Herzlich willkommen zum Podcast der EFA Stuttgart mit Thomas Powileit und Jörg Lackmann.
Unser Podcast möchte dazu anregen, das Christsein praktisch zu leben und zugleich zum theologischen Nachdenken einladen.
Der erste volle Tag auf Erden für den Menschen war ein Ruhetag. Dieses Prinzip zieht sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch. Aktivität und Ruhe wechseln sich ständig ab. Doch die Quelle für ein gelingendes Leben ist immer die Ruhe in Gott.
Ein Podcast also für die Alltagshektiker dieser Zeit. Die moderne Welt scheint sich immer schneller zu drehen. Tipps und Angebote zu Ruhe und Achtsamkeit nehmen stetig zu. Dennoch scheinen sie das Karussell des Lebens nicht verlangsamen zu können. Oder wie siehst du das, Jörg?
Ja, irgendwie habe ich das Gefühl, die Welt ist da ein bisschen aus dem Tritt geraten. Das Karussell stoppt nicht, sondern wird eher noch schneller. Ich möchte heute punktuell ein paar Ereignisse aus der Weltgeschichte aufgreifen. Die sind mir in meinem Andachtsbuch von Stefan Kiene aufgefallen. Er ist Leiter der Klostermühle und hat immer wieder Themen rund um Ruhe behandelt.
Ich habe gemerkt, dass sich diese Gedanken verbinden, und habe gesagt, machen wir da mal etwas daraus. Wie heißt das Buch?
Das heißt „365 Wegweiser“ und ist beim Hensler Verlag erschienen.
Dann leg mal los. Was ist dir daraus wichtig geworden?
Eine Bemerkung, ich weiß gar nicht, ob ich die genau so gelesen habe: Der erste volle Tag der Menschheit war ein Ruhetag. Adam und Eva wurden am sechsten Tag erschaffen, und der Sabbat war der erste volle Tag, den die Menschheit erlebt hat.
Das stimmt. Und es heißt nicht, dass Ruhe und Muße das Einzige im Leben sind, denn es gibt ja sechs Arbeitstage. Aber begonnen hat es in der Schöpfung mit dem Ruhetag. Dieses Prinzip, dass sich Aktivität und Ruhe abwechseln, ist wichtig. Die Quelle ist die Ruhe und das Zusammensein mit Gott. Das zieht sich eigentlich überall durch.
Dazu möchte ich jetzt vier, fünf Beispiele bringen und etwas näher darauf eingehen. Teilweise zitiere ich dann auch aus dem Andachtsbuch. Dabei soll ich möglichst nicht dazwischenreden.
Beim Zitieren darfst du aber immer dazwischenreden. Es ist ja jemand anderes, der spricht, bei mir ist das etwas anderes.
Aber nein, wenn die Frage ist, dann gerne immer.
Also: Adam wurde am sechsten Tag erschaffen, der siebte Tag war der Ruhetag. Mose war auch 40 Jahre in der Wüste – man kann sagen, das war eine Vorbereitung. Gott hat offensichtlich Zeit, und er setzt auch Pausenzeiten im Leben.
Das Erste, was ich jetzt machen möchte, ist, dass wir in 2. Mose 24 hineingehen. Dort wird das Gesetz verabschiedet. Mose geht mit den Ältesten und mit Aaron auf den Berg Sinai und erhält dort die Gesetzestafeln.
Davor wird der Bund geschlossen. Bevor die Gesetzestafeln kamen, wurde erst der Bund unten am Fuß des Berges geschlossen. Dann steigen die Ältesten hinauf und sehen den Gott Israels. Das lese ich mal vor, weil ich das immer so schön finde:
Da stiegen Mose und Aaron, Nadab und Abihu sowie siebzig von den Ältesten Israels hinauf, und sie sahen den Gott Israels. Unter seinen Füßen war es wie ein Gebilde von Saphirplatten, so klar wie der Himmel selbst. Und er legte seine Hand nicht an die Auserwählten der Kinder Gottes. Sie schauten Gott und aßen und tranken. (2. Mose 24,9-11)
Wir denken ja oft, dass das Gesetz etwas Negatives ist, etwas, das man halten muss. Aber begonnen hat es mit einem Bund, mit Opfern und mit Feiern. Sie aßen und tranken alle zusammen mit Gott, und erst danach kam das Gesetz.
