Römer 4 beschreibt, wie Abraham durch seinen Glauben gerechtfertigt wurde und nicht durch seine Werke. Paulus erklärt, dass Abraham bereits vor der Beschneidung gerecht gesprochen wurde, weil er an Gott glaubte. Dies zeigt, dass die Gerechtigkeit durch den Glauben und nicht durch das Einhalten von Gesetzen oder Ritualen erlangt wird.
Paulus verweist darauf, dass die Verheißung, Erbe der Welt zu sein, nicht durch das Gesetz, sondern durch den Glauben an die Verheißung gegeben wurde. Er hebt hervor, dass der Glaube Abrahams als Beispiel für alle gilt, die an den auferstandenen Jesus Christus glauben.
Weiter wird erläutert, dass die Vergebung der Sünden und die Rechtfertigung vor Gott unabhängig von Werken sind. Abraham glaubte an Gott, der die Toten lebendig macht und das, was nicht ist, ins Dasein ruft. Dieser Glaube wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet.
Schließlich wird betont, dass diese Gerechtigkeit durch den Glauben auch für uns gilt, die wir an Jesus Christus glauben. Durch ihn wird uns die Gerechtigkeit zuteil, die aus dem Glauben kommt, und nicht aus Werken des Gesetzes. So wird deutlich, dass das Leben aus dem Glauben und nicht aus dem Gesetz kommt.
Einleitung: Abraham als Vorbild und Prüfstein
Was sagen wir denn von Abraham, unserem leiblichen Stammvater? Ich kann mir vorstellen, dass in Rom gerufen wurde: Endlich einmal eine anschauliche Sache, jetzt reden wir mal über Abraham. Wir haben nicht ganz mitbekommen, lieber Paulus, was dich alles umtreibt. Aber Abraham, wie er Gott geliebt hat, wie er nächstenliebend war, wie gehorsam er gegenüber Gott war – was er geleistet hat! Paulus, du sprichst doch gegen deine Theorien. Vor Gott kommt es doch darauf an, was man für ihn tut, und nicht so sehr auf den Glauben.
Jetzt wollen wir mal zusammenzählen, lieber Paulus, wenn du schon das Thema Abraham uns auf den Tisch legst, was positiv bei Gott angerechnet werden konnte in seinem Leben und Wirken. Vielleicht gibt es ein bisschen etwas Negatives, das einen kleinen Abzug bringt, aber das meiste ist doch Leistung, ist positiv, ist eins, sehr gut.
Ich durfte immer wieder in der Zeit, in der ich Mitglied der Kirchenleitung war, in Tübingen beim ersten theologischen Examen Prüfungsvorsitzender sein. Prüflinge, die kein so gutes Zeugnis am Schluss bekamen, klagten meist über die Professoren: Das ist doch unfair! Dann konnte ich nur sagen: Ihr habt eine Ahnung, da sitzen vier Beisitzer, der Herr Professor prüft und hat neben sich noch einen Mitprüfer. Nachher, wenn ihr hinausgegangen seid, sagt etwa der Professor: „Ganz schwierig, der Anfang war glänzend, das war eins, vielleicht eins minus, aber dann kam der Einbruch. Der Kandidat war verstört, es war vielleicht eine Vier, aber er hat sich bald wieder gefangen. Die nächsten fünf Minuten waren durchaus befriedigend. Was soll man als Gesamtzeugnis geben? Zwei bis drei, oder ist drei zu schlecht?“
Verstehen Sie, es wird abgewogen, positiv und negativ, ganz sorgfältig. So wollen wir jetzt im Leben von Abraham, von dem wir sehr anschaulich viel wissen, prüfen, was für ihn spricht, was vor Gott ihm befriedigend, gut oder sehr gut anrechenbar ist, wo ein kleiner Einbruch war, eine kleine Delle, und was das Gesamtzeugnis ist.
Abraham als Vorbild des Glaubens und Gehorsams
Zuerst einmal ist Abraham eine großartige Persönlichkeit. Er war mit seinem Großvater Terach aus Ur in Chaldäa ausgewandert, also aus der Gegend, die heute Kriegsgebiet ist und täglich in den Nachrichten vorkommt. Von dort zogen sie nach Haran. Auf biblischen Karten sieht man Haran ziemlich im Norden, in einem Wüstengebiet.
Dort hat Gott Abraham berufen: „Geh aus deinem Vaterland und aus deiner Verwandtschaft, wohin ich dir zeigen werde.“ Er sollte abhängig von Gott bleiben, der ihn in ein Land führen wollte, das er ihm zeigen würde. Abraham brach auf, und seine Frau Sara zog mit ihm. Im Hebräerbrief wird noch einmal hervorgehoben, was für eine Frau Sara war. Sie sagte nicht: „Abraham, sag mir endlich, wohin es geht. Solange wir das nicht wissen, bleiben wir hier in Haran.“ Nein, sie zog mit ihrem Mann.
Nach vielen Monaten der Wanderung kamen sie schließlich ganz im Süden des unbekannten Landes an. Dort baute Abraham Gott einen Altar und rief den Namen des Herrn an. Abraham war ein Mensch, der von Gott abhängig war und ihm zutraute, ihn auf dem rechten Weg zu führen. Als er endlich in der für ihn noch unbekannten Heimat einen Platz fand, baute er nicht etwa ein Haus oder eine feste Hütte anstelle seines Zeltes. Nein, er baute dem Herrn einen Altar und rief den Namen des Herrn an. Das zeigt seinen ausgezeichneten Gehorsam und sein vertrauensvolles Verhältnis zu Gott.
Eine weitere Geschichte von Abraham erzählt, dass sein Neffe Lot, der mit ihm gezogen war und ebenfalls große Herden besaß, plötzlich Streit mit Abrahams Hirten hatte. Das Land hatte nicht genug Grasweiden, und die Hirten gerieten ständig aneinander.
Abraham sagte zu Lot: „So kann es nicht weitergehen. Diese Streiterei belastet uns beide. Lass uns auseinandergehen. Du gehst nach links, ich gehe nach rechts, oder umgekehrt.“ Lot sah sich das Land an. Er wählte das karge, steile Land und dann die satten, grünen Auen dort unten, wo heute das Tote Meer ist. Er sagte zu Abraham: „Wenn du mir schon die Wahl lässt, dann gehe ich da runter, dort gibt es gutes Weideland für mein Vieh und saftiges Gras.“
Abraham antwortete: „Gott sei mit dir.“ Er war ein versöhnlicher Mann. Obwohl er Herdenbesitzer und Onkel war, hätte er auch sagen können: „Ich bin der Onkel, du bist der Neffe, ich wähle zuerst.“ Doch ihm ging es um Versöhnung, darum, sich friedlich zu trennen und sich noch in die Augen schauen zu können. Lieber nahm er den schlechteren Teil, aber Frieden.
Nach einigen Jahren geschah das Furchtbare: Der König Kedorlaomer und der König von Sodom führten Krieg gegeneinander. In diesem Krieg wurde auch Lot verwickelt, der in den fetten Weiden wohnte. Er wurde mit seinen Knechten gefangen genommen.
Wäre ich Abraham gewesen, hätte ich mir vorstellen können, dass man sagt: „So geht es eben. Wärst du lieber auf den kargen Weiden geblieben, wäre nichts passiert. Dort unten ist gefährliches Land, wo die Könige um Besitz streiten. Da hast du dich hineingebracht. Wollen wir zu Gott beten, dass du wieder zurückkommst?“
Doch Abraham sammelte seine Knechte, über dreihundert an der Zahl, und jagte den Königen nach, den starken Königen. Er wollte für seinen Neffen Lot eintreten und ihn befreien. Abraham war ein tatkräftiger Mann. Er muss vor Gott viele Einsen bekommen haben, für seine Friedensbereitschaft, seine Einsatzbereitschaft, seinen Gehorsam und seine Abhängigkeit von Gott.
Abraham im Gebet und in der Prüfung
Und dann geschieht es vor Gott: Das Geschrei über die Sünden von Sodom und Gomorra steigt auf. Gott beschließt daraufhin, diese Städte zu vernichten und Feuer vom Himmel auf sie herabfallen zu lassen. Das ist keine Märchenstunde.
Vor sechzig Jahren, während der vier Nächte des Fliegerangriffs auf Stuttgart, wurde uns plötzlich bewusst, was es bedeutet, wenn Feuer vom Himmel fällt. So etwas passiert auch in unserer Welt.
