Einen wunderschönen guten Morgen!
Ich wurde gestern im Laufe des Tages mehrfach gefragt, ob ich heute die Predigtreihe zum Propheten Nehemia fortsetze. Das freut mich sehr, denn es zeigt, dass Gott Christian gebraucht hat, um zu uns als Gemeinde zu sprechen. Ihr beschäftigt euch mit dem, was er gesagt hat, und möchtet gern wissen, wie es in diesem Buch weitergeht.
Ich gehöre jedoch nicht zur Arche, sondern zur FIG Münchenmitte und war auch nicht an der Predigtreihe in Hamburg beteiligt. Deshalb erlaube ich mir, die nächsten neun Kapitel zu überspringen und direkt ins Neue Testament zu gehen, nämlich in den Epheserbrief.
Wir haben uns gedacht, dass wir die Gelegenheit einer Familien- oder Gemeindefreizeit nutzen, um über das Verhältnis von Eltern und Kindern sowie von Kindern und Eltern nachzudenken.
Ich habe die Predigt für mich so überschrieben: Gottes Geist geprägte Beziehungen zwischen Eltern und Kindern.
Gesellschaftliche Herausforderungen im Umgang mit Autorität
An der Ludwig-Maximilians-Universität in München gibt es eine sehr interessante Soziologin namens Irmhild Sake. Sie beschäftigt sich damit, wie Menschen miteinander umgehen, was Menschen prägt und aus welcher Motivation heraus sie leben.
Vor einiger Zeit hat sie ein Interview für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gegeben. Darin teilte sie zwei sehr interessante Beobachtungen mit, die ich bemerkenswert finde. Sie erklärte, dass das gesellschaftliche Versprechen der Gleichheit ihre Studenten stark verunsichert.
Sie nannte zwei Beispiele. Zum einen berichtete sie, dass ihre Studenten bei Diskussionen an der Universität oft Mitleid mit dem schwächeren Argument haben. Sie sympathisieren mit dem schwächeren Argument und wollen nicht zulassen, dass sich das bessere Argument durchsetzt. Aus ihrer Sicht ist das eine Form von Diskriminierung.
Zum anderen führte sie ein Projekt durch, in dem sie das Verhältnis von Mensch und Tier analysierte. Dabei stellte sie fest, dass viele ihrer Studenten es als sehr unangenehm empfinden, einem Tier zu sagen, was es zu tun hat. Sie empfinden es als schwierig, ein Tier zu erziehen – zum Beispiel beim Reiten. Wenn ich auf dem Pferd sitze, sage ich dem Pferd, wohin es reiten soll. Einige Studenten fragen sich dann: „Ich bin ja dominant gegenüber dem Pferd, darf ich als Mensch dem Tier sagen, was es zu tun hat?“
Heute geht es in der Predigt um das Thema Ausübung und Annahme von Autorität – insbesondere innerhalb der Familie. In diesem Bereich gibt es in unserer Gesellschaft, vielleicht sogar in unserer Gemeinde und in unseren Familien, eine große Verunsicherung. Die Frage lautet: Wie sollen wir mit Autorität umgehen?
Diese Verunsicherung ist nicht unbegründet. Um beim Bild des Pferdes zu bleiben: Man kann auf beiden Seiten herunterfallen. In Deutschland gab es sehr viel Missbrauch von Autorität. In einer Weise, die den Menschen schadet und auch dem friedlichen Zusammenleben.
Doch nun hat sich das Pendel ein Stück weit in Richtung Anti-Autorität oder auch Beliebigkeit bewegt. Das ist übrigens ein Grund, warum heute Bücher über Disziplin so beliebt sind. Schaut man sich die Spiegel-Bestsellerliste an, findet man viele Bücher, die das Lob der Disziplin preisen. Denn man merkt: Ganz ohne Autorität kann man nicht zusammenleben.
Heute wollen wir uns anschauen, was Gottes Wort zu diesem Thema sagt.
Einführung in den biblischen Text und Gebet
Ich habe einen Text aus dem Epheserbrief ausgesucht, und zwar Epheser 6,1-4. Dort spricht der Apostel Paulus über das Miteinander von Eltern und Kindern in der Familie. Hören wir auf Gottes Wort:
„Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern im Herrn, denn das ist recht und gibt euch Gutes. Ehre deinen Vater und deine Mutter! Dies ist das erste Gebot, das eine Verheißung enthält: damit es dir gut gehe und du lange lebst auf Erden. Und ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern lasst sie aufwachsen in der Erziehung und Zurechtweisung des Herrn.“
Soweit Gottes Wort.