Dann geht es weiter: Die Ältesten bleiben jetzt auf dieser mittleren Ebene im Berg. Gott spricht zu Mose und sagt: „Steige zu mir herauf auf den Berg und bleibe dort. So will ich dir die steinernen Tafeln geben, das Gesetz und das Gebot, das ich geschrieben habe, um sie zu unterweisen.“
Da machte sich Mose auf, zusammen mit seinem Diener Joshua, und stieg auf den Berg Gottes. Zu den Ältesten aber hatte er gesagt: „Erwartet uns hier, bis wir wieder zu euch kommen. Seht, Aaron und Hur sind bei euch. Wer eine Angelegenheit hat, der wende sich an sie.“
Als Mose auf den Berg stieg, bedeckte eine Wolke den Berg, und die Herrlichkeit des Herrn ruhte auf dem Berg Sinai. Die Wolke bedeckte ihn sechs Tage lang. Am siebten Tag aber rief Gott Mose von der Wolke aus zu.
Die Herrlichkeit des Herrn war vor den Augen der Kinder Israels sichtbar. Sie sahen von ganz unten, wie ein verzehrendes Feuer oben auf dem Gipfel des Berges brannte. Mose aber ging mitten in die Wolke hinein, als er den Berg bestieg. Er blieb vierzig Tage und vierzig Nächte auf dem Berg. (2. Mose 24,12-18)
Du wirst von Gott eingeladen: „Komm, steige zu mir herauf.“ Und darfst erst einmal sechs Tage warten. Das fällt hier auf. Das fand ich spannend. Ich denke, es ist Mose nicht langweilig geworden, und es war auch nicht unangenehm, weil er in der Gegenwart des Herrn war. Die Herrlichkeit des Herrn war da, und diese sechs Tage Warten haben ihm nichts ausgemacht.
Mich hat es jedoch sehr verblüfft, warum er sechs Tage warten musste. Das ist, glaube ich, ein Prinzip: Gott fängt erst einmal mit der Ruhe an. Er hat bei der Schöpfung mit dem Sabbat begonnen. Bevor hier das Gesetz kommt, heißt es erst einmal sechs Tage ruhen. Es ist ja Gott, der die Dinge macht, nicht der Mensch. Und dann kann man auch mal sechs Tage ruhen, bevor man am siebten Tag gerufen wird.
Ich lese jetzt mal ein bisschen aus dem Andersbuch vor: Mose musste warten, bevor Gott zu ihm sprach. Wenn ich zu Gott komme, erwarte ich auch prompt eine Antwort. Ich möchte, dass Gott sofort auf mein Rufen reagiert. Ich bin enttäuscht, wenn Gott zu spät zur Verabredung kommt. Mose dagegen hatte Geduld. Er war und blieb offen für die Antwort Gottes.
Ich möchte lernen, geduldig auf die Stimme Gottes zu hören, auch wenn es Tage dauert. Gott rief Mose, Mose entdeckte nicht die Herrlichkeit Gottes, sondern Gott offenbarte seine Herrlichkeit. Alle meine Erwartungen und meine ganze Geduld garantieren nicht, dass ich Gott erkenne. Es liegt allein an Gott und seiner Entscheidung, sich mir zu offenbaren, sodass ich ihn vernehme.
Ich möchte lernen zu akzeptieren, dass Gott sich offenbart, wann und wie er will. Das ist, denke ich, auch eine Lektion in diesen sechs Tagen. Mose ist zwar in der Gegenwart Gottes, aber er kann Gott nicht zwingen. Wenn sich Gott nicht offenbart, sieht man ihn nicht. Und er tut es, wann und wie er will.
Das ist vielleicht auch etwas für unser Leben. Israel hat die Herrlichkeit Gottes als verzehrendes Feuer erkannt. Er hat mehr die Gnade Gottes in der Herrlichkeit erkannt, die in dieser Wolke war.
Es ist interessant, dieser Perspektivwechsel. Mose hatte oben Zeit, weil er in der Gegenwart Gottes war. Unten dagegen – wir erinnern uns an die Anweisung: Wenn es eine Angelegenheit gibt, wendet euch an Aaron und Hur. Unten wandte man sich dann an Aaron, weil man sagte, Mose bleibe zu lange weg. „Wir werden jetzt umkommen, vierzig Tage!“ Das war ein starker Monat.