Als Abraham davon hört, bittet er Gott: „Lieber Gott, du kannst doch nicht die Gerechten zusammen mit den Gottlosen umbringen.“ Er vermutet, dass es sicher fünfzig Gerechte in der Stadt gibt – Lot, seine Frau, seine Töchter, die Schwiegersöhne, die Knechte und die Frauen. Vielleicht sind es sogar nur fünfundvierzig. Abraham bittet: „Lieber Gott, um der fünfundvierzig Gerechten willen darfst du die Stadt nicht umkommen lassen.“ Wenn es 45 Gerechte gibt, soll die Stadt verschont bleiben.
Dann bittet Abraham noch einmal: „Vielleicht sind es nur vierzig.“ Und er geht in seinem Gebet weiter bis auf zehn Gerechte. „Lieber Gott, wenn es zehn Gerechte gibt – und es werden doch mindestens zehn sein –, dann wirst du die Stadt nicht vernichten, um der zehn Gerechten willen.“ Gott antwortet, dass er die Stadt erhalten will, wenn zehn Gerechte darin sind.
Doch es waren nicht einmal zehn Gerechte da. Es wäre interessant gewesen, wenn Abraham nüchtern geblieben wäre und gefragt hätte: „Wenn es in dieser Welt nur einen Gerechten gibt, wird dann die Ungerechtigkeit bestraft?“ Diese Geschichte regt dazu an, sich zu fragen, ob es in unserer Welt den einen Gerechten gibt, um dessen Willen der Sünder nicht vernichtet wird.
Aber was für ein Abraham muss das gewesen sein, der mit solcher Kühnheit vor Gott trat und mit ihm betete! Er hat nicht, wie oft gesagt wird, mit Gott gehandelt oder gefeilscht. Nein, es ging ihm um die Stadt, um die Menschen. Es war die Verantwortung eines frommen Mannes für andere Menschen, für sündige Menschen, dass sie erhalten bleiben.
Dann kommt vor allem die Geschichte, die wir eben in dem Lied, das wir gesungen haben, angesprochen haben: Als Gott sagte: „Nimm deinen Sohn, den du lieb hast, und opfere ihn auf dem Brandaltar!“ Abraham war bereit, Gott gehorsam zu sein und ihm das Liebste zu opfern, was er hatte – seine Zukunft.
So ist Abraham ein Vorbild in vielerlei Hinsicht: im Gebet, in der Treue zu Gott, in der Fürsorge für seine Mitmenschen und im Eintreten für andere Menschen.
Kleine Dellen im Leben Abrahams
Na ja, es gab ein paar Dellen. Als Abraham jung verheiratet mit Sarah nach Ägypten fliehen musste, war Sarah sehr schön. Abraham sagte, es könnte peinlich werden, wenn die Männer in Ägypten Sarah ihm ausspannen wollten, vielleicht sogar der Pharao. Deshalb sollte sie lieber sagen, sie sei seine Schwester. Er zwang sie zu dieser Lüge.
Der Pharao bemerkte jedoch, dass etwas nicht stimmte, und fragte: „Was ist denn eigentlich los? Da stimmt doch irgendwas nicht. Du darfst mich nicht hinters Licht führen.“ Diese Notlüge aus Egoismus brachte Sarah in Gefahr. Abraham hätte sie lieber im Haus des Pharao lassen können, nur damit er selbst gut wegkommt. Also ein Minuspunkt, aber immer noch ein „Eins“.
Ähnlich war es später mit dem Feldhauptmann Abimelech, der ebenfalls ein Auge auf Sarah geworfen hatte. Auch hier öffnete dieser seine Augen und erkannte die Wahrheit.
Ein weiterer kleiner Einbruch geschah, als Gott Abraham bereits verheißen hatte, dass er einen Erben bekommen würde, obwohl Sarah lange kinderlos war. Sarah sagte eines Tages zu Abraham, der voller Zuversicht war, dass Gott ihm einen Sohn schenken würde: „Mit mir nicht. Ich kann kein Kind mehr gebären, ich bin zu alt. Aber nimm Hagar, meine Magd. Sie soll auf meinem Schoß gebären. Vielleicht ist das der Sohn, den Gott uns zugesagt hat.“
Als Hagar schwanger war, zeigte sie plötzlich ihre Überlegenheit gegenüber Sarah und sagte: „Haha, ich bekomme ein Kind, du nicht.“ Sarah sagte daraufhin zu Abraham: „Jetzt wird es schlimm. Jetzt kommt Rivalität. Wirf Hagar raus. Das hat keinen Wert. Wir zwei können nicht miteinander.“
Abraham hätte sagen können: „Entschuldigung, Sarah, ich habe kein Auge auf Hagar geworfen. Das war doch deine Idee. Jetzt soll ich die arme Hagar rauswerfen?“ Nein, Abraham gehorchte seiner Frau und schickte Hagar in die Wüste. So steht es in der Bibel. Später, als Hagar ihren Sohn geboren hatte, musste Abraham sie mit dem Sohn in die Wüste schicken, wo sie beinahe verdursteten.
Also ein paar kleine Minuspunkte.
Ich kann mir vorstellen, dass die Gemeinde in Rom sagte: „Wunderbar, Paulus, jetzt hast du das Thema Abraham angeschnitten. Am Abraham wird deutlich, wer sich treu zu Gott hält und anständig lebt, der schafft es mindestens mit einem Gut minus zwei bis drei, aber nicht bloß befriedigend. Das Positive überwiegt weit. Vor Gott kann man bestehen, wenn man sich anstrengt.“
Die Rechtfertigung Abrahams durch Glauben
Und da sagt Paulus das, was er jetzt in Römer 4 ausdrückt: Ihr habt ja gar keine Ahnung! Abraham war eins plus, er war gerecht. Gott zählt nicht einfach die Pluspunkte in unserem Leben zusammen, vergleicht sie mit den Minuspunkten und stellt am Ende ein Gesamtzeugnis aus. Stattdessen bietet Gott uns den Glauben an. Wer den Glauben ernst nimmt, bekommt von Gott eins plus, der ist gerecht vor Gott. Das wollen wir jetzt lesen.
Römer 4, Vers 1: Was sagen wir denn von Abraham, unserem leiblichen Stammvater? Paulus spricht bewusst als Jude von unserem Stammvater. Aber nicht nur als Jude, sondern wir werden es später noch sehen, in den Versen 12 und 13: „Wir, die wir glauben, haben Abraham als unseren Stammvater. Wenn wir in den echten, wirklichen Glauben hineinfinden, ist er unser Stammvater, der Fels, aus dem wir gehauen sind.“ Das sagen wir.
Ist Abraham durch Werke gerecht geworden, so kann er sich wohl rühmen – aber nicht vor Gott. Er kann vielleicht sagen, ich habe mich um Lot gekümmert, mich für ihn eingesetzt, ihm das beste Land zugedacht, ich wollte keinen Streit haben. Aber vor Gott gilt ein ganz entscheidendes Wort, das später die Reformation aufgenommen hat: Koramdeo – Wie stehen wir vor Gott da? Gott ist über jede Panne unseres Lebens traurig. Deshalb ist das wichtigste Gebet für uns: „Lieber Gott, wie denkst du über mich?“
Ein großes Bekenntnis der Reformation, das Augsburgische Bekenntnis, das in den meisten Kirchengesangbüchern im Anhang abgedruckt ist, betont immer wieder: Vor Gott und vor Menschen sind wir vielleicht ganz passable Leute – vorbildlich, liebenswert –, aber vor Gott sieht es noch einmal anders aus. Vor Gott geht es uns wie dem Petrus vor seiner Berufung, der plötzlich merkt: „Herr, geh von mir hinaus, ich bin ein sündiger Mensch.“ In meinem Leben gibt es so viele Stellen, wo es nicht stimmt. So bekommen wir Sünden-Erkenntnis.
Also: Ist Abraham durch Werke gerecht geworden, da kann er sich rühmen, aber nicht vor Gott. Denn was sagt die Schrift? Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden, angerechnet worden (1. Mose 15,6). Und Gott sprach zu Abraham: „Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn, und du sollst Nachkommen haben, und durch dein Geschlecht werden die Völker gesegnet werden.“ Abraham glaubte dem Herrn, und sein Glaube wurde ihm angerechnet zur Gerechtigkeit.
