
Ich habe das eingangs vorhin gesagt: Ich habe immer mal wieder mit Christen zu tun, die das mit der Gnade nicht glauben können. Es gibt verschiedene Gründe dafür.
Ein Grund ist, dass man aus einer Familie kommt, in der es tatsächlich ein ganz anderes Vaterbild gab und man Vaterschaft ganz anders erlebt hat. Was mir jetzt immer öfter passiert, ist, dass es in der Vergangenheit emotionalen oder sexuellen Missbrauch gab. Menschen sagen dann, sie müssten sich davon distanzieren und sich einen Beziehungsstil angewöhnen, der im Endeffekt darauf hinausläuft, dafür zu sorgen, dass ihnen nie wieder jemand wehtut und dass sie immer die Kontrolle über ihr Leben behalten.
Auch das führt dazu, dass man Liebe in der Form, wie Gott sie schenken möchte, nicht mehr an sich heranlässt. Denn diese Liebe ist eine, in der man ein Stück schutzlos ist und sich tatsächlich in die Arme des Anderen fallen lassen muss.
Wenn ich in solche Gespräche hineinkomme, mache ich eines: Ich sage, es gibt ein Buch, und dieses Buch ist unglaublich unausgewogen. Vielleicht ist es sogar in unseren Kreisen ein bisschen verpönt, weil der Autor nicht unbedingt derjenige ist, den wir normalerweise empfehlen würden. Aber es ist ein Buch, das mich persönlich zu Tränen gerührt hat und das mir das ganze Thema in seiner Einseitigkeit so vor Augen geführt hat, dass ich es regelmäßig empfehle.
Wenn du für dich denkst: Da gibt es in meinem Leben etwas, das ich jetzt noch nicht festmachen kann, aber ich habe so eine Beziehung zu Gott, dass ich glauben kann, dass Gott mich so liebt und dass Gott ein Vater im Himmel ist, der bedingungslos an mir hängt. Den ich nicht davon überzeugen muss, dass er mich liebt, sondern der mich schon liebt – wenn du sagst, das ist mein Problem –, dann würde ich gerne mal vielleicht ein Wochenende in Klausur gehen. Ich würde gerne mal etwas lesen, das mir Tränen in die Augen treibt und mich an den Punkt bringt, dass ich trauere. Trauere über das, was ich verpasst habe, weil in meiner Jugend Dinge passiert sind oder eben nicht passiert sind, die hätten passieren sollen oder nicht hätten passieren dürfen.
Ihr wisst, es gibt diese unglaubliche Verheißung in Matthäus 5,4: „Glückselig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.“ Verdrängung macht niemanden heil. Was wir lernen müssen, ist, unsere Angst, unsere Not und unsere Trauer zu nehmen und vor Gott zu artikulieren – das ist das, was die Psalmisten tun.
Wenn du sagst: Ich bin bereit, auf diesem Weg Gott zu begegnen mit dem, was mich im Innersten schmerzt. Ich möchte es aussprechen, ich möchte es klagen und seinen Trost erfahren. Dann ist dieses Buch von Brennan Manning, das heißt „Kind in seinen Armen“, ein wirklich guter Einstieg.
Es ist ein Buch, das mich – ich weiß nicht, wie es euch geht – sehr berührt hat. Es ist mir begegnet, als ich auf einer Bibelschule an einem Büchertisch vorbeiging. Dort lag es für vier Euro auf dem Grabbeltisch, war übriggeblieben. Ich dachte: Ach, da machst du nichts falsch, nimmst du mit. Ich fing an, es zu lesen, während ich noch auf der Bibelschule war, und dachte: Boah, was passiert hier? Da kennt einer mein Herz.
Wenn dir das so geht, nimm dir das Buch mit, lies es und lass dich treffen und berühren. Lass dich in die Gegenwart eines Vaters führen, vor dem du dein Leid klagen und wirklichen Trost finden kannst. Das vorneweg.
Ich habe gesagt: Gnade erzieht, Gnade ist eine Macht, die uns verändern will. Das Neue Testament spricht davon, dass wir den neuen Menschen anziehen sollen. Den alten Menschen haben wir ausgezogen. Der alte Jürgen, den gibt es eigentlich nicht mehr, und jetzt muss ein neuer Jürgen her.
Dieser Veränderungsprozess wird beschrieben in 2. Korinther 3,18 mit folgenden Worten:
„Wir alle aber schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an.“
Wenn hier steht „Wir schauen sie an“, dann ist das Wort im Griechischen ein Anschauen wie in einem Spiegel. Man könnte es vielleicht sogar eher mit „Wir reflektieren seine Herrlichkeit“ übersetzen. Das ist mehr als nur ein Anschauen, es ist ein Widerspiegeln.
Wir reflektieren mit aufgedecktem Angesicht. Wir wissen, mit wem wir es zu tun haben: die Herrlichkeit des Herrn. Und so werden wir verwandelt, in dasselbe Bild, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie es vom Herrn, dem Geist, geschieht.
Der zweite Vortrag soll den Titel tragen: Im Gehorsam leben. Es geht darum, ein Leben zu führen, das mich zu einem Nachfolger Jesu Christi macht. Dabei lerne ich, aus meinem Lebensboot herauszutreten – aus dem, was mir früher Sicherheit gegeben hat – wie Petrus, der mitten im Sturm auf die Wellen hinausging und wandelte, wie Jesus wandelte.
Nachfolge bedeutet, dass ich ein Vorbild habe, ein Ideal, jemanden, der mir zeigt, wie es geht. Ich laufe hinterher. Wenn um mich herum der Sturm tobt, ist das völlig normal, denn in dieser Welt gibt es immer Stürme. Doch ich schaue auf Jesus und möchte ihm folgen, wohin er mich führt. Im Glauben wage ich Schritt für Schritt.
Im Gehorsam leben – dazu habe ich mir überlegt, dass wir drei Punkte herausarbeiten.
Der erste Punkt beschäftigt sich mit der Frage: Was bedeutet es, wenn ich gehorsam ohne Gnade leben will? Ich möchte dieses Thema nur kurz anreißen, um zu zeigen, wie absurd das ist und wie es in viele Bereiche führt, in die niemand von uns gehen möchte.
