Wenn ich mein eigenes Leben betrachte – ich weiß nicht, wie es euch geht – erlebe ich mein Leben mit Gott immer als ein Leben der Veränderung. Gott spricht bestimmte Themen in meinem Leben an. Das geschieht durch eine gute Predigt, durch ein Buch, das ich gerade lese, oder dadurch, dass mir ein Bibelvers wichtig wird. Manchmal passiert es auch, weil jemand in einem Gespräch etwas erwähnt – oft auf ganz absurde Weise.
Heute Morgen wurde wieder ein Thema angepingt. Ich suchte eigentlich nur ein Zitat, fand es nicht und blätterte in einem Buch, das ich vielleicht vor 20 Jahren in der U-Bahn gelesen habe. Darin waren mit einem Leuchtmarker einige Stellen markiert. Das Buch ist ziemlich alt – Thomas A. Kempis, 14. Jahrhundert – also wirklich uralt im doppelten Sinne. Man blättert so ein bisschen darin, und zu dem Thema, über das man gerade nachdenkt, findet sich plötzlich ein Vers. Ich dachte: „Hallo, er hat dich gar nicht gesucht, was machst du denn hier?“
Man kann das Buch einfach beiseitelegen und sagen: „Heute Abend vielleicht noch einmal.“ Aber genau so ist mein Leben. Gott pingt mich an bestimmten Stellen an und sagt: „Hey, mach dir darüber mal Gedanken, lass uns da ein Stück weitergehen.“ Er fordert mich auf, einen Bibelvers auswendig zu lernen, damit ich Zeit habe, darüber nachzusinnen. So kann sich das Thema tiefer setzen und wird nicht gleich wieder zugeschüttet von den Facebook-Beiträgen deiner Freunde am nächsten Tag und so weiter.
Leben in der Veränderung durch Gottes Impulse
Und dieses Konzept der Veränderung fasziniert mich. Es fasziniert mich, weil am Ende ein Leben daraus entsteht – ein Leben, das unglaublich dynamisch ist.
Es reicht nicht aus, sich damit zufriedenzugeben zu sagen: „Ich bin halt ein bisschen religiös.“ Oder: „Als Freikirchler ist man eben etwas religiöser.“ Früher war ich beim Konfirmandenunterricht, das war gut. Jetzt bin ich halt hier, das ist besser. Das wäre zu wenig.
Man ändert die Form oder macht die Form ein wenig frömmer. Wir wollen geistliches Leben oder suchen geistliches Leben mit Tiefgang. Geistliches Leben wird da tief, wo wir Gott auf eine persönliche Weise begegnen. Es geht nicht nur darum, einen Ablauf oder eine To-do-Liste abzuhaken. Natürlich ist es gut, regelmäßig Dinge zu tun.
So wie Zähneputzen morgens und abends wichtig ist – ich bin dafür. Und wenn du es noch mittags machst, ist das ein Geschenk, das ist richtig. Bitte jetzt nicht sagen: „Ich putze nur meine Zähne, wenn mir danach ist.“ Insofern ist es auch gut, nicht nur zu beten, wenn einem danach ist.
Aber trotzdem muss es noch eine andere Komponente geben. Es muss eine persönliche, eine intime Komponente haben, bei der es nicht nur um eine Form geht, sondern um Tiefe.
Ich merke, wie Gott in meinem Leben Leidenschaft schenkt für neue Frömmigkeitsstile. Dabei stelle ich mir ernsthaft die Frage: Ist das, was wir hier in Deutschland an Frömmigkeit und Religiosität leben – und zwar rede ich jetzt nur über Freikirchen, also nur in unserem Umfeld – auch nur annähernd das, was Gott sich eigentlich wünscht?
Oder sind wir vielleicht viel zu sehr, ohne es groß zu merken, gefangen in einer Welt, die uns zuschüttet mit ihren Erwartungen, ihren Versprechen und Zwängen? Am Ende entsteht so ein Leben, das sich eigentlich nicht groß von dem unterscheidet, was alle anderen leben.
Nur versuchen wir, in das bisschen Freizeit, das wir noch haben, noch Gott hineinzuzwängen und stellen fest, dass das eigentlich nicht funktioniert. Natürlich geht es irgendwie, ja. Das endet dann aber im Burnout oder in Frust über die Gemeinde.
Doch das ist eigentlich nicht das, was man sich wünscht.
Die Herausforderung echter Frömmigkeit
Ich möchte heute mit euch über Religiosität und Frömmigkeit nachdenken. Manchmal fragt man sich: Ist Frömmigkeit eigentlich noch eine Frage? Ist das nicht schon beantwortet? Wenn ich das Wort Frömmigkeit höre, denke ich an unsere kleine Farm. Kennt ihr diese Sendung? Unsere kleine Farm beginnt mit Mädchen in Rüschenhemdchen, die den Hang hinunterlaufen. Das ist eine Welt und eine Zeit, in der das Wort Frömmigkeit gut passt.
Oder meine Frau mag die andere Serie, Anne in Green Gables. Das ist auch schön. Für Männer ist es manchmal ein bisschen schwierig, wenn man Liebe übt und dabei zuschaut. Ich kann das sagen: Ich war jetzt bei meiner Schwiegermutter und habe mir aus Liebe mehrere Folgen angesehen. Das ist so eine Welt, eine heile Welt. Man geht sonntags in die Kirche, es gibt eine Sonntagsschule, und eine resolute ältere Dame ist die Sonntagsschullehrerin. Das ist irgendwie Frömmigkeit.
Aber das ist auch irgendwie Vergangenheit. Das hat mit meinem Leben eigentlich nichts zu tun. Es ist wie Fasching: Man sieht sich komisch an, und wenn es vorbei ist, ist es halt vorbei.
Ich möchte heute mit euch über Frömmigkeit nachdenken, so wie Gott sie sieht. Frömmigkeit ist ein antiquiertes Wort, genauso wie Religiosität. Wer macht sich heute noch Gedanken über Religion? Dabei spielen diese Themen in der Bibel eine große Rolle. Religiosität, Frömmigkeit, die Idee, dass ich mit meinem Leben Gott gefallen kann, ihn ehren kann und zeigen kann, dass er mir wirklich etwas bedeutet. Dass ich sage: „Ich möchte den Segen, den du hast, für mein Leben bekommen.“ Das ist ein Riesenthema in der Bibel. Wenn du willst, ist das das Thema.
Wie kommen Menschen in eine Position, in der Gott sagt: „Hey, du und ich, wir gehen den Weg jetzt gemeinsam, Hand in Hand.“ Und nicht, dass du da stehst und ich hier, und wir eigentlich nichts miteinander zu tun haben – was ja sonst oft der Fall ist.
