Vielen Dank für die Einladung. Schön, dass ihr heute Morgen da seid. Ich möchte euch von einem Museum in Stockholm erzählen, einem fantastischen Museum. Dieses Museum dreht sich im Wesentlichen um ein einziges Ausstellungsstück: ein altes Schiff, ein Schiff aus dem siebzehnten Jahrhundert, die Vasa.
Die Vasa war ein schwedisches Kriegsschiff, und mit diesem Schiff ist eine besondere Geschichte verbunden. Es handelte sich um eine Galeone, ein spezielles Kriegsschiff. Sie wurde im Auftrag des schwedischen Königs Gustav Adolf gebaut und sollte im Dreißigjährigen Krieg gegen Polen eingesetzt werden.
Polen rüstete ebenfalls auf, Schweden auch. Jeder baute seine Marine aus. Man holte sich einen berühmten Schiffsbauer aus Holland, der sein Handwerk verstand, einen echten Profi. Während der Bauzeit dieses Schiffes waren die Konstruktionspläne bereits fertig, und der Bau hatte begonnen. Als der Rumpfstand erreicht war, erreichte den schwedischen König die Nachricht, dass Polen an einem noch größeren Schiff mit mehr Kanonen baute.
Daraufhin erging der königliche Befehl an die Schiffsbauer: Wir brauchen doppelt so viele Kanonen wie ursprünglich vorgesehen auf diesem Schiff. Ein königlicher Befehl musste ausgeführt werden, es gab kein Zurück. Also wurden doppelt so viele Kanonen eingebaut.
Das Schiff wurde fertiggestellt und war mit doppelt so vielen Kanonen ausgestattet. Es hatte damit mehr Feuerkraft als die gesamte polnische Marine zusammen. Es konnte also nichts schiefgehen.
Man verzierte das Schiff mit wunderbaren Figuren, darunter hässliche Fratzen, die den Gegnern Angst einjagen sollten. Insgesamt waren es siebenhundert Stück. Es war das Prachtstück der schwedischen Marine und sollte den Gegnern Angst und Schrecken einjagen. Wahrscheinlich war es das schönste, prächtigste, größte und beeindruckendste Schiff der damaligen Welt.
Die Geschichte der Vasa – Ein Schiff mit fatalem Fehler
Am 10. August 1628 fand der Stapellauf statt. Es gab eine große Party und ein großes Fest. Alle Soldaten standen angetreten, alle Matrosen waren an Deck, und das Schiff wurde ins Wasser gelassen.
Nach hundert Metern zeigte es etwas Schlagseite. Es fuhr 1.300 Meter weit, als ein Windstoß kam – was für ein Segelschiff zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches war. Dieser Windstoß brachte das Schiff komplett zum Kentern, etwa 3.300 Meter nach dem Stapellauf, nach 20 Minuten Fahrt.
Es war das schönste und tollste Schiff seiner Zeit. Deshalb ist es heute ein Museum. Das Problem lag bei den Kanonen und dem Gewicht, das durch die Verdoppelung der Kanonen oberhalb der Wasserlinie verursacht wurde. Das Schiff war oberhalb der Wasserlinie viel schwerer als unterhalb der Wasserlinie.
Man muss kein Schiffsbauer sein, um zu verstehen, dass das problematisch ist. Schon nach zwei Jahren Physikunterricht wird einem klar, dass das nicht gutgehen kann. Wenn oberhalb der Wasserlinie mehr Gewicht auf einem Schiff liegt als darunter, wenn ein Schiff zu wenig Tiefgang hat und zu wenig Gewicht unter Wasser, dann funktioniert das nicht. Das Schiff sinkt einfach.
Man könnte sagen: oberhalb der Wasserlinie hui und pfui – viel im Schaufenster über Wasser, aber wenig im Laden unter Wasser.
Die Bedeutung von Substanz und Tiefgang im Leben
Das war das Problem mit dem Wasser. Und dieses Problem mit dem Wasser ist ein generelles Problem von uns Menschen. Es ist manchmal auch ein Problem von Gemeinden generell, dass man mehr auf der Schauseite hat als auf der Habenseite, mehr im Schaufenster als im Laden.
Von außen sieht alles pico bello aus, aber innen fehlt die Substanz. Innen fehlt der Tiefgang, das innere Gewicht fehlt. Dadurch fehlt einfach die Stabilität im Leben. Das war das Wasserproblem, und das ist manchmal das Problem von uns Menschen.
Es gibt Menschen, die sich glänzend präsentieren können. Sie haben Charisma, eine Aura. Aber es gibt keinen Tiefgang im Leben. Sie haben keine Stabilität. Dann kommen die Stürme des Lebens, und Menschen ohne Stabilität, ohne Tiefgang, ohne inneres Gewicht fallen einfach um. Sie halten es nicht aus, sie kentern. Dann zerbricht die ganze schöne Fassade.