Anschließend möchte ich darüber nachdenken, warum wir eigentlich gehorsam sein sollen. Dabei möchte ich deutlich machen, dass Gehorsam ein Mittel zum Zweck ist und nicht der Zweck an sich.
Der dritte und größte Punkt, zugleich der spannendste, trägt die Überschrift „Kultur des Gehorsams“. Hier geht es darum, wie wir es schaffen können, in unserem Leben regelmäßig gehorsam zu sein. Denn von alleine wird das nicht funktionieren.
Zusammengefasst also drei Punkte:
Erster Punkt: Gehorsam ohne Gnade. Das ist ein sehr heikler Punkt in der Bibel.
Wir treffen immer wieder auf Menschen, die nach außen hin ein sehr frommes, hingebendes und geregeltes geistliches Leben führen. Eine Gruppe, die im Neuen Testament immer wieder auffällt, sind die Pharisäer.
Die Pharisäer haben von ihrer Geschichte her eigentlich einen sehr guten Anfang. In einer sehr kritischen Phase, in der nicht klar ist, ob der neue Trend, der Hellenismus, das griechische Denken, die Oberhand gewinnen und vielleicht vollständig das alte jüdische, traditionelle Denken verdrängen wird, entstehen die Pharisäer. Sie sagen: Wir stehen zu den guten Geboten Gottes, wir stehen ganz auf Gottes Seite, wir wollen konservativ sein und so leben, wie es Gott gefällt.
200 Jahre später ist daraus leider etwas geworden, das man mit dem Begriff Übergerechtigkeit beschreiben muss. Das bedeutet, dass man nicht mehr nur die Gebote Gottes aus der Bibel beachtet, sondern eigene Gebote erfunden hat. Man wurde gerechter als Gott und hat diese eigenen Gebote implementiert. Diese galten nun genauso wie die ursprünglichen Gebote in der Bibel. Man ist übergerecht geworden.
Diese Übergerechtigkeit führte zur Werksgerechtigkeit. Es entstand ein Hang zu eigenwilligen Geboten und die Vorstellung, dass man durch rigides und enges Befolgen dieser Gebote vor Gott gerecht dasteht. So sahen sich die Pharisäer.
Als Jesus kam, stellte er fest, dass die Menschengebote der Pharisäer ihn nicht interessieren. Er sagte ihnen: Habt ihr mal in euer Leben hineingeschaut? Da stimmt doch einiges nicht. Ihr habt einen einseitigen Blick auf Sünde. Manche Dinge übertreibt ihr, während ihr bei anderen überhaupt nicht merkt, dass ihr tief in der Sünde steckt.
Wir alle kennen Stellen, in denen Jesus sagt: Ihr reinigt zwar eure Becher und Schüsseln, aber euer Herz, das ist dort, wo es Gott wirklich ankommt, ist total dreckig. Wenn wir gehorsam leben, aber ohne Gnade, laufen wir leicht Gefahr, Menschen zu werden, denen es genügt, einen frommen Schein zu haben.
Wir definieren uns dann über den Vergleich mit anderen. Das ist etwas, das mir in unserer ganzen evangelikalen Welt momentan sehr bitter aufstößt: Dieses "Wir sind nicht wie die anderen".
Wenn ich jetzt über Liebe predigen würde, würde ich an dieser Stelle zeigen, dass im Zentrum von Liebe Bewunderung steht. Und im Zentrum von Gehorsam ohne Gnade steht, was ich Schammanagement nennen möchte.
Ich merke, irgendetwas stimmt in meinem Leben nicht. Ich schäme mich für das, was ich tue. Nehmen wir Adam als Beispiel: Was macht Adam? Er hat etwas falsch gemacht und hat nun ein Problem mit Gott. Wie reagiert er? Am besten versteckt er sich, wenn Gott das nächste Mal vorbeikommt. Wenn er sich versteckt, kann Gott ihn nicht sehen. Und wenn Gott fragt: "Wo bist du, Adam?", dann sagt er einfach nichts. Dann sieht Gott ihn nicht und alles ist gut.
Das ist Schammanagement. Man macht etwas falsch, es gibt Sünde im Leben, und man versteckt sich. Wenn das nicht mehr funktioniert, weil Gott einen trotzdem sieht, dann schiebt man die Schuld auf andere, wie zum Beispiel Eva. Es geht immer darum, vor anderen möglichst gut dazustehen.
In einem solchen Lebenskonzept wird Sünde zum Risiko. Ein Risiko, das man nicht mehr als Chance zur Veränderung versteht, sondern vor dem man Angst hat. Man möchte gar nicht genau wissen, was noch alles falsch im eigenen Leben ist. Stattdessen sollte man sich fröhlich auf die Suche machen und beten: "Gott, zeig mir, was alles nicht stimmt bei mir!"
Ein schönes Beispiel dafür ist ein Gebet aus Psalm 139. David, ein Mann, der in der Gnade lebt und verstanden hat, dass Gott ihn liebt, betet dort:
"Gott, ich hätte da einen Wunsch: Erforsche mich und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne meine Gedanken. Sieh, ob ein Weg der Mühsal bei mir ist."
David bittet Gott, sein Leben genau anzuschauen. Er hat schon einiges gefunden, das nicht in Ordnung ist, aber er hat Sorge, dass er die eine oder andere Sünde übersehen hat. Er weiß, dass Sünde ihm nicht gut tut und bittet Gott, ihm zu helfen, sie zu entdecken.
Mir gefällt dieses Gebet sehr. Wenn ich bete, fällt es mir oft leichter, bei anderen zu sehen, was falsch läuft. Aber wo ist mein eigener blinder Fleck? Ich weiß nicht, ob du das betest, aber ich kann einen Test vorschlagen, um herauszufinden, wie du mit Sünde umgehst.
Jeder kennt das Vaterunser. Dort heißt es: "Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern." Wenn man das Vaterunser richtig versteht, sagt Jesus, dass wir um Vergebung bitten sollen, so wie wir anderen vergeben.
Wenn du betest, kannst du verschiedene Themen durchgehen und nachdenken, wofür du Gott anbeten möchtest, wie du das Reich Gottes fördern kannst und welche persönlichen Anliegen du hast. Dann frage dich: Was ist in meinem Leben schiefgelaufen?