Dann hat Aaron unten das goldene Kalb gemacht. Da war richtig Aktivität, da war wirklich etwas los – aber nicht in der richtigen Art und Weise. Das ist auch so eine kleine Begebenheit, die punktuell zeigt, dass das Gesetz aus der Gegenwart Gottes kommt, aus der Ruhe heraus.
Ich finde es spannend, dass Mose erst einmal auf den Berg geht und dann eine ganze Zeit wartet, bis Gott kommt – fast eine Woche. Dann offenbart sich Gott ihm.
Die Geschichte Israels zeigt ja auch, dass sie aus Ägypten ausgezogen sind – die Israeliten. Sie haben die Gegenwart Gottes sehr unterschiedlich erlebt, auch wenn sie gemeinsam ausgezogen sind. Die einen haben sie viel näher erlebt, für die anderen war es eher ein Mitlaufen. Um es mit dem Thema zu sagen: Der eine ruhte in Gott, bei dem anderen gab es viel Aktivität und Party.
Das heißt ja nicht, dass man sich nicht auch in Gott ausruhen kann. Aber wenn man das Äußere vorschiebt, gilt: Je weniger ein Mensch innerlich hat, desto mehr muss es nach außen gehen – immer ständig in Aktivität sein und so weiter.
Wir reden hier ja grundsätzlich über Ruhe aus biblischer Sicht.
Was ist denn das nächste Ereignis? Du sagst, beim Gesetz wird es schon sehr deutlich, dass diese Ruhe in Mose hineingeführt wird. Was ist das nächste, was dir wichtig geworden ist?
Das ist jetzt gar kein Ereignis im engeren Sinn, sondern eine Anweisung, und zwar im zweiten Buch Mose, im 31. Kapitel. Dort gebietet Gott den Sabbat. Er sagt: Sechs Tage soll man arbeiten, aber am siebten Tag ist der Sabbat völlige Ruhe, heilig dem Herrn. Jeder, der am Sabbattag eine Arbeit verrichtet, soll unbedingt sterben.
Das finde ich schon etwas herausfordernd. Aber ich möchte einfach sagen, was Stefan dazu geschrieben hat: Das Gebot der Ruhe. Ist es nicht wunderbar, dass wir einen Gott haben, der uns geradezu bei Todesstrafe verbietet, uns totzuarbeiten? Interessantes Wortspiel.
Wir haben also einen Gott, der von uns verlangt, eine Pause einzulegen. Er möchte, dass wir nur sechs Tage am Stück arbeiten und am siebten Tag ruhen. Gott möchte, dass wir uns eine Auszeit nehmen, denn er selbst ruhte am siebten Tag von all seinen Werken.
Es ist schon erstaunlich, dass wir Menschen uns besser kennen wollen als unser Schöpfer. Mein Diktierprogramm hat übrigens aus „Schöpfer, Komma“ „Schöpfer.com“ gemacht, weil ich Komma diktiert habe. Fand ich auch schön: Schöpfer.com – also die Seite, die alles erschaffen hat. Ein kleiner Fehler vom Diktierprogramm.
Also: Es ist erstaunlich, dass wir Menschen meinen, uns besser kennen zu wollen als unser Schöpfer. Wir halten uns für stärker und fitter als den Allmächtigen und finden es weiser, auch am siebten Tag zu arbeiten, anstatt dem Gott der Weisheit in seinen Anweisungen zu folgen.
Indem wir an einem Tag ruhen, feiern und uns Gott in Frische zuwenden, wird dieser Ruhetag zu einem heiligen, gottgemäßen Tag. Das ist also eine Notwendigkeit.
Der Text geht noch weiter und sagt, dass es sogar beim Pflügen und Ernten gilt – also in Situationen, in denen man eigentlich denkt, es geht ums Überleben. Denn wenn du nicht erntest, kann es sein, dass in zwei Tagen die Ernte kaputt ist.
Bei den Bauern gibt es unzählige Geschichten: Der Regen ist angesagt, aber im Vertrauen auf den Herrn wird sonntags nichts geerntet. Der Herr hat sich versorgt – und all diese Dinge.
Also auch in herausfordernden Zeiten gilt: sechs Tage arbeiten, sieben sollst du ruhen. Das ist ein Prinzip in der Schöpfung. Ich glaube, wir sind nicht dafür gemacht, immer nur zu schaffen, schaffen, schaffen. Sondern es geht auch darum, auf Gottes Sinn zu hören und zur Ruhe zu kommen.
