Einführung und biblische Grundlage
Ich möchte zunächst noch einmal einige Verse aus Epheser 6 lesen, und zwar Vers 13: „Deshalb nehmt die ganze Waffenrüstung Gottes, damit ihr am bösen Tag widerstehen und, nachdem ihr alles ausgerichtet habt, stehen könnt.“
Und dann Vers 17: „Nehmt auch den Helm des Heils und das Schwert des Geistes.“
Anfang der fünfziger Jahre ereignete sich folgende Begebenheit in einem Waisenhaus in Oberitalien. Dort stellte sich ein etwa zwölfjähriger Junge vor dem alten Vater d’Abozzo und fragte ihn: „Papa d’Abozzo, bin ich eigentlich geboren?“
Der Alte antwortete: „Was soll das denn? So eine dumme Frage habe ich in meinem Leben noch nie gehört. Bin ich eigentlich geboren?“
„Ja“, sagte der Junge, „weißt du denn, wann ich Geburtstag habe?“
„Nein“, sagte der Alte, „das weiß ich allerdings nicht.“
„Ja“, sagte der Junge, „dann bin ich auch nicht geboren.“
„Pass mal auf“, sagte der Alte. „Das ist jetzt ungefähr zwölf Jahre her. Da hörten wir ein klägliches Wimmern vor der Tür. Wir öffneten die Tür und da lagst du, als Findelkind in deinen Windeln. Du warst vielleicht zwei oder drei Wochen alt, wir konnten es nicht mehr so genau feststellen. Wir haben dich aufgenommen, dir zu essen und zu trinken gegeben. Du bist aufgewachsen, und die Tatsache, dass du lebst, ist der Beweis, dass du auch geboren bist.“
Diese Geschichte hörte ich vor vielen Jahren auf einer Schallplatte, und ich habe sie mir sehr gut gemerkt. Für mich war sie eine der wichtigsten Geschichten meines Lebens, denn ich hatte ein Problem mit dem Helm des Heils, der Heilsgewissheit.
Das Problem der Heilsgewissheit und persönliche Erfahrungen
Ich werde jetzt nichts über die Beschaffenheit dieses Helmes sagen – das kann sich jeder selbst vorstellen. Wir haben ja auch schon Bilder davon gesehen. Stattdessen möchte ich sofort auf das Problem der fehlenden Heilsgewissheit zu sprechen kommen.
Denn ich stelle fest, auch in der Seelsorge, dass dies eines der häufigsten Probleme ist, mit denen ich konfrontiert werde. Vor allem in ernsten, bibeltreuen Gemeinden kommen Menschen auf mich zu, die es ernst meinen und es ganz genau nehmen wollen. Manchmal sogar genauer, als die Bibel es uns mitteilt. Und dennoch haben sie keine Heilsgewissheit.
Wir haben in den Beiträgen der Brüder schon einiges in diese Richtung gehört. Ich will jetzt ganz konzentriert mitteilen, wie mir klar geworden ist, dass ich Leben aus Gott habe – eben das neue Leben – obwohl ich nicht weiß, wann das bei mir begonnen hat.
Das war nämlich das große Problem. Bei mir war es so: Ich war sechs Jahre alt und bin in einer größeren Familie aufgewachsen. Ich hatte fünf Schwestern, aber keinen Bruder. Ihr könnt euch vorstellen, eine bessere Konstellation gibt es kaum – ich war der Hahn im Korb. Ich hatte eine sehr schöne Kindheit.
Eines Tages haben sich meine drei älteren Schwestern alle auf einen Schlag bekehrt. Sie waren bei einer Zeltevangelisation. Ich habe dann meine Mutter gefragt: „Wie macht man das eigentlich, sich zu bekehren?“ Sie hat es mir erklärt – so, wie sie es mir später erzählte.
Am nächsten Tag kam ich dann, so berichtete sie, aus meinem Zimmer glücklich heraus und sagte zu ihr: „Jetzt bin ich auch bekehrt.“ Meine Mutter antwortete: „Von dem Zeitpunkt an war ich ein anderer Mensch.“
Nur das Problem war: Ich konnte mich überhaupt nicht mehr daran erinnern. Ich habe immer nur gehofft, dass meine Mutter mir das genauso erzählt hat, wie es wirklich war. Und ob man bei einem Kind mit sechs Jahren so eine totale Veränderung feststellen kann – da habe ich heute durchaus meine Zweifel.
Die Suche nach den Kennzeichen der Wiedergeburt
Nun habe ich diese Angelegenheit im Hinblick auf mein Heil später vorsichtshalber noch einmal überprüft, als ich mehr Sündenerkenntnis erlangte. Dabei bin ich so vorgegangen, wie wir es immer wieder empfehlen.
Wenn es um die Sünde geht, heißt es: Erkennen, Bekennen, Hassen und Lassen. Das ist, denke ich, ein guter Spruch, der einem auch in besonderen Situationen weiterhelfen kann.
Mich beschäftigte jedoch die Frage: Was sind eigentlich die Kennzeichen der Wiedergeburt? Wie kann ich verhindern, mich im Hinblick auf meinen eigenen Zustand zu täuschen?
Paulus schreibt zum Beispiel an die Korinther: Prüft euch, ob ihr im Glauben seid. Diese Aufforderung wird von uns hier schwerpunktmäßig vertreten. Nicht jeder im Malachi-Kreis teilt diese Ansicht, aber die meisten schon. Man nennt das die sogenannte Unverlierbarkeit des Heils.
Das klang auch schon ein wenig in den Beiträgen durch. Der Teufel kann uns die Freude des Heils rauben, aber nicht unbedingt das Heil selbst, wenn die Bekehrung echt ist.
Es wird uns von anderen Geschwistern, die es ebenfalls ernst meinen und nach meinem Dafürhalten durchaus wiedergeboren sind, vorgeworfen, dass die Lehre von der Unverlierbarkeit des Heils eine große Gefahr in sich birgt. Sie sagen, dass wir es mit der Wiedergeburt, mit dem neuen Leben und mit dem Leben im Geist vielleicht etwas zu leicht nehmen und unter Umständen leichtfertig mit der Sünde umgehen.
Ich persönlich habe in unseren Schriften keine Ermutigung zu einem solchen Verhalten gefunden. Im Gegenteil: Einer der ernsthaftesten Autoren ist William MacDonald, der immer wieder auf den Ernst der Nachfolge hinweist und die Wichtigkeit eines Heiligungslebens betont, neben manchem anderen mehr.