Der Test geht so: Welche Sünden hast du gestern bekannt? Denk kurz nach. Wenn du sagst: Eigentlich keine, dann frage dich weiter: Und vorgestern? Auch keine? Und vorvorgestern? Nein? Letzte Woche? Vielleicht eine Kleinigkeit, aber eigentlich nichts? Und letzten Monat?
Ich frage dich: Betreibst du Schammanagement? Oder bist du jemand, der Sünde nicht als Risiko, sondern als Chance sieht? Eine Chance, zu erkennen, wo du dich verändern kannst, wo du mehr zu Gott hinwachsen kannst und wo du den Einfluss des Teufels aus deinem Leben vertreiben kannst?
Sünde ist eine Chance. Und Gott, ich bitte dich: Zeig mir, wo ich mich falsch einschätze, wo ich böse Dinge gesagt, gedacht oder getan habe. Herr, bitte zeig mir das! Ich möchte es auf jeden Fall wissen!
Ich rate dir, in der kommenden Woche jeden Tag konkret darüber nachzudenken: "Gott, was habe ich gestern falsch gemacht?" Wenn du denkst, nichts, bete noch einmal und bitte Gott, dir vielleicht doch das eine oder andere zu zeigen.
Gehorsam ohne Gnade neigt dazu, Sünde zu verstecken. Gehorsam ohne Gnade – hast du das verstanden? Ja, Gehorsam ohne Gnade.
Gehorsam mit Gnade ist ganz anders. Er sucht Sünde, möchte sie finden und loswerden. Das war der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist: Gehorsam als Mittel zum Zweck.
Wenn man einen Vortrag über ein gehorsames Leben hört, stellt sich die Frage: Warum sollte ein Christ eigentlich gehorsam sein? Habt ihr euch schon einmal gefragt, welchen Sinn Gehorsam überhaupt hat? Was ist das große Ziel dahinter?
Wenn mich jemand das fragt, antworte ich immer so: Wir schauen uns einfach mal die Liebessprache des Herrn Jesus an. Vielleicht kennt ihr die Bücher von Chapman, die von den fünf Sprachen der Liebe sprechen. Überraschenderweise gibt es aber eine sechste Sprache – die des Herrn Jesus. Ich finde das immer amüsant, wenn man von fünf Sprachen der Liebe liest und dann feststellt, dass eine fehlt. Aber so ist es nun mal. Ich kann daran nichts ändern, denn der Herr Jesus sagt Folgendes: In Johannes 14, Vers 21 sagt Jesus: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt.“ Die Liebessprache des Herrn Jesus ist Gehorsam.
Wenn du sagst, ich liebe den Herrn, dann brauchst du ihm keine Blumen zu schenken. Du solltest ihm nur dann Lieder singen, wenn du bereit bist, ihm die Sprache zu sprechen, die er wirklich will – und das ist Gehorsam. Der Herr Jesus hat einen Sinn für Gehorsam. Er sagt, dass er immer dann merkt, wenn du ihn lieb hast, wenn du gehorsam bist. Wenn du sein Wort hast, es behältst, es hältst und tust, dann fühlt er sich von dir geliebt. Ist das nicht schön?
Der Vers geht weiter. Jesus sagt nicht nur, dass derjenige, der seine Worte oder Gebote hält, ihn liebt, sondern er zeigt uns auch, wohin das führt. Ich lese den Vers vor: „Wer aber mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden. Wir merken, das hat Auswirkungen. Ich werde ihn lieben und mich selbst ihm offenbaren.“
Ich muss euch das vormachen. Das ist so ein Vers, den man vorspielen muss. Ich brauche jemanden, der einfach mitmacht. Darf ich bitten? Das ist jetzt relativ einfach, einfach hier hinstellen. Also darf ich vorstellen: Jesus.
Der Vers, den wir eben betrachtet haben, beschreibt Folgendes: Da ist Jesus, und ich bin hier. Wenn ich sein Wort ernst nehme und tue, dann zeige ich ihm, dass ich ihn lieb habe und gehe einen Schritt auf ihn zu – in die Beziehung zu ihm hinein.
Jesus sieht das und denkt sich: „Boah, genau richtig, aber noch nicht ganz.“ In einer Beziehung ist es so: Wenn einer auf den anderen zugeht und sagt: „Du, ich liebe dich“, dann offenbart sich der Herr Jesus. Dann kommt ein Schritt auf mich zu, und ich denke: „Boah, ich kann dich klarer sehen. Jetzt verstehe ich viel mehr, wer du bist.“ Aber dann gehe ich noch einen Schritt hin.
Und dann kommt Jesus, weil er das mitbekommt, wieder einen Schritt auf mich zu, und wir werden uns immer näher. Diese simple Bewegung – vielen Dank – diese einfache Bewegung auf Jesus zu, dieses immer näherkommen, das nennt man Christsein.
Christsein heißt, in eine lebendige, intime Beziehung zu meinem Herrn zu kommen. Deswegen kann Johannes auch sagen in Johannes 17, Vers 3: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den alleinwahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“
Hinter diesem biblischen Begriff von „Erkennen“ steht eine ganz intime Kenntnis. Wenn Adam Eva erkennt, dann bleiben sie nicht lange zu zweit, weil sie sich sehr intim kennengelernt haben. Das steckt hier auch dahinter. Wir lernen Gott auf eine sehr intime Weise kennen.
Der Weg hin zu dieser Christus-Erkenntnis, die ewiges Leben ausmacht, ist ein Weg über Gehorsam. Ich will euch das an einer anderen Stelle noch kurz zeigen.
In 2. Petrus 1, Vers 5 beschreibt uns der Apostel eine Wachstumsspirale und wie das geistliche Leben aufeinander aufbaut. Er sagt: „Alles beginnt irgendwie mit Glauben.“ Deshalb wendet auch allen Fleiß auf und reicht in eurem Glauben die Tugend dar.