Das finde ich bei der Ruhe ganz wichtig: den Punkt, den du eben gesagt hast, sich auch auf Gott zu besinnen.
Mir ist es letztens so gegangen: Wenn du ernst bist, würdest du sagen, da hast du gearbeitet, da habe ich etwas gemacht. Aber nebenbei habe ich zwei Predigten gehört. Die habe ich mir bewusst angehört und einiges mitgenommen.
Das war mir wichtig, diese Konzentration zu haben – nicht die Konzentration auf die Arbeit, die ging nebenbei –, sondern die Konzentration auf das, was gesagt wurde.
Ich verstehe schon den Punkt, dass man sagt: Nimm dir immer wieder Inseln der Ruhe, auch für dich selbst, um dich auf Gott auszurichten. Nicht nur in der Aufgabe zu versinken, denn dann besteht die Gefahr, den Blick auf Gott zu verlieren, weil man gar nicht mehr stillsteht.
Ich fand das Prinzip interessant, und das habe ich durch das Anlassbund und verschiedene Sachen gelesen: Überall gilt zuerst die Ruhe, dann die Arbeit.
Ich tendiere vor allem, wenn es hektisch wird und viel zu tun ist, dazu, viel zu machen und immer schneller zu werden. Aber das ist eigentlich nicht das Prinzip Gottes.
Eigentlich sollte man erst mal hinsetzen, beten und Zeit nehmen.
Wie Luther immer gesagt hat: Wenn ich viel zu tun habe, bete ich mehr.
Das ist nicht immer mein Prinzip, aber er war Mönch – das muss man auch sehen. Er hat das natürlich jahrelang geübt.
Aber es ist ein gutes Prinzip.
Ja, wie ist das mit dem Prinzip der Ruhe? Findet man es auch in speziellen Lebenssituationen wieder? Ja, zum Beispiel sehr spannend: Wir bleiben im dritten Buch Mose. Jetzt muss ich mal schauen, wo das genau steht. Im dritten Buch Mose, Kapitel 8, ja genau, klar.
Dort geht es um das Einsetzungsopfer von Aaron und seinen Söhnen, also um die Einsetzung der Priester. Generell ist das ein total spannendes Kapitel, aber ich lasse den Anfang mal weg. Sie werden gesalbt, bekommen spezielle Kleider, dann gibt es ein Sündopfer, anschließend Brandopfer. Die ganze Gemeinde ist versammelt. Am Ende steht, dass sie noch einen Korb mit ungesäuertem Brot erhalten, und ihnen werden die Hände damit gefüllt. Das steht dort.
Nach der Salbung lese ich mal in Kapitel 8, Vers 31: „Und Mose sprach zu Aaron und seinen Söhnen: Kocht das Fleisch vor dem Eingang der Stiftshütte, also von dem Sündopfer, das sie essen durften, und esst es dort. Und auch das Brot, das im Korb des Einsetzungsopfers ist, wie ich geboten und gesagt habe, Aaron und seine Söhne sollen es essen. Was aber übrig bleibt von dem Fleisch und von dem Brot, das sollt ihr mit Feuer verbrennen.“ Das ist die allgemeine Regel.
Jetzt kommt der Vers mit der Ruhe: „Und ihr sollt sieben Tage lang nicht hinausgehen vor den Eingang der Stiftshütte, bis zu dem Tag, an dem die Tage eures Einsetzungsopfers erfüllt sind; denn sieben Tage lang sollen euch die Hände gefüllt werden.“
Also, bevor sie Priester wurden – das ist die Einsetzung der Priester, eine öffentliche Feier zu Beginn der Gesetzeszeit –, also wirklich die allerersten Priester, die beim Gesetz Mose eingesetzt wurden, hieß es erst einmal: sieben Tage Ruhe und sich die Hände füllen lassen.
