Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart mit Thomas Povileit und Jörg Lackmann.
Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zum theologischen Denken anregen.
Vielleicht kennt ihr das auch aus persönlicher Erfahrung: Man fängt an zu beten, und plötzlich kommen einem alle möglichen Dinge in den Kopf, die man ja nicht vergessen sollte – noch Milch holen, Anna anrufen oder den gelben Marker in die Tasche packen. Wie soll man sich da noch aufs Beten konzentrieren?
Jörg, das ist ja ein sehr praktisches Thema, über das du heute sprechen willst. Warum ist dir das Thema wichtig?
Weil es mir in der Erfahrung so geht, weil es in meinem Leben genauso ist. Mir poppen oft solche Gedanken auf, und sie lenken mich dann vom Beten ab. Ich denke, das ist etwas, was uns mit allen Menschen verbindet.
Ich habe hier ein Buch von 1927, in Norwegen geschrieben von Ole Hadesby, vom Beten. Das kennen vielleicht einige. Es gibt dort einen Abschnitt im Kapitel „Der Kampf des Gebets“ – zwei Kapitel: Kampf des Gebets I und Kampf des Gebets II – in denen er beschreibt, wie er genauso wie wir abgelenkt wird. Ich lese das mal kurz vor:
„Während du auf den Knien liegst, um mit deinem Gott zu reden, gerade in diesem Augenblick steht dir alles, was du zu tun hast, vor Augen. Wie wichtig und eilig erscheinen dir diese Dinge! Und bei diesen Gedanken wirst du unruhiger und unruhiger. Du versuchst wohl, deinen Geist zu einem Gespräch mit Gott zu sammeln, aber es gelingt dir nur in den wenigsten Augenblicken. So schwingen deine Gedanken zwischen Gott und den dringenden Arbeiten, die auf dich warten, hin und her. Die Gebetstunde wird zur unruhigsten Stunde des Tages für dich. Freude, Ruhe und Friede sind so weit von dir entfernt wie der Osten vom Westen. Und je länger du verweilst, umso stärker empfindest du, dass du deine beruflichen Pflichten versäumst. Es scheint dir fast Zeitverschwendung, so lange auf den Knien zu liegen. Darum brichst du ab.“
Mensch, das ist ja sehr ähnlich wie meine Situation – und das schon vor hundert Jahren. Wir können sogar noch weiter zurückgehen: Wenn wir vor zweitausend Jahren zum Beispiel in den Garten Gethsemane schauen, Markus berichtet uns das in seinem Evangelium im vierzehnten Kapitel.
Dort betet Jesus einen Tag vor der Kreuzigung und sagt seinen Jüngern, die ziemlich müde sind von den ganzen Strapazen, sie sollen doch wenigstens eine Stunde wachen und beten. Er macht das mehrmals, kommt zurück – lies mal Markus 14,37: Er findet sie schlafend und spricht zu Petrus: „Simon, schläfst du? Konntest du nicht eine Stunde wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“
Ich denke, hier liegt die Urproblematik: Unser Geist will beten, will mit Gott in Verbindung sein, will sich auf Gott konzentrieren und mit ihm sprechen. Aber unser Fleisch – das ist ja ein Begriff für unser natürliches Wesen – ist schwach. Und das Fleisch wird immer wieder abgelenkt.
Deshalb haben nicht nur wir diese Erfahrung, nicht nur Ole Hadesby in Norwegen vor hundert Jahren, sondern auch alle anderen Gläubigen zu allen Zeiten, weil der Geist gegen das Fleisch kämpft.
Vielleicht hat da jeder so seine eigene Strategie. Ich mache das manchmal so, dass ich einen Zettel liegen habe und mir dann den Anruf bei Anna oder bei Horst oder was auch immer es ist, entsprechend aufschreibe. Dann weiß ich, das habe ich jetzt aus meinem Kopf, und ich kann mich wieder neu konzentrieren.