Ich bete noch kurz mit uns: Herr, wir danken dir für diese wunderbare Freizeit, in der du durch dein Wort zu uns gesprochen hast. Es ist so gut, dass du in unser Leben Wahrheit und Gnade hineinsprichst, gerade auch in dem Bereich, der uns so tief prägt, wie Familie und zwischenmenschliche Beziehungen.
Schließe uns durch deinen Geist dein Wort auf, damit es in uns einzieht, uns ausfüllt und uns auch leitet im praktischen Leben. Danke dafür. Amen.
Drei zentrale Themen für das Familienleben
Wie es sich für eine gute Predigt gehört, gibt es drei Punkte:
Erstens: Kinder ehren ihre Eltern.
Zweitens: Eltern, insbesondere Väter – darauf werde ich noch zurückkommen – erziehen ihre Kinder.
Der dritte Punkt ist ein gnadenreiches Familienleben, ein wirklich gnadenreiches Familienleben.
Kinder sollen ihre Eltern ehren
Starten wir mit dem ersten Punkt: Ihr Kinder, ehrt eure Eltern!
Hier möchte ich mit einer interessanten Beobachtung beginnen, die euch hoffentlich auffällt. Paulus spricht in diesem Brief die Kinder direkt an. Wenn vor etwa 2000 Jahren die Gemeinde zusammenkam und der Brief des Paulus vom Papyrus vorgelesen wurde, waren offensichtlich auch Kinder beim Gottesdienst anwesend. Paulus hat sie direkt angesprochen.
So möchte ich das auch machen. Beim ersten Punkt, vor allem, möchte ich die Kinder und Jugendlichen unter uns ansprechen.
Zunächst beginne ich mit einigen kleinen Beobachtungen zum Text. Danach werde ich zu einigen praktischen Anregungen überleiten. Ich will das heute stärker formulieren: Ich werde einige Handlungsanweisungen weitergeben.
Beginnen wir also mit einigen Beobachtungen am Text. Dort heißt es: Die Kinder gehorchen den Eltern, also Vater und Mutter. Kinder gehorchen Vater und Mutter – hier ist eine idealtypische Familie gemeint. Ich weiß, manchmal fehlt der Vater, manchmal die Mutter, es gibt alle möglichen Konstellationen. Wir bleiben jetzt einmal bei dieser idealtypischen Familie, von der Paulus hier spricht.
Es gibt heute noch Kulturräume, in denen Männer und auch die Jungs, also die männlichen Kinder, die Vollmacht haben, über die Frauen in der Familie zu herrschen, also ihnen Anweisungen zu erteilen. Sie dürfen sogar der eigenen Mutter oder der eigenen Schwester sagen, was sie zu tun haben.
Das klingt für Jungs irgendwie verlockend. Stell dir mal vor, du kannst deiner Mutter sagen: „Hey, da ist gerade die neue Playstation erschienen, könntest du mal in die Stadt fahren und mir die neue Playstation kaufen?“ Playstation 6 zum Beispiel. Oder noch besser: Du sagst zu deiner großen Schwester: „Liebe Schwester, du siehst, in meinem Zimmer wurde schon lange nicht mehr aufgeräumt, könntest du das bitte mal wieder machen?“
Das klingt für Jungs echt gut. Das Problem ist: So lustig, wie das jetzt scheint, so hat sich Gott das nicht gedacht.
Deine Kindheit und Jugend sind nicht dazu da, dass du lernst, Befehle zu erteilen. Sie sind dazu da, dass du auf das Leben vorbereitet wirst. Deine Eltern sind von Gott autorisiert, dir dabei zu helfen, dich auf das Leben auf eine richtige Weise vorzubereiten.
Wer in der Kindheit nur Befehle erteilt, wird nicht erwachsen. Solche Menschen bleiben im Grunde genommen als Erwachsene Kind. Sie können nichts anderes, als anderen Leuten zu sagen, was sie zu tun haben. Aber sie haben nie gelernt, sich zu integrieren und anderen Menschen zu dienen.
Und genau das ist ja der Sinn der Sache: Ihr sollt in eurer Jugend auf das Leben vorbereitet werden. Es geht darum, in der rechten Zeit Steine zu sammeln, damit man später, wenn man groß ist, auch Steine werfen kann.
Die zweite Beobachtung betrifft das Verb im Satz: „gehorchen“. Paulus benutzt hier ein sehr strenges Wort, sehr kategorisch, ohne Wenn und Aber.
Es gibt eine wichtige Parallelstelle im Kolosserbrief, Kapitel 3, Vers 20. Dort heißt es dementsprechend: „Seid gehorsam euren Eltern in allen Dingen, denn das gefällt dem Herrn.“
Später können wir noch etwas über die Grenzen des Gehorsams sagen. Aber zunächst wollen wir festhalten, dass Paulus an dieser Stelle eine sehr strenge Sprache verwendet, um auszudrücken, dass Kinder als Kinder dazu berufen sind, sich ihren Eltern für eine gewisse Zeit unterzuordnen.