Verstehen Sie? Jetzt nimmt Paulus diesen einen Satz aus 1. Mose 15 und sagt: Leute, da steht es, was bei den Propheten vorhergesagt wurde. Das Wort Gottes ist verlässlich. Abraham hat nicht nur einiges Gutes getan oder überwiegend viel Gutes, sondern er ist gerecht in einer strahlenden Gerechtigkeit. Durch das, was Gott ihm angerechnet hat – umgerechnet, umgebucht auf die Sparte „Gerechtigkeit“ –, weil er Gott geglaubt hat.
Ich muss aufpassen bei meinen Beispielen, dass ich nicht wieder neue Missverständnisse hervorrufe, aber ich habe trotzdem überlegt, wie ich es deutlich machen kann, dass Abraham Gott geglaubt hat. Eine meiner Großmütter war eine arme Pfarrfrau, die ihren Mann früh verlor. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Inflation gab es eigentlich keine Rente. Ein paar ehemalige Gemeindeglieder aus Frankfurt hatten ihr ein paar Aktien geschenkt, die aber dann bei der Inflation und Weltwirtschaftskrise reine Makulatur wurden – bedrucktes Papier, wertlos.
Trotzdem hat meine Großmutter diese Papiere immer noch aufbewahrt und gesagt: „Es ist wenigstens eine schöne Erinnerung, aber einen Wert hat es ja nicht, verglichen mit den vielen Rechnungen, die ich bezahlen muss.“ Die Geschenke, die sie ihren 43 Enkeln machen wollte, waren da schon zusammengekommen. Am Schluss ihres langen Lebens bekam sie eine furchtbare Krankheit: Kieferkrebs, der den ganzen Kiefer zerfressen hat, bis sie schließlich verblutete, als die ganze Gesichtshälfte weggefressen war.
Sie war bei uns, meine Mutter hat sie in Stuttgart gepflegt. Und meiner Mutter war es fast peinlich, dass durch die hohen Krankenhauskosten, die entstanden sind – vor der Bestrahlung, Chemotherapie gab es damals noch gar nicht –, die Arztkosten meinem Vater so viele Rechnungen vorgelegt wurden. Meine Mutter sagte: „Du wirst doch für die Schwiegermutter übernehmen.“ Das war meiner Mutter peinlich, obwohl mein Vater es sicher gerne gemacht hätte.
Da hat meine Mutter diese alten Wertpapiere genommen und ist damals zur Dresdner Bank gegangen. Sie sagte: „Ich habe noch so alte Aktien.“ Dort meinte man: „Es ist ein neues Gesetz gekommen, auch diese Altaktien werden jetzt irgendwie aufgewertet. Lassen Sie mal sehen.“ Und meine Mutter hat immer gesagt, das war für sie eine Art Gebetserhöhung: 15 Mark – genau so viel, wie die Rechnung vom Marienhospital war.
Diese Aktien wurden umgerechnet – wo man dachte, es sei wertloses Papier, wie für einen Briefmarkensammler oder alte Geldscheine aus der Inflationszeit. Nach dem neuen Gesetz wurden sie von der Dresdner Bank mit 15 Mark bewertet.
So ist der Begriff, den Gott benutzt, in 1. Mose 15. Jetzt gehen Sie vom Beispiel wieder weg und nehmen nur den einen Vergleichspunkt: Gott rechnet an, wenn wir sagen: „Herr, ich glaube, ich traue dir etwas zu.“ Wer glaubt, dem rechnet Gott das an, als wäre es das tollste Kapital, als wäre jemand makellos durchs Leben gegangen.
Wer Gott vertraut, kann nichts Höheres leisten durch ein ganz perfektes, makelloses, sündloses Leben. Es wird der Glaube angerechnet als Gerechtigkeit, Makellosigkeit, Vollkommenheit, damit Gott Freude an mir haben kann.
Ich mache bei Paulus weiter: Dem aber, der mit Werken umgeht, mit Leistungen, wird der Lohn nicht aus Gnade zugerechnet, sondern aus Pflicht. Aber dem, der nicht mit Werken umgeht, sondern glaubt an den Gott – und das müssen wir ergänzen –, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet.
Lieber Gott, du bist der, der mich Gottlosen gerecht macht. Du willst etwas Rechtes machen. Du wartest nicht nur als Zuschauer darauf, dass ich etwas Rechtes mache, sondern du willst Recht handeln.
So wie ein Handwerker erst recht herausgefordert ist, wenn ihm ein Stuhl gebracht wird, bei dem kein Stuhlfuß mehr gleich ist, der wackelt bis zum Umfallen, ein altes Möbelstück, dann sagt er: „Das ist eine Sache, da setze ich mich heute Nacht dran, den kriegen wir wieder hin.“
Heute Morgen war mein Auto, da stimmte irgendetwas nicht. Ich dachte, ich bringe es am Freitagmorgen zum Kraftfahrzeugspezialisten. Dort wurde mir gesagt: „Herr Schmidt in Korntal, das ist so ein Phänomen, bringen Sie es ruhig hin.“ Der sagte: „Nur Ihre Bremsen und der Ölwechsel, Sie haben eine Ahnung, bei Ihnen ist viel mehr kaputt, aber wir kriegen es bis ein Uhr fertig. Kommen Sie um ein Uhr vorbei.“
Verstehen Sie? So ist ein Handwerker. Er möchte etwas Rechtes machen. Stolz sagt er: „Bei Ihnen kann noch so viel kaputt sein, wir kriegen das hin.“ So ist Gottes Gerechtigkeit. Er möchte bei uns etwas Rechtes hinkriegen.
Wenn Menschen sagen: „Nicht ich schaffe es schon noch, lieber Gott, vielleicht zum Befriedigen schaffe ich es noch.“ So sagen meine Enkel: „Vielleicht schaffen wir noch einen Vierer in Latein und Englisch, dann kommen wir durch, gell?“ So denken wir Menschen immer. Wir wollen unser Leben so schaffen, dass wir gerade noch durchkommen.
Aber Gott sagt: „Ich möchte etwas Rechtes daraus machen.“ Ja, wie schaffe ich das? Lieber Gott, in meinem Leben gibt es so viel Panne. Traust du mir zu, dass ich etwas Rechtes mache? Ja, dann wird der Glaube uns angerechnet als Gerechtigkeit.
Der Glaube Abrahams als Vorbild für alle Gläubigen
Jetzt machen wir einen großen Sprung ans Ende des Kapitels. Dort wird noch einmal sehr anschaulich der Glaube Abrahams geschildert. Am Ende von Vers 16 heißt es: „Der ist unser Allervater.“ Haben Sie diesen letzten Satz von Vers 16 gehört? Abraham ist unser Allervater. Wie denn geschrieben steht in 1. Mose 17: „Ich, Gott, habe dich gesetzt zum Vater vieler Völker.“ Auch darin nimmt Paulus die Bibel ernst. Gott hat gesagt, Abraham ist nicht bloß der Vater von Israel, sondern Vater vieler Völker, also auch für uns. Er ist unser Vater.
Vor Gott – wieder dieses „vor Gott“ – dem er geglaubt hat, der die Toten lebendig macht und ruft, was nicht ist, dass es sei. Das ist einer der ganz großen Verse der Bibel und bezieht sich schon auf die Erfahrung der Schöpfung. Gott sprach: „Es werde Licht“ – und es ward Licht. Gott ruft dem, was noch nicht ist: Die Erde soll Pflanzen hervorbringen, Tiere sollen da sein, Mond und Sterne sollen da sein. Gott ruft dem, was nicht ist, dass es sein soll. Und Gott macht die Toten lebendig.
Dieser Abraham in Vers 18 hat auf Hoffnung geglaubt, wo nichts zu hoffen war, damit er der Vater vieler Völker werde, wie es zu ihm gesagt war: „So zahlreich sollen deine Nachkommen sein; siehst du die Sterne, kannst du sie zählen, so sollen deine Nachkommen sein.“ Und er wurde nicht schwach im Glauben, als er auf seinen eigenen Leib sah, der schon erstorben war, weil er fast hundertjährig war, und auf den erstorbenen Leib der Sarah.
Denn er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde stark im Glauben, gab Gott die Ehre und wusste aufs Allergewisseste: Was Gott verheißt, das kann er auch tun.