Aber es gibt bestimmt verschiedene Möglichkeiten, wie man damit umgehen kann. Du wirst uns sicher noch mal praktisch auch einige Dinge erzählen, oder?
Ja, ich wollte heute eine Gebetsweise herausgreifen. Ich mache sie seit vielleicht einem Jahr, vielleicht auch etwas weniger, ich weiß es nicht mehr ganz genau.
Ich habe sie in einem Buch gelesen. Die Methode nennt sich „Man betet sich warm wie beim Sport“. Bevor man Sport macht, wärmt man sich auf, um die Verletzungsgefahr zu minimieren und die Leistungsfähigkeit zu optimieren. In der Musik ist es ähnlich: Wenn ein Orchester spielt, werden die Instrumente gestimmt, man spielt sich ein, um dann optimal spielen zu können.
Ich habe etwas in einem Buch gefunden, wo gesagt wird, dass die Seele ähnlich ist. Unsere Seele ist schwach – das haben wir eben gelesen –, sie wird gern abgelenkt und ist „kalt“, könnte man sagen. Diese Seele muss man warm machen, bevor man wirklich gut beten kann.
Du hast gesagt, jetzt wirst du uns wahrscheinlich verraten, wer dieser „er“ ist, der das gesagt hat. Ich komme mit einem kleinen Umweg dazu. Du hast mal das Buch empfohlen, ich glaube, es heißt „Nur beten“ von Timothy Keller. Dort greift er in zwei, drei Kapiteln auf einen alten Kirchenvater und zwei Reformatoren zurück und beschreibt, wie sie zu Gott gebetet haben.
Er hat drei Bücher vorgestellt. Beim Lesen dieser drei Bücher habe ich gemerkt, dass du ja zwei davon bei dir zu Hause hast. Das eine, das kleinere von beiden, fand ich sehr praktisch. Ich dachte, das liest du jetzt nach zehn Jahren oder länger, wo du es nicht mehr gelesen hast, doch einfach noch mal durch. Das war das Buch „Wie man beten soll“ von Martin Luther, also aus dem sechzehnten Jahrhundert, vor ein paar Jahrhunderten.
Martin Luther hatte genau dasselbe Problem wie wir heute. Interessanterweise, Luther ist ja bekannt, hatte er extrem viel zu tun als Reformator, Professor und Prediger mit einem vollen Tagesplan. Trotzdem reservierte er immer mindestens drei Stunden zum Gebet. Von ihm wird überliefert, dass er gesagt hat: Je mehr er zu tun hat, desto mehr betet er.
Ich denke, das hängt auch ein bisschen mit seinem Mönchtum zusammen. Er hat gelernt, Arbeit und Beten abzuwechseln. Es ist trotzdem beeindruckend, wie viel Zeit er sich genommen hat. Er hatte viel zu tun, extrem viel, mehr als wir beide zusammen, würde ich mal vorsichtig sagen, obwohl wir beide nicht faul sind.
Interessanterweise wurde er von seinem Friseur gefragt, wie man denn beten soll. Das fand ich eine spannende Vorstellung: Wenn mich meine Friseurin fragen würde, Herr Lackmann, wie soll ich denn bitte beten? Martin Luther schrieb seinem Friseurmeister Peter, wie er ihn nennt oder wie er heißt, ein kleines Büchlein – eben das Buch vom Beten. Dieses Buch gab er später gleich in Druck, denn er wusste, wie er sich multiplizieren kann.
Im Buch beginnt er so: „Lieber Meister Peter, ich gebe es euch so gut, wie ich es habe und wie ich mich selbst beim Beten verhalte.“ Es soll also sehr praktisch werden. „Unser Gott und Herr gebe es euch und jedem anderen, es besser zu machen. Amen!“
Zuerst, wenn ich fühle, dass ich durch fremde Geschäfte oder Gedanken kalt geworden bin oder zum Beten keine Lust habe, weil das Fleisch und der Teufel fortwährend das Gebet verwehren und hindern wollen, nehme ich mein Psalmbüchlein, laufe in die Kammer oder, wenn es an der Zeit ist, in die Kirche zu den anderen Christen. Dort beginne ich, die zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis und je nach Zeit einige Sprüche von Christus und Paulus oder aus den Psalmen mündlich herzusingen, etwa so, wie es die Kinder tun.
