Liebe Schwestern und Brüder,
nach einer wunderbaren Fahrt über die Elbe und Moldau legten wir schließlich am Abend in Prag mit unserem schön ausgestatteten Flussschiff Saxonia an. Gegen den Abendhimmel sah man die Burg oben, den Radschien und den Veitsturm.
Dort oben fand im Jahr 1618 der Fenstersturz von Prag statt. Die evangelischen Stände in Böhmen und Mähren waren enttäuscht über das Wortbuch des Kaisers Matthias. Was genau dahinterstand, können Sie zuhause nachlesen. Sie hatten gewisse Privilegien, die der Kaiser nicht eingehalten hatte.
Als sie zwei kaiserliche Räte, Abgesandte des Kaisers Matthias, packen konnten, ergriffen sie diese und warfen sie aus dem Fenster. Glücklicherweise befand sich unter dem Fenster eine Dämpfung – ein schöner Misthaufen alter Garben –, sodass sie sicher landeten.
Trotzdem war dieser Fenstersturz von Prag im Jahr 1618 der Auftakt zum grauenhaften Dreißigjährigen Krieg. Der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck hat oft in schlaflosen Stunden darüber gerätselt, wie anders die Geschichte Europas verlaufen wäre, wenn es nicht zu diesem Fenstersturz gekommen wäre. Wenn dieser hätte verhindert werden können, wäre die ganze Geschichte anders verlaufen.
Vom historischen Fenstersturz zum geistlichen Nachdenken
Es war der Anlass für uns Teilnehmer dieser christlichen Flusskreuzfahrt, über einen ganz anderen Sturz nachzudenken – einen Sturz, der hätte vermieden werden können. Gemeint ist das Hinunterstürzen vom Tempelsinn, zu dem der Teufel persönlich Jesus aufgefordert hatte.
Der große Versucher heißt in der Versuchungsgeschichte Matthäus 4. Dort heißt es: „Der Versucher trat zu Jesus.“ Wenn er nicht einmal Jesus ausgespart hat, werden auch wir nicht davonkommen. Der Versucher trat zu Jesus und wollte ihn gleich zu Beginn seines irdischen Weges verführen.
Das ist die Aufgabe Satans, des Durcheinanderbringers, der großen Schlange. So heißt es in Offenbarung 19, dass er die Menschen verführt. Bevor Jesus seinen Weg zu den Menschen einschlug, sollte er nach der Pfeife des Teufels tanzen.
Die Versuchung am Tempel: Ein gefährliches Angebot
Springt doch vom Tempelsinne, also von jenem Erkerchen über der Tempelmauer, das hinuntersah in die Tiefen des Kiedrontals!
Jetzt will ich Ihnen diese paar Verse aus Matthäus 4 vorlesen. Dort heißt es: Der Teufel führte Jesus mit sich. In der Bibel hat das immer eine ganz große Bedeutung, dass Jesus mit sich geführt wird. Und dann heißt es: Der Teufel führte Jesus mit sich. Was für eine wahnsinnige Verkehrung!
In der Bibel hat jedes einzelne Wörtchen eine Bedeutung. Nach des Teufels Pfeife tanzen – jetzt bestimme ich mal! So führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels. In Jerusalem nannte man diesen Erker das Flügelchen, jene Bastion, die letzte Bastion, von der aus man hinunter ins Tal sah.
Und er sprach zu Jesus: „Bist du Gottes Sohn? Wenn du schon Gottes Sohn bist, so wirf dich hinab! Denn es steht geschrieben: ‚Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben, und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.‘“
Da sprach Jesus zu ihm: „Wiederum steht auch geschrieben: ‚Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.‘“
Hätte Jesus nicht auf diese Herausforderung eingehen können? Was war denn so schlimm daran? Er war doch der Sohn Gottes, und Gottes Wort ist doch verlässlich. Gott hat den Engeln befohlen, dass sie ihn auf den Händen tragen.
Die Verlockung des Vertrauens auf Gottes Schutz
Es ist heute oft so: Man braucht nur morgens ins Wunschkonzert im Radio hineinzuhören, um zu hören, wie häufig die herrliche Melodie von Mendelssohn Bartholdy gewünscht wird. Das Lied „Er wird dich auf den Händen tragen, dass dein Fuß nicht an einen Stein stößt“ wird heute oft Gott zugeschrieben. Das sei deine Hauptaufgabe.