Das heißt: Die Grenzen des Gehorsams sind für dich nicht erreicht, wenn du das Gefühl hast, „Ich habe keinen Bock mehr“ oder „Ich habe keinen Spaß mehr“. Paulus erwartet hier mehr von dir.
Die dritte Beobachtung: Paulus begründet diesen Gehorsam damit, dass Gott das schon im Alten Testament eingefordert hat. Er schreibt: „So ist es recht“ und lenkt uns auf das vierte Gebot des alttestamentlichen Gesetzes.
Interessanterweise ist dieses Gebot mit einer Verheißung verbunden. Dort heißt es nämlich: „Auf dass es dir wohl gehe und du lang lebst auf Erden.“
Das bedeutet: Wenn wir Vater und Mutter ehren, ist das ein Segen für andere, natürlich für Vater und Mutter, aber auch ein Segen für uns selbst.
Vielleicht an dieser Stelle eine Klammer: Für die Juden hatte dieses vierte Gebot auch noch eine andere Bedeutung. Erwachsen Kinder übernehmen Verantwortung für ihre alt gewordenen Eltern. Wenn die Eltern selbst nicht mehr klarkommen im Leben, laufen sie nicht einfach weg, sondern überlegen: Wie können wir dafür sorgen, dass unsere Eltern würdevoll alt werden können?
Der vierte Punkt: Respekt und Gehorsam gegenüber den Eltern verweisen auf noch etwas Größeres. Die Liebe zu den Eltern ist nicht nur durch die familiäre Konstellation begründet. Paulus sagt hier: Die Liebe zu deinen Eltern ist letztlich begründet durch deine Liebe zu Jesus.
Deshalb heißt es in Vers 1: „Seid gehorsam euren Eltern in dem Herrn.“ Der Gehorsam gegenüber den Eltern ist also ein Bestandteil der Jesusnachfolge.
Ihr hört nicht nur auf eure Eltern, weil das so üblich ist oder weil eure Eltern das verdient haben. Ihr hört auf eure Eltern, weil Jesus sich das wünscht. Er hat diesen Gehorsam selbst vorgelebt.
Wenn wir ins Lukasevangelium, Kapitel 2, Vers 51, hineinschauen – ihr müsst jetzt nicht unbedingt aufschlagen, könnt das aber notieren und später nachlesen – heißt es dort, dass der zwölfjährige Jesus seinen Eltern gehorsam war, als sie zurück nach Nazaret reisten.
Deshalb schon mal als Merksatz: Die Liebe zu Gott ist jetzt ein wichtiger Punkt, den ihr verstehen müsst.
Die Liebe zu Gott findet ihren Ausdruck auch darin, wie ihr mit euren Eltern umgeht. Oder andersherum formuliert: Die Art und Weise, wie ihr mit euren Eltern umgeht, sagt etwas darüber aus, wie wichtig euch Jesus ist.
Praktische Anweisungen für Kinder und Jugendliche
Das einige Beobachtungen zum Text, jetzt komme ich zu den Handlungsanweisungen. Für die Kinder oder Jugendlichen gibt es drei, später erhalten die Väter vier Handlungsanweisungen.
Fangen wir bei den Kindern an: Die erste Handlungsanweisung lautet: Seid dankbar für eure Eltern. Eine große Erleichterung und Stärkung für Eltern ist es, wenn sie spüren, dass ihre Zuwendung, die sie etwas kostet, nicht als selbstverständlich angesehen wird. Wenn sie merken, dass ihr dankbar seid für die Liebe, die sie euch schenken, ist das sehr wertvoll.
Wir denken oft, ich habe das als Kind auch so gedacht und denke es heute noch oft: Wir sind der Mittelpunkt der Welt, und die anderen sind dafür da, dass es uns gut geht. Aber so einfach ist es nicht. Wir sind nicht die Sonne, um die sich alle drehen müssen. Gerade als Kinder und Jugendliche brauchen wir die Erfahrung, dass wir nicht der Mittelpunkt der Welt sind. So lernen wir, uns in diese Welt einzufügen und Verantwortung zu übernehmen.
Gott hat eure Eltern dafür vorgesehen, dass sie euch genau dabei anleiten und unterstützen. Das heißt: Sagt euren Eltern Danke, sagt Mama und Papa, ich habe dich lieb. Und noch wichtiger: Seid dankbar! Diese Haltung der Dankbarkeit bringt Segen in das Leben eurer Eltern und in euer eigenes Leben.