Es gibt Lebenshäuser, die auf Sand gebaut sind. Es gibt ein weises Wort, das ich nie vergessen habe, als man es mir einmal sagte: Charisma ohne Charakter führt immer in die Katastrophe. Charisma ohne Charakter führt in die Katastrophe.
Eine schöne Schauseite ohne inneren Tiefgang, ohne Gewicht, ohne Substanz hat keine Stabilität. Man könnte das Wort noch weiterentwickeln: Fähigkeiten ohne Fundament führen immer in die Finsternis. Man kann viel können, aber wenn man keine Substanz, kein Fundament im Leben hat, dann wird das nichts.
Die Gefahr eines oberflächlichen Glaubens
Es gibt auch ein Christsein, das sich auf diese Weise darstellen kann. Es mag viele Gaben und Fähigkeiten geben, doch wenn kein biblisch-theologisches Fundament vorhanden ist, kann man zwar eine glänzende Show abliefern, Menschen beeindrucken und begeistern. Aber wenn die Stürme des Lebens kommen, ist dieses Christsein auf Sand gebaut.
Es gibt Gemeinden, bei denen das so ist. Im letzten Buch der Bibel, der Johannesoffenbarung, finden sich am Anfang sieben Briefe an Gemeinden. Genau dieser Tenor zieht sich durch diese Gemeinden. Einige waren beeindruckend und gewaltig.
Eine Gemeinde erhält sogar ein Stammbuch geschrieben: „Du hast den Namen, dass du lebst.“ Der Schaukasten ist prunkvoll gefüllt, die Gottesdienste sind hervorragend, der Lobpreis erstklassig. Doch dann folgt das ernüchternde Urteil: „Du bist tot.“ Es fehlt an Substanz, innen ist alles hohl und faul.
Es gibt einen Glauben, der Gott nicht treu bleibt. Es gibt Inhalte und Lehren, die toxisch und giftig sind, an denen man sich verschlucken kann. In diesen Briefen der Johannesoffenbarung ist es Jesus selbst, der die Gemeinde dafür kritisiert.
Fundament und Vertrauen als Grundlage des Glaubens
Worauf es ankommt, ist der Tiefgang – oder biblisch formuliert: das Fundament. Das Fundament des Glaubens ist das Entscheidende. Es muss tiefgründig sein und eine gesunde Lehre enthalten.
Das Neue Testament – oder überhaupt die Bibel – unterscheidet zwei Arten von Glauben: den Glauben, durch den wir glauben, also das Vertrauen auf Gott und Jesus, sowie die Zuversicht und Hoffnung, die wir in Gott setzen. Wenn wir durch die Krisen des Lebens gehen müssen, brauchen wir genau dieses Vertrauen, diese Hoffnung und diese Zuversicht. Es ist ein Festmachen in Gott.
Ich versuche es oft mit dem Bild eines Karabiners zu erklären. Der Glauben, dieser Vertrauensglaube, ist wie beim Bergsteigen ein Karabiner, den man einhakt und auf den man sein ganzes Leben lang vertraut, dass er hält. Darauf wage ich mein Leben. Ich vertraue auf Gott, ich glaube, dass Gott mich hält und trägt – das ist Vertrauensglaube.
Diesen Glauben brauche ich, wenn wir durch die Krisen des Lebens gehen, wenn wir neue Lebensabschnitte beginnen oder wenn Menschen in die Mission gehen. Dann muss ich darauf vertrauen, dass Gott mich hält, trägt, führt und leitet. Das ist die eine Seite des Glaubens.
Glaube hat aber noch eine andere Seite: die Grundlagen des Glaubens, den Inhalt des Glaubens. Das ist die andere Seite, das, wovon wir überzeugt sind, das, was wir glauben. Zum Beispiel wird dies im apostolischen Glaubensbekenntnis ausgedrückt, ebenso in allen anderen Glaubensbekenntnissen. Dort formulieren Christen, woran sie glauben.
Ich werde nicht wirklich auf Gott vertrauen können, wenn ich nicht weiß, wer dieser Gott ist. Ich muss wissen, wer Gott ist, und diese inhaltliche Seite kennen, um vertrauen zu können. Nur dann funktionieren auch Vertrauen und Zuversicht.
Glaube und Lehre im Missionsauftrag
Das Interessante am Missionsbefehl Jesu ist, dass hier verschiedene Aspekte zusammenkommen. Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Geht hin in alle Welt.“ Dafür braucht man viel Glauben, Vertrauen, Hoffnung und Zuversicht. Nur so kann man auf Menschen zugehen.