Wenn wir einen geistlichen Dienst tun, kommt auch vor dem Dienst eine Zeit der Ruhe. Das finde ich schön. Gott will uns die Hände füllen und nicht, dass wir gleich nach dem Prinzip handeln, dass alles von uns abhängt. Das heißt ja auch immer, wenn wir das mal überlegen: Wir können nichts erschaffen, wir können keinen Bund schließen wie am Berg Sinai. Unser Dienst in der Gemeinde kommt letztlich auch nicht von uns. Gott sagt erst einmal: „Jetzt bleibt mal einen Tag, sechs Tage Ruhe, ein Tag Ruhe, sieben Tage Ruhe.“ Die Tage unterscheiden sich ein wenig. Aber am Anfang sagt er immer: „Fang mal langsam an.“
Für mich heißt das eigentlich: Es hängt von Gott ab und nicht vom Menschen. Das ist auch die Botschaft, die für mich daraus rüberkommt, auch wenn es nicht eindeutig so drinsteht. So verstehe ich das.
Vor dem Dienst kommt eine Zeit des Empfangens. Das ist, denke ich, ganz wichtig. Sonst läuft man Gefahr, den Dienst aus sich selbst heraus machen und geben zu müssen. Dann brennt man viel leichter aus, als wenn man sich die Hände füllen lässt – und das macht Gott.
Das fand ich ein sehr schönes Prinzip, würde ich fast schon sagen – auch wenn das Wort „Prinzip“ vielleicht gerade nicht so passend ist. Aber du weißt, was ich meine. Oder? Ja, ich weiß schon, was du meinst.
Es gibt auch Zeiten, in denen man sehr unruhig ist und von vielen Dingen getrieben wird. Man könnte dann natürlich sagen: „Okay, ich setze mich auf den Stuhl und warte auf die innere Ruhe“ oder „Ich trinke einen Tee.“ Es gibt ja sogar Tees, die „Innere Ruhe“ heißen. Aber wie geht man damit um, wenn man merkt, dass so viel Unruhe in einem ist? Wie kommt man da wirklich zur Ruhe?
Das ist natürlich schwieriger, wenn im Leben viel Unruhe herrscht. Ich musste dabei an Nehemia denken, der Beamter am persischen Hof war. Er hat mitbekommen, wie schlecht es seinen Verwandten und den Juden in Israel ging. Er war ja weit weg, in der Gefangenschaft. Und er war sehr unruhig deswegen. Er hat geweint, gefastet und gebetet, wenn ich mich richtig erinnere.
Wenn man die Monatsangaben genau liest und ausrechnet, merkt man, dass er vor seinem Handeln vier Monate in einer Ruhephase war. In dieser Zeit hat er sich auf Gott ausgerichtet, das alles in seinem Herzen bewegt und gebetet. Nach diesen vier Monaten hat Gott ihm dann die Gelegenheit geschenkt, mit dem König zu sprechen. Daraufhin wurde er ausgesandt.
Neutestamentlich könnte man sagen, dass Besonnenheit ihn wahrscheinlich bewegt hat. Er kam zur Ruhe vor Gott und hat nicht sofort etwas unüberlegt unternommen. Er hat erst geschaut, was überhaupt dran ist, und dann auf den richtigen Zeitpunkt und die Gelegenheit Gottes gewartet.
Manch anderer Macher hätte vielleicht sofort gehandelt, aber manchmal ist es wichtig, auch wenn man weiß, was zu tun ist, erst abzuwarten. Ich denke, Nehemia wusste genau, was er wollte: den Tempel und die Stadtmauer wieder aufzubauen. Es waren ja schon Leute vor ihm da gewesen, wie Esra und Serubbabel, aber alles war ins Stocken geraten.
Diese vier Monate im Gebet und Warten sind sicher nicht zufällig erwähnt. Sie sollen uns zeigen, dass Gott nicht immer sofort antwortet. Das ist schwierig. Nehemia war auch noch sehr aufgeregt, als er dem König seine Bitte vortrug. Es war keine einfache Situation. Doch in diesen vier Monaten hat Gott zu ihm gesprochen und ihm letztlich die Wege bereitet.
Im Neuen Testament gibt es eine ähnliche Geschichte: Johannes der Täufer war zuerst in der Wüste, bevor die große Bußbewegung begann. Ich denke, er war ein aktiver Mensch, während seine Eltern eher zurückhaltend waren, auch wegen ihres Alters. Johannes ging in die Wüste, was für ihn eine wilde Kombination war: Eltern, die seine Großeltern hätten sein können, und dann zieht er sich allein in die Wüste zurück, trägt Kamelhaare und isst Heuschrecken – alles sehr ungewöhnlich.