Trotzdem müssen wir diesen Vorwurf ernst nehmen. Ich möchte versuchen, uns weiterzugeben, wie mir die Gewissheit aufgrund klarer Aussagen der Heiligen Schrift kam.
Die Heilsgewissheit im Ersten Johannesbrief
Ich entdeckte also eines Tages einen Brief im Neuen Testament, in dem direkt steht, dass er geschrieben wurde, damit wir wissen, dass wir das ewige Leben haben. An welchen Brief denke ich? Am Ersten Johannesbrief, wunderbar.
Wenn ich ab und zu eine Frage stelle, dann kommt das daher, dass ich früher Schulmeister war. Manche meinen, ich wäre das heute auch noch, aber man kann die Vergangenheit nicht ganz verleugnen. Auf jeden Fall ist es der Erste Johannesbrief, und wir schauen uns diesen Brief jetzt etwas näher an.
Ich werde nicht alles so ausführlich sagen können, weil wir ja rechtzeitig auch zum Mittagessen wollen. Aber ich habe eine kleine Schrift dabei, die heißt „Heilsgewissheit – Einbildung oder Wirklichkeit“. Darin sind die fünf Punkte, die ich nennen möchte, noch einmal kurz zusammengefasst. Es sind noch genügend Exemplare da, die man sich dann gleich besorgen kann.
Der Erste Johannesbrief fängt so an: „Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben, betrifft das Wort des Lebens. Und das Leben ist offenbar geworden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns offenbart worden ist. Was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt, und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. Und dies schreiben wir euch, damit eure Freude völlig sei.“
So beginnt dieser Brief. Jeder Psychologe würde sagen: Das ist es! Wir müssen die Leute wissbegierig machen auf das, was kommt, mit einer positiven Nachricht. Und genau das haben wir hier. Die positive Nachricht heißt hier: Wenn ihr das befolgt und begreift, worum es Johannes geht – er schreibt ja unter der Inspiration des Heiligen Geistes –, dann werdet ihr vollkommen glücklich sein, vollkommene Freude haben.
Wer möchte das nicht haben? Am Ende schreibt Johannes den Grund, warum wir so glücklich sein können: Das ist nämlich die Heilsgewissheit. Wer keine Heilsgewissheit hat, sich aber nach Gott sehnt, nach Gemeinschaft mit dem Herrn und auch eines Tages in der Ewigkeit bei ihm sein möchte, aber keine Heilsgewissheit besitzt, kann in tiefste Depression geraten. Nicht selten begegnen wir solchen Geschwistern.
Diese Stunde soll dazu dienen, zum einen denen, die vielleicht dieses Problem kennen, heute wirklich ganz froh zu machen und diese Freude auch in ihrem Leben zu bewahren. Zum anderen soll sie uns helfen, anderen, die damit zu tun haben, zu zeigen, woran wir erkennen können, ob wir den rettenden Glauben haben.
Der rettende Glaube und seine Erkennungszeichen
Wir haben eben einiges über den Glauben gehört. Den Glauben, der trägt, der uns das ewige Leben schenkt. In dem Sinne, dass wir erfassen, was der Herr getan hat, und dass wir dem Werk der Erlösung nichts hinzufügen können. Das wurde sehr deutlich im Referat von Johannes Flaum. Das Werk ist abgeschlossen, vollendet und vollständig. Aber wir müssen es im Glauben ergreifen. Und darum geht es: dass wir diesen rettenden Glauben haben.
Woran kann ich erkennen, dass ich das Heil besitze, nämlich den Heiland, den Erlöser, dass ich Christus aufgenommen habe? Darum geht es ja in der Wiedergeburt. Es geht nicht nur darum, an gewisse Aussagen der Heiligen Schrift zu glauben – das schließt das mit ein, denn wir kennen Christus nur durch die Bibel, keinen anderen Christus. Aber es geht um dieses persönliche Verhältnis zu Jesus Christus, eine echte, lebendige Beziehung zu ihm.
Wer das jetzt ausführlich behandeln möchte – das habe ich hier in diesem Traktat nicht getan –, der sollte den ersten Johannesbrief daraufhin untersuchen. Dort gibt es einige Sätze, eine ganze Reihe, die so anfangen: „Hieran erkennen wir“ oder „Hierdurch wissen wir“. Dann folgt ein Erkennungszeichen. Diese sind unterschiedlich und zeigen uns, woran wir erkennen können, ob wir es haben oder nicht, ob wir ihn vor allen Dingen haben oder nicht, ob wir gerettet sind oder nicht.
Dieses erste Erkennungszeichen wird allerdings nicht durch einen solchen Satz eingeführt. Was ich hier gelesen habe, ist Punkt eins. Das ist ungeheuer wichtig in unserer heutigen Zeit.
Die Bibel als Tatsachenbericht und die Grundlage des Glaubens
In meiner Ausbildung hatte ich sehr viel mit historisch-kritischen Theologen zu tun. Diese Menschen wollten uns weismachen, dass die Bibel eine Sammlung von Märchen, Legenden und Fabeln sei – ab und zu mit einem Wahrheitskern. Allerdings waren sie sich selbst nicht ganz einig darüber, was wirklich authentisch ist und was nicht. Es gibt die unterschiedlichsten Ansichten, die ich hier nicht alle ausführen möchte. Manchmal ist das wirklich zum Lachen, obwohl man im Grunde darüber weinen könnte.
Den Leuten wird der Glaube an die wörtliche Bedeutung der Heiligen Schrift systematisch ausgetrieben. Man kann bei diesen Menschen letztlich keinem Gotteswort vertrauen, weil man eben nicht weiß, ob es tatsächlich vom Herrn stammt. Selbst wenn es vom Herrn ist, bedeutet das für sie nicht viel, denn sie sehen Jesus nur als einen Menschen, nicht als Gottes Sohn.
Johannes legt Wert darauf, ebenso wie Paulus in seinen Beweisen für die Auferstehung (1. Korinther 15) oder Petrus in 2. Petrus 1, wo er ausdrücklich sagt, dass sie keinen Legenden oder Fabeln gefolgt sind. All diese Autoren betonen, dass die Bibel ein Tatsachenbericht ist. Sie berichten, dass sich alles wirklich so ereignet hat – sogar der Schöpfungsbericht, den der Herr Jesus ebenfalls wörtlich nahm: die Welt wurde in sechs Tagen geschaffen, und vieles mehr.
