkrone, und bitte: Lass dich doch versöhnen!“
Ich hoffe, dass sie nicht als Fanatiker kommen, als schreckliche Missionare, die wie der Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn diesen stolzen Sohn da draußen bitten: Komm doch herein, das ist doch für dich da, und du musst dich doch versöhnen lassen.
Dass sie draußen der Welt und anderen Menschen nicht viel erzählen – das ist ja keine Mission, grosse Theorien zu erörtern –, sondern Menschen mit Gott zu versöhnen. Dass der Friede Gottes im Leben verzweifelter Menschen anbricht. Dass da Leute leben, traurig und einsam, und plötzlich erkennen: Gott hat mich lieb. Wirklich um Christi willen hat er den Graben überwunden, der zwischen mir und ihm liegt. Und ich darf mich freuen, weil Gott bei mir ist. Die, die in Jesus das annehmen, sagen: Ich bin versöhnt.
Und das muss man wissen. Man muss natürlich wissen, ob Gott sein Leben in Ordnung gebracht hat, ob die Schuld bewältigt ist. Dass durch ihren Dienst Menschen gewiss werden des ewigen Lebens und ihres unvergänglichen Heils.
Dazu sind sie gesandt, dass das durch ihren Dienst geschieht. Gott vermahnt durch uns. So sind wir nun Botschafter an Christi statt, stellvertretend für ihn. Nur das eine Thema haben wir.
Die politischen Fragen sind nicht unser letztes Predigtthema. Warum die gesellschaftlichen Fragen uns sehr bewegen, ist klar, aber sie sind nicht das letzte Thema. Das letzte und wichtigste Thema ist: Lasst euch versöhnen mit Gott!
Wir sagen es den Menschen: Es ist sicher nett, wenn ich dir eine Hilfe gebe. Selbst wenn ich dir tausend Mark schenke, ist das schon eine Hilfe. Und wenn ich dir eine Wohnung beschaffe, ist das mir wichtig. Aber das Wichtigste ist, dass du das Erbarmen Gottes ergreifst und dich versöhnen lässt und Gott dein Freund wird.
Ach, lass deine Todespein an uns nicht verloren sein! Amen.