Doch genau dort wurde er geprägt. Er wurde ein mutiger Mann, der sogar Herodes sagte, dass er diese Frau nicht heiraten darf, da sie mit einem Verwandten verheiratet war. Dafür wurde Johannes später getötet und ihm wurde wortwörtlich der Kopf abgeschlagen. Ich glaube, dieser Mut kam aus der Einsamkeit und Stille, die er dort erlebt hatte – und schon in den Jahren davor.
Das zeigt uns, dass Gott oft eine „Mosezeit“ gibt, also eine längere Vorbereitungszeit. Mose verbrachte 40 Jahre in der Wüste, Josua war auch 40 Jahre unterwegs, und Johannes der Täufer war in der Wüste. Man fragt sich manchmal: Warum geht es nicht vorwärts? Warum tut Gott nichts? Aber in der Bibel sehen wir, dass diese Zeit der Ruhe und des Zusammenseins mit Gott wichtig ist. Sie dient dazu, Vertrauen zu lernen und später nicht alleine handeln zu müssen, sondern mit Gottes Führung.
Das Prinzip zieht sich durch die Geschichten. Ich finde es persönlich sehr schwierig, Inaktivität auszuhalten. Gerade wenn man eine leitende Funktion hat und scheinbar nichts tut, fragen die Leute: „Warum macht der nichts? Der sollte sich jetzt bewegen!“ Dann zu sagen: „Ich bin gerade in der Ruhe vor Gott“ – das mag ein gutes Prinzip sein, lässt sich aber oft schwer vermitteln.
Das sieht man auch am Beispiel des goldenen Kalbs. Aaron hätte nur sagen müssen: „Mein Bruder ist da oben, ich war bis zur Mitte mitgegangen und habe die Herrlichkeit Gottes gesehen.“ Er hätte erklären können, dass die Tafeln aus Saphir sind und die Leute bitten sollen, noch ein bisschen zu warten. Aber nach 30 oder 40 Tagen war die Geduld vorbei, und das goldene Kalb wurde geschaffen. Es hat vielleicht nur eine Woche gehalten. Es ist also wirklich schwierig, anderen zu vermitteln, dass Warten und Ruhe auch ein wichtiger Teil des Weges sind.
Was meinst du denn mit diesem Prinzip der Ruhe, über das wir reden und das Gott offensichtlich immer wieder anwendet? Wird es auch in Zukunft noch so sein, oder wird sich das auflösen? Es gibt ja im Hebräerbrief diesen Vers, in dem es heißt, dass noch eine Ruhe übrigbleibt. In Hebräer 4 argumentiert der Verfasser vorher, warum diese Ruhe noch besteht. Sie haben nämlich noch nicht das Tausendjährige Reich betreten – ich kürze das mal ab.
In Kapitel 4, Vers 9 heißt es: „Also bleibt dem Volk Gottes noch eine Sabbatruhe vorbehalten; denn wer an seiner Ruhe eingegangen ist, der ruht auch selbst von seinen Werken, gleichwie Gott von den seinen.“ Weiter wird gesagt: „So wollen wir denn eifrig bestrebt sein, in jene Ruhe einzugehen, damit nicht jemand als ein gleiches Beispiel des Unglaubens zu Fall kommt.“
Es war ein Problem bei den Hebräern, dass einige zurückfallen wollten oder in Gefahr waren, ins Judentum quasi zurückzufallen. Genau, und er sagt: Passt auf, diese Sabbatruhe oder das messianische Friedensreich – ich nenne es lieber so – ist eine Art der Ruhe.
Das bedeutet aber nicht Langeweile. Wenn wir im Alten Testament nachsehen, finden wir zum Beispiel in Jesaja 14, Vers 3, auch etwas über Ruhe: „Und es wird geschehen an dem Tag, an dem der Herr die Ruhe verschafft vor deiner Qual und Unruhe und von dem harten Dienst, der dir auferlegt war, da wirst du dieses Spottlied auf den König von Babel anstimmen und sagen: Wie hat der Treiber ein Ende genommen, wie hat die Erpressung aufgehört!“
Dabei ist diese Ruhe keine inaktive Ruhe, sondern eine Befreiung von dem Treiber, also von Gewalt, Unterdrückung, Unruhe und Qual. Wir sind weiterhin aktiv, das darf man nicht falsch verstehen.