Jakobus sagt uns zu diesem Thema eine ganze Menge. Wir betrachten heute Jakobus 1, die Verse 26 und 27. Der erste Teil von Vers 26 lautet: „Wenn jemand meint, er diene Gott...“ Man hört oft nur den Anfang eines Verses und denkt, das reicht.
Meine Behauptung war ganz am Anfang: Das Hauptthema des Jakobusbriefs ist, was echter Glaube ist. Hier denkt jemand, er diene Gott. Er meint, ich bin eigentlich fromm. Fromme Leute wollen immer Gott dienen, für Gott da sein, die Dinge tun, die Gott wichtig sind, und Gottes Reich bauen. Das ist völlig in Ordnung.
Jesus sagt nicht umsonst: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes.“ Es ist gut, dass wir den Wunsch haben, Gott zu dienen. Aber es reicht nicht, dass jemand irgendetwas tut.
Die Gefahr des bloßen Tuns ohne Herz
Wenn jemand meint, er diene Gott, dann tut er etwas. Schauen wir jedoch in die Kirchengeschichte, stellen wir fest, dass viele Menschen etwas getan haben.
Ein Stichwort sind die Kreuzzüge. Dort wurde viel unternommen: Man hat mehrere Aktionen gestartet, ist losgezogen und hat Schlachten geschlagen. Doch im Nachhinein betrachtet, ob das wirklich gut für Gott war, da bin ich sehr skeptisch.
Auch die Inquisition ist ein Beispiel, bei dem Menschen gehandelt haben. Aber war es wirklich richtig? Die Beteiligten waren überzeugt, dass sie Gott dienen und fromm sind, wenn sie so handeln. Ich bleibe skeptisch und glaube, dass vieles davon grobe Sünde war.
Ein weiteres Beispiel ist das Dritte Reich. Wenn man betrachtet, wie die Kirche damals agierte, sieht man, dass auch dort Menschen aktiv wurden und dachten, es sei gut, mit dem Staat zusammenzuarbeiten. Und solche Entwicklungen gibt es bis heute.
Ich weiß nicht, ob ihr von der neuen Orientierungshilfe der evangelischen Kirche zum Thema Ehe und Familie gehört habt. Dort haben ebenfalls Leute etwas unternommen, ein Papier verfasst und wollten modern sein. Meiner Meinung nach entwickelt sich das gerade in eine sehr merkwürdige Richtung.
Die Geschichte zeigt uns, dass es wichtig ist, immer wieder in die Vergangenheit zu schauen. Psalm 143,5 sagt: "Ich denke an die Tage der Vorzeit, an die Jahre in der Vergangenheit." Nachzudenken über das, was vergangen ist, ist hilfreich. Kirchengeschichte ist sehr wertvoll.
Es lohnt sich, zu beobachten, was andere Menschen getan haben. Dabei wird deutlich, dass es nicht reicht, einfach voller Elan loszulegen und ständig nur zu glauben: "Ich mache es für Gott." Am Ende könnte man feststellen, dass man es nur gut gemeint hat, aber nicht wirklich im Sinne Gottes gehandelt hat.
Die Bedeutung von Herz und Haltung im Gottesdienst
Wenn jemand meint, er diene Gott, ist das noch nicht ausreichend. Ich muss – und darum geht es mir heute – das Richtige tun. Und zwar auf die richtige Weise und mit der richtigen Einstellung. Es reicht nicht, irgendetwas auf irgendeine Weise und mit irgendeiner Einstellung zu machen. Es geht darum, das Richtige auf die richtige Weise und mit der richtigen Einstellung zu tun. Dann entsteht am Ende ein Leben, bei dem Gott sagt: „Hey super, genau so habe ich mir das vorgestellt.“
Lesen wir den ganzen Vers: „Wenn jemand meint, er diene Gott und zügelt nicht seine Zunge, sondern betrügt sein Herz, dessen Gottesdienst ist vergeblich.“
Ich weiß nicht, ob ihr in euren Bibeln Anmerkungen zu den Begriffen „diene Gott“ und „Gottesdienst“ habt. Diese Begriffe kommen im Neuen Testament sehr selten vor. Heute würden wir sagen: Wenn jemand fromm leben will, gottesfürchtig sein will oder religiös sein will. Das Wort „Gottesdienst“, wie es hier steht, hat überhaupt nichts mit dem zu tun, was wir heute Morgen machen. Es bedeutet nicht, am Sonntagvormittag Gottesdienst zu feiern, sondern wenn jemand fromm leben will, wenn jemand mit Gott leben will, das ist Gottesdienst.
Das ist ein ungewöhnlicher Begriff. Bei mir steht in der Fußnote auch „Gottesverehrung“ oder „Religion“. Ich möchte nur, dass ihr den Gedanken aus dem Kopf bekommt, es gehe um den Sonntagvormittag. Es geht um unser ganzes Leben, wie wir Tag für Tag mit Gott unterwegs sind.
Jakobus sagt hier: Es gibt einen vergeblichen Gottesdienst. Es gibt eine Form von Frömmigkeit, bei der Menschen mit Gott leben und etwas tun. Sie sind nicht faul, aber am Ende ist ihr Einsatz für Gott vergeblich, er ist umsonst.
Wichtig ist, dass Jakobus hier nicht zu Ungläubigen oder zu sogenannten Namenschristen spricht, sondern zu Gläubigen. Wenn jemand ungläubig ist, sagt die Bibel zum Beispiel in Sprüche 15,8: „Das Opfer der Gottlosen ist ein Gräuel für den Herrn.“ Gott möchte zuerst unser Herz, und dann will er unsere Opfer haben. Wenn man es andersherum macht, steht immer die Idee im Raum, man könne Gott kaufen oder sich sein Wohlwollen erarbeiten. Dagegen ist Gott immer. Er sagt: „Gib mir erst dein Herz, gib mir erst dein Innerstes, und wenn ich das habe, dann werke los.“ Nie umgekehrt.
