Gott wird Mensch: Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 412: Sünde konfrontieren, Teil 1
Einführung in das Thema: Umgang mit Sünde in der Gemeinschaft
Wir nähern uns einem neuen Thema. Es geht weiterhin um Sünde, aber diesmal nicht darum, dass ich mich selbst prüfe, sondern darum, dass ich Sünde bei anderen wahrnehme. Wenn ich das mitbekomme, muss ich eingreifen – jedoch nicht als Gemeindepolizei, sondern aus Liebe.
Matthäus 18,15: „Wenn aber dein Bruder sündigt, so geh hin und überführe ihn unter vier Augen. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen.“
Hier geht es um die Frage, wie man in der Ekklesia des Messias mit Sünde umgeht. Bevor wir uns mit dieser Frage beschäftigen, muss eine Sache klar sein: Es geht um echte Sünde. Es handelt sich nicht nur um persönliche Vorlieben. Nicht ich entscheide, was Sünde ist, sondern das Wort Gottes.
Abwägen: Wann ist ein Eingreifen notwendig?
Aber wenn ich Sünde im Leben von Geschwistern wahrnehme, soll ich hingehen. Gibt es dabei Ausnahmen? Ich denke ja. Zum Beispiel dann, wenn die Sünde so ist, dass ich sie einfach ertragen kann.
Es gibt Sünde, die zwar falsch ist, die ich aber ohne Not übersehen kann. In den Sprüchen heißt es dazu: Sprüche 19,11: „Die Einsicht eines Menschen macht ihn langmütig, und sein Ruhm ist es, an der Übertretung vorüberzugehen.“
Es gibt Sünde, an der ich vorbeigehen kann, weil sie ein Fall für meine Geduld ist und nicht für ein konfrontatives Gespräch mit Geschwistern. Ähnlich formuliert Paulus, wenn er schreibt: Kolosser 3,13: „Ertragt einander und vergebt euch gegenseitig, wenn einer Klage gegen den anderen hat, wie auch der Herr euch vergeben hat, so auch ihr.“
Es gibt Sünde, die ich einfach ertragen und vergeben kann. Einfach so, ich muss nicht alles ansprechen.
Die Notwendigkeit der Konfrontation bei schwerwiegender Sünde
Aber – und das ist jetzt wichtig – es gibt auch Sünde, die ich ansprechen muss. Sünde, an der ich nicht einfach vorbeigehen darf, wo es nicht gut ist, sie einfach zu ertragen.
Welche Art von Sünde ist das? Es ist jede Sünde, die grob ist und die Bekehrung des Täters in Frage stellt. Sie fügt sowohl dem, der sie tut, als auch dem, der sie erleidet, heftigen Schaden zu.
Wir befinden uns hier immer noch im Zusammenhang mit dem Umgang mit den Kleinen im Glauben. Vielleicht schwingt inhaltlich noch das Thema mit: Sünde kann zerstören – den, der sie tut, und den, dem sie angetan wird.
Wenn ich von dieser zerstörerischen Kraft der Sünde etwas mitbekomme, dann muss ich aus Liebe zu meinen Geschwistern und auch aus Verantwortung für die Gemeinschaft handeln. In solchen Fällen ist es keine Liebe, Sünde zu ignorieren.
Mir ist auch klar, dass es keine Freude ist, Sünde anzusprechen. Ich mache das bis heute nicht gern, und trotzdem ist es wichtig, dass wir es tun.
Verantwortung aller Gemeindemitglieder im Umgang mit Sünde
Das Ansprechen von Sünde ist nicht allein die Aufgabe der Gemeindeleitung. Verantwortlich ist jeder, der eine konkrete Sünde mitbekommt und sie ansprechen kann. Paulus schreibt der ganzen Gemeinde in Thessalonich dazu Folgendes:
1. Thessalonicher 5,11: "Deshalb ermahnt einander und erbaut einer den anderen, wie ihr es auch tut."
Es ist ein Ausdruck von Liebe, wenn wir einander ermahnen. Wie bereits gesagt, ist jeder verantwortlich, der eine konkrete Sünde bemerkt und sie ansprechen kann. Allerdings ist das Ansprechen nicht in jedem Fall für jeden möglich.
Wo wir Sünde nicht ansprechen können, ist es ratsam, sich der Gemeindeleitung anzuvertrauen – vorausgesetzt natürlich, dass die Gemeindeleitung nicht selbst Teil des Problems ist.
Wenn das der Fall ist oder wenn es Machtmenschen in der Gemeinde gibt, wird die Situation sehr schwierig. Dann braucht es eine Extraportion Weisheit und Mut.
Die erste Stufe: Das Vieraugengespräch als Strategie
Wenden wir uns deshalb zunächst den normalen Fällen zu.