Man muss von Gott viel Zuversicht haben und ihm vertrauen. Dann sagt Jesus: „Lehret sie halten und geht hin in alle Welt.“ Außerdem fordert er: „Macht zu Jüngern alle Völker und lehret sie halten alles, was ich euch geboten habe.“
Die Jünger sind Studenten. Mission ist zunächst einmal ein Lehrauftrag. Es muss etwas gelehrt und vermittelt werden. Gottes Heil kommt uns entgegen, formuliert in Gestalt einer Lehre. Man muss etwas hören, etwas lernen und einüben.
Wenn ich Jünger werde, werde ich Student. Nichts anderes bedeutet „Jünger“: Ich werde Schüler, jemand, der von dem Gott, der sich mir in Jesus Christus offenbart, etwas lernen will. Gott stellt sich uns in Form einer Botschaft, einer Lehre vor.
Ein Christsein, das meint, auf Lehre verzichten zu können, wird niemals wachsen. Es wird keinen Tiefgang bekommen und schneller zu Ende sein, als man schauen kann. Das ist wie bei der Vasa, diesem riesigen Schiff: Am Anfang kann es toll aussehen, doch ohne Tiefgang, Gewicht und Substanz hat es keine Zukunft.
Die zentrale Rolle der Lehre für geistliches Leben
Auch für den Apostel Paulus war die Lehre der Schlüssel für die geistliche Gesundheit eines Christenlebens, für die geistliche Gesundheit einer Gemeinde und überhaupt der geistliche Schlüssel zum ewigen Leben.
Paulus und der Reformator Martin Luther teilten dieselbe Überzeugung: Dort, wo das Evangelium richtig gelehrt wird, entsteht Leben, Liebe blüht auf, die Lüge hat keine Chance, und es wird ein Raum der Freiheit eröffnet. Menschen werden so vor dem Bösen bewahrt. Das ist die Aufgabe und Funktion der Lehre: Leben zu erzeugen, Liebe aufblühen zu lassen, der Lüge keinen Raum zu geben und Freiheit entstehen zu lassen.
Für Paulus entscheidet sich an der Lehre schlichtweg alles. Martin Luther hat das gut verstanden und einmal den Satz geprägt: „Es ist mir alles, sagt Martin Luther, um die Lehre zu tun. Wo die Lehre recht ist, da wird alles recht sein: Glaube, Werke, Leben, Leiden usw. Wo die Lehre nicht recht ist, da kann es vieles geben, aber er sagt, da ist alles umsonst, alles verloren und alles gänzlich verdammt.“
An der Lehre entscheidet sich also alles. Sie ist wie die Ruderanlage eines Schiffes, die den Kurs und die Richtung des Schiffes bestimmt, das sich Gemeinde nennt. Wenn die Ruderanlage funktioniert, wird das Schiff den rechten Kurs nehmen und sein Ziel erreichen.
In diesem Fall ist es wirklich zweitrangig, ob das Essen an Bord erstklassig ist oder ob die Bordkapelle richtig gut ist und die Musik stimmt. Auch das Animationsprogramm kann mal den Geschmack treffen oder nicht – das ist dann zweitrangig. Man weiß: Wenn die Ruderanlage stimmt, kommt man dort an, wo man hin will.
Heute bekommt man jedoch nicht selten den gegenteiligen Eindruck: Egal wohin das Schiff fährt, Hauptsache die Stimmung stimmt, Hauptsache die Atmosphäre ist gut, egal was gepredigt und gelehrt wird, Hauptsache der Lobpreis ist cool, die Band hat es drauf und die Dekoration stimmt.
Doch wenn die Ruderanlage eines Schiffes nicht richtig funktioniert und das Schiff auf einem falschen Kurs ist, kann an Bord die beste Stimmung herrschen. Es kann eine voll ausgebuchte Kreuzfahrt sein, das Buffet kann picobello und erste Sahne sein, und die Bordkapelle kann aus lauter Profis bestehen.
Wenn das Schiff aber nicht den richtigen Kurs findet, wird die Sache lebensgefährlich. Und wenn ein Schiff vom Kurs abkommt, vergeht irgendwann auch die Stimmung.
Die Verbindung von Lehre und Liebe
Ich möchte die Bedeutung dieser inhaltlichen Seite des Glaubens, dieser Lehre, an drei Punkten deutlich machen.
Erstens: Wo die Lehre stimmt, da blüht die Liebe auf.