Die zweite Handlungsanweisung lautet: Schließt eure Eltern ins Gebet ein. Es ist nicht immer einfach, Vater oder Mutter zu sein. Als ich ein kleiner Junge war, habe ich oft davon geträumt, wie schön es sein muss, erwachsen zu sein, endlich den Führerschein zu haben und dahin fahren zu können, wo ich möchte. Ich wollte es so gut haben wie meine Eltern.
Später, als ich langsam erwachsen wurde – ich bin es ja immer noch –, habe ich erst richtig verstanden, was meine Eltern alles durchgemacht haben, zum Beispiel am Arbeitsplatz. Wie hart das Leben für sie teilweise war. Wenn meine Eltern nach Hause kamen, habe ich erwartet, dass ich der wichtigste Mensch im Raum bin. Doch meine Eltern waren oft gestresst und erschöpft von dem, was sie bei der Arbeit erlebt hatten. Sie haben ihre eigenen Bedürfnisse zurückgestellt, um sich um mich zu kümmern.
Unsere Eltern – oder eure Eltern – haben Probleme, Kämpfe und Herausforderungen, von denen ihr oft noch gar nichts wisst. Sie brauchen Unterstützung von oben. Deshalb meine Handlungsanweisung: Betet für eure Eltern, dass Gott ihnen hilft, ihr Elternsein gut und Gott wohlgefällig zu meistern.
Die dritte Handlungsanweisung: Überrascht eure Eltern auch hin und wieder. Ich weiß nicht, wie das bei euch zu Hause ist. Bei uns gab es eine Tafel mit einem Wochenplan. Dort stand genau, wer an welchem Tag welche Aufgaben hat – Rasen mähen, Spülmaschine ausräumen, Kaninchen versorgen und so weiter.
Wenn du das machst, was auf dem Plan steht, ist das schon eine wunderbare Sache. Wenn du zum Beispiel freitags den Rasen mähen sollst und das wunderbar machst, ist das gut. Aber überrasche deine Eltern doch mal! Wenn auf dem Plan steht, du sollst den Rasen mähen und die Spülmaschine einräumen, und deine Mutter kommt nach Hause, der Rasen ist gemäht, die Spülmaschine nicht nur eingeräumt, sondern auch schon wieder ausgeräumt, und der Hund ist auch noch ausgeführt – dann kannst du deiner Mutter wirklich eine Freude machen.
Mach also auch mal mehr, als von dir erwartet wird. Ich vermute, einige Jugendliche denken jetzt: Das grenzt ja schon an Kinderarbeit. Ich habe mich vor der Predigt informiert. Es gibt ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das besagt, dass sieben Stunden Arbeit pro Woche ab dem vierzehnten Lebensjahr völlig in Ordnung sind. Das heißt, eine Stunde Haushaltshilfe pro Tag ist noch völlig im grünen Bereich.
Ich will euch aber nicht zum Zorn reizen. Deshalb komme ich jetzt zu den Vätern. Wenn ich von Vätern spreche, meine ich natürlich auch Mütter oder Alleinerziehende, die indirekt ebenfalls angesprochen sind.
Verantwortung und Ermahnung an die Väter
Ich bleibe um des Textes willen jetzt mal wirklich bei der Formulierung: Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern lasst sie aufwachsen in der Erziehung und Zurechtweisung des Herrn.
Paulus spricht ganz bewusst zuerst die Väter an, weil sie einerseits die letzte Verantwortung vor Gott für die Familie tragen. Darauf werde ich jetzt nicht näher eingehen, aber das lässt sich biblisch gut erklären. Zum anderen wusste der Apostel, dass die Väter dazu neigen, die von ihnen verliehene Autorität zu missbrauchen.
Im römischen Recht damals waren die Väter die absolut höchste Autorität, die bis in die Familien ihrer Kinder hineinregieren konnte. Väter neigten dazu, auch in Gemeinden diese Stellung zu missbrauchen. Sie haben sich manchmal wie Könige aufgeführt. Deshalb ermahnt der Apostel die Väter nicht nur, die von ihnen oder von Gott verliehene Autorität auszuüben. Er ermahnt sie zunächst, ihre Autorität nicht zu missbrauchen: „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn.“
In der Parallelstelle im Kolosserbrief Kapitel 3, Vers 21 heißt es: „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht, damit sie nicht den Mut verlieren.“ Paulus sieht also die Gefahr, dass Väter die von Gott verliehene Autorität zu eigenen Interessen missbrauchen – und dafür gibt es viele Wege.