Dies wird hier durch den Augenzeugenbericht unterstrichen, besonders im Hinblick auf Thomas, den Zweifler. Er hat Jesus ja auch angefasst – der sogenannte Tastbericht wird hier zum Testbericht. Wir haben ihn angefasst, wir haben mit ihm nach der Auferstehung gegessen. Es war kein Phantom, kein Geist, keine Erscheinung und kein ekstatisches Erlebnis, sondern ein wirklicher Mensch, wenn auch in neuer Gestalt. Der neue Mensch steht in einem bestimmten Verhältnis zum alten Menschen, ist aber anders, und das wird auch beim Herrn geschildert.
Das ist das Erste: Wenn jemand Probleme damit hat, dass die Bibel wirklich Gottes Wort ist, aber er sucht ernsthaft, Gott richtig zu erkennen, dann muss er eines tun: Er muss prüfen, ob er Gottes Willen tun will. Nicht nur den Willen erkennen, sondern ihn auch tun.
Johannes 7,17 ist hier sehr wichtig; dieser Vers ist in meinem Traktat nicht erwähnt. Dort sagt der Herr Jesus: „Wer den Willen meines Vaters tun will, der wird erkennen, ob meine Lehre aus Gott ist oder ob ich aus mir selbst rede.“ Das ist der entscheidende Punkt. Es geht nämlich nicht nur um einen Erkenntnisprozess, wie in der Philosophie.
Ob ich der Philosophie von Kant, Hegel, Feuerbach, Platon oder Aristoteles folge – diese Erkenntnisse genügen mir nicht, wenn sie mein Leben nicht berühren. Ob ich zu einem Ergebnis komme, was zuerst war – Wahrscheinlichkeit oder Wirklichkeit – das kann man bei den alten Griechen nachlesen, die darüber dicke Bücher geschrieben haben. Das berührt mich nicht im Wesentlichen.
Aber wenn ich Gottes Willen tun will, dann sagt der Herr, wird er mir das Licht geben, um zu erkennen, dass er tatsächlich der verheißene Retter der Welt ist, der Messias seines Volkes Israel. Das ist der entscheidende Punkt.
Dann können wir den Leuten sagen: „Lest einmal die Bibel und vergleicht sie mit dem Tagesgeschehen, mit der Weltgeschichte und der erfüllten Prophetie.“ Tausende von Weissagungen sind bis ins letzte Detail eingetroffen.
Wenn dann die Kritiker sagen: „Man weiß doch gar nicht, ob das Buch Daniel von Daniel geschrieben wurde“, dann kann man zumindest sagen: Eines ist deutlich. Wenn etwa um das Jahr 200 das Alte Testament ins Griechische übersetzt wurde, in der berühmten Septuaginta, dann wurde auch Daniel übersetzt. Das Original muss also älter sein als die Übersetzung. Es ist also nicht ganz jung.
Im Buch Daniel wird unter anderem nicht nur über Alexander den Großen, seine Feldzüge und Nachfolger geschrieben, sondern auch das Jahr genannt, in dem Jesus, der Messias, gekreuzigt werden sollte – wenn man so will, sogar bis auf den Tag genau, fünfhundert Jahre im Voraus. Woher wusste der Mann das?
Es gibt nur eine vernünftige Erklärung: Wer aufrichtig die Wahrheit sucht, muss zu dem Schluss kommen, dass die Bibel übernatürlichen Ursprungs ist. Hier steht ein Geist über allem, der alles übersieht und auch die Macht hat, das, was er vorhergesagt hat, in die Tat umzusetzen. Er steht über allem und wird in der Heiligen Schrift als der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus beschrieben.
Wer wirklich zur Heilsgewissheit kommen will, muss hundertprozentig überzeugt sein, dass die Bibel Gottes Wort ist – nicht nur, dass sie Gottes Wort enthält. Die ganze Schrift ist vertrauenswürdig.
Wir werden demnächst, ich hoffe, dass das irgendwann noch Wirklichkeit wird, ein weiteres Buch herausgeben: Maljakreis – Faszination Bibel. Darin gehen wir ausführlich auf die prophetische Erfüllung ein.
Das Buch, das Wolfgang gestern angeboten hat, dieser dicke Wälzer, ist, glaube ich, schon ausverkauft. Es beinhaltet unter anderem „Die Bibel im Test“. Das war ebenfalls ein ziemlich dickes Buch, das ich immer sehr empfohlen habe. Der Verfasser zeigt darin auf, wie sich Gottes Wort in der Geschichte erfüllt hat.
Natürlich geht die Schrift weit darüber hinaus. Sie ist ja nicht nur ein Geschichtsbuch. Aber wir ziehen daraus den vernünftigen Schluss: Wenn Gott im Hinblick auf die Geschichte teilweise Tausende von Jahren im Voraus alles angekündigt hat und sein Wort sich so genau erfüllt, dann dürfen wir auch für die Zukunft darauf vertrauen, dass sein Wort sich genauso erfüllen wird.
Deshalb stärkt die Beschäftigung mit der prophetischen Erfüllung unseren Glauben. Wir erkennen: Unser Herr ist vertrauenswürdig. Wir dürfen wissen, was er verspricht, und er hält es auch. Wir dürfen uns auf ihn verlassen.
Damit beginnt Heilsgewissheit: Ich kann mich auf Gottes Wort verlassen und habe eine echte Basis für meinen Glauben.
Gemeinschaft mit Gott und Selbsterkenntnis als Zeichen der Wiedergeburt
Jetzt geht es weiter im ersten Kapitel. Dort kommen drei Behauptungen, die jeweils so anfangen: "Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben", "dass wir keine Sünde haben" und "dass wir nicht gesündigt haben".
Paulus sagt: Wenn wir behaupten, Gemeinschaft mit ihm zu haben und gleichzeitig in der Finsternis wandeln, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Was "wandeln in der Finsternis" bedeutet, erklärt Paulus in den anderen beiden Behauptungen.
Wandeln in der geistlichen Finsternis bedeutet, dass wir völlig blind sind in Bezug auf unseren natürlichen Zustand. Ich gehe davon aus, dass viele von uns das Landleben kennen und auch den Unterschied zwischen einem Schwein und einem Schaf, wenn beide in eine Pfütze fallen. Wer kann mir den Unterschied erklären?