Er schreibt also oft, dass er keine Lust zum Beten hat, seine Seele, sein Herz kalt ist. An anderen Stellen sagt er, er sei faul, lustlos, müde oder lässig. Er geht also relativ hart mit sich ins Gericht, obwohl er sehr stark betete und oft. Er hatte auch das Problem, obwohl er für mich eindeutig ein Vorbild ist.
Diese Seele ist also kalt – dieses Bild benutzt er. Die Seele will einfach noch nicht wirklich beten, ist noch nicht in dem Zustand. Dann sagt er, man müsse ein Feuer machen, damit sich diese Seele erwärmt.
Den ersten Schritt zeigt er hier schon: Er beginnt nämlich, das Wort Gottes zu lesen. Entweder allein bei sich oder er geht zu den anderen Christen. Er liest die zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis – das ist zwar nicht direkt Gottes Wort, aber indirekt, denn es fasst die Glaubenswahrheiten zusammen –, ebenso Sprüche von Christus, Paulus und aus den Psalmen. Er sagt das mündlich auf, so wie Kinder es tun.
Dadurch kommen Gottes Gedanken in ihn hinein, Gottes Wort spricht zu ihm. Bevor seine zerstreute Seele, die noch kalt ist und keine Lust hat, sich zu Gott wendet und durch alles andere zerstreut wird, lässt er Gott zuerst zu sich reden. Ich glaube, das ist schon so ein erstes Geheimnis.
Das habe ich eins zu eins umgesetzt. Ich habe mir gesagt: Okay, es ist eine kurze Schrift, man muss nicht viel daraus lernen, aber umzusetzen ist es natürlich schwierig. Dann habe ich einfach angefangen, das zu tun, was er hier beschreibt.
Hast du Erfahrungen damit gemacht? Ja, und ich finde recht gute. Das Wort einmal zu sich sprechen zu lassen – das ist das eine. Das zweite lese ich vielleicht noch mal weiter, weil das der eigentliche Kernpunkt war, den ich übernommen habe.
Wenn nun das Herz durch ein solch mündliches Gespräch erwärmt und zu sich selbst gekommen ist, so knie nieder oder stehe mit gefalteten Händen und gen Himmel gerichteten Augen und sprich oder denke so kurz du nun kannst. Dann bringt er ein kurzes Vorgebet und betet das Vaterunser.
Genau das mache ich jetzt nicht täglich, aber sehr oft, wenn ich bete, dass ich, bevor ich meine eigenen Bitten, Gebete und Lobpreise ausspreche, vorher das Vaterunser bete.
Ich finde das sehr spannend. Du hast gesagt, du bist nicht christlich aufgewachsen. Ich dagegen bin christlich aufgewachsen und war natürlich auch zunächst mal in der Kirche. Dort kenne ich natürlich das Vaterunser. Allerdings wirkt es manchmal ein wenig formelhaft, wenn man einfach nur da steht und es betet. Es soll ja eigentlich Feuer zum Beten entfachen. Erlebst du das auch so?
Ich persönlich erlebe das Vaterunser in der Kirche anders. Das Tempo, in dem es gebetet wird, ist mir meistens zu schnell. Das sage ich auch ganz kritisch, selbst in unserer Gemeinde, wenn es dort gebetet wird. Wir beten es ja nicht regelmäßig, aber auch dann ist es mir zu schnell. Ich brauche da extrem viel Zeit.