Väter können sich von ihren Kindern bedienen lassen. Sie verlieren die Selbstkontrolle und schreien sie willkürlich an. Wenn Väter ihre Kinder wie Hausdiener behandeln oder sich zum Beispiel laufend über sie lustig machen, hinterlässt das Spuren bei den Kindern, die bis ins hohe Alter nachwirken können.
Eine ganz subtile Form, Kinder zum Zorn zu reizen, ist es, sie einfach zu vernachlässigen und kein Interesse an ihnen zu zeigen. Ich habe immer wieder erwachsene Männer und Frauen gesprochen, denen die Gleichgültigkeit ihrer Väter unglaublich zu schaffen gemacht hat – bis ins hohe Alter hinein.
Väter sind dafür da, sich mit ihren Kindern auseinanderzusetzen. Dazu gehört auch, dass sie sich mit ihren Kindern reiben. Kinder brauchen die Erfahrung von Grenzen, das heißt, sie brauchen Ermutigung und Widerstand abwechselnd.
Sie sollen durch die Beschäftigung und das Reiben mit den Vätern erkennen, wo ihre Gaben und wo ihre Schwächen liegen. Außerdem sollen sie lernen, durchzuhalten, wenn es mal anstrengend ist.
Der Apostel bleibt nicht nur dabei, die Väter zu warnen, was sie nicht machen sollen. Er sagt auch positiv, was sie tun sollen. Das ist dann der Vers 4: „Ihr Väter, lasst eure Kinder aufwachsen in der Erziehung und Zurechtweisung des Herrn.“
Das Aufziehen oder Sich-Kümmern – je nachdem, was da in der Übersetzung steht – ist ein ganz interessantes Wort. Es wird auch in Kapitel 5, Vers 29 verwendet, um die Fürsorge des Ehemannes für die Frau zu beschreiben, das Werben des Ehemannes für seine Frau oder auch die Fürsorge und das Kümmern um die Gemeinde.
So wie Ehemänner sich hoffentlich um ihre Ehefrau kümmern und um sie werben, so sollen sich die Väter auch um ihre Kinder kümmern.
Diese Fürsorge wird dann noch enger qualifiziert: Sie soll in der Zucht und Ermahnung des Herrn geschehen. Schnell erklärt: Zucht hat etwas mit Pädagogik zu tun, es geht also um Erziehung.
Das Wort „ermahnen“ heißt, dass die Väter den Kindern dabei helfen, richtig zu denken. Dahinter steht das Bild des Umlenkens, zum Beispiel einer Weiche im Schienengleis, damit der Zug am Ziel ankommt.
So sind Väter dazu berufen, ihren Kindern dabei zu helfen, dass sie am Ziel ankommen.
Praktische Anweisungen für Eltern, besonders Väter
Auch für die Eltern, besonders für die Väter, gibt es Handlungsanweisungen – diesmal vier.
Der erste Punkt lautet natürlich wieder: Seid dankbar für eure Kinder – um Gottes Willen. Ist es nicht wunderbar, dass Gott euch Kinder anvertraut hat? Für eine ganz wichtige Phase ihres Lebens hat Gott Ebenbilder in euer Leben, in eure Familie hineingeschenkt. Dankt Gott dafür und liebt eure Kinder.
Es gibt unendlich viele Untersuchungen darüber, welche Folgen es hat, wenn Eltern nicht dankbar für ihre Kinder sind. Zum Beispiel gibt es Studien darüber, was passiert, wenn Eltern ihre Kinder eigentlich gar nicht haben wollen. Welche seelischen Auswirkungen das auf die Kinder hat, wirkt oft bis ins späte Leben hinein. Es beeinflusst den Kontakt zu anderen Menschen und die Lernfähigkeit.
Umgekehrt gilt: Wenn ihr als Eltern dankbar für eure Kinder seid, könnt ihr viele Fehler machen, ohne dass grundsätzlich etwas falsch läuft.
Der zweite Punkt: Betet für eure Kinder, betet für eure Kinder. Wir haben ja eben die Perspektive der Kinder eingenommen. Die Kinder sollten wissen, dass es Eltern nicht leicht haben. Umgekehrt ist es aber auch so, dass Kinder es oft nicht leicht haben.
Wir vergessen so schnell, wie anstrengend es war, Kind zu sein und die Anforderungen der Schule zu bewältigen. Kinder heute haben vielleicht mehr Belastungen als wir vor 50 Jahren. Zum Beispiel digitales Mobbing. Wisst ihr, was da passiert? Wenn in den sozialen Medien schlecht über Jugendliche und Kinder geredet wird, wie wirkt sich das auf ein Kind aus? Plötzlich wird die ganze Welt dunkel, sie fühlen sich wie in einem Tunnel, vielleicht sogar verzweifelt, weil die ganze Klasse schlecht über sie spricht.