Das Schwein bleibt drin; ja, da fühlt es sich wohl – alle einverstanden? Ja, in Afrika ist es genau dasselbe. Das Schaf dagegen will raus. Manchmal muss man dem Schaf dabei helfen, denn es kommt nicht von alleine heraus. Mancher Christ braucht einen Seelsorger, damit er aus dem Schmutz der Sünde wieder herauskommt.
Was will ich damit sagen? Wenn wir wiedergeboren sind, werden wir als Schafe des guten Hirten bezeichnet. Ihr kennt all die Bibelstellen dazu; ich brauche sie jetzt nicht zu zitieren. Als Schafe des guten Hirten können wir auch in Sünde fallen. Der Römerbrief lehrt das sehr deutlich, besonders Römer 6, und auch Galater 5 unterstreicht den Kampf zwischen Fleisch und Geist, den du eben erwähnt hast.
Wir sind von der Macht der Sünde befreit, aber noch nicht von der Gegenwart der Sünde. Von der Gegenwart der Sünde werden wir erst befreit, wenn wir bei Jesus sind, in der Herrlichkeit. Dort können wir nicht mehr sündigen. Deshalb wissen wir, dass wir auch im neuen Zustand, im neuen Leib, immer bleiben werden. Die Möglichkeit, in der Herrlichkeit abzufallen, ist nicht gegeben.
Hier auf der Erde können wir noch wieder in Sünde geraten. Wenn jemand sagt: "Ich bin so heilig, ich kann nicht mehr sündigen", dann zeigt das, dass er überhaupt kein geistliches Unterscheidungsvermögen im Hinblick auf den alten Menschen, die alte Natur, hat.
Wir haben in der Wiedergeburt eine neue Natur erhalten – Gott sei Dank! Aber die alte Natur ist noch da. Wir haben jetzt zwei Naturen. Das berühmte Bild vom Adler und dem Hund, die ineinander gekettet sind, beschreibt diesen Kampf. Ihr könnt das im Buch von Eberhard Platte nachlesen, wie diese beiden Naturen miteinander kämpfen.
Damit haben wir zu tun. Ein Kennzeichen des Wiedergeborenen ist, dass er erkennt: Auch wenn ich das neue Leben durch den in mir wohnenden Heiligen Geist erhalten habe und nicht mehr sündigen muss, stehe ich nicht mehr unter dem Zwang zu sündigen. Trotzdem kann es mir passieren – und es passiert uns wahrscheinlich jeden Tag –, weil wir nicht sorgfältig genug mit dem Herrn leben, dass wir immer wieder in Sünde geraten.
Deshalb steht als Kennzeichen für den Wiedergeborenen zwischen diesen Versen der berühmte Vers 9. Dieser Vers ist nicht als Trostvers gemeint, so wie Paulus in Römer 6 fragt: Wenn das so ist, ist die Gnade größer als unsere Schuld, also wollen wir tüchtig schuldig werden, damit die Gnade sich noch mehr entfalten kann. Nein, sagt Paulus, das ist fast ein gotteslästerlicher Gedanke.
Dieser Vers ist für Leute gemeint, die unter ihrer Schuld seufzen, die das erkannt haben und denen das Leid tut. Wie heißt dieser Vers? Ich denke, wir alle kennen ihn, wenn wir unsere Sünden bekennen. Aber wir können sie nur bekennen, wenn wir sie erkennen. Und das ist das Zeichen des neuen Menschen: Der neue Mensch erkennt das.
Der neue Mensch weiß auch, zu wem er gehen darf, um es zu bekennen. Auch Judas Iskariot hat seine Schuld erkannt. Aber er hatte nicht das Vertrauen zu seinem Herrn, dass der Herr ihm vergeben würde. Er hat sich selbst gerichtet. Als Petrus seine Schuld erkannte, wohin schaute er? Er schaute zum Herrn, und der Herr schaute zu ihm. Dann ging er hinaus und weinte bitterlich.
Petrus hat sofort den Blick auf Jesus gerichtet. Er wusste die richtige Blickrichtung. Darum geht es auch in der Seelsorge immer wieder: auf die Möglichkeiten unseres Herrn hinzuweisen. Das ist das alles Entscheidende.
Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht. Treu, weil er die Verheißung gegeben hat, und gerecht, weil er dafür den Preis bezahlt hat. Für dieselbe Schuld wird nicht zweimal gebüßt. Wenn Gott den Preis seines Sohnes angenommen hat, brauchen wir den Preis nicht mehr zu bezahlen. Aber wir müssen es bekennen, es ihm sagen.
Dann heißt es, dass er uns die Sünde vergibt und uns reinigt. Das ist das Schaf, das jetzt aus der Pfütze wieder herauskommt. Es wird gereinigt, bekommt wieder neue Gemeinschaft mit Gott und neue Freude des Heils. Darum geht es hier.
Das heißt: Das zweite Erkennungszeichen eines wiedergeborenen Menschen ist die rechte Selbsterkenntnis – die rechte Selbsterkenntnis.
Das tägliche Selbstgericht und die Bedeutung der Selbsterkenntnis
Gott sei Dank, wir sind angenommen, aber wir sind immer noch der Versuchung ausgesetzt. Deshalb gibt es auch den Kampf, der uns auferlegt ist, und die Waffenrüstung Gottes. Wir brauchen seine Hilfe, denn aus eigener Kraft schaffen wir es nicht.
Wir schauen auf den Herrn, und wenn wir gefallen sind, bekennen wir es ihm. Besser ist es natürlich, wenn wir nicht so oft fallen, sondern mehr und mehr Siege erringen und die Niederlagen seltener werden.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber bei mir ist es so: Je älter ich werde, desto misstrauischer werde ich im Hinblick auf meine alte Natur. Früher hielt ich mich für widerstandsfähiger und hatte eine viel bessere Meinung von mir selbst. Manchmal denke ich, eigentlich dürfte ich überhaupt nicht hier stehen.
Das ist wirklich nur Gottes Gnade. Ich nehme an, dass es euch vielleicht ähnlich geht: Gott öffnet uns immer mehr den Blick, auch für Dinge, die ihm nicht gefallen. Früher haben wir manche Dinge getan, ohne uns überhaupt Gedanken darüber zu machen. Der Heilige Geist führt uns weiter und will uns davon freimachen.