Matthäus 18,15: „Wenn aber dein Bruder sündigt, so geh hin und überführe ihn zwischen dir und ihm allein. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen.“
Bevor wir uns die Vorgehensweise genauer ansehen, ein Wort zum Ende des Verses: „So hast du deinen Bruder gewonnen.“ Das Gegenteil von gewinnen ist verlieren.
Habt ihr noch das Bild vor Augen, mit dem Jesus den Jüngern veranschaulicht hat, wie wichtig dem Vater die Kleinen im Glauben sind? Da war ein Hirte, der ein Schaf verloren hatte. Hier ist ein Bruder, der dabei ist, verloren zu gehen. Es geht darum, den Bruder zu gewinnen. Wir gehen hin, weil wir nicht wollen, dass er verloren geht.
Es geht also nicht einfach darum, die Reputation oder die geistliche Gesundheit der Gemeinde zu schützen. Natürlich ist die Reputation der Gemeinde wichtig. Natürlich ist Sünde auch immer infektiös. Paulus argumentiert im 1. Korinther 5 beim Gemeindeausschluss eines Unzüchtigen gerade auch mit der Gefahr für die Gemeinde. Er schreibt dort: „Wisst ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert?“ Das Bild vom Sauerteig steht für Sünde. Ja, Sünde ist wie Sauerteig und kann eine ganze Gemeinde infizieren.
Aber Jesus betont hier zuerst einmal die andere Seite: Wir wollen den Bruder oder die Schwester gewinnen — gewinnen für einen Lebensstil, in dem gerade kein Platz für Sünde ist. Unsere Strategie ist das Vieraugengespräch.
Ich weiß von deiner Sünde, das ist schlimm genug, aber da muss kein anderer davon erfahren. Im Idealfall hörst du mir zu, lässt dich von mir überführen, gibst deine Sünde zu, bittest die Person, an der du schuldig geworden bist, um Vergebung, bekennst deine Schuld vor Gott, und alles ist gut. Das ist der Idealfall.
„Überführe ihn zwischen dir und ihm allein.“
Vertraulichkeit und Vorsicht im Umgang mit Sünde
Sünde ist kein Thema, über das wir mit anderen offen sprechen sollten. Es ist wichtig, dass wir hingehen und die Sünde ansprechen, doch es ist nicht notwendig, dass alle in der Gemeinde von diesem Gespräch erfahren.
Dabei ist besondere Vorsicht geboten, auch wenn es darum geht, ein Gebetsanliegen in dieser Richtung zu teilen. Der Sünder hat das Recht darauf, dass seine Sünde nur im engsten Kreis angesprochen wird.
Natürlich kann es Ausnahmen von dieser Regel geben. Sünde ist leider ein sehr komplexes Thema. Dennoch lässt sich folgendes sagen: Rede mit niemandem über die konkrete Sünde einer anderen Person, es sei denn, der Gesprächspartner ist entweder Teil des Problems oder Teil der Lösung.
Voraussetzungen für das Ansprechen von Sünde
Was braucht es also, um hinzugehen? Es braucht Betroffenheit, Mut und Wissen.
Nach Titus 1,9 ist ein Ältester in der Gemeinde jemand, der „an dem der Lehre gemäßen zuverlässigen Wort festhält, damit er fähig ist, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen.“
Als jemand, der Geschwister von Sünde überführen will, brauche ich selbst eine ordentliche Portion biblischer Lehre. Das ist notwendig, weil ich nicht davon ausgehen darf, dass mein Gesprächspartner bei einem so sensiblen Thema wie Sünde sofort zustimmt.
Man sollte lieber von einer längeren Diskussion ausgehen, von Ausflüchten und fadenscheinigen Erklärungsversuchen. Es ist zu erwarten, dass Sünde Spaß macht, der Sünder in seinem Selbstbetrug feststeckt und der Teufel sich richtig Mühe gibt, damit der Betroffene nicht versteht, was man ihm sagen will.
Hingehen und Geschwister von Sünde überführen ist kompliziert und schwer. Gleichzeitig ist es aber sehr wichtig und vielleicht die schönste Form von Liebe, die wir ihnen erweisen können.
Praktische Anregung zum Abschluss
Was könntest du jetzt tun? Du könntest überlegen, ob du bei Geschwistern auf ihre Sünde mit Rückzug statt mit gesunder Konfrontation reagiert hast.
Das war es für heute.
Setze dich nun hin und schreibe zwei ermutigende SMS an Geschwister aus deiner Gemeinde, deren Dienst du schätzt.
Der Herr segne dich, lasse dich seine Gnade erfahren und lebe in seinem Frieden. Amen.