Auch in Jeremia 31, vor dem neuen Bund, wird eine Ruhe versprochen. Dort kann man am Anfang nachlesen, dass diese Ruhe eine ist, in der man Weinberge pflanzt und sie genießt, in der man Dinge aufbaut – also eine aktive Ruhe.
Der Fluch wird teilweise von der Umwelt genommen. Das „Du sollst Mühe bei der Arbeit haben“ und die Dornen und Disteln werden größtenteils weggenommen. Die Arbeit läuft dann endlich gut. Ich persönlich finde Arbeit nicht schlimm, aber die ständigen Probleme dabei nerven, und diese werden dann weg sein.
Es ist also keine Totenstille, sondern eine aktive Ruhe, in der Gott schützt und gegenwärtig ist. Diese Ruhe ist auch für die Zukunft verheißen.
Das ist auch unsere Zukunft: Gott in Jerusalem, Jesus in Jerusalem, wie es in Hesekiel 40 bis 48 beschrieben wird. Er sitzt auf dem Thron im Tempel und regiert von dort aus die Welt. Es herrscht Gerechtigkeit, und die ganze Erde ist voller Erkenntnis des Herrn. Du kommst innerlich zur Ruhe – so würde ich das ausdrücken.
Das ist eine sehr schöne Zukunft. Keine Faulenzerei, sondern eine kreative Ruhe im Wechsel.
Was sagt man denn, wenn uns noch sehr junge Leute einfach mal zuhören? Es kann ja auch sein, dass sie aktiver sein wollen, meistens jedenfalls. Dann sagen sie einfach: "Ey, ihr redet ständig von Ruhe. Ich will die Welt entdecken, ich will Gas geben, Action, Adrenalin, Dopamin." Das sind so die Worte, die ich höre. Muss es wirklich sein, so ruhig durch die Gegend zu gehen? Das ist für sie ein bisschen wie Rentnerdasein.
Ja, wir sind ja auch bald im Rentenalter. Gut, es sind noch ein paar Jährchen hin, aber was antwortet man da? Es ist keine untätige Ruhe. Das ist mehr eine innere Qualität, würde ich sagen. Und ich glaube, dass man bei Gott genug Spaß haben wird. Er hat ja die Welt so geschaffen, also auch in die Menschen hineingelegt, dass sie etwas unternehmen wollen, Neues schaffen, Dinge erleben, die man noch nicht erlebt hat, Dinge entdecken, die noch keiner vorher je gesehen hat.
All diese Dinge hat Gott in die Menschen gelegt. Das wird nicht weg sein. Also sehe ich keinen Widerspruch. Das Prinzip der Schöpfung ist, glaube ich, immer noch aktiv: Sechs Tage sollst du arbeiten, einen Tag sollst du ruhen. Es gibt noch genug zu tun und noch genug Zeit für Aktivität – diese sechs Tage. Aber diesen einen Tag der Ruhe bekommt dann eine neue Qualität insgesamt.
Ich glaube, diese Hindernisse und das Mühevolle sind dann teilweise weg und in der Ewigkeit ganz verschwunden. Dann werden wir erfüllt sein und für Freude strahlen, sagt die Bibel. Wir werden ganz erfüllt sein. Du hattest ja eben auch den Hebräerbrief zitiert, wo es um die Sabbatruhe des Volkes Gottes geht. Was ist das für dich auch greifbar in deinem Alltag? Du hast gesagt, das ist vor allem das Millennium.
Na ja, zum einen, wenn ich Philipper 4 anschaue, dann steht da: "Freut euch allezeit." Das war für mich ein Stolperstein, als ich das gelesen habe. Wie soll das gehen, sich allezeit zu freuen? Das ist ein schöner Anspruch. Was ist, wenn mir schlecht geht? Dann gibt es aber drei Einschränkungen oder Hindernisse.
Das eine ist: "Lasst eure Sanftmut alle Leute erkennen." Beziehungen können ganz schön nerven, und Sanftmut hilft da. Sanftmut heißt, ich vertraue darauf, dass Gott es macht. Was müssen mir die Leute dann sagen? "Du sollst doch tun." Ich denke dann: Okay, ich gebe dir das ab. Geh du jetzt damit um.