Wenn ich zum Beispiel bete: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme“, ist mir das oft zu schnell. Meine Gedanken zerfließen, und ich komme nicht hinterher. Luther hat auch gesagt, man darf das Vaterunser nicht einfach als Formel verwenden – das ist die Gefahr. Man muss es so nehmen, dass man das Wort zu sich sprechen lässt, sodass es die Seele erwärmt. Das Gebet ist Gottes Wort, es sind Gedanken Gottes, die ich bete, aber eben nicht wie die Heiden.
Vor dem Vaterunser steht ja extra geschrieben: Ihr sollt nicht plappern wie die Heiden. Und trotzdem wird oft geplappert. Plappern heißt, sinnlos und einfach runterrattern, so eine Formel. Man muss schon wissen, was man betet. Deshalb hat Luther in seinem Buch zu jeder Bitte erklärt, was sie bedeutet.
Ganz praktisch sieht das bei mir so aus, dass ich nicht immer alle Bitten gleich bete. Manchmal höre ich schon bei „Vater unser im Himmel“ auf, weil ich denke: Ich darf zu einem Vater beten, ich darf eine Beziehung zu ihm haben. Er ist der mächtige, herrliche Gott, und er ist nicht fern, wie es in anderen Religionen oft der Fall ist. Das erfüllt mein Herz so sehr, dass ich die anderen Bitten zwar noch bete, aber mein Schwerpunkt in meinen Gedanken auf diesem einen Gebet liegt.
Luther hat es so ausgedrückt: Manchmal lernt man in einem Gebet mehr als durch viele Predigten, weil der Geist zu einem redet. Der Geist legt seinen Finger auf einen Punkt, auf eine Wunde oder eine Situation, und so kann das Gebet dazu dienen, dass das Herz erwärmt wird.
Damit ich das richtig verstehe: Du beginnst das Vaterunser mit „Vater unser im Himmel“, und das berührt dich manchmal so tief, dass du vieles andere einfach an den Vater betest oder beeindruckt bist. Danach betest du dann erst den Rest des Vaterunsers.
Ja, ich weiß gar nicht genau, wie ich es mache. Es ist unterschiedlich. Manchmal sind es drei Bitten, die mich mehr berühren. Ich achte darauf, das Gebet in einem Tempo zu beten, bei dem ich verstehe, was ich sage. Ich versuche, es nicht einfach runterzurattern. Das Ziel ist ja, dass das Herz erwärmt wird.
Wenn ich nur etwas Formelhaftes herunterrattere, kann ich mein Herz, das gerade abgelenkt ist, das Sorgen hat oder überlegt, was der Tag bringen wird, nicht erreichen. Diese Gedanken verschwinden ja nicht einfach so. Wenn ich aber Gottes Gedanken bete, werden meine Gedanken in die richtige Richtung gelenkt.
Vielleicht sollte ich das Vaterunser einfach mal kurz durchgehen.
Gerne.
„Vater unser im Himmel“ habe ich ja schon erwähnt. Gott will eine Beziehung zu uns. Wenn man sich einsam und verloren fühlt oder denkt, man ist nicht geliebt, und die Gedanken abschweifen wollen, kann allein dieses Gebet das Herz erfüllen. Es hilft nicht immer, aber oft bringt es die Gedanken in die richtige Richtung.
„Dein Name werde geheiligt.“ Sein Name ist schon heilig. Das bedeutet entweder, dass wir ihn verherrlichen und als den Heiligen anbeten, oder dass ich selbst heilig leben soll.
„Dein Reich komme.“ Er wird eines Tages wiederkommen. So wie es im Paradies hätte sein sollen, wird er dann seine Herrschaft auf Erden aufrichten – man könnte sagen: Paradies 2.0. Der ganze Fluch der Erde, auch die Umweltprobleme, wird weggenommen. Die Arbeit wird leichter, denn das ist eine Folge des Fluches der Sünde. Die Natur wird wiederhergestellt. Er herrscht in Gerechtigkeit. Endlich gibt es Gerechtigkeit.