Liebe Schwestern und Brüder, diese Stelle fasziniert mich immer. Das war Glaube. Wenn Abraham einen Spiegel gehabt hätte – damals gab es den noch nicht – aber wenn er über einem Teich, wo er seine Tiere zur Tränke führte, sein Gesicht sah, dann musste es ihm doch so gehen wie mir, wenn ich auf einem alten Familienfoto mein Gesicht sehe. „Ja, da habt ihr einen schlechten Film eingelegt oder der Abzug ist schlecht, so sehe ich doch nicht aus, oder?“ Doch, unbestechliche Fotos – so ein alter Knacker bist du.
Wenn wir Klassenzusammenkunft haben, wir kommen immer wieder zusammen mit denen, mit denen ich Abitur gemacht habe, denke ich immer: Was tue ich als junger, knackiger Mensch bei den alten Männern hier? So muss es Abraham gegangen sein, als er sich selbst sah und dachte: Das kann nicht wahr sein, diese Runzeln! Ja doch, doch. Er sah nicht seinen erstorbenen Leib an, an dem er geschrien hatte: „Du kannst doch keine Kinder mehr kriegen!“ Das ist biologisch und technisch unmöglich, aussichtslos – schon damals.
Und er sah auch nicht seine alte Sarah an und sagte: „Entschuldigung, Gott kann große Wunder tun, aber dieses nicht.“ Er hat seinen Augen verboten, ihm den Zweifel ins Herz zu senken. Er sah nicht auf seinen eigenen erstorbenen Leib. Er wurde nicht schwach im Glauben, denn er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde stark im Glauben. Was Gott zusagt, kann er auch tun.
Der Glaube Abrahams war ein riesengroßes Zutrauen zu Gott. Darum, in Vers 22, ist es ihm aus Gerechtigkeit zugerechnet worden. Wer Gott Großes zutraut – dass Gott mich, einen verlorenen, verdammten Menschen, einmal in den Himmel bringt –, ist das unvorstellbar, eigentlich technisch unmöglich, vor menschlicher Gerechtigkeit unmöglich.
Aber wer Gott das zutraut, der braucht nicht zu zählen: Wo sind meine Pluspunkte? Reicht es noch zu einer Vier, wenn ich an die Minuspunkte denke? So jemand kann sagen: „Dann kriege ich ein Eins plus, das ist in deinem Wort versprochen. Dann werde ich dem Engel gleich sein, würdig der Auferstehung, würdig des kommenden Reiches.“ Der Glaube ist ihm als Gerechtigkeit zugerechnet worden.
Dieser Glaube – es ist ja schön, dass das so in der Bibel steht – konnte merkwürdige Kapriolen schlagen. Auch wenn wir im Glauben sind, ist das nicht immer ein heiliges Zutrauen: „Der Herr wird es machen.“ Es ist doch schön, dass in der Bibel steht, dass Sarah sagt: „Vielleicht hat Gott doch Recht, dass du noch einen Sohn bekommst im Alter, aber von mir nicht. Probier’s mal mit Hagar.“ Und Abraham lässt sich darauf ein: Vielleicht ist der Sohn, der mir geboren werden soll, von Hagar.
Bis Gott sagt: „Trau mir zu, dass du von Sarah den Sohn bekommst, was unmöglich scheint. Traust du mir zu?“ Also ist das Zutrauen zu Gott. Schön, dass das in seinem ganzen Schwanken auch gezeigt wird. Aber es bleibt ein Zutrauen zu Gott: Gott wird mir schenken, vielleicht von Hagar. Unser Glaube kann merkwürdige Gestalt erleben. Die Frage ist bloß, ob wir Gott zutrauen.
So kann man gerecht werden. Das zählt vor Gott, nicht das vorbildliche Leben. Das will Paulus den Römern sagen: Ihr meint immer, bei Abraham sei wichtig, was er alles geleistet und getan hat. Nein, bei Abraham war entscheidend, was erst in 1. Mose 15 steht: Er hat Gott geglaubt.
Und jetzt werden wir nicht nachher weitermachen müssen an dem merkwürdigen Begriff „zugerechnet“. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass im ganzen Kapitel immer wieder das Stereotyp steht: „Es ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet“, „aus Gnade zugerechnet worden“, „selig der Mann, dem die Sünde nicht zugerechnet wird“, „sein Glaube ist zur Gerechtigkeit gerechnet“, „wie es ihm zugerechnet worden“ – der Glaube gerechnet.
Über das müssen wir gleich anschließend noch reden in der zweiten Hälfte. Aber jetzt singen wir zuerst von Lied 257, von dem Lied „Ich habe nun den Grund gefunden“, nach der Melodie „O dass ich tausend Zungen hätte“.
Ich würde Ihnen auch raten, dass Sie einfach doch einmal dieses Kapitel vier durchgehen. Ich mache Ihnen eine Empfehlung, was Sie rot anstreichen können: Kapitel 4, Vers 5 – „An den Glauben, an den Gottglauben, der die Gottlosen gerecht macht.“ Es gibt eine große Predigt von Spurgeon auf Deutsch: „Gott macht Gottlose gerecht.“ Es ist Gottes Spezialfreude, sich um Menschen anzunehmen, die wie Paulus Verräter, Treulose, Gottlose waren, Verfolger der Gemeinde, so wie ich es vorher geschildert habe.
Was ein rechter Handwerker ist, erst recht: Gott macht mit großer Spezialfreude Gottlose gerecht.
Dann Vers 8, dieses Zitat aus Psalm 32: „Selig der Mensch“ – im Hebräischen heißt es „der Mann“ – „dem der Herr die Sünde nicht zurechnet.“ Hier haben Sie schon mal diesen Begriff „zurechnen“, der in 1. Mose 15,6 steht und auch in Psalm 32,6. Das heißt, bei Paulus richtig geklickt im Hinterkopf: dieses „haschib“, dieses Verb „zurechnen“ oder „nicht zurechnen“.
Wir leben davon, dass Gott meine Sünde nicht zurechnet, nicht sagt: „Aha, jetzt ist wieder mal was falsches Papier passiert, wieder ein Egoismus, wieder eine Notlüge.“ Selig der Mensch, bei dem Gott aufhört, diese Striche zu machen. Und selig der Mensch, bei dem Gott den Glauben umrechnet, umwertet als Gerechtigkeit.
Also Vers 8 – so ein Vers, der wichtig ist.
Dann möchte ich Ihnen als Empfehlung machen Vers 17: „Gott macht die Toten lebendig und ruft das, was nicht ist, dass es sein soll, dass es sei.“ Bei den Dingen, für die ich in meinem Leben Gott voll staunend danke, sind eigentlich durchweg Dinge, bei denen ich dachte: Es ist völlig undenkbar, dass Gott so eingreift und noch etwas tun kann.
Gott ruft dem, was nicht ist, was wir nicht für möglich halten, und tut es.
Die größten Männererweckungen im 20. Jahrhundert geschahen 1945, 46, 47 in den Kriegsgefangenenlagern, in den Hungerlagern in Frankreich und in Russland, wo wir eigentlich denken: Es ist völlig undenkbar, dass da Gott etwas tut, wo alle sagen: „Lieber Gott, wie lässt du das zu, dass wir so fern von unseren Familien sein müssen?“ Da hat Gott gewirkt.
Oder das Furchtbare, was unsere Geschwister in Russland erleben mussten, die Verbannung, wo man eigentlich denken müsste, dass jeder sagt: „Dann gibt es keinen Gott, wenn er so etwas Grauenhaftes zulässt.“ Das wäre normal gewesen. Und wie viele kamen mit einem gestählten Glauben heraus.
Gott ruft dem, was wir überhaupt nicht für möglich halten, dass es sein soll.
Auch Vers 20: „Er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde stark im Glauben, gab Gott die Ehre.“ Und Vers 21: „Wusste aufs Allergewisseste, was Gott verheißt, das kann er auch tun.“
Sie sind nur an einer Stelle, an der wir Gott nicht Unmögliches zutrauen, was er gar nicht verheißt. Verstehen Sie: „Lieber Gott, du kannst doch, du müsstest doch!“ Und dahinter steckt auch so viel Egoismus, das, was wir gerne hätten.
Gott steht zu dem, was er verheißt.
Ich möchte immer Gott in den Ohren liegen, auch in den Jahren, wo ich Verantwortung mit hatte für Pro Christ. Da steht in deinem Wort: Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und alle zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Lieber Gott, ich traue dir zu, dass große Scharen von Menschen aufwachen für dich.
Also diese Verse – aber wird alles überboten durch Vers 25.