So stehen wir in diesem Kampf bis an unser Lebensende. Dabei erleben wir manche Befreiung, die uns wirklich froh macht, sodass wir über den Sieg jubeln, den der Herr gegeben hat. Doch es gibt auch Rückschläge, bei denen wir merken, dass die alte Natur immer noch da ist.
Wir brauchen weiterhin die Hilfe unseres Herrn, den Blick auf ihn und seine Möglichkeiten. Paulus sagt: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark, weil die Kraft Gottes in mir wirkt.“
Wir wollen nicht behaupten, dass wir keine Sünde haben. Dabei geht es um die Wurzel alles Bösen, die in uns wohnt: die Sünde. Ebenso wollen wir nicht sagen, dass wir nicht gesündigt haben. Hier geht es um das Ergebnis der Wurzel alles Bösen: die Tatsünden.
Wir sündigen in Gedanken, in Worten, in Taten und auch durch Unterlassung. Wer nun weiß, Gutes zu tun, und es nicht tut, dem ist es Sünde. Wie viel hätten wir für den Herrn tun können, was wir einfach nicht getan haben!
Wir leben jeden Tag von seiner Vergebung. Aber, ihr Lieben, wenn ich die Bibel richtig verstehe, ist genau das das, was den Herrn besonders freut: dass Menschen immer wieder erkennen, dass sie ihn brauchen.
„Ich brauche dich allezeit, du gnädiger Herr, ich kann nicht ohne dich leben und ich will auch nicht ohne dich leben.“ Immer wieder kommen wir zu ihm. Wenn wir unsere Sünde erkennen, warten wir nicht bis zum Abend, sondern bekennen sie sofort. So wird die Gemeinschaft wiederhergestellt.
Ich genieße Christus, und er kann durch mich hindurch zu anderen sprechen, sodass andere in mir etwas von ihm erkennen. Das ist das Zweite, was wir hier finden: rechte Selbsterkenntnis.
Unsere Väter bezeichneten das als das tägliche Selbstgericht. Diesen Ausdruck hört man heute nicht mehr so häufig, aber ich glaube, dass er die Sache sehr gut beschreibt.
Ich stelle mich auf die Seite Gottes, wenn ich erkenne, wo ich gesündigt habe, und verurteile mein Fehlverhalten. Ich bekenne es dem Herrn und danke ihm, dass er auch dafür den Preis bezahlt hat. Ich gebe Gott Recht in seinem Urteil über das, was ihm nicht gefallen hat – das tägliche Selbstgericht.
Wir wollen uns jetzt fragen, jeder für sich persönlich: Ist das eine Erfahrung, die ich wirklich täglich mache? Ist mir das ein Anliegen, dass, wenn Sünde in mein Leben gekommen ist, ich die Sache möglichst schnell in Ordnung bringe?
Vertraue ich dem Herrn, dass er mir vergibt, selbst wenn ich zum hundertsten Mal unter Umständen in dieselbe Geschichte hineingeraten bin?
Ermutigung zur Vergebung und Fortschritt im Glauben
Da fällt mir eine schöne Geschichte von William Macdonald ein, dessen Andachtsbuch ich bei der Gelegenheit wärmstens empfehlen möchte: „Täglich Ja – Licht für den Weg“. Vielen Dank dafür!
In diesem Buch beschreibt er einen Bruder, der ebenfalls ein Problem hatte. Er war an eine bestimmte Gebundenheit gefesselt. Es wird nicht genau gesagt, worum es sich handelte, was ich sehr passend finde, denn Gebundenheiten sind ja unterschiedlich.
Eines Tages fiel dieser Bruder wieder in diese Gebundenheit und war sehr traurig. Er fragte sich, ob der Herr ihm überhaupt noch vergibt, da er ihm das schon so oft gestanden hatte und es ihm jetzt wieder passiert war.
Dann träumte er. Grundsätzlich bin ich kein Verfechter von Traumdeutungen, aber in diesem Fall glaube ich tatsächlich, dass der Herr zu ihm gesprochen hat. Im Traum erschien ihm der Herr, und er erinnerte sich an das, was ihm am Vortag widerfahren war. Im Traum sagte er: „Ach Herr, jetzt ist mir das schon wieder passiert.“
Daraufhin fragte der Herr: „Was ist dir wieder passiert?“ Er wachte auf und dachte darüber nach, was der Herr ihn gefragt hatte. Da fiel ihm ein, dass der Herr gesagt hatte: „Alle deine Sünden habe ich hinter meinen Rücken geworfen“ oder „Ich werde deiner Sünden nicht mehr gedenken. Sie sind getilgt, wie der Nebel verschwindet, wenn die Sonne kommt.“
Oder: „So weit der Osten ist vom Westen, habe ich von dir entfernt deine Übertretungen“ oder „Ich habe sie in die tiefsten Tiefen des Meeres versenkt.“ Endgültig erledigt, so verstand er es.
Aus diesem Erlebnis zog er jedoch nicht den Schluss, leichtfertig mit der Sünde umzugehen und zu denken: „Der Herr vergibt immer.“ Es geht hier nicht um einen sorglosen Umgang mit der Sünde, sondern um Menschen, die Fortschritte machen wollen.
Die Heiligung soll sie immer stärker kennzeichnen. Sie sollen mehr und mehr ablegen, was in 1. Petrus 2 und Kolosser 3 beschrieben wird, nämlich das, was wir ablegen müssen, um dann das andere anzuziehen.
Allerdings erleben sie auf diesem Weg auch Rückschläge. Dabei ist wichtig, dass sie nicht verzweifeln, nicht aufgeben und nicht resignieren. Der Herr schenkt immer wieder einen Neuanfang, wenn wir es ihm aufrichtig bekennen.
Das ist das Zweite.
Gehorsam als Zeichen der Wiedergeburt
Jetzt das Dritte, in 1. Johannes 2,3: Dort beginnt ein Satz, wie ich ihn eingangs schilderte: „Hieran wissen wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten.“
Wenn ich das Vorrecht habe, einen Menschen zum Herrn zu führen oder in der Evangelisation tätig bin, betone ich sehr stark, dass ein Mensch noch nicht wiedergeboren wird, wenn er den Heiland annimmt. Er muss auch den Herrn annehmen. Es geht um einen Herrschaftswechsel.