Oft rege ich mich über Politik auf, und das ist nicht gut. Wie will ich Gott begegnen, wenn ich zu sehr in den Tagesgeschäften gefangen bin? Es bringt ja nichts, sich aufzuregen. Dann bete ich „Dein Reich komme“ und weiß, dass alles hier nur vorübergehend ist. Er wird kommen und alles in Gerechtigkeit richten. Meine Aufregung wird dadurch etwas gemildert, auf ein Maß, das in Ordnung ist. Denn ich denke, man soll sich schon über schlechte Dinge aufregen. Gleichgültigkeit ist keine Lösung.
„Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden.“ Das bezieht sich oft auf mein Leben. Wenn ich das bete, richte ich meine Anliegen auf Gott aus. Er ist der Vater im Himmel, sein Name soll geheiligt werden, sein Reich soll kommen, sein Wille geschehen. Meine täglichen Sorgen haben hier nur indirekt Platz. Das ist gut, denn die Seele konzentriert sich erst einmal auf Gott.
Später bete ich natürlich auch, was mich stark beschäftigt, in meinem freien Gebet. Aber hier geht es erst einmal darum, zur Ruhe zu kommen und das Feuer zu entzünden – um in diesem Bild zu bleiben –, damit die Seele erwärmt wird.
Früher bin ich gleich mit meinen Sorgen eingestiegen: „Herr, ich habe heute diese Sorgen, du weißt, was diese Woche passiert ist, und es ist mir zu schwer. Von meiner Persönlichkeit her reagiere ich manchmal schlecht, wenn dies oder das passiert.“ Dann kam ich ins Gebet, aber am Ende war ich nicht wirklich auf Gott ausgerichtet. Ich geriet in einen Strudel von Gedanken, die immer länger wurden.
Heute bitte ich Gott zuerst, ihm begegnen zu dürfen und mich auf ihn zu konzentrieren. So komme ich viel leichter ins Gebet hinein. Deshalb sehe ich es als Chance, das Vaterunser bewusst und bedacht zu beten.
Das verstehe ich gut: Gerade ist es wichtig, sich auf Gott auszurichten und eben nicht nur bei den Problemen stehen zu bleiben.
Die nächsten Verse gehen dann mehr auf unsere alltäglichen Dinge ein, zum Beispiel auf „Unser tägliches Brot gib uns heute“. Die Auslegung von Luther fand ich dabei sehr interessant. Es geht natürlich nicht nur ums tägliche Brot, sondern auch ums Trinken, Essen und Kleidung. Das sollte eigentlich jeder so sehen. Wenn nicht, können die Hörer gerne schreiben, dann machen wir dazu etwas. Ich weiß zwar nicht genau, wie, aber ich denke, das ist eindeutig.
Was mir nicht so bewusst war: Es geht auch darum, dass wir keinen Krieg haben. Denn wenn Krieg herrscht, gibt es kein Brot. Kriege sind oft mit Hungersnöten verbunden. Wenn wir eine Wirtschaftskrise haben oder Existenznot, betrifft das auch uns. Gerade in der jetzigen Zeit haben wir, wie wir schon beim letzten Mal in unserer Gemeinde gehört haben, gesehen, dass all das zum täglichen Brot dazugehört.
Das heißt, in diesem kleinen Gebet steckt viel mehr als nur mein persönliches Leben. Es umfasst wirklich Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Frieden.
Die Bitte „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ zitiere ich jetzt einfach mal aus einem kleinen Heft für den Friseurmeister Peter. Es ist die fünfte Bitte:
„Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.“ Dazu sagt Luther: „Ach, lieber Herrgottvater, gehe nicht mit uns ins Gericht, denn vor dir ist kein lebendiger Mensch gerecht. Ach, rechne es uns auch nicht als Sünde an, dass wir leider so undankbar sind für alle deine unaussprechliche Wohltat, in geistlichen und leiblichen Dingen, und dass wir täglich vielmals straucheln und sündigen, mehr als wir wissen und merken können.