Das Erste, was im geistlichen Leben kommt, ist Glaube. Jetzt nimmst du im Glauben und reichst die Tugend dar. Das Erste, was du in dein geistliches Leben investieren kannst, sind deine Tugenden, deine natürlichen Begabungen, das, was du als Mensch sowieso schon mitbringst. Wenn du damit anfängst im geistlichen Leben, dann geht es weiter.
In der Tugend aber kommt die Erkenntnis. Der nächste Schritt im geistlichen Wachstum ist, dass ich Wissen gewinne. Ich höre Predigten, ich lese einige der tollen Bücher, die vorgestellt wurden. Ich merke, wie Gott ist, ich lerne Erkenntnis.
Während ich lerne, stelle ich fest, dass bestimmte Dinge in meinem Leben nicht so sind, wie sie sein sollten. Deswegen ist der Schritt nach der Erkenntnis die Enthaltsamkeit. Ich schmeiß die Dinge raus, die nicht in mein Leben gehören.
Jetzt merke ich: Man kann Dinge rausschmeißen, und manchmal bleiben sie draußen, manchmal wollen sie wieder rein. Deswegen muss ich lernen, nicht nur Dinge rauszuschmeißen, sondern, wie es dann heißt, in der Enthaltsamkeit auszuharren.
Das kann schwierig sein. Nicht jeder ist begeistert, wenn du sagst: „Ich bin jetzt Christ und will nicht mehr stehlen“ oder „Wir wollen vor der Ehe nicht mehr miteinander schlafen“ oder „Wir haben einen Pakt geschlossen, einmal im Jahr die Bibel durchzulesen.“ Nicht jeder findet das cool. Aber du sagst: „Das ist mir egal, ich mache es trotzdem.“
Auch wenn es schwer ist und manche sagen: „Was bist du denn für ein Fundi geworden?“ bleibst du dabei. Wenn du das tust – also umsetzt und dabeibleibst – dann ist der nächste Schritt, der sich daraus entwickelt, in dem Ausharren die Gottseligkeit oder Frömmigkeit.
Der Begriff ist etwas schwierig, er steht für das geistliche Leben, für die praktische Seite deines Glaubens, deinen Lebensstil. Es entsteht ein geistlicher Lebensstil.
Manche denken bis dahin: „Na, das reicht doch.“ Also wenn ich so weit gekommen bin im geistlichen Leben, dann habe ich doch alles erreicht, was man erreichen kann. Ich bin jetzt einer von den Frommen, die regelmäßig in den Gottesdienst gehen, in der Bibelstunde sind, vielleicht einen Beitrag leisten können, bei der Allgäuer Glaubenskonferenz die 50 Minuten aushalten, bis der Prediger fertig ist. „Ich bin doch da!“
Jetzt wird es spannend, denn der Text sagt: Wenn du da angekommen bist, dass du ein eigenständiges geistliches Leben mit Gott hast, dann machen wir mal weiter.
In der Gottseligkeit aber kommt die Bruderliebe. Da schaust du dich um und stellst fest: Du lebst dein geistliches Leben nicht allein. Gott sagt: Ich habe dich in eine Gemeinde hineingestellt, damit du Liebe lernst. Die Gemeinde ist das Trainingsfeld, um Liebe zu lernen.
Und das machen wir nicht gleich mit den Feinden und der ganzen Welt, wir fangen im kleineren Kreis an – mit den Geschwistern. Wer länger in der Gemeinde ist, weiß, dass das schwer genug ist. Aber das ist Gottes Idee: Wir fangen klein an, lernen Liebe und erwerben Liebeskompetenz im Umgang mit Geschwistern.
Das geht bei manchen leicht, sie sind sympathisch. Aber es gibt auch Leute, an denen man sich lange reibt. Aber die Idee ist, Liebe zu lernen, denn Gott sagt: Wissen ist gut, Enthaltsamkeit super, Ausharren klasse, Gottseligkeit genial, aber bitte nicht stehenbleiben.
Nicht sagen: „Ich bin jetzt fromm, das reicht.“ Gott möchte mehr als Frömmigkeit. Er möchte, dass wir anfangen, in dem Umfeld, in das er uns hineinstellt, Liebe zu lernen. Und dann noch einen Schritt weiter.
Wenn du Kompetenz im Umgang mit Geschwistern gelernt hast, heißt es im 1. Johannes 4, Vers 20: Wenn wir die Brüder hassen, können wir Gott nicht lieben. Das ist unmöglich.
Aber wenn wir lernen, die Brüder, die Geschwister zu lieben, dann gewinnen wir Kompetenz, Gott und darüber hinaus auch die Menschen zu lieben, die in dieser Welt leben, die wirklich schwierig sind, die weit weg sind, die zu lieben wirklich schwer ist.
Und jetzt der Clou: Wir haben eine Kette, die aufeinander aufbaut, und wir merken, dass alles darauf hinausläuft, dass wir am Ende liebevolle Menschen werden. Menschen, die mit viel Kompetenz auf andere Menschen in Liebe eingehen können.
Dann heißt es in Vers 8: „Denn wenn diese Dinge bei euch vorhanden sind und wachsen“ – also die Dinge, die ich aufgezählt habe, sind alle gleichzeitig da und wachsen weiter. Du hörst nie auf zu lernen, nie auf, Sünde aus deinem Leben zu entfernen, nie auf auszuharren, nie auf, einen Lebensstil zu entwickeln, der Gott gefällt. Das ist ein ständiger Wachstumsprozess.
Aber wenn diese Dinge bis hin zur Bruderliebe und Liebe bei euch vorhanden sind und wachsen, lassen sie euch im Hinblick auf die Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus nicht träge noch fruchtleer sein.
Das ist der Hammer, denn darum geht es ja: Wir wollen den Herrn Jesus erkennen. Wir merken, Gott gibt uns ein gehorsames Leben, in dem geistliches Wachstum passiert. Wissen spielt eine Rolle, Anwendung, Umsetzung spielt eine Rolle, aber auch die Kompetenz, Menschen lieben zu können.
Wenn das da ist, dann lernen wir Jesus kennen. Du lernst Jesus leider nicht dadurch kennen, dass du ein Buch über ihn liest. Das kann Hilfe sein, aber Jesus wirklich zu kennen heißt, ihn zu imitieren.