Das wird nicht von allen Völkern so gesehen, ich kann es aber in der Schrift nicht anders verstehen. Denn die entscheidende Frage, wenn es um die Ewigkeit geht, wird auch in der Bergpredigt am Ende deutlich: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr, wird in das Reich der Himmel eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut.“
Das ist der entscheidende Punkt. Und dazu muss ich bereit sein: die Herrschaft Jesu anzuerkennen. Wir haben eben von den zwei Bereichen gehört – aus dem Bereich der Finsternis und aus dem Bereich des Sohnes seiner Liebe, so wird es an einer Stelle ausgedrückt. Habe ich den Wunsch, den festen Willen Gottes zu tun?
Wenn das so ist, werde ich ein eifriger Bibelleser sein. Wenn mir jemand sagt: „Ja, natürlich, ich will Gottes Willen tun, ich bin jederzeit dazu bereit“, aber er schaut nicht in die Bibel hinein oder erkundigt sich gar nicht nach dem Willen Gottes, dann ist das für mich ein Schwätzer. Der Mensch ist nicht glaubwürdig.
Wenn ich den Willen Gottes tun will, dann schaue ich in Gottes Wort hinein, um diesen Willen Gottes kennenzulernen. Der Wille Gottes heißt meine Heiligkeit, so heißt es in 1. Thessalonicher 4,3. Es heißt auch, dass der Wille Gottes ist, dass wir in allen Dingen Gott danken (1. Thessalonicher 5). Weiterhin ist es der Wille Gottes, dass wir durch Gutes tun das Unverständnis oder die Unwissenheit der unverständigen Menschen zum Schweigen bringen (1. Petrus 2).
Das steht direkt in Verbindung mit dem Willen Gottes. Und natürlich gibt es viele, viele andere Dinge, in denen uns der Wille Gottes mitgeteilt wird. Ist uns das ein Anliegen?
Die Bedeutung des Willens Gottes im Alltag
Wer ist unter uns so zwischen dreißig und vierzig Jahre alt? Ihr könnt euch ruhig melden, ich stelle euch keine persönliche Frage. Mich interessiert das nur, denn es sind nicht allzu viele.
Könnt ihr euch daran erinnern, als ihr zwischen 15 und 20 wart? Damals gab es eine Bewegung, die aus Amerika zu uns herüberkam. Die jungen Leute in diesem Alter trugen ein Bändchen am linken Handgelenk, auf dem vier Buchstaben standen. Wer kann sich daran erinnern? Aha, eine ganze Reihe – das ist ein gutes Zeichen.
Diese vier Buchstaben hatten natürlich eine Bedeutung in Englisch, die auf Deutsch so lautet: „Was würde Jesus an meiner Stelle tun?“ Darum ging es. In jeder Lage sollte man fragen: Was würde er jetzt tun? Wie würde er reagieren?
Ich habe den jungen Leuten gesagt: Was Besseres könnt ihr überhaupt gar nicht tun. Natürlich geht es nicht nur um das Bändchen am Handgelenk. Es muss auch im Herzen sein und euch ständig leiten. Aber ich denke, dass sie das auch so meinten.
„Was würde Jesus an meiner Stelle tun?“ Er sagt: „Meine Speise ist es, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat“, also den Willen Gottes. Nach dem Willen Gottes zu fragen, ist ein ganz entscheidendes Kennzeichen dafür, ob mein Glaube echt ist, ob dieser Glaube mich wirklich durchdringt und ob ich meines Heils gewiss sein darf.
Liebe zu den Brüdern als weiteres Kennzeichen
Ein Viertes
Es geht jetzt immer schneller vorwärts in Kapitel drei. Dort heißt es, Vers 14: „Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder lieben.“ Das ist eine tolle Aussage.
Nun könnte es in der Brüderbewegung sein, dass einige Brüder das so auslegen, dass sie sagen, die Brüderbewegung sei damit gemeint. Schließlich nennen wir uns selbst „die Brüder“ – so ein Schlagwort unter uns. Wir merken natürlich, dass Johannes nicht an die Brüderbewegung gedacht hat, sondern an alle Brüder und Schwestern im Herrn, also an die Liebe untereinander.
Ich bin in einem Kreis groß geworden, der sich ziemlich abgeschottet hat von anderen Christen. Wir hatten sehr wenig Kontakt mit anderen Gläubigen. Ich hatte an meinem Auto damals einen großen Spruch, den ich selbst gemalt habe: „Jesus, dein Retter oder dein Richter?“ Oft wurde ich dann gefragt, zum Beispiel auf Autobahnraststätten. Ein Auto hielt neben uns, jemand stieg aus und fragte: „Hören Sie mal, glauben Sie auch das, was da auf dem Schild steht?“ „Ja, natürlich“, antwortete ich. Dann stellte sich heraus, dass das ein Glaubensbruder war. Den habe ich auch nicht gefragt, ob er zur Versammlung gehört. Er war ein Bruder in Christo oder eine Schwester. Und wir waren sofort ein Herz und eine Seele.
Diese Herzensgemeinschaft, von der wir gerade gehört haben – sie ist zwar dort etwas anders gemeint, aber ich denke, wir erleben sie auch hier. Denn uns verbindet der gemeinsame Herr, der gemeinsame Glaube, das gemeinsame Heil, der gemeinsame Weg und das gemeinsame Ziel.
Im Himmel werden wir mit Sicherheit nicht alle in unterschiedlichen Räumen untergebracht sein, jede Gemeinschaft für sich, und ab und zu alle hundert Jahre besuchen wir uns mal. Nein, ich sehe in der Offenbarung keine Abteilungen, sondern die große Menge, die alle zusammen den Herrn erheben. Wie es im Einzelnen sein wird, können wir uns überraschen lassen. Aber diese Einheit in Christus sollte heute schon sichtbar werden.
Was heißt es denn, die Brüder zu lieben? Zunächst einmal denke ich, dass wir gute Gefühle füreinander haben. Gefühle werden in unseren Kreisen in der Regel nicht besonders positiv gesehen, und wenn sie an erster Stelle stehen, ist das auch berechtigt. Der Glaube fußt nicht in erster Linie auf dem Gefühl, sondern auf Tatsachen.
Es gibt noch ein schönes Bild von Wotschmanni in seinem sehr lesenswerten Werk „Über den Römerbrief“. Das normale Christenleben wird ja über den Römerbrief dargestellt. Er beschreibt das Bild, wie drei Männer über eine hohe, schmale Mauer laufen: Der erste Mann heißt Mr. Tatsache, dann der zweite hinter ihm Mr. Glaube, und der dritte hinter ihm Mr. Erfahrung – man kann auch sagen Mr. Gefühl, auch wenn das nicht ganz dasselbe ist. Wir sagen jetzt mal Mr. Gefühl.