Wo die Lehre stimmt, blüht die Liebe auf
Wenn wir auf das zwanzigste Jahrhundert zurückblicken, sehen wir eine hundertjährige Diskussion darüber, ob die Verkündigung und Lehre des Evangeliums wichtiger sind oder die Taten der Liebe. Besonders im Hinblick auf die Weltmission wurde leidenschaftlich darüber debattiert, wie das Verhältnis zwischen Lehre und Evangelisation auf der einen Seite und Diakonie auf der anderen Seite zu verstehen ist. Dieser Streit dauert nun schon hundert Jahre an.
Rückblickend müssen wir drei Dinge feststellen. Erstens: Die Alternative zwischen Evangelisation und Lehre auf der einen Seite und dem diakonisch-sozialen Engagement auf der anderen Seite ist eine falsche Alternative – schlichtweg Blödsinn!
Zweitens: Wo das Evangelium oder die Lehre fehlt, fehlt irgendwann auch die Liebe. Das diakonisch-soziale Engagement geht dann ebenfalls ein.
Drittens: Wo es unter der Verkündigung des Evangeliums nicht zu ganz konkreten Taten des Gehorsams, der Liebe und der Barmherzigkeit kommt, muss auch an der Lehre und an der Verkündigung etwas falsch sein. Denn eine gesunde Lehre führt immer zu gesunder Liebe, zu echter Barmherzigkeit und zu einer nachhaltigen Veränderung des eigenen Lebens, der eigenen Gemeinde und des Lebens anderer Menschen.
Alles, was in unserem Leben geistlich geworden ist, ist aus Gottes Wort heraus entstanden. Der Apostel Jakobus sagt: Gott hat uns nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit geboren. Alles, was in eurem Leben geworden ist, ist aus Gottes Wort hervorgegangen, weil Gott ein Wort in euer Leben hineingesprochen hat. Dieses Wort ist wie das Schöpferwort am Anfang der Schöpfung, wo Gott sagt: „Es werde!“ Da wird etwas in deinem Leben geschaffen.
Entscheidend ist, dass wir dieses Wort Gottes hören – dieses schöpferische Wort, das neues Leben schafft. Wir sind nach seinem Willen geboren worden aus dem Wort der Wahrheit Gottes. Deshalb brauchen wir dieses Wort, wenn etwas in unserem Leben werden soll.
Der Apostel Paulus schreibt: „Der Glaube kommt aus dem Gehörten.“ Der Glaube entsteht aus dem, was wir hören. Deshalb gibt es an diesem Tag Predigten, Bücher, Zeitschriften und vieles mehr – damit wir etwas hören, einen Input bekommen. Aus diesem Gehörten wächst etwas in unserem Leben. Der Glaube wächst durch das Gehörte, er kommt aus dem Gehörten.
Der Evangelist Johannes beginnt sein Evangelium mit dem bekannten Satz: „Am Anfang war das Wort.“ Goethe hat gesagt: „Am Anfang war die Tat.“ Aber nein! Die Tat ist die Folge dieses Wortes. Gott redet am Anfang, Gott redet am Anfang deines geistlichen neuen Lebens. Deshalb hört er nicht auf zu reden, damit etwas wird, damit etwas geschieht, damit etwas herauswächst.
Wir sitzen heute Morgen alle hier, weil wir geboren worden sind aus Gottes Wort der Wahrheit, aus gesunder Lehre. Wir haben Gottes Wort gehört, und Gott hat uns durch dieses Wort geistlich neu geschaffen.
Die Bedeutung des Wortes Gottes für das Leben
Es ist eine uralte Erfahrung der Evangelisation und Mission, dass Menschen zu Jesus Christus kommen, weil sie von einer bestimmten Not getrieben werden. Es gibt eine Not im Leben, eine Krise oder ein Bedürfnis.
Da sind gesundheitliche Nöte, finanzielle Schwierigkeiten oder Beziehungsprobleme. Menschen suchen Hilfe, weil sie eine Not antreibt. Sie suchen Hilfe und kommen zu Jesus. Manche hören zu, doch einige gehen wieder.
Interessant ist die Frage: Warum bleiben Menschen bei Jesus? Warum bleiben sie bei ihm? Man könnte kurzschlüssig denken, sie bleiben, weil ihnen geholfen wurde. Doch das ist nicht immer so. Menschen, die wegen einer Not zu Jesus gekommen sind, bleiben nicht unbedingt, weil ihnen geholfen wurde. Manche, denen geholfen wurde oder die ein Wunder erlebt haben, gehen wieder.