Unsere Kinder brauchen Unterstützung und Gebet. Das heißt für dich als Vater: Frage, wie es deinem Kind geht, wo es Hilfe benötigt. Bete für die Aufgaben deiner Kinder in der Schule und im Verein. Bete dafür, dass es seinen Platz in der Gemeinde findet und am Gemeindeleben wirklich teilnimmt.
Die dritte Handlungsempfehlung lautet: Erziehe durch gutes Vorbild. Oft denken wir, ein guter Lehrer ist derjenige, der das Richtige lehrt. Und daran ist auch etwas dran. Ein Mathelehrer, der keine Ahnung von Mathe hat, kann noch so nett sein – er wird seine Aufgabe nicht erfüllen.
Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Bei einem guten Pädagogen stimmt das, was er lehrt, mit dem überein, was er lebt. In der Familie hinterlässt das, was du lebst – die Art und Weise, wie du als Vater lebst, oder auch als Mutter – wahrscheinlich mehr Spuren im Leben deiner Kinder als das, was du sagst.
Das heißt: Wenn du deinen Kindern sagst, sie sollen freundlich zu jedermann sein, und gleichzeitig deine Ehefrau regelmäßig anschreist, dann spüren deine Kinder den Widerspruch. Das wird etwas mit ihnen machen.
Oder was wir Väter so gerne machen: unseren Kindern sagen, „Hey, hast du deine Bibel schon gelesen?“, und gleichzeitig entdecken die Kinder nie, dass wir selbst im Wort Gottes studieren und Freude daran haben. Das wird Spuren im Leben deiner Kinder hinterlassen.
Es geht also darum, ein gutes Vorbild zu sein und durch die Art und Weise, wie wir leben, auch Freude an Christus zu wecken.
Die vierte Empfehlung lautet: Erziehe in und mit dem Wort des Herrn. Wenn wir, ich will das jetzt nur kurz anreißen, zum Beispiel im ersten Buch Mose, Kapitel 18, nachlesen – das könnt ihr später mal tun –, geht es dort um die Verheißung, die an Abraham und seine Kinder gegeben wird (1. Mose 17 und 18).
Dort steht ein interessanter Vers, Vers 19: „Denn ich habe ihn, also Abraham, auserwählt, dass er seinen Söhnen gebiete, den Weg des Herrn einzuhalten.“ Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der sich vom Beginn bis zum Ende der Bibel zieht: Insbesondere die Väter, aber auch die Mütter und Großmütter sowie andere Bezugspersonen haben die Verantwortung, dass die Kinder den Weg des Herrn finden und auf ihm bleiben.
Das heißt: Wir Väter können diese Aufgabe, die Gott uns anvertraut hat, nicht einfach delegieren. Für die Bildung ist die Schule zuständig, für den biblischen Unterricht der Sonntagsschul- oder Gemeindekurs. Wir Väter delegieren diese Dinge oft gern. Aber nein: Wir haben die Letztverantwortung.
Das bedeutet, wir haben die Aufgabe, mit unseren Kindern zusammen wirklich in die Bibel hineinzuschauen. Ich weiß, das ist nicht immer einfach. Ich selbst habe mit meiner Familie wahrscheinlich viel zu spät damit begonnen. Irgendwann habe ich mit ihnen den Heidelberger Katechismus durchgenommen, sonntags immer so eine Stunde. Ich muss euch sagen, ich hatte oft das Gefühl, alle seien gegen mich. Ich fühlte mich so allein. Es war teilweise mühsam, dran zu bleiben und die Familie wieder zusammenzurufen.
Aber es war für mich eine große Freude, bei irgendeiner Familienfeier viele Jahre später von meinen Kindern zu hören, dass sie von diesen Zeiten enorm profitiert haben.
Das muss kein Heidelberger Katechismus sein, das muss auch nicht der Neue Katechismus sein. Aber wenn ihr zum Beispiel am Sonntag nach dem Gottesdienst beim Mittagessen einfach mal über die Predigt redet – und nicht nur die Predigt plattmacht, sondern wirklich fragt: „Was hat Gott zu euch gesagt? Wie geht ihr damit um? Was haltet ihr davon? Wie werdet ihr das in der nächsten Woche umsetzen?“ – oder wenn ihr euch beim Essen hinsetzt, einen Vers vorlest und damit einen Gesprächsanstoß gebt, bewirkt das etwas in der Familie.