Jetzt müssen wir bloß den Abschnitt ab Vers 22 nehmen. Lesen Sie mal: „Darum ist es ihm, dem Abraham, auch zur Gerechtigkeit gerechnet worden.“ Dass es ihm zugerechnet worden ist, ist aber nicht allein um seines Willen, um des Abraham Willen geschehen, sondern auch um unseres Willen.
Gott hat, als er bei Abraham demonstrierte, dass er ihm den Glauben als Gerechtigkeit anrechnet, nicht nur Geschichte mit Abraham gemacht, sondern damals hat Gott demonstriert an einem Beweisstück, dass es auch durch unseren Willen geschehen soll, denen es zugerechnet werden soll, wenn wir glauben an den, der unseren Herrn Jesus auferweckt hat von den Toten.
Liebe Schwestern und Brüder, hier steht es: Es wird uns zugerechnet als Gerechtigkeit, wenn wir sagen: „Herr Jesus, ich rechne mit dir, du bist von den Toten auferweckt worden. Gott hat dich aus dem Grab herausgeholt. Du bist um unserer Sünden willen dahingegeben worden und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt.“
Es ist nicht bloß so, dass Jesus getötet wurde am Kreuz für uns, nicht nur so, dass ihm die Sünde der Welt auferlegt wurde, sondern Gott hat ihn auch von den Toten auferweckt, damit wir jetzt einen lebendigen Jesus haben, der bis in die Ewigkeit hinein unser Leben in die Hand nehmen will und uns würdig machen will der Auferstehung des ewigen Lebens.
Dazu ist Jesus da. Das Wichtigste ist, dass er auch auferweckt ist, dass er heute da ist, mit uns lebt.
Also diesen Vers 25 empfehle ich Ihnen auch rot anzustreichen: „Er ist um unserer Sünden willen dahingegeben und um unserer Rechtfertigung willen, dass mit uns Recht wird.“ Dazu hat Gott diesen Jesus auferweckt, damit er bei uns etwas tun kann, dass er an uns wirkt, dass er heute schon etwas tut, dass er vor dem Vater ist und sagt: „Denke auch an die und an den, für die ich trete ein, die gehören mir“, bis er uns einmal in Ewigkeit sich gleich machen wird.
Dazu ist Jesus auferweckt.
Das Konzept des "Zurechnens" und seine Bedeutung
Ich habe Ihnen versprochen, noch einmal auf den Begriff „zurechnen“ einzugehen, der offensichtlich zehnmal in diesem kurzen Kapitel erwähnt wird. Für Paulus ist das ein sehr wichtiger Begriff.
Wenn man in ein Nicht-Euro-Land reist, so wie wir im Juni in die Ukraine mit einer großen Reisegruppe, dann ist die erste Frage in Kiew, kaum angekommen: „Wo kann man sein Geld umwechseln?“ Die Mitglieder der Reisegruppe konnten es kaum erwarten, wenn wir sagten: „Nicht hier auf dem Flugplatz, dort ist der Wechselkurs schlecht. Wir zeigen euch ein paar Wechselstuben, wo ihr sehr günstig wechseln könnt.“
Umwechseln ist ein Begriff, der in unserer Welt jedem bekannt ist. Jeder Mensch hat ein Interesse daran, dass er sein Geld in die Währung tauschen kann, die er wirklich braucht, um sich etwas zu kaufen. Die Frage ist: Was ist die Währung, die im Himmel gilt? Was brauchen wir als Eintrittskarte in die Welt der göttlichen Gerechtigkeit?
Kann ich mit meinem kleinen Beitrag, zum Beispiel indem ich manchmal lieb zu meiner Frau bin und vielleicht auch ein paar Mal anständig zu meinen Kindern, diese „Währung“ erwerben? Kann ich sagen: „Das ist schon ganz schön, aber da fehlt noch einiges, bis ich den Betrag der Gerechtigkeit erreichen kann, den Gott verlangt“? Wenn Gott fragt: „Was kannst du mir bieten, damit ich dir Gerechtigkeit gebe?“, dann dürfen wir ihm in die Augen sehen und sagen: „Herr, ich habe nicht viel zu bieten, aber ich traue dir zu, dass du Sünder gerecht machst. Ich rechne mit dir.“
Gott sagt dann: „Wunderbar, das ist der Betrag, den du brauchst.“ Verstehen Sie, mit diesem technischen Begriff des Umwechselns, des Zurechnens, der gültigen Währung, wird deutlich, dass wir vor Gott nicht gerecht werden können durch die wenigen guten Tage unseres Lebens. Vielleicht sind Ihre Tage besser als meine, aber das reicht nicht aus.
Gerechtigkeit vor Gott erreichen wir nur durch das, was Gott festgelegt hat. Abraham glaubte dem Herrn, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet (vgl. Römer 4,3). Alles andere, was Paulus hier schreibt, dürfen Sie im Laufe Ihres Lebens, das Gott Ihnen schenkt, noch erforschen.
Paulus macht deutlich: Es ist nicht aus Werken, sondern aus Gnade. Gott muss uns keine Gerechtigkeit zusprechen, aber nehmen Sie Abraham als Beispiel. Dieses Wort „Er hat den Glauben zurechnen lassen als Gerechtigkeit“ wurde auch um unseretwillen geschrieben. Auch uns soll Gerechtigkeit angerechnet werden, wenn wir Glauben haben – dieses riesengroße Zutrauen zu Gott. Gott will, dass allen Menschen geholfen wird. Das traue ich ihm zu: dass er Sünder gerecht macht.
Soweit für den Moment. Ich wollte nur eine Schneise durch dieses schwierige Kapitel 4 schlagen und es mit Ihnen teilen.
Die Bedeutung von Römer 3,25 und die Sühne Jesu
Und noch einmal zurück zu dem, was uns gestern beschäftigt hat: Mir sind nämlich zwei Dinge aufgefallen, die mir gefallen.
Zum einen habe ich vielleicht nicht klar genug sagen können, was in Vers 25 in Kapitel 3 steht. Dieser Professor Jens hat übersetzt: "Jesus Christus, ein Versöhnungsmahl". Das gilt zwischen Himmel und Erde und den Menschen. Es zeigt, dass die Sünde gesühnt ist.
Ich habe Ihnen schon viel dazu gesagt, dass Paulus Bezug nimmt auf den Pfahl, den Mose mit der Ehrenschlange aufgerichtet hat. Trotzdem könnten Sie fragen: Wodurch wissen wir, dass die Sünde wirklich gesühnt ist?
Weil Paulus in diesem Vers auf Jesaja 53 Bezug nimmt. In Jesaja 53 wird dreimal gesagt, dass er unsere Sünden trägt. Eigentlich heißt es im Hebräischen, er schleppt sich ab mit unseren Sünden. Wenn Sie schnell einen Zettel bei Römer 4 reinlegen und dann noch einmal vorwärts zu Jesaja 53 schlagen, der großen Ankündigung Gottes, was er zum Heil der Welt tun will, dann kommen wir an diese zentrale Stelle.
Jesaja 53 beschreibt den Allerverachtetsten und Unwertesten, der voller Schmerzen und Krankheit ist. In Vers 6, zweite Hälfte, heißt es: "Der Herr warf unser aller Sünde auf ihn." Am Ende von Vers 11 steht: "Denn er trägt ihre Sünden." Und in Vers 12: "Er hat die Sünden der Vielen getragen."
Eben haben wir über das Umrechnen gesprochen, das Umwechseln. Gott ist in der Lage, unseren Glauben an Jesus umzutauschen. Er sagt, das Rechtliche wird aufs Konto gutgeschrieben. So hat Gott umgewechselt: Als dieser Jesus am Kreuz hing, hat er unsere Sündenlast auf seinen Rücken genommen.
Niemand kann Ihnen das klarer machen. Die großen Theologen durch zweitausend Jahre hindurch haben versucht, Bilder und Erklärungen zu finden. Ich kann nur das Wort nehmen: Gott will meine Sünde ihm auf den Rücken werfen, damit er sich mit meiner Sünde abschleppt und mir dafür seine Gerechtigkeit gibt.
Das Mahnmal, das Gott aufgerichtet hat, zeigt, dass dies geschehen ist. Gott hat die Sünde der Welt – alle Gehässigkeiten, alle Derbheiten, alle Gemeinheiten, aller Betrug, alle Schweinereien – ihm auf den Rücken gelegt. Damals, als die Finsternis am hellen Mittag über Golgatha lag.