Liebe Freunde, das ist ein Wort, das der Teufel mit Begeisterung zitiert – dieses Bibelwort. Was wäre geschehen, wenn Jesus hätte erleben können, was vor Jahrzehnten in der Christenheit ein beliebter Gesang war? „Auf Adlersflügeln getragen über das rauschende Meer der Zeit“ – so hätten ihn die Engel sicher heruntergetragen.
Jesus hätte vor den Augen der vielen Tempelpilger beweisen können, dass Gottes Wort verlässlich ist. Er hätte demonstrieren können: „Jesus, warum hast du es nicht gemacht?“ – um zu zeigen, dass die Grundidee von Psalm 91 stimmt: Wer Gott vertraut, ist wohlgebaut.
Jesus hätte verlockend machen können, den Dienst der bewahrenden Engel, den rettenden Dienst. „Du hättest dich doch darauf verlassen können, auf dieses Bibelwort.“ Vor den Augen vieler Tempelpilger hätte Jesus anschaulich machen können: „Mein Gott kann auf mich nicht verzichten, ich bin wichtig.“
Die wahre Versuchung hinter dem Angebot
Jesus, warum hast du den Sturz in die Tiefe vermieden? Warum hast du gesagt: Nein? Es hätte doch so viel Gutes daraus entstehen können – so viel Zutrauen zur Schrift, zur Hilfe Gottes und zum Dienst der Engel.
War das eine Versuchung, weil der Versucher zu ihm trat? Ja, denn das Wesen der Versuchung ist, uns vorzugaukeln, dass viel Gutes dabei herauskommt.
Wie viele aus der Generation meiner Cousins und Onkel, Millionen aus Deutschland, haben sich in Russland durch die Idee in den Tod treiben lassen, den Weltkommunismus besiegen zu können? Der Krieg ist zwar nicht schön, aber hier wird etwas Gutes getan. Endlich wird die Welt von einem Unheil gereinigt.
Wir brauchen gar nicht so weit zurückzugehen bis zum Krieg. Wie viele heute in der Christenheit sagen: Ach, lasst uns doch die vielen Neins in der Bibel vergessen, die vielen Gebote, was wir tun sollen und was wir vermeiden sollen! Das Christentum wird doch erst attraktiv, wenn wir die vielen Verbote und Gebote weglassen. Dann entsteht ein harmlos einladendes Christentum.
Ich erinnere mich noch gut an die Konfirmandengruppe in Schandorf zu seiner Zeit, wie wir an die Gebote kamen, zum Beispiel: „Du sollst nicht töten!“ Und eine so liebenswerte junge Konfirmandin sagte: „Es ist doch vielleicht für manche Kinder hilfreicher, wenn sie gar nicht geboren werden müssen. Wer weiß denn, ob sie nicht eine schlimme Kindheit haben würden? Wer weiß denn, lieber Mortermann, sie ist schon die Mutterlei.“ Welch ein Irrsinn!
Es könnte doch denen, die abgetrieben werden, guttun; dann haben sie kein schweres Leben. Der Versucher spinnt die Versuchung. Dadurch kommt doch so viel Schönes dabei heraus. Willst du der Welt dieses Gute nicht genießen lassen?
Jesus, das wäre doch etwas, so wie bei der späteren Versuchung: Du könntest die Welt gestalten. Jesus, du könntest vor vielen Tausenden beweisen, wer du bist, dass du der Sohn Gottes bist.
Was stand dem entgegen? „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“ Ich bekomme meine Befehle von Gott und nicht von dir, dem Satan.
Die Entscheidung für Gottes Gehorsam
Es ist eine Frage, die seelsorgerlich an uns gerichtet wird: Von wem lasse ich mir meinen Lebensweg befehlen? Wem lasse ich mein Leben und meine Wünsche diktieren?
Der Herr, der ewige Gott, möchte doch mein Gott sein. Ihn brauche ich doch nicht zu testen. Ihr könnt Bügeleisen testen, Kühlschränke könnt ihr testen – mit Testfirmen, wie lange sie aushalten. Ihr könnt jedes Schloss prüfen, ob es zweitausendmal oder dreitausendmal am Auto geöffnet werden kann. Ihr könnt testen, aber Gott braucht man nicht zu testen. Auf Gott ist doch Verlass.
Wo sollte das Misstrauen herkommen, dass sich Gott erst beweisen muss? Oder sollte ich dem Teufel erst beweisen, dass meine Gottessohnschaft echt ist? Du sollst Gott, den Herrn, nicht versuchen. Der Weg für Jesus war klar vorgezeichnet.