Sieh du nicht an, wie fromm oder böse wir sind, sondern sieh deine grundlose Barmherzigkeit an, die in Christus, deinem lieben Sohn, uns geschenkt ist. Vergib auch allen unseren Feinden und allen, die uns ein Leid oder Unrecht tun, wie auch wir ihnen von Herzen vergeben. Denn sie tun sich selbst damit das größte Leid, dass sie dich durch ihr Tun an uns erzürnen.
Uns ist ja mit ihrem Verderben nichts geholfen. Wir wollen sie viel lieber mit uns gerettet sehen. Amen!“
Wenn jemand bei sich merkt, dass er nicht recht vergeben kann, möge er um Gnade bitten, dass er vergeben könne. Aber das gehört in die Predigt. Das ist jetzt nur seine kurze Erklärung dazu.
Danach kommt die Bitte: „Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“ Wenn das für mich ein Thema ist, dann ist das das Einzige, was mich beschäftigt. Wenn eine konkrete Versuchung da ist, beherrscht sie an diesem Tag alles, sodass ich mich nur darauf konzentriere.
Dann folgt der Lobpreis: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“
Je nach Tag steht mal die eine Bitte mehr im Vordergrund, mal die andere. Ich lese auch immer mal wieder Auslegungen über das Thema, damit ich verstehe, was diese Bitte eigentlich bedeutet.
Wir haben hier bei der Schuld einige Aspekte gesehen. Undankbarkeit zum Beispiel wäre mir auf den ersten Blick bei „Vergib uns unsere Schuld“ gar nicht eingefallen. Luther hat sie aber hier mit aufgenommen. Undankbar bin ich oft. Wenn man das so sieht, wird die Seele erwärmt. Man macht manchmal noch die zehn Gebote oder das Glaubensbekenntnis und wird dann, wie Luther sagt, warm zum Gebet. Dann betet er eben drei Stunden weiter – das dauerte übrigens nach seiner Aussage nur wenige Minuten. Also es dauert nicht zehn, fünfzehn Minuten, sondern kann zwei, vielleicht fünf Minuten sein, mehr nicht.
Der Einstieg über das Vaterunser ist dazu gedacht, uns auf Gott auszurichten – auf jeden Fall so, wie er es macht.
Ich habe es ausprobiert und finde es hervorragend. Ich mache es nicht jeden Tag, manchmal auch nicht, aber doch sehr häufig. Es hilft mir sehr.
Deshalb dachte ich, ich erwähne einfach mal diese Möglichkeit. Es gibt noch viele andere, aber diese kann man ruhig mal ausprobieren. Vielleicht möchte der eine oder andere das jetzt auch einfach mal versuchen und sagen: Okay, schaden kann es wohl kaum. Es ist das Gebet des Herrn, man kann nichts falsch machen.
Vielleicht hilft es wirklich, so ein Feuer anzufachen. Dann werden die Ablenkungen weniger und man hat wieder mehr Freude am Gebet. Das ist ja das Schlimme, was Ole Hellesby geschildert hat: Dass die Ablenkungen einen so fahrig machen, dass man das Gebet irgendwo hinschmeißen will. Das wäre sehr schade.
Vielen Dank, Jörg! Ich habe den Eindruck, es ging nicht nur um Ablenkungen, sondern auch darum, wie mein Gebet mehr an Tiefe gewinnen kann. Das hast du uns sehr deutlich gemacht.
Und ja, du hast es gesagt – ich wiederhole es nur noch mal für die Hörer: Probiert es doch mal aus und schreibt uns vielleicht, ob ihr tatsächlich weniger vom Gebet abgelenkt wart oder ob euer Gebet wirklich an Tiefe gewonnen hat. Oder was euch sonst noch geholfen hat, neben dem Vaterunser, um tiefer ins Gebet hineinzukommen oder gedanklich beim Gebet zu bleiben.
Das war es schon wieder, der Podcast der Evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Wir hoffen, ihr habt einen Impuls für euch mitnehmen können.
Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen und neue Freude am Gebet.