Als Jesus rief: "Mein Gott, warum hast du mich verlassen?", war er in der Gottverlassenheit. Er war nur noch eingepackt in die Sünde der Welt. Dort ist festgelegt worden, was Paulus so formuliert in Römer 3,25: Diesen Jesus hat Gott für den Glauben hingestellt, damit der Glaube bei uns geweckt wird. Als Mahnmal, als Versöhnungsmahl wurde er hingestellt. Da ist etwas geschehen.
Und jedes Kreuzeszeichen, das am Mittelpunkt unserer kirchlichen Räume hängt, soll uns daran erinnern. Wir sollen nicht mit dem Kreuzzeichen denken, da sei der liebe Gott drin. Sondern es ist eine Erinnerung: Das ist geschehen, eine Tatsache. Gott hat ihm die Sünde der Welt aufgeladen, damit ich nun die Gerechtigkeit haben kann.
So wie Mose die Schlange erhöht hat, so wie Abraham gerecht gesprochen wurde – die Bibel liebt solche Vergleiche. Der Herr Jesus hat das geliebt. Er sagte: So wie Mose die Schlange erhöht hat, so wird es sein bei der Wiederkunft.
Er sagte auch: "Wie in den Tagen Noahs, hier bei mir ist mehr als der Jona." Wie Jona in Ninive gepredigt hat und die Menschen Buße taten, so will auch ich jetzt zur Buße rufen. Wie die Königin von Saba aus dem Reich Arabien kam, um die Weisheit Salomos zu bestaunen, so könntet ihr eigentlich bei mir Weisheit bestaunen.
Jesus hat diese Beziehungen geliebt und uns gelehrt: Schaut doch mal im Alten Testament, da sind schon Spuren erkennbar, dass Gott nicht plötzlich etwas Neues macht. Sondern Gott arbeitet zielstrebig auf diesen einen Mittelpunkt der Weltgeschichte hin.
Das sind Spuren, die zu Jesus führen. Das sind Wegzeiger, die hindeuten, dass dort das Entscheidende geschieht. Deshalb wollte ich das noch einmal sagen: Dieser Vers 25 im Kapitel 3 ist ein ganz zentraler Vers.
Sie werden ohne Verdienst gerechtgemacht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Jesus geschehen ist. Diesen Christus Jesus hat Gott für den Glauben hingestellt, in seinem Blut, als Sühne zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er Sünden vergibt.
Jetzt wollen wir die drei Verse von 2,58 singen. Danach habe ich noch eine zweite Sache, die mir am Herzen liegt.
2,58: Er ist der Erlöser, Jesus Gottes Sohn. Wir wollen dazu aufstehen, einfach auch anbetend und dankbar diese drei Strophen singen: Er ist der Erlöser, Jesus Gottes Sohn.
Persönliche Erfahrungen und die Bedeutung der Vergebung
Noch eine Geschichte, bevor dann das andere kommt. Einige haben sie schon gehört, vielleicht sogar mehrfach.
Einer meiner Vorfahren war ein kleiner Schulmeister auf der Schwäbischen Alb. Als er im Sterben lag, sagten seine Angehörigen zu ihm: „Vater, quäle dich nicht noch mit Dingen, die im Leben falsch gelaufen sind. Gibt es etwas, das du bekennen möchtest?“
Da antwortete er lächelnd: „Wenn ich auf meine Sünden schaue, ist es, als ob der Heiland seine Hand darauflegt, sodass ich sie gar nicht mehr sehen kann.“
Wunderbar – er vertraute darauf, dass die Sünden vergeben sind. Doch jetzt wünsche ich mir immer auch, dass der Heiland seine andere Hand auf das legt, von dem ich immer denke: „Da war es gar nicht so schlecht, da hast du manches Gute getan, da haben andere Menschen etwas von dir gehabt.“
Dass er auch darauf seine Hand legt, auf das Plus und das Minus, sodass ich es nicht mehr sehe, sondern nur noch weiß: Hier ist mein Erlöser, er ist mein Erbarmer. Und dir traue ich zu, dass du mich, einen unwürdigen Menschen, in deine Welt bringst.
Gedanken zur Taufe und zur Diskussion um ihre Bedeutung
Aber nun zu dem Thema, das mir besonders am Herzen liegt. Dies wurde auch durch zwei Rückmeldungen aus Ihrer Mitte ausgelöst, in denen mir vorgeworfen wurde, ich hätte die Erwachsenentaufe, die Großtaufe, vielleicht im Gefühl mancher von Ihnen lächerlich gemacht oder schlecht dargestellt. Das war keineswegs meine Absicht.
Schwester Friederike wird mit Ihnen das Kapitel 6 zur Taufe besprechen, denn Paulus spricht dort nicht nur über die Beschneidung, sondern auch über die Taufe. Vielleicht können Sie mir das abnehmen.
Ich leide darunter, wie viel wertvolle Zeit in unseren Kreisen – Hauskreisen, Gemeindekreisen – mit Diskussionen über die Taufe vertan wird. Ob die Wiedertaufe richtig ist, Großtaufe, Kindertaufe, Säuglingstaufe, ob die Taufe gültig ist, wenn ein gläubiger Pfarrer sie vollzieht, aber was ist, wenn der Pfarrer ungläubig ist? Was ist, wenn Paten ungläubig sind oder die Eltern mit der Kirche nicht viel am Hut haben? Ist die Taufe dann gültig? Es gibt endlose Gespräche, und meist kommen wir zu keinem grünen Zweig, weil das Thema sehr schwierig ist und weil viel Emotion damit verbunden ist.
Es tut mir auch weh, dass so viele Gewissen durch diese Diskussion belastet sind. Bin ich denn richtig getauft? War es recht, dass meine Eltern mich einst als Säugling taufen ließen? Ist nicht die Erwachsenentaufe oder die Missionstaufe richtiger, wenn man zum Glauben gekommen ist?
Schon die erste Christenheit beschäftigte diese Frage. Muss ein Mensch, wenn er zum Glauben gekommen ist, nicht eine Zeit der Bewährung durchlaufen, die Katechumenenzeit, also eine Zeit des Unterrichts? Es gab die Katechumenenzeit, ähnlich wie wir heute die Konfirmationsvorbereitungszeit kennen. Man muss im Glauben erst etwas wissen, bevor man dann die Konfirmanden fragen kann: Wollt ihr im Glauben annehmen, was Gott euch in der Taufe schon als Kind geschenkt hat?
Doch auch hier gibt es Diskussionen: Kann man von 14-Jährigen verlangen, dass sie dann Ja sagen? Oder muss man nicht sagen, sie dürften in der Stille antworten, und die Antwort werden sie mit ihrem ganzen Leben geben müssen? Und dann gibt es wieder Diskussionen in der Gemeinde: Das sei doch keine Konfirmation, wenn die Konfirmanden nicht im Chor Ja sagen.
Sie merken, die Gewissen sind sehr belastet, und Diskussionsstoff gibt es genug.
Ich möchte Ihnen einfach sagen: Ich halte die herrlichen Sakramente, die der Herr Jesus uns gegeben hat – nämlich Taufe und Abendmahl – für sehr kostbar. Die Taufe: Als Jesus von seinen Jüngern schied, sagte er: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum geht hin und macht zu Jüngern alle Völker und tauft sie auf den Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Ganz klar eigentlich. Die Folge: Macht zu Jüngern, und die, die Jünger sein wollen, taufen auch.
Schon in der Urgemeinde gab es die Frage, wie lange eine Bewährungszeit dazwischen sein muss, bis man es ganz gewiss weiß. Und da haben wir die herrliche Geschichte vom Kämmerer von Äthiopien, der zum Philippus sagte, nachdem Jesaja 53 ihm ausgelegt wurde – „der ist wie ein Schaf zur Schlachtbank geführt“ –, „Kann ich mich nicht auf diesen Jesus taufen lassen?“ Philippus antwortete: „Wenn du glaubst, kannst du getauft werden. Was hindert dich?“ Der Kämmerer fragte: „Was glaubst du denn?“ Er sagte: „Ich glaube, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist.“ „Komm, dann tauft man dich.“ Das hat genügt. Man brauchte nicht den Unterricht in allen Glaubensartikeln, nur das Entscheidende zu glauben.
Später hat man wieder gesagt, das sei ein Ausnahmefall gewesen, es brauche eine lange Zeit.