Schon im Kapitel 1 des Matthäusevangeliums wird berichtet, dass Gott dem Joseph den Befehl gab: Du sollst das Kind, das von Maria geboren wird, Jesus nennen – Jeshua, Jehoshua, das Wort Jehova ist darin enthalten. Gott rettet, er ist der Retter in Person.
Dazu war Gott schon durch seinen programmatischen Namen beauftragt. Nicht zum Bestauntwerden, dass er der große Zampano ist, der von der Tempelzinne herunterspringen kann und gerettet wird. Nein, er sollte retten!
Nicht zum Gerettetwerden, sondern zum Retten. Nicht zum Behütetwerden ist Jesus in die Welt gekommen, sondern zum Behüten. Nicht zum Geholfenwerden, sondern zum Helfen. Und von Gott allein wollte er seine Befehle empfangen.
Die Bedeutung des Sturzes und die Absicht des Teufels
Aber es hat mich beschäftigt, schon damals in Prag, als mir dieser Tempelsturz und dieser Abschnitt ganz neu wichtig wurden. Man braucht ja oft Anlässe, damit einem eine Bibelstelle ganz neu wieder in den Blick kommt.
Mich hat beschäftigt: Was hat eigentlich der Teufel bezweckt, als er Jesus herausgefordert hat mit den Worten: „Springt doch in die Tiefe“? Wozu wollte er provozieren?
Wissen Sie, wie Jesus einmal den Teufel bezeichnet hat? Das ist im Johannes 8 nachzulesen. Er nennt ihn „einen Mörder von Anfang an“. Und nicht nur in Goethes Faust und in vielen modernen Werken von Schriftstellern wird erst deutlich, dass der Weg, der mit einer Versuchung begonnen hat, der Tod ist.
Der Teufel führt mit Vorliebe in den Tod, ins Zerbrechen, in Katastrophen. Dieser Mörder von Anfang an wusste doch, was dieser Sturz bedeuten kann. In vielen Gemäldegalerien ist das höchst drastisch dargestellt.
Der Engelssturz steht zwar nicht ausdrücklich in der Bibel, höchstens ein paar Andeutungen, dass Luzifer, der einst zu den Engeln Gottes gehört haben soll, von Gott verstoßen wurde. Die Maler haben das dargestellt, wie er mit verzerrtem Blick aus himmlischer Herrlichkeit in die Finsternis gestoßen wird.
In der Offenbarung wird beschrieben, wie Michael den Teufel hinauswirft aus der Welt Gottes. Dort heißt es auch: „Wehe euch hier auf der Erde, ihr habt wenig Zeit, denn er kommt zu euch hinab und hat einen großen Zorn.“
Das alles ist komprimiert und kondensiert in dem Wort von Jesus in Lukas 10: „Ich sah den Teufel fallen, stürzen wie ein Blitz.“ Jesus hat schon im Plan Gottes vorausgesehen, dass der Teufel gestürzt wird.
Aber nun wollte der Teufel, bevor Jesus sein erstes Wunder tut, seine erste Hilfeleistung leistet, die Sache umdrehen. Hier sehen wir zuerst, wer stürzt. Ihm war doch klar, dass er den Sohn Gottes vor sich hatte.
Die innere Auseinandersetzung Jesu mit der Versuchung
Bist du Gottes Sohn? Das war nicht nötig zu fragen, wusste er. Aber er wusste auch, dass für den Sohn Gottes gilt: Der Sohn kann nichts aus sich selbst tun. Nur das, was er den Vater tun sieht, das tut gleichermaßen auch der Sohn.
Der Vater hat es nicht nötig, sich mit großen Showeinlagen zu beweisen. Für den Vater ist es völlig unnötig, für den Tempel zu springen. Es gibt Dinge, die Gott nicht braucht – das war Jesus klar. Wir sollen Gott nicht herausfordern.
Der Teufel, der Mörder von Anfang an, wusste, dass wenn Jesus sich darauf einlässt, er unten zerschellen wird. Gott kann dazu nicht Ja sagen, und er wird seine Engel nicht beauftragen, ihn zu retten. Gott hat einen anderen Weg für diesen Jesus bestimmt. Wer hat ihn zum Retter der Welt bestimmt?
Man muss sich klar machen, dass es möglich ist, dass der Teufel wollte, dass Jesus schon vor jeder Tat kaputt ist. Mir ist das erst in den letzten Tagen aufgegangen. Man muss alt werden, zumindest ich, bis man einige Durchblicke durch die Bibel bekommt.