Interessant ist: Wer bleibt, ist derjenige, der erkannt hat, dass Gott die Wahrheit ist. Dass sein Wort die Wahrheit ist und hier ein Wort des Lebens gegeben ist. Sie merken: Egal, ob mir geholfen wurde oder nicht, egal, ob mein Problem noch besteht oder nicht – hier ist eine Wahrheit, der ich nicht mehr ausweichen kann. Hier ist Gott, dem ich nicht mehr ausweichen kann. Ich muss bleiben, ich muss ihm folgen, ich muss ihm glauben. Denn ich habe erkannt, dass sein Wort die Wahrheit ist – die Wahrheit in der Person von Jesus Christus.
Je tiefer unsere Beziehung zu Jesus ist, desto weniger stehen unsere Nöte, Probleme und Krisen im Mittelpunkt unseres Lebens. Stattdessen rückt die Tatsache in den Vordergrund, dass Jesus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist.
Wenn wir Christen bleiben wollen und wenn wir als Gemeinden Gemeinden bleiben wollen, die aus der Liebe herauswachsen, dann müssen wir uns um die Wahrheit bemühen. Wenn wir Menschen lieben wollen, müssen wir uns immer zuerst um die Wahrheit bemühen, nach ihr fragen, sie suchen, sie lesen und auf sie hören.
Ob wir Menschen oder Gemeinden dienender Liebe und gelebter Barmherzigkeit werden, ist keine Frage unserer Charakterstärke oder unseres Gutmenschentums. Es ist eine Frage des Wortes der Wahrheit, das wir hören, und der Lehre, die wir verkündigen.
Die Notwendigkeit, das Gute zu hören
Der berühmte italienische Geigenbaumeister Antonio Stradivari hat Geigen gebaut. Diese sind ziemlich teure Stücke. Man bekommt sie nicht im Supermarkt, sondern sie kosten schon mal eine Million Euro – zum Beispiel die Geige von Sophie Mutter, die auf einer Stradivari spielt.
Dieser Stradivari hatte eine besondere Eigenart. Ich weiß gar nicht, ob das wirklich funktioniert oder nicht. Jedenfalls hat Stradivari, immer wenn er eine seiner Geigen fertig gebaut hatte, bevor auch nur jemand einen einzigen Ton auf dieser Geige spielte, diese Geige in den Orgelkasten einer Meisterorgel gehängt. Die Orgel ist ein älteres Instrument, das manche noch aus Kirchen kennen.
Er hat die Geigen in den Orgelkasten einer Meisterorgel gehängt und einen Meisterorganisten gebeten, darauf ein Stück zu spielen. Erst danach hat er seine Geigen mit Saiten bespannt und sie verkauft, damit andere darauf spielen können. Er fragte sich wohl: „Geht das überhaupt?“ Er sagte: „Meine Geigen müssen zuerst gute Töne hören, bevor sie gute Töne von sich geben können.“
Ich weiß nicht genau, ob das etwas bringt. Mir hat das mal jemand erklärt, dass es tatsächlich etwas für das Holz bewirken könnte, aber ich habe keine genaue Ahnung. Ich weiß nur eines: Das gilt auch für uns. Wir müssen zuerst gute Töne hören, bevor wir gute Töne aus unserem Leben herausbringen können – den guten Ton des Wortes Gottes, den guten Ton der Liebe, den guten Ton der Barmherzigkeit.
Wir brauchen etwas auf die Ohren. Der Glaube kommt aus dem Gehörten, bevor wir etwas weitergeben können. Wir können nur dann etwas Gutes tun, wenn wir etwas Gutes im Ohr haben. Deshalb haben Jesus, Paulus und die Reformatoren so viel gelehrt.
Das Neue Testament besteht zu etwa fünfzig Prozent aus Lehre. Martin Luthers Schriften bestehen zu etwa achtzig Prozent aus Lehre. Deshalb gibt es auch den Jugendkatechismus, den sogenannten Jubi. Man hat gesagt: Wir brauchen wieder einen Katechismus, ein Lehrbuch, damit junge Menschen ganz elementar und einfach etwas hören, das in ihrem Leben ein Fundament sein kann.
Bemüht euch um ein Fundament! Bemüht euch, das mit dem Jubi oder mit Martin Luthers Katechismus zu tun – das ist eine Geschmacksfrage, egal wie. Aber wir brauchen gute, gesunde Lehre für unser Leben, für unser Christsein, für unsere Jugendarbeit und für unsere Gemeinden.
Nur so kommt es zum Tiefgang, nur so entsteht Substanz, nur so bekommt das Leben ein Gewicht, mit dem man leben und sterben kann.
Die Gefahr des Fehlens von Lehre
Der zweite Punkt: Wo keine Lehre ist, da zieht die Lüge ein. Wo es keine Lehre gibt, da zieht die Lüge ein.