Deshalb ist das Opfer der Gottlosen ein Gräuel für den Herrn. Das bringt nichts, das will Gott nicht. Es erweckt nur den Schein des Gläubigseins, aber dahinter steckt nichts. Gott sagt: „Das ist in sich schon eine Lüge, lass das sein.“ Aber wo etwas Gutes dahintersteckt, geht der Vers weiter: „Das Gebet der Aufrichtigen ist sein Wohlgefallen.“
Wo jemand im Herzen gerade steht, können wir später auch noch zusammen beten. Gott freut sich über jedes Gebet, auch wenn es noch so ein kleines „Stoppelgebet“ ist. Gestern war ich in Zwickau bei einem Gebetstag für Jugendliche. Es waren über hundert Jugendliche da, und wir haben eine Gebetsgemeinschaft gebildet. Ich sollte sie ein wenig anleiten. Wir haben drei Runden Gebet gemacht, jeder kam dran, und es gab Themen vorgegeben. Das war total schön. Natürlich gab es auch manche Gebete, bei denen man dachte: „Naja, fast das Thema getroffen.“ Aber hey, Amen! Gott freut sich darüber, wenn jemand mit Ernsthaftigkeit und aus ehrlichem Herzen ihm dienen will.
Wenn jemand das nicht will, ist es für ihn nicht dran, Gott zu dienen und Gott Opfer zu bringen. Dann geht es erst einmal darum, sich mit Gott zu beschäftigen, ihm zu begegnen und ihm sein Herz zu schenken.
Jakobus hat aber nicht die Ungläubigen im Sinn, sondern spricht zu Gläubigen. Er weist darauf hin, dass Gottesverehrung, Gottesdienst, Frömmigkeit und Religiosität – also das, was du in deinem Leben hast, um deinen Glauben zu leben – bei Gott nicht ankommt, wenn du ein loses Mundwerk hast.
Wenn jemand meint, er diene Gott, und zügelt nicht seine Zunge – das ist ja schon mal ganz interessant. Hättest du gedacht, dass der Umgang mit Sprache zu den Top-Ten-Themen deiner Religiosität und Frömmigkeit gehört?
Die Macht der Sprache im Glaubensleben
Biblisch ist der Gedanke nicht neu. Schon David schreibt im Psalm 15 folgendes: Psalm 15, Vers 1 – Da stellt er eine Frage: „Herr, wer darf in deinem Zelt weilen? Wer darf wohnen auf deinem heiligen Berg?“ Also: Wer darf Gott nahe sein? Welche Typen möchte Gott quasi in seiner Nähe wissen?
Das geht uns wahrscheinlich auch so. Es gibt manche Leute, die sind uns einfach lieb, wenn sie nah um uns herum sind, und dann gibt es Leute, die sind uns nicht so sympathisch. Ich kenne jemanden, der, wann immer man ihn antrifft, einfach nur redet. Er redet wirklich nur. Das ist ein ganz lieber Kerl, aber ich merke, wenn ich mit ihm zusammen bin, fällt mir das einfach schwer. Ich höre gern mal eine Minute zu, auch zwei und von mir aus auch fünf, aber irgendwann möchte ich auch etwas sagen. Und irgendwann möchte ich meine Ruhe haben.
Jetzt die Frage: Was für Leute mag Gott in seiner Nähe haben? Die Antwort im Psalm 15 lautet: Der nicht verleumdet mit seiner Zunge und keine Schmähung bringt auf seinen Nächsten. Also der Umgang mit unserer Sprache, wie wir reden und wie wir über Menschen sprechen, hat einen ganz großen Einfluss darauf, ob Gott sagt: „Hey, schön, dass du da bist. Das lohnt sich.“
David sagt an anderer Stelle im Psalm 141, Vers 3: „Bestelle, Herr, eine Wache für meinen Mund.“ Das finde ich schön, dass da wie ein Soldat davorsteht, der immer schaut, dass nichts herauskommt, was nicht herauskommen soll. Pass auf meinen Mund auf. Ich habe diesen Vers früh auswendig gelernt, weil ich dachte, der ist gut. Das muss man sich merken. Es passiert so leicht, dass man Dinge sagt – und das passiert mir heute noch. Ich bin heute noch sehr am Lernen.
Aber es reicht schon, wenn wir das mitnehmen, dass wir wissen: Das ist wirklich ein wichtiger Punkt. Wer schlecht redet, wer andere verleumdet, wer tratscht, wer plappert, der muss sich nicht einbilden, dass Gott von seinem Leben gut denkt – egal wie viel er vielleicht spendet oder wie sehr er sich an anderer Stelle einsetzt.
Wenn ich mir die Frage stelle, was Gott sich für mein Leben wünscht, dann möchte Gott, dass wir das schlechte Reden aus unserem Leben rausschmeißen. Das heißt, an einer Stelle heißt es: „Lest euch das nur vor, legt auch ihr das alles ab!“ Und dann gibt es eine Aufzählung: Zorn, Wut, Bosheit und jetzt kommt es – Lästerung, schändliches Reden aus eurem Mund. Paulus schreibt im Kolosserbrief 3,8: „Legt das ab – Lästerung, schändliches Reden.“
Es gibt einfach Dinge, die sagt man, und die hätte man besser nicht gesagt. Die gehören einfach nicht gesagt. Paulus sagt: Fang an, das abzulegen.
Und wenn du gerade dabei bist, dann noch Salomo, denn die Sprüche geben unglaublich viel zu dem Thema Reden her. Wenn ihr Probleme mit dem Reden habt, wenn ihr merkt, das ist mein Thema, und wenn ihr heute merkt, das ist nicht nur mein Thema, sondern da muss ich mir echt nochmal Gedanken drüber machen, dann gönnt euch die Sprüche. Einfach im nächsten Monat jeden Tag ein Kapitel Sprüche. Da kommt man so in einem Monat durch.
Markiert nur die Verse, die etwas zum Thema Reden sagen, und denkt kurz darüber nach: Trifft mich das oder trifft mich das nicht? Das ist eine ganz einfache Übung, die einem zeigt, wo man steht.
Zum Beispiel gibt es in Sprüche 10, Vers 19 diesen herrlichen Satz: „Bei vielen Worten bleibt Treubruch oder das Vergehen oder die Sünde nicht aus.“ Wer viel redet, wird irgendwann Dinge sagen, die er besser nicht gesagt hätte. Ein herrlicher Vers, ganz simpel, und er zeigt uns, wie wichtig es ist, dass man die Klappe halten kann beziehungsweise – wenn man unbedingt reden muss.
Es gibt Leute, die haben da ein höheres Bedürfnis, und solche, die haben ein niedrigeres. Man sagt immer, Frauen hätten ein höheres Bedürfnis. Das kann ich so nicht bestätigen. Ich erlebe das bei beiden Geschlechtern, dass es Leute mit einem hohen Mitteilungsbedürfnis gibt. Also diejenigen, die durchschnittlich vielleicht 15 Worte pro Tag sagen, aber die, die eher bei 30 liegen und den Eindruck machen, dass sie immer doppelt so schnell reden müssen.