Ein Gemeindeglied in Korntal sagte zu mir: „Was Sie da ausgelegt haben, wie Jesus vor dem Leiden Angst gehabt hat im Garten Gethsemane, dass der Schweiß wie Blutstropfen fiel – da doch Jesus nicht Angst vor dem Leiden gehabt?“ Ich sagte: „Ja, vor was denn?“
Da antwortete diese Frau: „Der Jesus, der gesagt hat, der Menschensohn sei gekommen zur Erlösung für viele, dass er sein Leben gibt zur Erlösung für viele, der konnte doch nicht plötzlich im Garten Gethsemane sagen: ‚Herr, erspare mir diesen Kelch.‘“
Ich war erschrocken. Siebzig Jahre lang habe ich über die Leidensgeschichte Jesu hinweg gelesen, und das war mir nie bewusst geworden. Wir brauchen diese geschwisterliche Hilfe unter Christen, damit einem die Tiefe der Bibel erst klar wird.
Womit hat Jesus dann gerungen? Das Gemeindeglied in Korntal sagte: „Er hat mit dem Tod gerungen.“ Es kam dazu, dass er mit dem Tod rang, betete heftiger, und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen.
Da setzte der Teufel seine letzte Macht ein. Im Hebräerbrief Kapitel 2 heißt es, der Teufel hat Macht über den Tod. Jesus wollte nicht den bitteren Kelch des Teufels trinken, sondern den Kelch des Heils, den Gott gewährte.
„Lieber Vater, hilf mir!“ Das konnte Jesus offenbar in seiner Herzschwäche sagen. Er merkte: Jetzt will mich der Teufel sterben lassen, bevor ich zum Erlösungsleiden komme.
Das war der letzte Versuch im Garten Gethsemane, dass der Teufel Jesus wegputzen wollte, vom Fenster haben wollte. Und da bat Jesus den Vater: „Vater, hilf du mir, nimm diesen falschen Kelch von mir!“
„Rette mich für das eigentliche Leiden!“ Der Teufel wollte, dass Jesus weggepustet wird. Ich kann es nur noch einmal sagen: Der Teufel wollte Jesus wegputzen.
Die unterschätzte Gefahr des Wegnehmens Jesu aus dem Glauben
Wir sollen in der Christenheit nicht meinen, dass der Teufel hauptsächlich dort am Werk ist, wo es die großen Schweinereien gibt. Diese sind schrecklich! Doch die größte Versuchung besteht immer noch darin, dass Jesus nebensächlich gemacht wird.
Im Dritten Reich, als ich zur Schule ging, gab es in unserer Klasse ein paar Katholische, viele Evangelische und viele, die sagten: „Ich bin gottgläubig.“ Wer damals aus der Kirche austrat, dem wurde nahegelegt, sich nicht als Andersdenkender zu bezeichnen, sondern als gottgläubig. Man meinte, dieser Mensch sei doch fromm.
Es gibt viele Dichter, die fromme Reden halten. Sie glauben an alle möglichen höheren Wesen, an mögliche Weihen und Weihestunden. Doch den Namen Jesus bringen sie nicht über die Lippen.
Adolf Hitler konnte von der Vorsehung und vom Allmächtigen sprechen, je weiter der Krieg voranging. Aber den Namen Jesus hat er nie ausgesprochen.
In unserer Zeit wird oft gesagt: „Ach, rede doch nicht so viel von Jesus, das ist evangelikal. Wir reden lieber von Gott, das können auch die Muslime und die Juden mitmachen, dann haben wir eine gemeinsame Basis.“
Der Teufel aber ist darauf aus, uns Jesus wegzunehmen. Er will, dass wir nur noch ein allgemeines Gottesbewusstsein haben. Darauf war der Teufel, der Mörder von Anfang an, aus bei diesem: „Spring doch, komm, dann bist du weg.“
Gehorsam als Antwort auf Versuchung und Herausforderung
Warum hat Jesus diesen Sprung abgelehnt? Weil er dem Vater gehorchen wollte. Er sagte: „Ich nehme meine Befehle nur vom Vater entgegen.“ Seit jener Stunde in Prag, als ich begann, über diese Geschichte neu nachzudenken, ist mein Staunen über Jesus gewachsen.