Lehre wird oft als etwas Negatives dargestellt. Das Leben ist gut, die Lehre ist langweilig. Lehre ist die graue Theorie, das Leben die Praxis – da geht die Post ab. Die Lehre ist das eine, das Leben das ganz andere.
Gleichzeitig wird heute die Lehre geradezu verdächtigt. Hat nicht gerade die christliche Lehre unendlich viel Leid und Krisen in diese Welt gebracht? Ist christliche Lehre nicht für so viele Kriege, Religionskriege und Ähnliches verantwortlich? Ist nicht der christliche Glaube an den einen Gott, neben dem es keine anderen Götter geben darf, schuld an den Religionskriegen und überhaupt an so viel Leid in dieser Welt?
Ich kann auf diese Fragen jetzt an dieser Stelle nicht groß eingehen, nur so viel: Wir sollten uns vor der Illusion hüten, dass dort, wo die christliche Lehre verstimmt, die spontane Liebe übrig bleibt und dass dort, wo die Gemeinde verschwindet, das Weltfriedensreich beginnt. Das wäre wirklich eine Illusion.
Da, wo die biblische Lehre verbannt wird, bleibt kein lehrfreier Raum. Das dürfen wir uns nicht einbilden. Vielmehr leben, stehen und gehen wir mitten durch eine Welt, in der überall gelehrt wird. Wenn wir mit dem Lehren aufhören, werden andere mit dem Lehren anfangen.
Wir Menschen sind immer Lehrer und immer Gelehrte. Jeder Mensch ist immer ein Lehrer, jeder, jeder von uns. Es ist eine Entdeckung der Kommunikationsforschung, dass wir Menschen niemals nicht kommunizieren. Selbst wenn wir schweigen, drücken wir damit etwas aus. Und wenn wir uns verdrücken, drücken wir damit auch etwas aus.
Egal, wie wir aussehen, was wir tun oder auch nicht tun – wir senden immer eine Botschaft aus. Wir können niemals nicht kommunizieren. So oder so senden wir Botschaften aus.
Wenn wir unsere Kinder nicht im Glauben unterweisen, unterweisen wir sie automatisch im Unglauben. Wenn wir Konfirmanden nicht den Katechismus von Martin Luther lernen lassen oder den Jubi oder was auch immer, dann überlassen wir sie automatisch den Katechismen dieser Welt: dem Katechismus der Musikcharts, dem Katechismus der sozialen Netzwerke, dem Katechismus des Internets, dem Katechismus der Hollywoodfilme, dem Katechismus der Computerspiele oder ganz schlicht dem Katechismus der Straße.
Es wird überall gelehrt. Überall werden Botschaften gesendet, und diese Botschaften bleiben immer hängen. Man muss sie nicht auswendig lernen, aber es bleibt immer etwas hängen. Diese Welt ist voller Katechismen, voller Lehren, voller Botschaften.
Das ist ja immer die große Überraschung für junge Eltern, die wollen, dass ihre Kinder irgendwann selbst entscheiden können, ob sie glauben, und deshalb auf eine Glaubens- und Werteerziehung verzichten. Dann stellt man überrascht fest, dass der dreizehnjährige Sprössling, mit dem man dann erst einmal über den Glauben reden möchte, schon tausend andere Lehren aufgesogen hat, tausend andere Katechismen gelernt hat.
Wir lernen immer, wir lernen immer. Wir werden niemals nichts lernen. Das ist vielleicht ein Trost für Eltern, die den Eindruck haben, ihre Kinder lernen nichts. Aber nein, wir werden niemals nichts lernen.
Die Frage ist immer nur: Was lernen wir? Was lassen wir in unser Leben hinein? Wenn wir nicht an den dreieinigen Gott glauben, dann glauben wir automatisch an etwas anderes. Wir Menschen können auch niemals nicht glauben.
Es gibt im Grunde keine ungläubigen Menschen, es gibt keine nichtgläubigen Menschen. Die Alternative zum Glauben ist niemals der Nichtglaube, sondern der Aberglaube. Das ist die Alternative. Eine dritte Alternative gibt es nicht.
Wir lehren oder wir werden gelehrt – und zwar überall: auf dem Schulhof, am Arbeitsplatz, in der Kantine, am Stammtisch. Überall werden Lehren vermittelt. Wenn ich Zeitung lese oder fernsehe, werde ich gelehrt. Und es bleibt immer etwas hängen, es prägt immer mein Leben. Es wird immer die Richtung meines Lebens bestimmen.
Es gibt jenseits des Evangeliums viele Lehren auf dieser Welt, und die meisten Menschen nehmen sie unbewusst auf. Wir glauben alle an den gleichen Gott: „Ich bin okay, du bist okay, wir sind okay“, „Mein Bauch gehört mir“, „Ein Embryo ist ein Zellklumpen“, „Wenn das Leben nicht mehr lebenswert ist, dann kann man es beenden“, „Der Mensch stammt vom Affen ab“.