Du lernst Jesus kennen, indem du ein liebevoller Mensch wirst. Wenn in dir Gottes Liebesgestalt wächst und es normal wird, Menschen zu lieben, wenn du einen Sinn dafür bekommst, was es bedeutet zu lieben, dann wirst du Jesus erkennen.
Denn er ist Gottes Liebe in drei Dimensionen hier auf der Erde.
Deshalb muss uns klar sein, wenn wir darüber reden, wozu Gehorsam eigentlich dient: Gehorsam ist Mittel zum Zweck. Das Ziel, auf das wir zulaufen, ist, Liebe zu lernen. Liebe zu lernen, weil ich Christus erkennen möchte.
Gehorsam um des Gehorsams willen ist überhaupt nicht biblisch. Gehorsam ist einerseits Ausdruck einer intakten Beziehung zu Gott, aber immer mit dem Ziel, Christus ähnlicher zu werden, immer mit dem Ziel, Liebe zu lernen. Nie nur, um vor anderen toll dazustehen.
Darum geht es eigentlich. Und es ist mir wichtig, euch das mitzugeben.
Und wenn ihr an dieser Stelle sagt: „Okay, das mag ich mal glauben, was du gerade predigst“, dann stellt sich die Frage: Wie komme ich denn dahin?
Ich fasse jetzt mal zusammen. Ich sage, wir leben gehorsam aus Gnade. Wir müssen unsere Sünde nicht verstecken. Wir dürfen wirklich überlegen: Wie schaffe ich das? Wo in meinem Leben ist der größte Veränderungsbedarf noch vorhanden?
Wenn ich glauben kann, dass diese Schritte des Gehorsams mich Schritt für Schritt dahin bringen, Jesus zu erkennen und das ewige Leben wirklich zu ergreifen, dann stellt sich die Frage: Wie sieht eine Kultur des Gehorsams ganz praktisch im Leben aus?
Drei Vorbemerkungen
Eine Kultur des Gehorsams braucht eine echte Bekehrung. Fang nicht an, das zu leben, was ich jetzt sage, bevor du nicht ganz klar in deinem Herzen eine Entscheidung getroffen hast. Du musst Ja zu Jesus sagen, Ja, ich will glauben, und Ja, ich habe diesen Wunsch, ein anderer zu werden. Dabei solltest du ganz klar sagen: Sünde raus! Du brauchst einen klaren Schritt, einen klaren Schnitt.
Wenn das nicht da ist, dann wird das, was ich jetzt sage, für dich Wahnsinn sein. Du wirst denken: „Jetzt spinnt er.“ Aber wenn das da ist, wenn du sagst: „Ich habe diesen Schritt gewagt, ich gehöre wirklich als Kind Gottes zur Familie Gottes“, dann ist das der erste Punkt.
Zweite Vorbemerkung
Wenn du eine Kultur des Gehorsams in dein Leben einführen willst, dann wird weder dein Fleisch, also dein nicht erlöstes Wesen mit seinen Gedanken und Emotionen, dir dabei eine Hilfe sein. Ebenso wenig wird es die Welt sein, in der du lebst, noch der Teufel, der diese Welt regiert.
Wenn du sagst: „Ich will eine Kultur des Gehorsams“, dann verspreche ich dir Kampf. Ich verspreche dir Verzicht. Denn Nachfolge, das ist das, was Jesus gesagt hat, bedeutet Verzicht auf Komfort, Verzicht auf Freunde und vielleicht sogar Verzicht auf den typischen Lebensstil.
Nachfolge heißt, ich stehe vor Gott und will Gottes Willen tun – mit den Möglichkeiten, die Gott mir gegeben hat, um sein Reich zu bauen, egal was es kostet. Also erstens: Du brauchst klare Bekehrung. Zweitens: Du musst verstehen, dass es dich etwas kostet und dass es wehtut, eine Kultur des Gehorsams in deinem Leben aufzubauen.
Dritter Punkt
Wenn du eine Kultur des Gehorsams leben möchtest, hat das etwas mit der Bibel zu tun. Es geht irgendwie nicht anders. Wir merken das, wenn Jesus in der Wüste versucht wird. Was sagt er immer? „Es steht geschrieben.“
Ich übe das nochmal: Was sagt er immer? „Es steht geschrieben.“ Der Teufel kommt und sagt: „Ich habe da eine Idee. Hast du nicht mal Lust?“ Jedes Mal, wenn ich das lese, stelle ich mir das wie einen alten Western vor. Da stehen sie sich gegenüber, und Jesus zieht: „Es steht geschrieben.“ Bam!
Ich mag das einfach, dieses „Es steht geschrieben.“ Wenn eine Kultur des Gehorsams in unser Leben einziehen soll, dann brauchen wir eine große Nähe zum Wort Gottes.
Was sagt die Bibel eigentlich über die Bibel? Sie sagt vier Dinge:
Erstens: Wir sollen die Bibel lesen.
Zweitens: Wir sollen über die Bibel nachsinnen.
Drittens: Wir sollen das Wort im Herzen haben, also auswendig wissen.
Viertens: Wir sollen das Wort weitersagen.
Wir sollen nicht nur Hörer sein, sondern Täter und Weitersager. Das ist das, was die Bibel über die Bibel sagt: lesen, nachsinnen, auswendig wissen und weitergeben können.
Ich habe mich gefragt, was fehlt, wenn ich eine Kultur des Gehorsams und eigentlich eine Kultur der Veränderung haben möchte. Was fehlt uns in unserer Gesellschaft am meisten? Ich glaube, es ist das Nachsinnen.
Ich lebe in einer unglaublich schnelllebigen Zeit, und ich denke, ihr auch. Immer wieder erlebe ich, dass mein Leben kurz vor dem Ausnahmezustand steht. Den grünen Bereich, den habe ich, ich weiß nicht, lange nicht mehr gesehen. Ich schwanke immer zwischen Orange und Rot, irgendwo in diesem Bereich. Vielleicht schaffe ich gerade noch mein Bibellesen. Aber wenn es dann darum geht: Jetzt müssten die Kinder zur Schule gebracht werden, der Einkauf muss schnell erledigt werden, die Winterreifen müssen noch aufgezogen werden – dann bleibt kaum Zeit.