Er wollte sich nicht von den Engeln auf den Händen tragen lassen. Kennen Sie eine andere Geschichte, in der Jesus gesagt hat, dass er wohl die Engel zur Hilfe holen könnte? Damals im Garten Gethsemane, als Petrus das Schwert zog und zuschlagen wollte, sagte Jesus: „Lass doch! Willst du mit einem Schwert kämpfen? Ich könnte den Vater um mehr als zwölf Legionen Engel bitten – zwölf Kampfeinheiten der mächtigen Diener Gottes –, damit ich nicht ins Leiden hineingehen müsste. Aber wie würde dann die Schrift erfüllt werden?“
Doch an einer Stelle ließ Jesus sich den Dienst des Engels gefallen, und zwar ebenfalls in Gethsemane. Dort kam ein Engel und stärkte ihn für das Leiden und seinen weiteren Auftrag, aber nicht, um ihn vor dem Leiden zu bewahren.
Die Bedeutung des Schutzes durch Engel und die Demut Jesu
Er hat seinen Engel befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.
Das kennen wir von unseren Ausflügen. Vielleicht wissen die Engel das nicht, aber ich als alter Mann weiß, wie es ist, wenn man stolpert. Das kann ganz schön weh tun, besonders wenn man zügig läuft und nicht die richtigen Schuhe trägt, sondern Sandalen. Dann stößt man leicht den Fuß an einen Stein. Aber es ist ja nicht das Schlimmste. Es heißt ja nicht einmal fallen. Gott nimmt auch das Allerkleinste wahr. Die Engel werden dich behüten, sodass du nicht einmal den Fuß an einen Stein stößt.
Dabei ist mir groß geworden, dass Jesus nicht einmal seine Füße, seine Zehen, so wichtig waren, dass sie durch die Engel bewahrt werden sollten. Er ging einen Weg, der vorgezeichnet war, auch durch das Psalmwort: "Sie werden deine Füße behüten." Nicht das, was Psalm 91 sagt, sondern das, was in einem anderen Psalm steht. Wiederum steht dort, dass Jesus seinen Weg vorgezeichnet wusste – nicht zum Bewahrtwerden, sondern damit er der große Bewahrer und Helfer der Menschen wird. Von diesem Weg wollte sich Jesus nicht abbringen lassen.
Dann ist mir noch wichtig geworden in diesem Wort: "Sie werden dich behüten auf allen deinen Wegen, sie werden dich auf den Händen tragen." Jesus hat das ganz anders aufgenommen. Eines der großen Stichworte steht schon in Matthäus 8: Er hat unsere Schwachheiten getragen. Er wollte nicht getragen werden. Alles, was Jesus getan hat – seine Heilung, seinen Trost, seine Seelsorge – hat er ertragen.
Unter der Ewigkeit, wenn wir je hineinkommen dürfen, wird das große Erstaunen doch sein: Nicht "Ich war wandelmütig, ich habe Charakter gezeigt", sondern "Wie oft, Jesus, hast du mich getragen!" In Versuchungsstunden, in Verzweiflungsstunden. Wir haben heute Morgen in Konthal eine tiefgründige Predigt von Bruder Schumann gehört, die großartig war. Sie hat gezeigt, wie sehr Jesus mich tragen will – obwohl er selbst nicht getragen werden wollte.
Die zentrale Rolle des Tragens in Jesu Dienst
Das Stichwort „Tragen“ taucht in der Bibel sehr häufig auf. Schon Mose sagt staunend über das Volk Israel: „Er hat dich getragen.“ Wir tragen, wie ein Vater seinen Sohn trägt, in großem Erbarmen. „Ich will euch tragen bis ins Alter“, heißt es, „heben, tragen, erretten.“
Die große Arbeit unseres Herrn Jesus ist in diesem Stichwort „tragen“ wie komprimiert oder kondensiert. Er trägt uns. Er will nicht getragen werden. „Du Lamm Gottes, das du der Welt Sünde trägst!“ In Jesaja 53 kommt dieses Stichwort dreimal vor: „Denn er hat die Sünden der Vielen getragen.“ Dieses Wort vom Tragen Jesu ist wichtig. Nicht getragen werden, sondern er will tragen.