Mr. Tatsache läuft immer schnurstracks, ohne rechts und links zu schauen, ohne zu wanken und zu schwanken. Mr. Glaube hält sich nah an ihn, ebenfalls ohne Schwanken oder Probleme, solange er auf den Vordermann schaut, also auf die Tatsachen. Ich erinnere an Punkt eins: Die Bibel ist ein Tatsachenbericht.
Aber plötzlich fällt Mr. Glaube ein: „Da müsste doch noch einer hinter mir laufen, wo bleibt denn Mr. Gefühl?“ Er schaut sich um und fällt herunter. So ist es, wenn uns das Gefühl das Wichtigste im Leben wird: Wir werden schwankend wie ein Rohr. Wenn wir aber auf die Tatsachen schauen, brauchen wir keine Angst zu haben, dass der Hintermann uns verlässt – der bleibt dabei.
Wenn ich im Glauben festhalte, dass ich gerettet bin für Zeit und Ewigkeit, dann hält mich der Herr fest! Wenn es bis zum Ende gut geht, dann nicht wegen meiner Treue, meinen Anstrengungen oder meinen tollen Ideen, sondern weil er mich bewahrt. Es ist die Bewahrung Gottes, die mich ans Ziel bringt. In dem Maße, wie ich das im Glauben erfasse, bin ich auch ein froher Mensch.
Froh sein, glücklich sein ist ein Gefühl, aber dieses Gefühl basiert auf Tatsachen – das ist der entscheidende Grund. Also, wenn ich meine Brüder liebe, denke ich auch gut über sie. Aber das ist natürlich nicht allein die Bruderliebe.
Das wird nun im ersten Johannesbrief, also in vielen Facetten, mitgeteilt. Der Hauptinhalt dieses Briefes ist die Bruderliebe und wie sich diese auf allen möglichen Gebieten zeigt. Ich kann hier nicht in alle Einzelheiten gehen, das kann aber jeder selbst nachlesen.
Das ist eine der einfachsten Botschaften. Es gibt auch einige Aussagen im ersten Johannesbrief, die nicht so einfach zu verstehen sind. Aber wenn es um die Bruderliebe geht, kann das jeder verstehen. Ob wir sie allerdings praktizieren, ist eine andere Frage.
Bruderliebe bedeutet, dass wir erkannt haben, dass alle, die den Herrn angenommen haben, unsere Brüder und Schwestern sind. Nicht nur solche aus meinem Gemeindeverband oder der Ortsgemeinde, sondern auch andere, die ihre Heimat woanders sehen. Ob sie am „richtigen“ Platz sind oder nicht, ist nicht unsere Sache zu beurteilen – das dürfen wir Gott überlassen.
Aber auch sie sind unsere Brüder und Schwestern, sofern sie wirklich im lebendigen Glauben an Jesus Christus stehen. Wenn einer dieser Brüder oder Schwestern zum Beispiel Schwierigkeiten bekommt und wir davon hören, dann sagen wir nicht: „Ach, der gehört doch zur Kirche, dafür wird der Pfarrer bezahlt, der sollte ihn mal im Krankenhaus besuchen.“ Vielleicht ist der Pfarrer ungläubig.
Ich kenne diese Person und weiß, sie braucht jetzt jemanden, der mit ihr betet, vielleicht Gottes Wort liest, ein Wort des Trostes spricht. Dann ist es mir vollkommen egal, zu welcher Gemeinschaft sie gehört. Er oder sie gehört zum Leib Christi. Er ist ein Teil des Leibes, zu dem ich auch gehöre.
Wir sind miteinander verbunden durch den Heiligen Geist, und unser gemeinsames Haupt in der Herrlichkeit ist unser Herr Jesus Christus. Also gehe ich zu ihm hin.
Wir hatten bei uns in der Nachbargemeinde, in der Kirchgemeinde, einen gläubigen Pfarrer. Er hatte nur ungläubige Presbyteren. Das ist aber eine Kirchengemeinde, da war schon damals der alte Funke drin. Und die Tradition ist bis heute, dass es immer einen gläubigen Pfarrer geben muss – auch wenn die Presbyteren total ungläubig sind. Das haben sie bis heute so geschafft, aber die gläubigen Pfarrer haben es dort sehr schwer.
Manchmal kam der Pfarrer zu mir hoch. Die Kirchengemeinde war unten im Tal, wir wohnten oben auf dem Berg – das will ich jetzt nicht symbolisch deuten. Er weinte sich bei mir aus. Seine Probleme hat er mit mir geteilt, und ich habe sie natürlich für mich behalten. Aber wir konnten uns durch Gottes Wort trösten und aufrichten.
Ich habe ihn immer bemitleidet und gesagt: „Der arme Mann, was hat der für einen schweren Auftrag.“ Aber er hat es so vom Herrn gesehen. Ich habe es Gott überlassen, das letzte Urteil darüber zu sprechen. Ob er auf Dauer dort bleibt, wird sich zeigen.
Aber das ist unser Auftrag: Dass der Herr uns diesen Blick wieder schenkt, für die Kinder Gottes, die uns brauchen. Und wir können uns nur gebrauchen lassen, wenn wir selbst solche sind, die im Glauben stehen, selbst Heilsgewissheit haben.
Und noch einmal ganz klar: Nicht, weil wir so tolle Leute sind, nicht, weil wir so viel geschafft haben oder ein großartiges Lebenswerk vollbracht haben, sondern weil wir der Treue unseres Herrn vertrauen.
Jeder einzelne Gläubige ist ein Geschenk des Vaters an seinen Sohn – ungeheuer wertvoll in Gottes Augen. Es gibt im gesamten Weltenuniversum nichts Wertvolleres für Gott als uns.
Das soll uns allerdings nicht überhöhen in unserer Einbildung. Wir sind so wertvoll, weil Christus in uns wohnt durch seinen Heiligen Geist. Wir sind wertvoll durch das, was er aus uns gemacht hat und noch machen wird, wenn wir in der Herrlichkeit sind.