Herausforderungen und Gnade im Familienleben
Der dritte Punkt heißt gnadenreiches Familienleben. Das ist der letzte Punkt, und ich möchte mit einer Frage an euch beginnen: Wer von euch weiß, wer den Roman „Der alte Mann und das Meer“ geschrieben hat? Viele wissen das, das freut mich. Hemingway hat 1954 den Literaturnobelpreis bekommen. Er hat nicht nur dicke Bücher geschrieben, sondern auch kleine Erzählungen. Eine davon heißt „Die Hauptstadt der Welt“.
Hemingway eröffnet diese Geschichte mit einer Anekdote, die man sich in Madrid erzählt hat. Ein Vater kam in die Stadt und suchte seinen Sohn. Deshalb gab er in einer großen Tageszeitung der Stadt eine Kleinanzeige auf. Darin stand: „Paco, komm Dienstag mittags ins Hotel Montana, alles vergeben, Papa.“ In Madrid gibt es viele Jungs mit diesem Namen. Am Dienstagmorgen, so erzählt man sich, standen 800 junge Männer vor dem Hotel.
Familie ist etwas Wunderbares. Dort gibt es sehr enge Beziehungen. Familienleben bedeutet aber auch, dass diese Enge zu echten Konfrontationen und Konflikten führen kann. Man gerät aneinander. Söhne und Töchter werden ihren Eltern gegenüber schuldig, Eltern werden ihren Kindern gegenüber schuldig, und es soll sogar Familien geben, hat man mir erzählt, in denen Ehepaare einander schuldig werden. Habt ihr das verstanden? Ich hoffe es.
In einer Familie läuft nicht immer alles so, wie man es sich wünscht. Es kommt zu Missverständnissen, zu Verletzungen und zu Entzweiungen. Ich glaube, nirgendwo werden wir unsere Sündhaftigkeit deutlicher vor Augen geführt als im Familienleben. Ich habe als junger Student viele Leute kennengelernt, die meinten, heilig zu sein. Dann haben sie geheiratet und sich schwer darüber gewundert, dass ihre engsten Bezugspersonen das anders einschätzten. Ich zähle mich übrigens dazu.
Plötzlich merkt man: Hier geht es wirklich zur Sache. Mein Herz ist sündhafter und verdorbener, als ich es mir vorgestellt habe. Das heißt: Im Familienleben kannst du dir noch so viel Mühe geben – unter dem Sündenfall gehört die Erfahrung des Versagens dazu.
Ich habe zum Beispiel Menschen kennengelernt, die bitterliche Erfahrungen gemacht haben, weil ihre Väter sie schlecht behandelt haben. Diese Väter haben ihre Autorität missbraucht und Grenzen überschritten. Das hat die Kinder zutiefst gekränkt und verletzt. Manchmal kann es etwas scheinbar Harmloses sein: Das Tagebuch deiner Kinder ist nicht dazu da, ohne Einverständnis deiner Kinder gelesen zu werden. Es trotzdem zu lesen ist eine Überschreitung.
Ich habe einen Jungen kennengelernt, der furchtbar damit zu kämpfen hatte, dass sein Vater ihn immer dann, wenn er seine Ruhe haben wollte, mit Handschellen an der Heizung festmachte. Das ist eine klare Grenzüberschreitung. Auch für Kinder gibt es deshalb Grenzen der Gehorsamspflicht. Kinder sind nicht dafür da, das zerstörerische Verhalten ihrer Väter zu unterstützen.
Umgekehrt gibt es Eltern, die mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind. Die Gründe dafür können sehr vielfältig sein. Manchmal kommt es sogar zu einer sogenannten Machtumkehr: Man weiß nicht mehr, wie man mit den Kindern umgehen soll, und irgendwann fangen die Kinder an, die Eltern zu erziehen.
Wenn wir solche Grenzüberschreitungen erleben oder wenn wir uns als Eltern überfordert fühlen, ist es sehr hilfreich und manchmal notwendig, sich Hilfe zu holen. Ich weiß, das Thema ist unendlich schambesetzt. Wir wollen ja nicht beschämt werden. Das haben wir heute Morgen hier auch gemerkt. Wenn es darum ging, das Zimmer noch nachträglich aufzuräumen, war es unangenehm, aufzustehen und nochmal loszurennen – absolut harmlos.
Ich habe aber auch eine weniger harmlose Situation erlebt. Wir haben als Familie als Missionare im Ausland gearbeitet. Nach einem Missionseinsatz fuhr ich nachts auf einer stockdunklen Straße nach Hause. Rechts am Straßenrand sah ich, wie ein kleiner Junge versuchte, seinen betrunkenen Vater in einem Arm nach Hause zu ziehen. In der anderen Hand hielt er das Fahrrad seines Vaters.