Wenn du so ein Typ bist und sagst: „Ich muss sowieso reden, es geht gar nicht anders, ich kann jetzt nicht einfach... na, geht nicht, meine Mundmuskeln sind gar nicht dafür gemacht,“ dann ist SSR 4, Vers 29 genau das Richtige für dich.
Dort heißt es: „Wenn wir reden,“ sagt Gott, „dann gibt es eine ganz klare Art, wie wir reden sollen: Kein faules Wort komme aus eurem Mund.“ Faul im Sinne von verrottet. Jetzt sieht man das wieder, wenn man sich Fallobst anschaut. Ich musste letzte Woche Äpfel pflücken. Zuerst pflückt man die guten, dann hebt man die weniger guten auf. Bei den weniger guten sind die von der einen Seite noch ein bisschen grün, und von der anderen Seite sind sie schon braunmatschig.
Dieser Effekt, dieses Faule – du greifst rein und hast etwas Glitschiges, Ekliges in der Hand. Paulus meint damit: Kein faules Wort! So ein Wort, das glitschig und eklig ist, das du eigentlich nicht im Mund haben möchtest und das auch nicht schmeckt.
Stell dir vor, du beißt in einen Apfel und hast eine braune Stelle mit vielleicht einem kleinen Wurm drin. Das ist schon eklig genug. Aber jetzt stell dir einen ganz fetten, faulen Apfel vor. Also, kein faules Wort soll aus eurem Mund kommen, sondern nur eins, das drei Dinge erfüllt: Es ist gut, zur notwendigen Erbauung und damit es den Hörenden Gnade gebe.
Wenn du also viel reden musst, dann rede als jemand, der gute Dinge sagt und keine bösen. Der erbaulich ist, der andere nicht entmutigt und der, wenn er etwas sagt, anderen Gnade gibt. Das heißt, ihm das Leben nicht schwer macht, sondern das Leben leichter.
Wenn du viel reden musst – super! Wir können viel Lob, Dankbarkeit und Anerkennung in Gemeinden gebrauchen. Und wenn nicht, dann halt Klappe halten.
Wenn du dich immer wieder dabei ertappst, dass du ein bisschen über Leute spottest, andere diskreditierst, dummes Zeug redest, über andere herziehst oder dich selbst auf Kosten Dritter besser ins Licht stellst – „Schau mal, wie toll ich bin und der andere so doof“ – dann sei dir eines klar: Jakobus sagt, an dieser Stelle machst du dir selbst kaputt, mehr als du dir vorstellen kannst, weil Gott das nicht schätzt.
Das ist blanker Selbstbetrug zu glauben, man könne so reden und seinem Reden freien Lauf lassen, ohne dass es Konsequenzen hat. Man betrügt sein Herz. Man macht sich selbst etwas vor – im Innersten, in dem Zentrum, wo man moralische Entscheidungen trifft.
Da weiß man doch eigentlich, wenn man einfach drauflos redet und andere schlecht macht, dass das falsch ist. Man kann sich nicht hinstellen und sagen: „Klar, super, ich bin der Nabel der Welt, alle müssen mir zuhören, und es ist ein absoluter Segen, mir zuhören zu dürfen. Es ist pure Gnade, mir zuhören zu dürfen. Der andere sollte mir Geld dafür geben.“
Das stimmt alles nicht. Man weiß doch innerlich, dass man Blödsinn macht, wenn man andere verleumdet, blamiert oder – wie das neue deutsche Wort heißt – „disst“. Wenn man anderen mit seinem Geschwätz die Zeit stiehlt, weiß man doch, dass das falsch ist.
Man hört aber nicht auf das Herz, auf den Teil in sich, den Gott neu gemacht hat, der an ihm dranhängt und der einem eigentlich zeigt, wie es geht. Stattdessen lebt man sein eigenes Ding und redet sich ein, dass es nicht so schlimm sei – hier ein paar abfällige Bemerkungen, dort ein bisschen Angeberei, vielleicht ein paar versaute Witze. Ist das wirklich das, was Gott interessiert?
Mal ganz ehrlich: Glaubst du, dass Gott das interessiert? Hat Gott nichts Wichtigeres zu tun? Die Antwort lautet: Ja, Gott hätte schon Wichtigeres zu tun, aber es interessiert ihn trotzdem, wie du mit Sprache umgehst.
„Egal, wie fromm wir auftreten, wie viel Gotteserfahrung wir machen, wie viel Wissen wir haben – wenn wir es nicht schaffen, unsere Zunge zu zügeln, sagt Jakobus, dann ist unser Dienst für Gott umsonst.“
Es ist so simple Theologie, oder? Es ist so herrlich einfach.
Ich könnte jetzt noch einen zweiten Vers auslegen, aber wir könnten an dieser Stelle schon Schluss machen, weil ihr schon genug für die nächsten zehn Wochen an Arbeit habt. Es lohnt sich immer wieder, an dieser Stelle nüchtern das eigene Leben zu betrachten.
Ich würde wahrscheinlich jedem jedes Jahr raten: Wenn es so etwas wie einen geistlichen TÜV gäbe – TÜV ist dieses Ding, bei dem Leute unter dein Auto klettern und mit Hämmerchen dort anstoßen, wo Rost ist – dann würde ich jedem empfehlen, einmal im Jahr zu überlegen: Wie gehe ich mit Sprache um? Bin ich jemand, der es einigermaßen gemeistert hat, so zu reden, dass das, was ich sage, gut ist, erbaulich und Gnade gibt?
Wir werden nie fertig damit.
Also, erster Punkt: Wir sollen das Richtige auf die richtige Weise mit der richtigen Einstellung tun. Und die richtige Weise ist, dass wir unser Reden unter Kontrolle haben.
Wenn du dir die Frage stellst, ob es sich lohnt, sich über das Thema Reden Gedanken zu machen, lautet die Antwort ganz klar: Ja, ganz definitiv ja. Es steht ganz oben.
Wenn du sagst: „Ich möchte mit Gott leben und ein Leben so gestalten, dass Gott sagt: ‚Hey, cool, dich habe ich gerne um mich herum. Mit dir habe ich gerne Gemeinschaft‘“, dann sei kein Spötter, keine Tratschtante, kein Angeber, kein Lästermaul oder Lästerbacke – ich habe hier noch „kein Schwätzer“ und „keine Plaudertasche“ stehen.
Merkt ihr, was wir da alles für Worte haben? Die deutsche Sprache ist voll davon, wie Leute falsch mit Sprache umgehen können. Herrlich, oder? Wisst ihr warum? Weil wir es tun. Immer das, was einem wichtig ist, bekommt viele Worte. Deswegen haben wir kaum Worte für Sünde, weil es keinen mehr interessiert. Aber wie man falsch mit Sprache umgeht, das ist total spannend – es gibt so viele Worte dafür.