Wir hören tausend Botschaften, tausend Lehren. Und wenn ich mich nicht bewusst am Evangelium orientiere, werde ich an anderen Lehren orientiert. Das sind alles Glaubenssätze. Das sind alles Dogmen, die sich genauso wenig beweisen lassen wie das Evangelium. Sie kommen oft mit dem Anspruch daher, eine absolute, unbestritten gültige und objektive Wahrheit zu sein. Das sind sie aber nicht!
Vielleicht versteht man jetzt, warum wir Lehre nicht einfach lassen können. Wenn keine Lehre geschieht, dann bleibt kein Vakuum. Dort, wo keine rechte Lehre einzieht, zieht automatisch falsche Lehre ein. Dort, wo nicht der rechte Glaube gelehrt wird, zieht die Irrlehre oder der Aberglaube ein.
Das Gleichnis vom Garten als Bild für geistliches Leben
Wir sind als Familie vor zehn Jahren in ein Haus gezogen, dessen Vorbewohnerin krank war und deshalb den Garten nicht mehr bewirtschaften konnte. Diese Erfahrung mit dem Garten ist für mich zu einem Gleichnis geworden.
Ein Garten, der über mehrere Jahre nicht gepflegt wird, bleibt nicht einfach leer. Ich weiß nicht, ob ihr in eurem Alter schon einmal Gartenerfahrung und Gartenbauweisheiten gesammelt habt. Ein Garten, in dem man nichts tut, bleibt nicht leer. Wo nichts angebaut wird, wächst das Unkraut – und zwar üppig, schnell und rasend schnell. Das Unkraut breitet sich aus.
So ist es in unserem Leben und auch in einer Gemeinde. Wenn wir unser Leben, unser Christsein und unsere Gemeinden nicht mit guter und gesunder Lehre bebauen, dann wird das Unkraut wachsen. Es wächst niemals nichts. Wo nicht gelehrt wird, da gedeiht das geistliche Unkraut.
Wenn wir unser Leben nicht mit heilsamer Lehre füllen, dann wird es mit anderen Lehren gefüllt. Wenn wir dem Heiligen Geist keinen Raum in unserem Leben geben, dann werden andere Geister kommen. Unser Leben wird niemals geistlos sein.
Ich bin in den Achtzigerjahren in Stuttgart zur Schule gegangen. Damals gab es eine große Welle von Hausbesetzungen. Viele Häuser standen leer, und es gab viele, die solche Häuser besetzt haben. Hausbesitzer – das ist für mich damals auch zu einem Bild geworden.
Entweder ich gebe dem Heiligen Geist ein Wohnrecht in meinem Lebenshaus, oder ich lasse es von anderen Geistern bewohnen. Und diese Geister kommen: der Geist der Habgier, der Geist der Unreinheit und viele andere Geister. Sie lieben es, das leere Haus zu besetzen – das leere Haus meines Lebens.
Fülle dein Haus mit Gottes Wort, damit die anderen Worte keine Chance haben. Fülle dein Haus mit dem Geist gesunder Lehre, damit andere Geister kein Wohnrecht bekommen.
Der einzige Schutz gegen den Aberglauben dieser Welt ist das Evangelium von Jesus Christus.
Freiheit durch Lehre
Und schließlich, ein dritter Punkt: Wo die Lehre gepflegt wird, entsteht ein Raum der Freiheit.
Es gibt oft das große Missverständnis, dass dort, wo die Lehre gepflegt wird, die Freiheit verschwindet. Lehre wird schnell mit Geboten, Regeln und Gesetzen gleichgesetzt. Diese Lehre gilt dann als Inbegriff von Lebens- und Lustfeindlichkeit.
Wenn wir das Neue Testament lesen, sehen wir genau das Gegenteil. Dort, wo das Evangelium hingekommen ist, sind die Gesetze, die das Leben verriegelt haben, verschwunden. Das Neue Testament kommt in eine jüdische Gesellschaft hinein, in der 613 Gebote und Verbote das Leben der Menschen bestimmt haben. Das Evangelium hat einen Raum der Freiheit eröffnet.
Das Evangelium kam auch in eine römische Welt, die von tausend Ängsten, Gefahren und Regeln geprägt war, die das Leben der Menschen belasteten. Dort wurde das Evangelium als Botschaft der Freiheit verstanden – auch wenn es oft unverstanden blieb und nicht als etwas, das das Leben knechtet.