Was war passiert? Der Vater war in die Kneipe gegangen und hatte vielleicht den ganzen Monatslohn versoffen. Die Mutter hatte dem Sohn den Auftrag gegeben, den Vater nach Hause zu holen. Der kleine Junge hatte nun seinen Vater und das Fahrrad, wusste aber nicht, wie er nach Hause kommen sollte.
Ich hielt an, und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr sich der Junge für seinen Vater schämte. Es war ihm so peinlich. Dennoch war es für ihn gut, die Hilfe anzunehmen. Wir luden das Fahrrad ins Auto, fuhren den Vater zusammen mit dem Sohn nach Hause, und obwohl es beschämend war, war es manchmal sehr wichtig, Hilfe anzunehmen und sich gegenüber vertrauenswürdigen Personen zu öffnen.
In den Sprüchen gibt es einen wunderbaren Vers, in Kapitel 15, Vers 22: „Pläne scheitern, wo Beratung fehlt, aber wo viele Rat geben, kommt der Erfolg.“ Wenn du dich also überfordert fühlst, sei bereit, Hilfe zu holen, sie anzunehmen und dich zu öffnen.
Die Kraft des Evangeliums als Grundlage für das Familienleben
Und jetzt komme ich zu einem allerletzten Gedanken: Unsere Ratlosigkeit und unser Versagen – auch das Versagen in der Familie – zeigen, wie sehr wir das Evangelium brauchen.
Es ist schön zu sehen, wie Paulus den Epheserbrief aufgebaut hat. Wir können jetzt nicht tiefer darauf eingehen, aber im Epheserbrief erklärt Paulus zunächst das Evangelium und legt die Grundlagen für die praktischen Anweisungen, auf die ich mich jetzt konzentriert habe.
Ganz besonders macht er das in Kapitel 1, Verse 7-8. Ich möchte das mal vorlesen:
„Durch ihn, also durch Jesus, der sein Blut für uns vergossen hat, sind wir erlöst. Durch ihn sind uns unsere Verfehlungen vergeben. Daran wird sichtbar, wie groß Gottes Gnade ist. Er hat sie uns in ihrer ganzen Fülle erfahren lassen. In seiner Gnade hat er uns auch alle nötige Weisheit und Einsicht geschenkt.“
Das ist das Evangelium: Jesus, der unschuldig am Kreuz sein Blut vergossen hat, hat mich – der ich Sohn und Vater bin, der ich oft an meinen Eltern und an meinen Kindern schuldig geworden bin – von meinen Verfehlungen gereinigt und erlöst.
Das ist so wichtig, dieses Evangelium zu hören, es sich immer wieder zusagen zu lassen, es in Gottes Wort zu lesen und es in das Herz hineinwirken zu lassen. Ganz besonders nach so einer Freizeit wird das notwendig sein.
Es kann sein, dass ihr auf der Heimfahrt im Auto die Erfahrung macht: „Boah, das war so schön auf der Freizeit, und jetzt werde ich wieder mit dem Alltag konfrontiert. Ich werde auch mit meinen eigenen fleischlichen Bedürfnissen in einer Weise konfrontiert, wie ich das gar nicht erwartet habe.“
Erinnert euch an das Evangelium! Es ist die Grundlage für die Art und Weise, wie wir leben sollen. Und denkt daran, dass Gott dir seinen Geist gegeben hat. Er hat dir nicht nur deine Sünden vergeben, er hat dich nicht nur zu seinem Kind gemacht und adoptiert. Er hat dich ausgerüstet mit seinem Geist. Du bist versiegelt, und das ist die Bestätigung dafür, dass du sein Eigentum bist, dass ein Erbe auf dich wartet und dass er dir die Kraft gibt, nach dem Willen Gottes zu leben.
Die Kraft liegt nicht in dir, nicht in mir, nicht in uns, sondern in Christus, im Evangelium. Und der Heilige Geist ist derjenige, der diese Kraft in uns vermittelt.
Die vollständige Erlösung, die Zeit, in der es keine Kämpfe, keine Sünde mehr gibt und kein Leid mehr, steht noch aus. Aber du hast das wunderbare Vorrecht, schon jetzt in der Verbindung mit Jesus Christus im Willen Gottes zu leben.
Und dort, wo du versagst, kannst du Vergebung in Anspruch nehmen, wieder aufstehen und weitergehen. Du kannst Freude haben an Christus und diese Freude auch in diese verlorene Welt hineinscheinen lassen, damit auch andere erkennen, wie sehr sie Jesus brauchen und dass es einen Retter gibt.
Ich möchte dir Mut machen, an Jesus dranzubleiben. Er ist dein Erlöser, dein Anwalt, dein Ratgeber. Er ist derjenige, der dir helfen kann. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Amen.