Geistliche Reife – Fazit eins: Sie zeigt sich immer in der Reife des Redens. Und wo diese Reife nicht zu finden ist, wo Menschen an dieser Stelle nicht weiterkommen, da ist zu befürchten, dass der Betroffene nicht mal merkt, wie dumm er sich verhält und dass er sich selbst betrügt.
Deshalb muss an dieser Stelle etwas geändert werden: Man muss das Richtige auf die richtige Weise mit der richtigen Einstellung tun.
Praktische Umsetzung echter Frömmigkeit
Was ist eigentlich das Richtige und was ist die richtige Einstellung? Das Richtige findet sich in Jakobus 1,27: „Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott und dem Vater ist dieser: Waisen und Witwen in ihrer Drangsal zu besuchen.“ Auch das ist wieder ein ganz einfacher Vers.
Zuerst zu dem Ausdruck „ein reiner und unbefleckter Gottesdienst“. Im Griechischen wird hier zweimal dasselbe gesagt: „rein“ und „unbefleckt“ sind quasi identisch. Dadurch möchte man die Aussage verstärken. Das kennen wir auch im Deutschen. Wenn jemand zum Beispiel „Feuer und Flamme“ für etwas ist, dann ist er total begeistert. Er ist nicht nur Feuer und Flamme, sondern eben Feuer und Flamme. Ich sage zwei Dinge, die eigentlich identisch sind – Feuer ist Flamme und Flamme ist Feuer. Weil ich es zweimal sage, betone ich es.
Für alle Freunde der Grammatik: Das nennt man ein Hendiadyoin. Wer ein schönes Fremdwort braucht, schreibt es hinten mit „y“: Hendiadyoin. Bestimmt braucht es fünf Minuten, das zu lernen, aber ich mag es einfach. Im Griechischen machen sie das so: Sie sagen einfach zweimal das Gleiche, zum Beispiel „rein und unbefleckt“. Damit wollen sie ausdrücken: „porentief rein“ – so rein geht es nicht.
Wenn du Religiosität leben möchtest, so dass du schon „persilmäßig“ strahlst, dann was musst du tun? Wenn du das tust, heißt es: „Vor Gott und dem Vater“. Eine merkwürdige Formulierung, fast so, als wären das zwei Götter. Ich hätte es besser übersetzt mit: „Vor dem Einen, der Gott und Vater ist“. Das würde klarer auf den Punkt bringen, worum es geht.
Wenn ich fromm leben will mit dem Gott, der sich als Vater bezeichnet, dann muss ich, wenn ich lebe, diesen Charakter Gottes auch ausdrücken. Meine Religiosität spiegelt immer den Charakter Gottes wider. Wenn Gott sagt: „Ich bin Vater“, also einer, der sich um andere kümmert – so heißt es in Psalm 68,6 –, dass er ein Vater der Waisen und ein Richter der Witwen ist. Ein Richter, der sich um das Recht der Witwen kümmert.
Gottes Charakter ist ein Vatercharakter, der sich um die Schwachen sorgt. Weil Gott ein Herz für die Schwachen hat, sagt er: Wenn du fromm leben willst, wenn du ein Leben führen möchtest, das mir gefällt, dann musst du das schaffen, diese Welt mit meinen Augen zu sehen und auch meine Ideale zu leben – nicht deine.
Warum Waisen und Witwen in ihrer Drangsal besuchen? Stellt euch einen Staat ohne Sozialsystem, ohne Rente und auch ohne Witwenrente vor. Wenn da jemand erlebt, dass seine Familie radikal dezimiert wird, der Mann stirbt und vielleicht keine großen Kinder da sind, die Eltern sterben – in so einem Staat hast du ein Riesenproblem, wenn du Waise oder Witwe bist. Du hast keinen Schutz, bist quasi der Willkür anderer ausgesetzt. Du weißt womöglich nicht, wovon du leben sollst, und wirst Opfer von Gewaltverbrechern. Du kannst leicht in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Vielleicht kannst du deinen Job nicht mehr ausüben. Wenn du einen großen Bauernhof hast, kann man sich leicht vorstellen: Es wird einfach zu viel. Wie soll eine alte Witwe da noch etwas machen?
Und jetzt die Drangsal: Da ist jemand richtig in Not. Gott sagt, das könnt ihr übrigens auch bei Hiob schön nachlesen. Hiob ist ein Gerechter und beschreibt, dass Waisen und Witwen immer wieder in Notlagen geraten. Er selbst war einer, der sich darum gekümmert hat. Ich lese euch noch einen Vers vor, der unterstreicht, was für ein gerechter Typ Hiob ist.
Geistliche Gerechtigkeit ist immer praktische Gerechtigkeit. Sie ist nie nur etwas, das mir zugerechnet wird. Ja, ich bin jetzt irgendwie gerecht vor Gott, weil mir die Gerechtigkeit Christi zugerechnet wird. Ich habe irgendwann Buße getan, jetzt bekomme ich die Gerechtigkeit Christi geschenkt. Das ist richtig. Aber das, was ich da geschenkt bekomme, zeigt sich in meinem Leben ganz praktisch.
Hiob sagt: Wenn ich armen Leuten, die bei mir vorbeikommen, einen Wunsch verweigert habe, wenn ich die Augen der Witwe erlöschen ließ – also wenn jemand mit einem Wunsch in den Augen zu mir kommt und ich nicht geholfen habe, dann ist sie irgendwann gestorben – und meinen Bissen allein aß, sodass die Waise nichts mehr davon essen konnte – also die Waise, die nichts hat, keine Eltern, die sich um sie kümmern –, wenn ich das getan hätte, wenn der Arme mir egal gewesen wäre, wenn die Witwe mir egal gewesen wäre, wenn das Waisenkind mir egal gewesen wäre, dann soll Gott mich strafen. Das geht unten weiter. Aber er sagt, das war nicht so bei mir.
Ich habe mich darum gekümmert, das gab es einfach nicht. Wenn jemand in Not war und ich habe das mitbekommen, dann habe ich mich darum gekümmert. Menschen in Not verdienen unseren Beistand, genauso wie Jakobus es hier beschreibt.