Die wunderbaren Sakramente, die Taufe und das Abendmahl, hat der Herr Jesus eingesetzt. In der Nacht, als er verraten wurde und mit seinen Jüngern zu Tisch saß, nahm er das Brot, sprach Dank, brach es, gab es seinen Jüngern und sprach: „Nehmt hin und esst, das ist mein Leib.“ Nach dem Mahl nahm er den Kelch, gab ihn ihnen und sprach: „Trinket alle daraus, das ist das Blut des neuen Bundes, das Blut, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“
Man nennt das die Sakramente, das heißt Heiliges. „Sacramentum“ heißt im Lateinischen „heilig“. Heiligstes haben wir vor uns, und deshalb fällt es mir so schwer, über heilige Dinge zu diskutieren. Aber sie sind von Gott als ein Geländer, als ein Handlauf geschenkt. Sie sind nicht die Treppe in den Himmel. Sie helfen uns, bei Jesus zu bleiben, der der Weg zum Vater ist.
Die Taufe macht nicht selig, und das Abendmahl macht nicht selig. Sie sind Hilfsmittel, damit wir bei Jesus bleiben. Jesus macht selig.
Es hilft beim Abendmahl zu wissen: Jesus, du möchtest in mich eingehen, in meinen ganzen vergifteten Körper. Bei der Taufe ist es mir wichtig, an die vielen Kinder zu denken, die ich taufen durfte. Nicht der Taufakt ist wichtig, sondern das Zusprechen dessen, was am Kreuz von Golgatha geschehen ist, das auch für dich geschehen ist. Und natürlich muss das im Glauben ergriffen werden.
Deshalb macht es uns Pfarrern oft Kummer, wenn wir sehen, dass Eltern und Paten mit Kirche, Glauben und Bibel überhaupt nichts am Hut haben. Da würde man am liebsten sagen: Dann machen wir doch einen Dankgottesdienst, dass dieses Kind das Leben hat, und wir beten für dieses Kind. Dann schicken wir es in den Religionsunterricht, es darf kommen und am Konfirmandenunterricht teilnehmen.
Ich habe die herrlichsten Erfahrungen mit Konfirmanden gemacht, deren Eltern gesagt haben: Taufe wollen wir nicht, aber du darfst dich selbst entscheiden. Manche sagten: „Ich will nichts davon“, und meldeten sich nach einem halben Jahr wieder ab. Andere waren mit Feuer und Flamme dabei, besser als alle anderen, weil sie wussten: Jetzt kommt es auf mich an, ob ich es haben will.
Aber wie gesagt, Abendmahl und Taufe sind Geländer, die uns helfen, bei Jesus zu bleiben.
Das Entscheidende ist doch die entscheidende Lebensäußerung, dass wir mit diesem Jesus rechnen, dass wir seinen Namen anrufen.
Sie werden im Römerbrief noch an die entscheidende Stelle kommen, die wir aber jetzt schon einmal aufschlagen können, so wie man beim Adventskalender das Türchen zum 24. öffnet: Römer 10,9 und folgende.
„Wenn du mit deinem Mund bekennst: Jesus ist der Herr, und wenn du in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.“ Das ist der Inhalt des Glaubens.
Da steht nichts von der Taufe drin und auch nicht, ob man sechsmal im Jahr zum Abendmahl gehen muss oder nur einmal. Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht, und wenn man mit dem Mund bekennt, so wird man gerettet. Denn die Schrift sagt: „Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.“
Es gibt hier keinen Unterschied zwischen Juden und Griechen, es ist über alle derselbe Herr reich für alle, die ihn anrufen. „Denn wer den Namen des Herrn anruft, der soll gerettet werden.“
Also ist die entscheidende Lebensäußerung unseres Glaubens, dass wir mit ihm rechnen, dass wir sagen: Jesus!
Es ist doch nicht notwendig, dass Sie beim Gebet zu Jesus, wenn Sie seinen Namen anrufen, auch noch eine lange Liste mit Wünschen anhängen, was Sie alles erbitten.
Oft ist bei schwierigen Telefongesprächen, bei schwierigen Verhandlungen oder in der Seelsorge mein stiller Stoßseufzer: Jesus! Jetzt bin ich ganz auf dich angewiesen, du kannst es machen.
Merken Sie sich: Wer den Namen des Herrn anruft und mit ihm rechnet, der ist da. Dem wird nicht nur Gerechtigkeit angerechnet, sondern er hat Verbindung mit ihm.
Im Neuen Testament werden die Gemeindeglieder oft so bezeichnet – es gab ja noch keinen richtigen Namen für Christen, das kam erst im Laufe der Zeit – als diejenigen, die seinen Namen anrufen.
Das ist das Besondere von uns, die wir dem Herrn Jesus gehören wollen: dass wir seinen Namen anrufen.
Gedanken zur Missionstaufe und zur Bedeutung der Taufe im Glaubensleben
Nochmal zu einem konkreten Punkt: Ich halte es für möglich, dass in der Zukunft die Missionstaufe das Normale wird. Vielleicht wollen dann gar nicht mehr Eltern, dass ihre Kinder getauft werden, sondern es wird selbstverständlich sein, dass wir unter Alt und Jung den Namen Jesus bekannt machen. Menschen werden sagen: „Ich möchte zu diesem Jesus gehören. Kann ich das verbrieft und versiegelt haben?“ Dazu ist die Taufe da.
Die Taufe soll Menschen, die zu Jesus gehören wollen, ein Siegel geben – so wie es in Römer 4 beschrieben wird, ähnlich wie einst die Beschneidung. Abraham empfing die Beschneidung als Siegel, dass er wirklich zu Gott gehört, nicht als eine gute Leistung. Daraus leite ich etwas ab: Wenn immer wieder gesagt wird, „Ja, ich bin im Glauben getauft worden“ oder „Ich habe mich wieder taufen lassen“, ist das keine Sache zum Angeben. Wer sich wieder taufen lassen will, soll das tun, wenn er es unbedingt möchte.
Ich verstehe erst jetzt im Alter, was ich an meinen Eltern hatte. Ich musste 74 Jahre alt werden, um das zu begreifen. Die Tatsache, dass sie meine Eltern waren, steht schon seit 74 Jahren, sogar noch länger, fest. Aber das Erfassen und Hineinwachsen in eine Tatsache, die über mir feststeht, dauert oft lange. So ist es auch bei der Taufe. Man darf hineinwachsen in das Verständnis, dass Jesus mein Herr sein will.
Sie brauchen uns nicht zu überzeugen. Ich nenne Ihnen eine Stelle, damit Sie wissen, wie damals, zur Zeit des Apostels Paulus, der Streit um die Beschneidung hochgegangen ist. In Galater 5,12 steht der schreckliche Satz, dass Paulus sagt: „Sie sollen sich doch gleich verstümmeln, die euch aufhetzen.“ Damals war der Streit um die Beschneidung so heftig, dass Paulus sagte: „Macht euch doch selber vollends kaputt, wenn ihr so herumstreitet über diese Dinge.“
Es kommt darauf an, dass Getaufte, auch Leute, die eine Glaubenstaufe hatten, dabei bleiben und vertrauensvoll den Namen Jesus anrufen. Es kann auch Routine werden, auch die Großtaufe. Ich meine, wir sollten nicht so viel Wert darauf legen, sondern darauf, wann getauft wird.
Wissen Sie auch, warum der Zeitpunkt der Taufe nicht entscheidend ist? Der entscheidende Zeitpunkt ist das Jahr 33 nach Christus, als Jesus sich als Versöhnungsmahl hinrichten ließ für unsere Sünden. Das ist wichtig, dass uns das bezeugt wird, ob jung oder alt – das gilt auch für dich. Es ist aber auch wichtig, dass man einem jungen Menschen, der als Säugling getauft wurde, das sagt und ihn das begreifen lässt.
Das Problem bei der Christenheit, die wohl am Anfang nur Großtaufe hatte, also Leute, die zu Jesus gehören wollten, trat schon damals auf, wenn sie kleine Kinder hatten. Diese Kinder sollen doch auch dem Herrn Jesus gehören. Für sie beten wir doch auch, mit ihnen beten wir. Ich habe meinen Kindern immer abends nach dem Abendgebet die Hand aufgelegt und Segen gesprochen. Ich möchte ihnen Segen zusprechen, denn sie gehören dem Herrn Jesus. So habe ich sie als Geschenk von Jesus empfangen und möchte, dass sie dem Herrn Jesus gehören.