Der zweite Punkt in Philipper 4 ist: "Der Herr ist nah." Für mich heißt das: Ich habe eine Zukunft, auf die ich mich freuen kann. Ich habe ja noch ein paar Jahre, es sind zwar zu viele auf dieser Erde, aber viele sind es nicht mehr. Das Bergfest habe ich schon gefeiert. Du kannst deine Uhr so einstellen.
Ja, es geht schon runter vom Berg, und ich kann langsam da runtergehen, auf den Hafen zu, wie es in einem Gedicht heißt. Das ist etwas, worauf ich mich ausrichte. Was ich wirklich gut finde, ist, dass die ganzen Folgen der Sünde dann schon mal weg sind. Wir haben Aufgaben, wir bekommen vom Richterstück Christi unsere Kronen. Ich denke, jeder bekommt eine, da bin ich ziemlich sicher. Es gibt so viele verschiedene, ich deute das so.
Wir bekommen unsere Aufgaben, also erfüllende Aufgaben, und sind vor allem auch in einer perfekten Umgebung. Das finde ich schon eine Sache, die mir heute Frieden gibt, weil ich sehe: Das hier ist nicht alles. Das, was ich hier erlebe, ist vorübergehend. Das mag schlimm sein, aber es ist einfach nicht alles. Das Beste kommt noch, sagt Korinther im Bogen.
Das heißt, du richtest dich auf die himmlische Ruhe aus. Wir haben bis jetzt darüber gesprochen, wie ich Ruhe lebe und dass Ruhe ein sehr wichtiges Prinzip ist. Aber diese Perspektive ist letztendlich, wirklich himmlische Ruhe vor Gott zu haben – auch Ruhe von, das heißt, sie ruhen von ihren Werken oder so. Also auch von manchem zu ruhen, was uns auf dieser Erde in Aktivität gehalten hat.
Wobei "Ruhen von Werken" – Gott hat ja auch nach der Schöpfung noch viel getan. Das muss man immer in Anführungsstrichen setzen. Dieses Ruhen heißt nicht, dass nichts mehr getan wird. Das muss man richtig verstehen.
Einmal die zukünftige Hoffnung und dann natürlich der Gott, der in der Zukunft ist, der ist ja auch jetzt schon da. Ich möchte eigentlich mehr in meinen Alltag bringen, vor allem wenn es hektisch wird, dass ich wie Mose auf dem Berg bin oder wie Aaron und die ganzen Priester mal wirklich sieben Tage, wenn Gott mir sieben Tage gibt, mir die Hände füllen lasse.
Oder auch Zeiten in der Wüste, wie bei Mose oder bei Johannes, dann geduldig nutzen kann und weiß: Gott arbeitet an mir. Es hängt nicht von mir ab, und Gott hat auch seine eigenen Zeiten.
Ich denke da auch immer an Winston Churchill. Das ist aber etwas Privates, weil er seinen großen Auftritt im Zweiten Weltkrieg hatte, als er England gegen Deutschland verteidigte. Bis 1941 stand das total auf der Kippe, da wusste keiner, ob es gut ausgeht. Er hat ein dickes Buch geschrieben und bekam auch einen Literaturnobelpreis.
Bis 1941 wusste keiner, wie es ausgeht. Er war schon ziemlich alt und hatte vorher schon einiges gemacht, aber er wurde praktisch spät berufen. Gott hat seine Zeiten, wie er weltliche Herrscher einsetzt, wie er uns einsetzt. Das möchte ich auch davon lernen. Es hängt nicht alles an mir. Ich darf in ihm vertrauen, ich darf auch Zeit mit ihm verbringen, auch auf dieser Erde natürlich schon.
Das hat alles in die Zukunft verlagert. Das ist etwas, was ich aus diesen verschiedenen Ereignissen mitgenommen habe.
Die Quintessenz auch unseres Podcasts ist: Finde deine Ruhe in Gott, lebe deine Ruhe in Gott und handle aus der Ruhe mit Gott heraus. So würde ich das zusammenfassen. Deswegen heißt es auch "Aus der Ruhe kommt die Kraft".
Das war das Eingangswort und zugleich das Schlusswort. Das war ja schon wieder der Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Wir hoffen, ihr konntet einen Impuls mitnehmen, wie ihr Ruhe leben und aus der Ruhe mit Gott heraus leben könnt.
Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, dann schreibt uns doch unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen und vergesst nicht: Es ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volk Gottes.