Wenn es darum geht, Waisen und Witwen in ihrer Drangsal zu besuchen, ist damit mehr gemeint als nur vorbeizuschauen und „Hallo“ zu sagen. Das Wort kann auch übersetzt werden mit „sich um jemanden kümmern“, „jemandem Gerechtigkeit verschaffen“ beziehungsweise „auf jemanden achten“. Das heißt, zu jemandem hinzugehen, zu schauen, welche Not da ist, und diese Not mit den eigenen Möglichkeiten zu lindern. Darum geht es.
Und jetzt kommt Jakobus und sagt: Mach das.
Praktische Grenzen und Möglichkeiten der Nächstenliebe
Kleiner Mini-Einschub: Heißt das, dass ich jedem Bettler in der U-Bahn etwas gebe? Ich gebe grundsätzlich keinem Bettler in der U-Bahn etwas. Ich bin zu oft an der Stelle reingefallen und möchte auch alkoholkranken Menschen kein Geld geben, damit sie noch mehr trinken.
Wenn du sagst, dass du merkst, hier wird ein Anspruch aufgebaut, weil dir ständig diese Leute begegnen, dann gebe ich dir einen Rat: Nimm das Geld, das du über das Jahr hinweg spenden würdest, wenn du jedem, der dich anspricht, mal einen Euro geben würdest. Nimm dieses Geld und gib es der Berliner Stadtmission, zum Beispiel für die Winterhilfe. Dort kommt es den Leuten wirklich zugute, und es wird etwas Ordentliches damit gemacht.
Ansonsten wäre ich zumindest an dieser Stelle vorsichtig. Das heißt aber nicht, nur weil ich an einer Stelle sage, mein Euro hilft eigentlich nicht, sondern er macht das Problem nur größer, dass ich sage: „Naja, jetzt gibt es ja Sozialhilfe und den Staat, der sich um alles kümmert. Es gibt für alles eine Einrichtung, jetzt kann ich hier Jakobus 1,27 einfach durchstreichen, das gilt da nicht.“ Falsch! Der Satz steht da.
Unsere Aufgabe wird darin bestehen, mit offenen Augen durch diese Gesellschaft zu gehen und zu überlegen: Wo sind Menschen, die Not leiden? Wir werden heute, denke ich, noch einmal ein bisschen darüber reden, auch darüber, wo wir in Marienfelde Menschen dienen können. Das heißt: Wo sind Menschen, die wirklich unsere Hilfe brauchen, und wo haben wir Mittel, die wir investieren können? Das ist unsere Aufgabe.
Ich würde fast noch ein Stück weiter gehen. Ich weiß nicht, ob ich mich das trauen werde – ob ich in zwei Wochen, wenn ich wieder predige, hier vorne stehen und einfach die Frage stellen werde: Wer von euch hat zum Beispiel Anita besucht? Das ist eine fiese Frage, oder? Es ist ja nicht so schwer. Wir haben ja nicht fünftausend Mitglieder, sodass man gar nicht sehen könnte, wer von den fünfzig hier bei uns ist. Das kann man noch sehen, das ist einmal rumblicken und fertig.
Eigentlich müsste man doch Folgendes machen: Eigentlich müsste man so einen Text lesen und sagen: Super, endlich mal ein einfaches Gebot. Gemeindeliste raus, Blatt raus, aufschreiben, anrufen, besuchen, fertig. Eigentlich ist das so simpel. Ich wette, würde ich es tun, wären es sehr wenige, die einfach nur, weil das hier steht, sich aufmachen und sagen: Ich tue das.
Und genau da liegt unser eigentliches Problem. Es geht nämlich nicht nur darum, zu wissen, was ich tun muss, sondern es auch zu tun. Ich muss nicht nur das Richtige kennen, ich muss es tun. Ich muss es nicht nur schaffen, den Bibelvers in meinen Kopf zu bekommen, damit ich mich daran erinnere, sondern das muss sich irgendwo in meinem Leben wiederfinden.
Meine Sorge im Blick auf die deutsche Christenheit – wenn ich das mal so ganz allgemein sagen darf – und im Blick auf mich selbst ist: Wir wissen, wo es steht. Wir wissen, dass es da steht. Und wenn du dann schaust, was wir wirklich tun – wir tun es nicht. Und die Frage ist: Warum eigentlich? Woran liegt das?
Die Herausforderung, sich von der Welt unbefleckt zu halten
Vielleicht liegt es daran, dass unsere Einstellung zum Thema Frömmigkeit einen Knacks hat. Jakobus schreibt nämlich noch mehr. Er sagt nicht nur, pass auf, dass du deine Zunge im Zaum hältst und dass du die Witwen und Waisen besuchst – also die, die in Not sind –, sondern es geht weiter: sich selbst von der Welt unbefleckt zu erhalten.
Ich weiß nicht, wie lange ich schon immer wieder über diesen Text nachgedacht habe. Die Welt – das ist da draußen, die Welt, in der wir leben, die Gesellschaft, in der wir leben. So zu leben in der Gesellschaft macht dreckig. Du lebst ganz normal in der Gesellschaft mit. Du suchst gar nicht den Dreck. Keiner von uns sagt, wir sind keine Schweine. Ja, mein neuer Blick aufs Herz: Wir waren Schweine, wir sind ja lose Schweine, vielleicht. Ja, wir wollen das nicht. So, wir suchen das Gute, wir suchen die Reinheit, wir wollen Gott gefallen. Aber ich lebe in dieser Welt und ich kann fast nichts machen.
Es ist, wie Jesus es im Obersaal sagt. Er sagt: „Ich möchte euch gern die Füße waschen.“ Dann sagt Petrus: „Hä, du willst mir die Füße waschen?“ Und dann geht das ein bisschen hin und her. Jesus erklärt ihm: „Weißt du, du bist auf der einen Seite rein um des Wortes willen. Und auf der anderen Seite, wenn du mit deinen Füßen hier durch diese Welt latschst, die Füße da, wo du die Welt berührst, die werden immer dreckig sein. Du kannst machen, was du willst. Du lebst einfach mit. Und ob du das möchtest oder nicht, du wirst immer irgendwo von dem Dreck etwas abbekommen.“
Und wenn du mir nicht glaubst, hör mal einem typischen Gespräch in der U-Bahn zu. Einfach nur eine Szene: Ich stand gestern in einer Schlange in einer Videothek. Es ist Spandau, sicherlich ein bisschen heruntergekommen. Also es gibt so eine Schmuddel-Videothek, aber die liegt einfach super gut, wo ganz komische Leute reingehen. Das ist wirklich komisch.