So dürfen wir einander sehen. Und wenn wir so die Geschwister sehen – und das fängt natürlich mit der Ortsgemeinde an – ist es manchmal leichter, einen zu lieben, der weit weg ist, eine platonische Liebe, als den, der uns ganz nah ist, der neben uns sitzt. Vielleicht fängt es da an.
Aber wenn wir anfangen, uns so zu sehen als die Geliebten des Vaters, und untereinander Gutes zu tun, dann, ihr Lieben, ist das ein Kennzeichen dafür, dass wir den Geist Gottes in uns haben und wiedergeboren sind.
Überwindung der Welt als letztes Kennzeichen
Und das letzte Kennzeichen finden wir dann in Kapitel 5. Unser Bruder Kurt Philipp hat das heute Morgen bereits erwähnt. Es geht darum, dass der, der wiedergeboren ist, in Vers 4 die Welt überwindet.
Was bedeutet das? Die Welt, die in Kapitel 2 beschrieben wird, umfasst das, was in der Welt ist: die Lust der Augen, die Lust des Fleisches und den Hochmut des Lebens. Wir kennen das schon aus der Geschichte von Adam und Eva, wo die erste Versuchung des Teufels stattfand. Diese Welt ist nicht mehr unser Maßstab. Auch unsere Lebensführung wird nicht von der Welt bestimmt.
Das heißt zum Beispiel ganz praktisch: Wenn wir befördert werden und plötzlich mehr Geld bekommen, bedeutet das nicht, dass wir sofort daran denken, unsere Polstergarnitur durch eine neuere zu ersetzen, mehr Urlaub zu machen oder uns sonstige materielle Wünsche zu erfüllen. Stattdessen überlegen wir, warum uns der Herr jetzt mehr irdische Güter anvertraut. Natürlich erkennt der Geistliche sofort, dass dies dazu dient, sein Werk zu unterstützen.
Im Hinblick auf solche Sammlungen hier und anderes ist das ein sehr hilfreicher Gedanke. Ich sage das jetzt ein bisschen humorvoll, aber ich kenne Leute, die so leben. Wolfgang, wir waren selbst in Freizeiten in der Schweiz, war ein Bruder, ein sehr reicher Mann damals, der sehr bescheiden lebte. Er war für uns ein großes Vorbild.
Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich mehr darüber erzählen. Wer mehr wissen möchte, kann mich gerne persönlich ansprechen. Ich denke heute noch mit großer Hochachtung an diesen Bruder und seine Familie. Er hätte sich alles erlauben können, hat aber gerade dadurch, dass er so bescheiden lebte, viel bewirkt. Er war der Hauptlieferant von Weizen für die Russen, wenn diese eine Missernte hatten.
Er kam mit den russischen Ministern ins Gespräch, weil er in Touristenklasse flog. Die Russen konnten nicht verstehen, wie ein reicher Mann nicht mit seinem eigenen Jet anreist. Dann erzählte er ihnen von seinem Herrn, der ganz anders lebte. So kamen sie ins Gespräch.
1959, das habe ich persönlich von ihm gehört, sagte der Minister schon zu ihm: „Wir Russen, wir Atheisten, wir Kommunisten, wir sind am Ende. Wir wissen nicht mehr weiter, unsere ganze Ideologie ist gescheitert. Habt ihr etwas Besseres zu bieten?“ Das war dreißig Jahre bevor der Vorhang fiel. Schon 1959 hat er das gesagt.
Also: Die Welt überwinden bedeutet, dass wir etwas Besseres haben. Wir lassen uns nicht von der Welt vorschreiben, was wir zu tun haben – sei es in Mode, Essgewohnheiten, Freizeitgestaltung oder Beschäftigung und so weiter. Damit will ich nicht sagen, dass all das tabu ist, aber die Welt ist nicht unser Maßstab.
Christus ist unser Maßstab. Christus ist unser Gesetz. Was gefällt ihm?
Zusammenfassung der fünf Erkennungszeichen
Ich fasse fünf Erkennungszeichen zusammen. Wenn wir sie bei uns entdecken, dürfen wir wissen, dass wir das neue Leben haben – selbst wenn wir den Tag unserer Bekehrung nicht mehr genau wissen. Denn der Mensch, der nicht wiedergeboren ist, kann diese Dinge nicht erbringen.
Das erste Kennzeichen ist ein neues Verhältnis zur Bibel. Sie ist kein Märchenbuch und kein verstaubtes Buch. Sie ist Gottes lebendiges Wort und meine tägliche Nahrung.
Das zweite Erkennungszeichen ist eine neue Einsicht im Hinblick auf mich selbst. Ich gerate durch Gottes Gnade, aber ich bleibe versuchlich. Ich lebe immer noch von der Vergebung des Herrn und übe täglich Selbstgericht.
Das dritte Kennzeichen ist der Wille Gottes. Ich will ihm gefallen, denn ich gehöre ihm. Paulus schreibt den Korinthern: „Ich bin erkauft durch einen Preis. Verherrlicht nun Gott in eurem Leib.“
Das vierte Kennzeichen ist ein neues Verhältnis zu den Kindern Gottes. Da sind nicht mehr die Naiven. Wie neulich zwei Busfahrer sich unterhielten: Sie machten Kaffeefahrten, und der eine sagte zum anderen: „Du, neulich hatte ich Christen bei mir, und da hat der Erste gefragt: Woran hast du das denn erkannt?“ „Ja“, sagt er, „die haben ja alles geglaubt, was ich ihnen erzählt habe.“ Das war in seinen Augen ein Christ. Aber so sind wir eben nicht. Wir wissen, warum wir glauben. Wir schätzen auch die anderen Christen und suchen ihnen Gutes zu tun.
Das fünfte Kennzeichen ist ein neues Verhältnis zur Welt. Die Welt regiert nicht mehr über uns und bestimmt nicht mehr, was wir zu tun haben. Stattdessen fragen wir den Herrn, was ihm gefällt.
Wenn wir in dieser Weise mit dem Herrn leben und unseres Heils gewiss werden, dann lässt die Freude nicht lange auf sich warten. Wenn uns dann die Freude am Herrn, die Freude an seinem Wort und die Freude an den Geschwistern erfüllt, kommen Menschen auf uns zu und fragen uns, wie Petrus es sagte (1. Petrus 3), wegen der Hoffnung, die in uns ist.
Wenn wir das Wort weitergeben, haben wir aufmerksame Hörer. Das wünsche ich uns von ganzem Herzen.