Ich halte doch nicht den Mund und sage: „Da warten wir mal, bis du erwachsen bist.“ Denn sobald ich das tue – ich kenne eine bekannte Familie, bei der sich Vater und Mutter entschieden haben, ihre vier Söhne nicht taufen zu lassen –, da kam der Älteste, als er sechs Jahre alt war, und hat im Gottesdienst erlebt, wie ein Kind getauft wurde. Er fragte: „Bin ich auch getauft worden?“ Die Eltern antworteten: „Nein, du bist noch nicht. Du wirst mal getauft, wenn du erwachsen bist.“ Er sagte: „Ja, ich möchte aber auch getauft werden.“ Die Eltern sagten: „Jetzt warte mal, bis du zwölf oder dreizehn bist, dann wollen wir sehen.“ Als er zwölf war, sagte er: „Jetzt möchte ich aber getauft werden.“ Die Eltern antworteten: „Jetzt komm mal zuerst anständig durch die Pubertät durch, dann wollen wir sehen, ob du wirklich noch dem Herrn Jesus gehören willst, ob dein Entschluss echt ist.“
Verstehen Sie? So haben sie es bei ihren vier Söhnen gemacht. Da muss ich als Elternteil immer wieder sagen: „Halt, jetzt ist noch nicht richtig, und immer noch nicht richtig.“ Lieber traue ich es dem Herrn Jesus zu, dass er auch unter der Begleitung von ernsthaften Paten etwas daraus macht, wenn ich mein Kind dem Herrn anvertraue.
Aber jetzt habe ich mein Herz für die Taufe geöffnet. Wenn Schwester Friederike das Thema Taufe aufnimmt, wissen Sie, dass alle, die getauft sind, auf seinen Tod getauft sind? Dann möge sie nicht sagen: „Alle, auf die das Taufwasser kam, gehören doch schon Jesus, die sind doch schon in seinen Tod getauft.“ So legen es normalerweise die Pfarrer aus. Sondern: Leute, die über Taufe nachdenken, wisst ihr nicht, dass die Getauften auf den Tod von Jesus getauft sind?
Nehmt euch nicht so furchtbar wichtig mit euren Meinungen und eurer Theologie, sondern nehmt Jesus ernst mit seinem Leben. Das ist wichtig. Haltet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Christus mit Gott.
Ich wünsche Ihnen viel Vollmacht und Kraft bei diesem schwierigen Kapitel, das bei uns mit so vielen Emotionen belastet ist. Das liegt mir auf dem Herzen. Jetzt kann es sein, dass bei Ihnen etwas aufgewühlt worden ist, das wir ansprechen könnten. Wir können das Mikrofon jetzt ausschalten, damit Sie offen reden können.
So einen Dankgottesdienst hat mir immer sehr gut gefallen, mit Fürbitte. Denn ich selbst habe die Schwierigkeit: Wie soll ich segnen, wenn ich den Namen Jesus segnend ausspreche? Ist das weniger als die Taufe? Für mich ist das irgendwo das Gleiche. Dann taufe ich lieber gleich richtig.
Aber unsere Kirchenleitung, die Mehrzahl der Synode in Württemberg, hat beschlossen, dass es die Kindersegnung gibt, ganz offiziell. Wir haben auch in Korntal in der Brüdergemeinde eine Darbringung für Kinder, für solche Eltern, die gesagt haben: „Kinder sollten es bewusst erleben, dass ihnen das Zeichen Jesu, dieses Geländer, zugesprochen wird.“ Das hat sehr viel für sich, dass ein Kind weiß: „Ihr habt einen Schondorf“, einen, den ich mit sechs Jahren taufen durfte. Wenn ich ihn unterwegs getroffen habe, auch als er schon ein junger Mann war, sagte er: „Herr Schiffbruch, grüß Gott, Sie haben mich getauft, ich weiß, Sie waren dabei.“ Sehr sinnvoll, wenn man das sehr bewusst erlebt.
Aber das sind sozusagen Modalitäten. Ich bin überzeugt, wenn wir die Missionstaufe als Normalfall haben, dass man sagt: Wirklich Leute, die zum Glauben gekommen sind, sobald sie Kinder haben, sagen: „Ich hätte gern, dass mein Kind auch getauft wird.“ So ist es in der Christenheit immer wieder durcheinandergegangen. Als die Baptisten, die in Europa leider verfolgt waren bis zum Martyrertod, dann nach Amerika auswandern konnten und eigene Gemeinden bildeten, standen sie vor der großen Frage: Was soll jetzt mit unseren kleinen Kindern geschehen? Sollen die wirklich warten, bis sie erwachsen sind?
Das ist eine sehr natürliche Frage bei frommen Leuten, die wirklich dem Herrn Jesus gehören wollen. Was tun wir jetzt? Soll nicht auch dieses Geländer des Gartens für sie da sein? So wie wir unsere Kinder durch Geschichten, Sonntagsschule und Konfirmandenunterricht zum Herrn führen wollen, wenn er Gnade gibt. Und da geschieht viel.
Wenn man jetzt ihre Lebensgeschichte ansehen würde, was da geschieht, wie Gott durch diese Hilfsmittel für meine vier Kinder gewirkt hat: Wenn Leute immer fragen, wie es denn kommt, dass meine vier Kinder inzwischen groß sind und alle den Weg mit Jesus gehen wollen, sage ich, ich verdanke das den Jugendkreisen, Kinderkirchhelfern und dem Posaunenchor in Schörndorf. An ihrem Vater sind sie vielleicht irre geworden, aber dort waren Kreise und Gruppen, in denen sie im Glauben hineinwachsen konnten. So wichtig ist das.
Damit haben Sie einen ganz wichtigen Punkt genannt: Die Gefahr ist, dass verloren geht, dass die Gnade rein geschenkweise ist. Aber wir sagen immer: Gefahr ist kein theologischer Begriff. Überall, wo Leben ist, ist Gefahr. Ein kleines Kind, zweijährig – da ist jede Treppenstufe eine Gefahr, jeder heiße Ofen eine Gefahr usw. Erst wenn man tot im Sarg liegt, kann nichts mehr passieren.
Also Gefahr besteht auch bei der Missionstaufe, dass Menschen sich zu viel einbilden: „Ich habe mich entschlossen.“ Die Gefahr bei der Kindertaufe ist, dass sie zwar großartig die zuvorkommende, rein geschenkte Gnade bezeugt. Die Gefahr ist aber, dass der Glaube vergessen wird, wie wichtig es ist, diese Gnade persönlich zu ergreifen.
Sie merken, bei diesen Dingen, wenn man diskutiert oder nach Gefahr fragt, kommt man eigentlich nicht weiter, weil unser Verstand nicht ausreicht, diese Geheimnisse ganz zu erfassen. Wir bräuchten Menschen, die sich als Erwachsene haben taufen lassen und sagen: „Ach, es war doch gar nicht mein Entschluss, dass ich so gläubig war, sondern Herr Jesus hat mich gepackt, ich konnte gar nicht mehr anders.“ Und der andere, der als Kind getauft wurde, sagt: „Jetzt habe ich erst begriffen, welche Gnade schon mein Leben lang mit mir geht und dass ich sie ergreifen kann.“
Sozusagen positiv das ausfüllen, was entweder mit Säuglingstaufe oder mit Erwachsenentaufe da ist. Da würde das Bewusstsein geschärft und klar werden: Es kommt auf den Zeitpunkt gar nicht an, sondern dass ich es im Glauben ergreife und begreife, dass das Entscheidende ist, was Gott tut. Ich traue ihm zu, dass er das Entscheidende in meinem Leben wirkt.
Jetzt darf ich mit Ihnen noch beten:
Herr Jesus, lass uns nicht bloß Probleme sehen, sondern tritt du uns so vor Augen als der, der uns sucht und der es festmachen will, dass unser Leben aus der Armseligkeit herauskommt in die Herrlichkeit, die du uns zugedacht hast. Dass wir einmal vollkommen vor dem Vater stehen dürfen, ohne Makel, ohne eine Wunde in unserem Gewissen, ohne Trauer über sehr viel, was wir versäumt haben, sondern dass du alles neu machst und dass wir dir gehören dürfen, der du das fertigbringst. Amen.
So, herzlichen Dank fürs Zuhören.