Unsere Missionare der Lebenszeller Mission sind seit mehr als hundert Jahren in Mikronesien aktiv. Vor ein paar Jahren kam das ZDF-Traumschiff dorthin und es wurde ein Gottesdienst gefeiert. Dabei gab eine alte Frau aus Mikronesien, von kleinen Inseln im Pazifik, ein Zeugnis.
Sie sagte nicht, dass die Missionare ihre Kultur zerstört oder ihre Traditionen genommen hätten. Sie sagte etwas anderes: Was die Missionare ihr gebracht haben, sei, dass sie keine Angst mehr haben müsse. Keine Angst mehr vor den Geistern ihrer Ahnen, keine Angst mehr vor der lebensverriegelnden Gewalt der Dämonen und Geister, die ihr Leben vorher beherrschten.
Das Evangelium hat ihr einen Raum der Freiheit eröffnet. Diese Lehre hat sie frei gemacht. Das Evangelium von Jesus Christus befreit – im Gegensatz zu den vielen Märchen, Fabeln und Lehren dieser Welt.
Die Geister auf den Inseln von Mikronesien oder im Urwald von Papua-Neuguinea sind die gleichen oder ähnliche Geister wie jene, die es auch in unserer Welt gibt – in unseren Klassenzimmern und Betrieben. Das sind die Geister, die auch in unseren Medien, im Internet und in sozialen Netzwerken die Stimmung bestimmen.
Auch in unserem Leben gibt es Geister, die wir oft nicht wahrnehmen. Doch diese Welt unterscheidet sich nicht viel von Mikronesien oder Papua-Neuguinea. Nur haben wir hier oft viel weniger Einfühlungsvermögen und Sensibilität dafür, dass auch in unserer Welt viele Geister und Dämonen wirken, die uns verführen und uns die Freiheit nehmen wollen.
Wo die Lehre nicht gepflegt wird, sind es immer die Starken, die gewinnen, und die Schwachen, die verlieren. Doch dort, wo dieses Wort der Wahrheit, diese heilsame Lehre verkündet wird, fangen Menschen an zu atmen.
Ich habe viele Jahre meines Lebens mit der falschen Lehre gelebt, dass mein Leben nur dann wertvoll sei, wenn ich beliebt bin, wenn ich etwas leiste, etwas bringe oder die Erwartungen anderer erfülle.
Das sind falsche Lehren, lebensverriegelnde Lehren. Sie machen das Leben schwer, verriegeln die Freiheit und nehmen einem die Luft zum Atmen.
Das Evangelium sagt etwas ganz anderes. Im Neuen Testament steht: „Werdet nicht der Menschen Knechte.“ Werdet nicht die Knechte der Erwartungen anderer, nicht der Erwartungen der Gesellschaft und nicht der Erwartungen eurer Eltern, die euch manchmal erdrücken können.
Das Evangelium ist ein Raum der Freiheit. Ich bin ein geliebter Mensch, und mein Wert besteht darin, dass Jesus mich geliebt hat, für mich gestorben ist, sein Leben für mich gegeben hat und mich ins ewige Leben führt.
Das ist Freiheit. Und das ist eine Lehre, die ich hören und lernen muss. Wenn ich mich von Gott lehren lasse, betrete ich einen Raum der Freiheit.
Wenn ich den Fabeln, Märchen und dem Aberglauben dieser Welt folge, bleibe ich immer ein Sklave.
Wenn es Martin Luther um die Lehre ging, dann lohnt es sich auch für uns, zu lernen, Katechismen zu studieren und uns mit den Inhalten zu befassen – um unseres Lebens willen, um der Liebe willen, um der Freiheit willen.
Ich danke sehr fürs Zuhören. Amen.
Schlussgebet
Gerd Bürkli macht mich darauf aufmerksam, dass ich noch mit euch beten darf. Das mache ich gern.
Wir werden still.
Du barmherziger Herr, du guter Vater, wir danken dir, dass du uns ein Wort des Lebens gegeben hast. Ein Wort der Wahrheit, das uns ein Fundament fürs Leben geben kann. Auf diesem Fundament können wir leben und sterben. Mit diesem Wort finden wir Gewissheit und Orientierung.
Wir bitten dich für uns, für unsere Gemeinden und für diese Welt. Wir bitten dich, dass sie ein Ohr für dein Wort findet und dass es Boten gibt, die dieses Wort und diese Lehre in die letzten Winkel der Welt tragen.
Wir bitten dich, dass dein Wort wirkt, gerade in der heutigen Zeit, in der es viele andere Lehren und viel Aberglauben gibt, die den Glauben verdrängen möchten.
Wir bitten dich, dass du uns durch dein Wort stark machst. Segne uns in deinem Namen. Amen.