Ich stand da und keine Ahnung warum, war nur ein Schalter offen. Ich stand da bestimmt fünf Minuten und hörte abends, so etwa um zehn, die Leute, die da gerade standen. Und ich dachte: „Hallo, wo bist du, auf welchem Planeten bist du hier gestrandet?“ Ich wollte nichts von dem hören, was da geredet wurde, absolut nichts! Aber du kannst ja nicht einfach so dastehen, irgendwie bist du einfach da, du kriegst das einfach mit.
Also ich lebe in dieser Welt, und das, was ich sehe, das, was ich höre, das, was ich erlebe, wie man mit mir umgeht – da merke ich, das tut mir nicht gut. Das beschmutzt meine Seele. Das will ich gar nicht sehen, das will ich nicht hören, das will ich nicht erleben.
Deswegen heißt es auch im Epheserbrief: Unzucht aber – und alle Unreinheit oder Habgier – sollen nicht einmal unter euch genannt werden (Epheser 5,3). Also Unzucht, der gesamte Umgang mit Sexualität außerhalb der Ehe, alles, was so salonfähig geworden ist, der ganze Schmuddel – nicht mal drüber reden.
Unreinheit – das ist das, was lange passiert, bevor es dann pervers und sündig wird. Aber wo ich schon merke, das geht mich eigentlich nichts an, das will ich nicht wissen, das ist viel zu privat, verschone mich bitte damit. Ich möchte das nicht sehen, ich möchte nicht aus Versehen Miley Cyrus auf irgendeiner Abrissbirne nackt rumtanzen sehen. Ich will es nicht. Selbst wenn ich nichts weiter sehe, ja, aber ich will es nicht sehen.
Ich merke einfach, es geht mich nichts an. Ich würde es nie meiner Frau erlauben, nackt auf einer Abrissbirne ein Foto von sich machen zu lassen. Und jetzt sind sie Internetzustände. Das will ich nicht. Das macht etwas mit mir. Und ich merke, ich muss das wieder abwaschen, ich muss das wieder loswerden. Das ist einfach eklig.
Habgier – dieses immer noch mehr haben wollen, dieses von der Werbung traktiert werden: „Du brauchst und brauchst.“ Ich weiß nicht, jede Woche schmeiß ich Kataloge weg. Ich will das nicht mehr lesen. Ich muss Sachen loswerden. Der Herr Jesus sagt: „Schmeiß deine Sachen weg oder gib sie weg, verkauf sie, gib das Geld, das du dann bekommst, den Armen.“ Das ist unser Ziel.
Und die Werbung: Immer noch eins obendrauf und noch eins obendrauf und noch eins obendrauf. Und wenn du schon tausend Sachen hast, tausend und eins, dann fühlst du dich glücklicher. Das ist doch Wahnsinn. Ja, ich will das nicht. Ich will das wirklich nicht.
Und dann geht es hier weiter, Vers 4: Und auch Unanständigkeit und albernes Geschwätz und Witzelei, dieses Reden um des Redens willen. Gott ist nicht gegen Humor – damit wir uns nicht falsch verstehen. Gott hat einige sehr humorvolle Stellen in der Bibel. Manches, was Jesus tut, ist – hätte man es erlebt – unglaublich humorvoll.
Aber dieses Rumgelalle und Gelabere, wo du Witze hörst, die einfach nur „Ha ha ha, sie ist blöd“ sind, auf Kosten anderer. Wo du sagst: „Bäh.“ Oder abends im Bett liegst und sagst: „Das habe ich heute wieder alles gesehen und gehört, bäh.“ Ja, Herr, bitte, nimm das irgendwie aus meinem Schädel raus.
Und dann wird es ja noch ein Stückchen schlimmer. Also diese Welt ist geprägt von Dingen, das ist absurd: 35 Prozent des Internetverkehrs besteht aus Pornografie. 35 Prozent des Verkehrs im Internet sind pornografische Abläufe, nicht nur Seiten.
Da wundern wir uns, dass Christen weltweit nicht wachsen in der Gemeinde. Mich wundert das nicht. Heute Morgen ja, auch wieder so ein Ding. Ich will nur schnell die Nachrichten lesen. Warum? Bevor ich zur Predigt gehe, will ich nicht, dass irgendwo etwas Riesiges Blödes passiert ist und alle wissen es, nur ich nicht. Und der Prediger predigt einfach an dem Tagesgeschehen vorbei.
Wenn irgendeine Atombombe hochgeht, kann ich nicht einfach über Jakobus 1 predigen, zum Beispiel. Das passt einfach nicht. Also schaut man da schnell durch. Und dann wieder so ein Ding: Was interessiert mich der Aufstieg des deutschen Tattoo-Modells Lexi Hexi? Natürlich Artikel mit Bildern.
Wo ich sage: „Hallo, es sei einfach nur da, ja, hättest du auch weglassen können.“ Klar, es ist nur klein. Ja, ich muss da auch nicht lange hinschauen. Aber wenn du so ein Typ bist, der einfach mal drüberscannt, so wie ich, ja, dann hast du Lexi Hexi halt gesehen, ob du sie sehen wolltest oder nicht.
Ich meine jetzt Körper: Ganzkörper tätowierte Frauen sind jetzt nicht mein Ding. Ja, das ist eher so ein bisschen „brrr“. Aber trotzdem, ja, es geht mich doch nichts an, diese Frau da im Bikini zu sehen, noch nicht mal als Bild so groß. Es geht mich doch nicht an. Das will ich nicht sehen. Ich habe eine Frau, und ich will mich an ihr freuen.
Und die Herausforderung Gottes für einen Ehemann ist, sich an seiner Frau zu freuen, doch nicht an Lexi Hexi.
So, versteht ihr: Ich laufe in dieser Welt und ich kriege das einfach mit. Und ich möchte mich da nicht reinziehen lassen. Nicht in diese perversen Gedanken, nicht in diesen Konsumrausch, nicht in dieses YouTube-Video-Zeitvernichtungsding, was eine ganze, ja, nicht in dieses GTA 5 – ja, verplemper deine Zeit, aber bitte bis zum Anschlag. Ja, lass die nächsten dreißig Stunden damit angefüllt sein, ein Computerspiel zu spielen.
Komm bloß nicht auf den Gedanken, mal darüber nachzudenken, ob du dreißig Stunden beten könntest. Boah, ja.
Sehnsucht nach geistlicher Tiefe und Erweckung
Heute Morgen habe ich in Thomas von Kempen gelesen. Was habe ich durchgeblättert, was habe ich gesehen? Ich mache mir gerade viele Gedanken über Ernsthaftigkeit im geistlichen Leben.