Vielleicht findet man gerade noch einen Moment, sich hinzusetzen und etwas zu lesen. Aber Nachsinnen? So richtig: Ich nehme mir mal eine halbe Stunde Zeit, eine Tasse Kaffee, setze mich in meinen Lieblingssessel und denke eine halbe Stunde über den Bibelvers nach, der mich heute Morgen angesprochen hat. Wie geht es euch, wenn ich das so sage? Klingt das für euch nach purem Luxus? Nach etwas, wo ihr sagt: „Ja, das hätte ich auch gerne“?
Da sehe ich das Problem. Die Bibel sagt, wir werden nur dann verändert durch das Wort, wenn wir nachsinnen. Das Wort braucht mehr, als dass es nur gelesen wird, um in unser Herz hineinzukommen, um Überzeugungen zu wirken und unser Verhalten zu prägen. Aber das Problem ist: Wir schaffen das kaum.
Wenn jetzt jemand hier sagt: „Doch, ich schon. Jürgen, das ist ganz klar bei mir. Ich mache das jeden Tag. Ich habe jeden Tag so ein Stündchen Zeit, ziehe mich in meinen Wintergarten zurück und denke in aller Ruhe nach“, dann kannst du jetzt aufhören zuzuhören. Denn für dich habe ich nichts. Für alle anderen möchte ich einen Tipp geben.
Ich merke nämlich, dass mein Leben ein Leben mit zu vielen Bällen in der Luft ist. Zu viele Abende, an denen ich ins Bett gehe und weiß, ich habe nicht hinter jedem Punkt meiner To-do-Liste einen Haken setzen können. Irgendwann habe ich mir die Frage gestellt: Wie schaffe ich es eigentlich, das Nachsinnen, das so wichtig ist, weil es im Zentrum echter Veränderung steht, in meinem Leben Realität werden zu lassen?
Ich bin an den Punkt gekommen, an dem ich gemerkt habe: Ich lese viele Bücher, höre viele Predigten, habe tolle Gespräche mit Christen und meine Bibellese. Dabei merke ich, dass der Geist Gottes immer wieder seinen Finger auf einen wunden Punkt bei mir legt. Aber kaum habe ich begriffen: Hier spricht Gott mich an, hier wäre es gut, darüber nachzudenken, gibt es einen Datenmüll-Tsunami, der über mein Leben hinwegfegt und alles wieder erdrückt.
Also war die Frage für mich: Wie kriege ich das hin, aus der Fülle der Eindrücke, wo ich merke, da spricht Gott mich an – wie kann ich das umsetzen? 2. Korinther 3,18 sagt: Die Veränderung geschieht durch den Heiligen Geist. Der Geist ist der Herr, der die Veränderung bewirkt. Wenn ich das Wort lese und es reflektiere, also wenn ich es aufnehme und versuche, es in meinem Leben widerzuspiegeln – wie komme ich da hin?
Ich habe dann Folgendes gemacht: Mir war es irgendwann zu blöd, ein Buch zu lesen und in der Mitte schon nicht mehr genau zu wissen, was mir am Anfang gefallen hat. Ohne eine Predigt zu hören und irgendwann Zentimeterweise Predigtmitschriften wegzuschmeißen, weil sie eh nichts bewirken, sondern nur mitgeschrieben wurden.
Darf ich dich fragen: Was hat die Glaubenskonferenz vom letzten Jahr in deinem Leben verändert? Ganz konkret drei Sachen? Es waren drei Vorträge. Ich hoffe, sie waren nicht so schlecht, dass nichts dabei war. Ein Vortrag von 50 Minuten müsste doch irgendwo einen Gedanken enthalten, der es wert ist, mitgeschrieben zu werden, darüber nachgedacht zu werden und eigentlich auch umgesetzt zu werden.
Ich rede ja nicht gleich davon, als Missionar von New Tribes Mission nach Papua-Neuguinea zu gehen, sondern einfach nur von einem kleinen Schritt. Wo ist das? Wo hast du im letzten Jahr in der Kultur des Gehorsams erlebt, dass dich ein Redner herausgefordert hat? Und dass du heute etwas anders machst?
Wenn es dir so geht, wie es mir oft gegangen ist, dass du sagst: „Da ist eigentlich nichts. Es waren schöne Vorträge, kuschelige Gemeinschaft, ein überreicher Büchertisch. Ich habe mir zwei, drei Bücher gekauft. War nett, war wirklich schön, aber geprägt hat es mich nicht“, dann gebe ich dir jetzt einen Tipp. Er ist so einfach, dass du denkst: Kinderstunde ist manchmal so.
Die netten, schönen Sachen im Leben sind oft einfach. Wenn ich ein Buch lese und eine Aussage finde, die mir gefällt und über die ich nachdenken möchte, dann schaue ich, welcher Bibelvers dahinter steht, der mich anspricht.
Wenn ich eine Predigt höre, schaue ich, welcher Bibelvers hinter der Aussage steht, bei der ich den Eindruck habe, Gott möchte sie mir ins Herz pflanzen.
Wenn ich ein tolles Gespräch mit Christen habe, bei dem ich denke: „Boah, was hat der geleistet“, schaue ich, was das Prinzip dahinter ist und in welchem Bibelvers es sich findet.
Wenn ich meine Bibel lese, habe ich einen Druckbleistift dabei. Wenn ich merke: „Boah, das ist ein toller Vers“, und ich habe das immer wieder, dann mache ich ein Ausrufezeichen in meine Bibel, damit ich mich daran erinnere.
Dann tue ich etwas, was ich euch anraten möchte: Ich schreibe den Vers auf ein Bibelvers-Lernkärtchen. Ja, das sind Bibelvers-Lernkärtchen. Ich schreibe den Vers drauf und lerne ihn auswendig.
Weil ich unglaublich schlecht auswendig lerne, brauche ich ungefähr ein Vierteljahr, um einen Vers zu lernen. Ich habe ein kaputtes Langzeitgedächtnis. So habe ich ein Vierteljahr Zeit, über dieses Thema nachzudenken, bei dem ich weiß: Gott hat zu mir schon mal gesprochen.