Ein anderes Wort, „dass du mit einem Fuß nicht an einen Stein stößt“, löst ein Aha-Erlebnis aus. Für uns, die wir einigermaßen in der Bibel zu Hause sind, war es doch nicht verlockend, dass Jesus seinen Fuß nicht an einen Stein stößt. Sein Weg war ganz anders vorgezeichnet. Wenn wir schon das Stichwort vom Stein nehmen, so ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben, Psalm 118,22, zum Eckstein geworden. Das ist vom Herrn geschehen und ein Wunder vor unseren Augen: „Der Tag, den der Herr macht.“
Was Gott aus diesem verachteten Steinklotz gemacht hat, bei dem die Experten Israels sagten: „Weg mit ihm, der stört uns bloß!“ – das ist das tragende Fundament geworden. Auf dieses Machen Gottes ging Jesus zu. Nicht dadurch, dass er von den Engeln getragen wird, sondern durch das, was du durch mein Leiden machen wirst: dass ich der große Träger der Sünden sein darf.
Verstehen wir, warum Jesus die Versuchung ablehnen konnte? „Spring doch! Es wird den Menschen imponieren, sie werden vielleicht diesem Gotteswort glauben. Sie werden von den Engeln noch viel mehr schwärmen als wir im Jahr 2004, im Augenblick, von den Anthroposophen bis weit in die Christenheit hinein – von den Engeln wird manchmal mehr geschwärmt als von Jesus.“ Nein, sagt Jesus, „es kommt auf mich an, auf mich, der trägt die Sünden der Welt, euch in euren Schwachheiten trägt. Kommt auf mich an, den Gott zu dem großen Fels, dem Fundament machen wird, den verachteten Stein.“
Es wäre eine falsche Weichenstellung gewesen, wenn Jesus ja gesagt hätte zu dem, was der Teufel ihn provozieren wollte: „Spring doch da von der Zinne des Tempels!“ Jesus war nicht berufen, vor aller Welt seine Herrlichkeit zu demonstrieren, sondern gehorsam zu sein gegen den Vater.
Die wahre Ehre Gottes und der Weg des Gehorsams
Merken Sie, welche Schwingungen hier mitschwingen. In der Christenheit besteht oft die Versuchung zu glauben, dass Gottes Ehre vor allem dort geschieht, wo Tausende zusammenkommen, Wunder geschehen, Heilungen stattfinden, tolle Musik erklingt und Begeisterung ausbricht.
Die Ehre Gottes geschieht jedoch dort, wo ein Mensch sich zum Gehorsam durchkämpft, wo er von Jesus getragen wird und im Gehorsam gehalten bleibt. Diese Grundlinie klingt bereits in der Versuchungsgeschichte des Herrn Jesus an. Jesus wurde auf diesem Weg vom Vater festgehalten, der ihn auf diesen Weg gestellt hatte. Er geriet trotz der Versuchung des Teufels nicht ins Stolpern. Gott behütete ihn auf diesem Weg, und die Engel Gottes dienten ihm. So endet die Versuchungsgeschichte: Die Engel dienten Jesus, der gehorsam war, auf dem Weg, bis der Teufel ihn eine Zeit lang verließ und die letzte schlimme Versuchung kam.
Liebe Schwestern und Brüder, so verstanden ist das Psalmwort aus Psalm 91 total verlässlich: „Er wird dich behüten auf all deinen Wegen.“ Vielleicht schaffen wir es mit unserem Gehorsam, so sehr wir es uns auch vornehmen, nicht immer, gegen den mächtigen Versucher standzuhalten. In der heutigen Christenheit spricht man nicht mehr gern über den Teufel; manche halten es für Ammenmärchen. Umso mehr spricht die moderne Literatur vom großen Versucher, vom Teufel. Umso mehr merken Menschen, dass unsere Welt ein Kampf gegen den Teufel ist, dass der Teufel in unserer Welt aktiv ist.
Gegen diesen mächtigen Versucher genügt es nicht, sich vorzunehmen, hart zu bleiben und auf einem klaren, gehorsamen Weg zu bleiben. Die Engel Gottes wollen uns dienen, damit wir auf dem Weg des Gehorsams bleiben und ein riesengroßes Zutrauen zu dem lebendigen Gott haben. Gott will uns nicht zu allerlei Kunststückchen bereit machen, sondern zum Dienen dort, wo er uns brauchen kann.
Jetzt darf ich mit Ihnen beten: Herr Jesus Christus, herzlichen Dank, dass du für die Deinen, die dir gehören sollen, diesen Weg von Anfang an so klar gegangen bist – den Weg des Gehorsams. So müssen wir Gott nicht herausfordern, sondern können klar wissen, was du willst, und dich nicht durch unseren Ungehorsam beleidigen.
Herr, hilf uns nun, dass wir, die wir hier versammelt sind, neu spüren, dass du deine Macht in uns hineingeben kannst und uns auf dem Weg mit dir festhalten willst, Jesus.