Gestern habe ich eine Predigt gehalten über Gebet, Buße und Erweckung. Ich habe gestern und werde das heute Nachmittag in Spandau predigen, die Frage gestellt: Wo sind die geistlichen Väter, die beten wie ein Daniel in Daniel 9? Die Nächte im Gebet zubringen und mir beibringen, wie man das macht? Die Bosse, die für Erfolg kämpfen und über ihr Volk weinen, die beten, bis Erweckung kommt – nicht nur mal zehn Minuten, auch nicht nur einmal im Jahr bei der Allianz-Gebetswoche für zwanzig Minuten, sondern Woche für Woche, Nacht für Nacht im Gebet kämpfen. Wo sind sie? Ich kenne niemanden.
Dann schlage ich meinen Thomas von Kempen auf, willkürlich das vierzehnte Jahrhundert, weil ich etwas ganz anderes gesucht habe. Und ich merke: Ich habe vor zwanzig Jahren eine Stelle markiert, da steht über die Vorbilder im Glauben, dass die Männer des Glaubens am Tag gearbeitet haben und in der Nacht gebetet. Ich dachte mir: Hallo? Fragt euch jetzt nicht, wann sie geschlafen haben. Es ist einfach diese Einstellung: arbeiten und beten. Sie haben jede Stunde ausgekauft.
Ich denke mir, ich lebe in einer Gesellschaft, in der die Jugend dazu gebracht wird, möglichst wenig Stunden auszukaufen, sondern möglichst viele Stunden zu verplempern. Eine Gesellschaft, die das Mittelalter dazu bringt, möglichst viel zu kaufen und sich mit möglichst viel Schrott zu beschäftigen. Wo Männer hineingezogen werden in Pornografie. Wo es für viele schwer ist, am Sonntagvormittag in den Gottesdienst zu gehen.
Ich ahne, woran das liegt: Wir sind einfach so belastet von unserem ganzen Leben, wir sind so besudelt und merken es nicht einmal. Diese Welt ist uns schon so lieb geworden, dass uns die geistlichen Dinge, der intime Umgang mit Gott, das Zusammensein mit den Geschwistern, das Singen von Liedern – was für ein Vorrecht! – einfach nicht mehr viel bedeutet.
Und jetzt kommt der Kobus und sagt: Schmeiß den Dreck raus! Gönn dir doch mal so eine Rubbelbürste und etwas Scheuerpulver, mach das mal weg und schau, an welchen Stellen dich der Zeitgeist und das, was an alltäglicher Sünde in dieser Gesellschaft ist, beschmutzt hat. Wo dein Denken korrumpiert worden ist. Wo du wirklich wertvolles Leben opferst – für den Teufel, letztlich für den Teufel und für seine Ideale.
Mich fasziniert das, darüber nachzudenken, wo in meinem Leben entweder offensichtliche Sünde ist oder wo dieses heimliche, unreine Element ist. Dieses Unanständige, wo ich merke: Es ist vielleicht als Sündenbegriff nicht wirklich zu greifen. Es ist ja keine Sünde, mal hier einen Film anzuschauen oder da mal auf eine Party zu gehen. Es geht mir überhaupt nicht darum, was du darfst oder nicht darfst.
Die Frage ist: Tut das meiner Seele gut? Seelenhygiene! Ja, ich putze meine Zähne regelmäßig, damit sie sauber sind und nicht anfangen zu faulen. Putze ich meine Seele regelmäßig? Lebe ich einen Frömmigkeitsstil, in dem ich rein bin vor Gott? Und sage ich: Ich möchte diese Zeit auskaufen, ich möchte Gott ganz nahe sein, ich möchte auf seinem heiligen Berg wohnen?
Wenn ich das will, dann würde Jakobus sagen: Du musst das Richtige tun. Du musst dich um Menschen kümmern, denn sie haben die höchste Priorität, weil wir einen Vatergott haben. Du musst es auf die richtige Weise tun, das heißt, du musst es tun und auf dich selbst, auf deinen Charakter, besonders auf deine Reden achten. Und du musst es mit der richtigen Einstellung tun.
Du musst sagen: Ich lebe in dieser Welt, aber ich bin nicht von dieser Welt. Ich werde diese Welt benutzen, das darf ich, ich werde sie sogar genießen. Aber ich werde nicht zulassen, dass diese Welt mir zum Gatten wird. Ich werde irgendwann einen Schnitt setzen und sagen: Bis hierhin und nicht weiter. Und ich werde auf eins in meinem Leben diese Beziehung zu Gott setzen.
Ich weiß, wenn ich das tue, dann wird sein Segen in mein Leben hineinfließen, und der wird all die anderen Bereiche auch regeln. Wir brauchen immer noch genug Weisheit. Lasst uns das Leben bitte nie simplifizieren. Leben ist kompliziert und immer wieder eine neue Herausforderung. Aber trotzdem gilt: Wenn wir durch diese Welt gehen, brauchen wir Reinheit.
Und wenn du merkst: Das war nie mein Thema. Vielleicht merkst du jetzt auch, ich habe da Dinge in meinem Leben, die machen mich eigentlich unrein vor Gott. Triff doch jetzt an diesem Punkt die Entscheidung zu sagen: Ich möchte ein Stück näher zu Gott hin. Ich weiß bei mir selbst ehrlich noch nicht, was das bedeutet.
Ich bete gerade für Erweckung, für mich, für mein Herz. Ich bete darum, dass Gott mir zeigt, wie man mehr beten kann, wie man inniger beten kann. Ich weiß noch nicht, wie das geht. Ich weiß nicht, wo ich dabei rauskomme. Und ich merke: Ich bin zu alt für irgendeine aktionistische Schnellschussidee.
Das ist komisch. Vor zwanzig Jahren hätte ich wahrscheinlich schon drei neue Programme zum Thema Erweckung gestartet. Heute warte ich darauf, dass Gott mein Herz erweckt und mir hilft zu sehen, was wirklich dran ist.
Ich weiß nicht, wo du stehst, aber trau dich doch mit diesem Vers im Rücken, einen Schritt zu gehen: Einen Schritt weg von Sünde, einen Schritt weg von der Liebe zur Welt, einen Schritt weg von der Belanglosigkeit des Lebens, einen Schritt hin zu Gott. Einen Schritt, der vielleicht dein Reden betrifft, deinen Einsatz von Zeit oder Geld. Aber mach einen Schritt!
Und wenn ich dir einen Tipp geben darf: Lerne die Verse, die ich heute gesagt habe, auswendig. Epheser 4,29, Jakobus 1,26-27, Sprüche 10,19, Kolosser 3,8, Epheser 5,3-4. Es sind absolut zentrale Verse. Du wirst sie für den Rest deines Lebens brauchen, egal wie alt du bist.
Amen.