Die Kärtchen, die ich gerade habe, sind wirklich meine aktuellen Kärtchen. Die ersten beiden handeln vom Umgang mit armen Menschen, weil das ein Thema ist, das Gott durch ein Buch angestoßen hat, dann durch einen Bibelvers und dann nochmal durch den Jakobusbrief.
Jetzt lerne ich zwei Verse auswendig. Jedes Mal, wenn ich sie täglich wiederhole, muss ich über das Thema nachdenken. Während ich das auswendig lerne, denke ich natürlich nicht nur: „Wann lerne ich endlich den Vers?“, sondern ich frage Gott: „Was meinst du damit, dass du die Armen auserwählt hast, reich im Glauben und Erben des Reiches zu sein? Wie kann ich armen Menschen begegnen? Wie soll ich das tun?“
Das ist ein Thema. Dann hatten wir eine Gemeindefreizeit. Das sind vier Kärtchen von der Freizeit, vier Ideen, die ich dort bekommen habe, bei denen ich dachte: Da muss man nochmal drüber nachdenken, da möchte ich gerne, dass sich etwas ändert. Oder es ist ein Vers, den ich so schön und ermutigend fand, den ich einfach nicht mehr vergessen möchte. Also lerne ich ihn auswendig.
Wenn du mich fragst: Was hat die letzte Gemeindefreizeit dir gebracht? Dann sage ich dir: Sprüche 16,4. Es war nur ein Kärtchen, aber dieser Vers hat mich geprägt und mir neu Mut gemacht, darüber nachzudenken: „Jürgen, wie gehst du eigentlich mit dem Thema Hochmut um?“
Heute Nachmittag werde ich bei der Outdoor-Bibelschule einen Vortrag über Evangelisation im Sommer halten. Ein Hammervers, sage ich euch, ein Hammervers! Er ist ermutigend und gut zum Thema Evangelisation. Ich merkte: „Jürgen, du musst darüber nachdenken. So kann das nicht weitergehen, wie du das im Moment handhabst.“ Hammervers fordert mich jeden Tag heraus.
Ihr könnt euch vorstellen, dass ich jetzt weitermache. Ihr versteht das Prinzip: Ich lese ein Buch und wenn ich ein Prinzip habe, schreibe ich vorne in das Buch die Bibelstelle hinein. Bin ich durch das Buch durch, nehme ich die Bibelstellen und lerne sie auswendig.
Ich bin in der Predigt, Bibelvers-Kärtchen raus. Für alle Smartphone-User: Ja, ich will euch nicht vergessen. Das ist ja so Oldie-Hardware. Es gibt auch neue Software. Neue Software heißt „Remember Me“. Das ist eine App, die das Wiederholen automatisch übernimmt. Remember Me!
Wichtig ist, dass du es schaffst, aus der Fülle der Daten zu komprimieren. Wenn der Geist Gottes dich anpingt, weißt du: „Ah, das ist der Punkt, und den nehme ich mit rein.“ Allein durch das Auswendiglernen schaffe ich es, darüber nachzusinnen.
Wie macht man das? Na ja, ich sinne nach beim Teekochen zum Beispiel. Teekochen dauert zwei Minuten, bis der Wasserkocher hoch ist, drei Minuten ziehen, sind fünf Minuten in der Küche.
Ich sinne zum Schrecken meiner Frau auch beim Autofahren nach. Die stehen dann so an der Seite. Das mag meine Frau nur begrenzt, das gebe ich zu, aber inzwischen hat sie sich daran gewöhnt, dass ich beim Autofahren Bibelverse lerne.
Ich sinne nach, wenn ich meine Gebetszeit mache. Dann nehme ich die Kärtchen mit und am Ende meiner Gebetszeit gehe ich sie schnell mal durch.
Denn es geht nicht nur ums Auswendiglernen, sondern darum, geprägt zu werden, nachzusinnen und Gott zu fragen: „Warum hast du mir in meiner Bibellese, in dieser Predigt, diesen Vers ins Herz gelegt? Warum? Was möchtest du, dass ich anders mache?“
Ganz besonders fantastisch ist das, wenn du anfängst zu lernen. Klingt am Anfang vielleicht brutal, aber wenn du dann ein paar Verse im drei- oder vierstelligen Bereich hast, musst du natürlich regelmäßig wiederholen.
Das mache ich dann so: Einmal in der Woche gibt es bei mir etwas, das heißt „Hackepeter-Brötchen-Beten“. Wisst ihr, was Hackepeter-Brötchen sind? Also Mett heißt das, oder wie heißt das bei euch? Mett, Schabefleisch, ich weiß nicht, wie es bei euch heißt. Das ist Fleisch, das man einfach durchdreht, dann wird es ein bisschen angemacht mit Zwiebeln, Salz und Pfeffer, und dann gibt es dazu ein Brötchen.
Ich habe ein Hackepeter-Brötchen-Beten, einmal die Woche. Darauf freue ich mich riesig. Das sind anderthalb Stunden hin zum Metzger, zweieinhalb Hackepeter-Brötchen, anderthalb Stunden zurück, drei Stunden Zeit zum Beten – wunderbar!
Auf dem Rückweg nehme ich mir dann immer einen Stapel Kärtchen zum Wiederholen mit. So hundert Verse. Dann gehe ich auf dem Rückweg meine hundert Verse durch.
Das ist so, als würdest du alten Freunden begegnen, die dir auf die Schulter klopfen und sagen: „Na, erinnerst du dich noch an mich? Weißt du noch, damals bei der Predigt, da habe ich dich angesprochen. Und dann hast du das und das verändert in deinem Leben.“
Wo stehen wir? Bist du noch dabei? Ah, herrlich! Du gehst das einfach durch. Indem du das machst, werden die Dinge in dir real. Denn das ist es, was der Geist tut, wenn du nachsinnst.
Im Zentrum einer Kultur des Gehorsams steht der Wunsch, verändert zu werden, die Bereitschaft, dass Gott, der Geist, mich anpingen darf in seinem Wort, und eine Methode, die dazu führt, dass ich tatsächlich regelmäßig über die Punkte, bei denen ich angepingt wurde, nachdenke.
Wie du das machst, ist mir völlig egal. Dass du es machst, ist wichtig. Denn wenn du es nicht tust, dann glaube ich, dass du in zehn oder zwanzig Jahren womöglich noch an der Stelle stehst, an der du heute bist.
Ich habe manchmal mit älteren Gemeinden zu tun. Das betrifft euch hoffentlich nicht. Aber ich habe auch mit älteren Geschwistern zu tun, und da bin ich manchmal traurig, wenn ich sehe, was nach 40 oder 50 Jahren Umgang mit dem Geist Gottes und mit dem Wort Gottes an realer Veränderung im Leben, an realem Wachstum in Liebe und Christusähnlichkeit passiert ist. Es ist mir manchmal ein Stück zu wenig.
Vielleicht liegt es daran, dass man schnell dabei ist, nicht genau hinzuschauen: Wo sind die Dreckecken in meinem Leben? Dass man Angst hat, den Besen rauszuholen, das Licht anzumachen und mal sauber zu machen.
Ich möchte euch ermutigen: Wenn ihr Gnade verstanden habt, dann dürft ihr das. Dann geht es nicht darum, Gott etwas vorzumachen. Dann geht es nicht darum, Gott zu besänftigen. Und dann geht es auch nicht darum, so zu tun, als wären wir heiliger, als wir wirklich sind.
Wir sind Schweine – erlöste Schweine, aber Schweine. Wir dürfen uns nichts vormachen. Der neben dir ist zu jeder Schandtat fähig, die du dir nur ausdenken kannst. Und übrigens du auch.
Jetzt dürfen wir ehrlich werden vor Gott und sagen: „Gott, zeig mir, wo bist du im Moment mit mir dran?“ Und das Schöne ist...
Eine Kultur des Gehorsams kann in einer Gemeinde eingebettet sein. Stell dir vor, du hättest in einer Gemeinde Menschen, die dir genau diese Kultur als Vorbild vorleben. Du hättest Lehrer, die dir dabei zur Seite stehen, indem sie dir wirklich den ganzen Ratschluss Gottes beibringen. Außerdem hättest du Freunde in der Gemeinde, die dich unterstützen.
Wenn du merkst, dass du gerade ein Bibelvers-Kärtchen hast, das sich leichter lernen als umsetzen lässt, und du ein bisschen Bammel hast, wie du das machen sollst, dann brauchst du jemanden an deiner Seite, der ab und zu nachfragt: „Hey, wie läuft es bei dir?“ Dann braucht man einen guten Freund – und genau das kann Gemeinde leisten.
Was will ich dir sagen? Ganz simpel: Lerne Bibelverse auswendig. Lern sie auswendig als Antwort darauf, dass der Geist Gottes dir bestimmte Themen durch Bibellese, Predigt, Bücher oder Gespräche wichtig macht. Denk darüber nach.
Stell dir kurz eine Gemeinde vor, in der jeder sein Set an Bibelvers-Kärtchen hat. Wo man draußen beim Kaffee steht und fragt: „Was macht Gott gerade bei dir? Wo bist du gerade am Wachsen?“
Ich würde dir zum Beispiel sagen: „Ja, im Umgang mit Armen. Ich überlege, wie ich in Afrika armen Leuten dienen kann. Ich suche einen Weg, wie ich mit meiner Gabe weltweit dienen kann. Ich weiß noch nicht, wie das gehen soll, aber ich merke, dass Gott mir das seit fünf Monaten aufs Herz legt. Und hier sind die Verse, die mich unruhig werden lassen, einfach mein Leben so weiterleben zu lassen.“
Und du würdest mir vielleicht etwas ganz anderes sagen.
Das wäre doch der Hammer! Stell dir Gespräche nach dem Gottesdienst vor, wenn jeder seine Themen hat, bei denen er sagt: „Da ist Gott gerade mit mir am Wirken.“ Stell dir Gespräche in Familien vor, wenn der Vater sagt: „Das ist gerade das, worüber ich nachdenke.“ Und die Mutter antwortet: „Ja, und bei mir legt Gott hier gerade den Finger auf den wunden Punkt.“ Und die Kinder, wenn sie dann auch gläubig werden und Jüngerschaft passiert, sagen: „Bei mir ist das auch so.“
Wenn das passiert – Wahnsinn!
Aber damit wir jetzt nicht in falsches Fahrwasser geraten, muss ich den Vortrag mit folgenden Worten abschließen:
Ich wünsche dir so viel Reife in Christus wie möglich, ich wünsche dir so viel Nähe zum Herrn wie möglich und ich wünsche dir so viel Effektivität für sein Reich wie möglich. Bitte vergiss jedoch den Gedanken, dass du diesseits der Ewigkeit perfekt werden könntest.
Im ersten Vortrag ging es um Gnade. Wenn wir Gnade im Neuen Testament betrachten, finden wir folgende Aussagen:
Wir finden die Tatsache, dass wir begnadigt sind. In Hebräer 4 heißt es, dass wir jeden Tag neu zum Thron der Gnade kommen dürfen, um dort Barmherzigkeit und Gnade zu finden. Außerdem lesen wir in 1. Petrus 1,13, dass Jesus, wenn er wiederkommt, uns etwas mitbringt. Dort steht: „Deshalb umgürtet die Lenden eurer Gesinnung, seid nüchtern und hofft völlig auf die Gnade, die euch gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi.“
Also sind wir begnadigt, wir erleben Gnade und wir werden begnadigt werden. Warum? Weil wir das brauchen. Und weil alles, was ich euch eben über Gehorsam erzählt habe, vor diesem Hintergrund geschehen muss. Die Motivation dahinter darf nicht sein, dass Gott ein Herr mit einer Peitsche ist, der mich antreibt. Vielmehr muss die Motivation sein: Ich habe einen Vater, der mich liebt, ich bin in einer Familie, die mich bedingungslos annimmt.
Ich möchte in dieser Familie einfach so mitleben, wie es sich gehört. Ich möchte Teil dieser Familie sein, ich möchte diese Familienatmosphäre so sehr genießen, wie es nur irgendwie geht. Ich möchte meinem Herrn so nah sein, wie es irgendwie möglich ist. Deshalb lasse ich mich auf eine Kultur des Gehorsams ein. Amen. Gut.
Vielen Dank an Jürgen Fischer, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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