Und ich sah, und siehe,
Die Frage nach dem Adressaten der Offenbarung
Wer ist angesprochen?
Es ist hilfreich, bei der Lektüre der Offenbarung immer wieder nachzufragen: Wer ist denn hier der Adressat? Wer ist gemeint? Zu wem ist das alles geschrieben? Man muss den Adressaten immer kennen, um den Text richtig zu verstehen.
Ich vergleiche das gerne mit dem Öffnen der Post. Wenn man die Post durchsieht und eine Autorechnung über 1400 Mark findet, denkt man erst einmal: „Da gibt es ja nichts, was am Auto nicht zu reparieren wäre.“ Mein Auto war aber überhaupt nicht kaputt. Zum Glück steht auf dem Brief die Adresse des Nachbarn. Aha, das kann ich gleich wieder in seinen Briefkasten werfen. Gott sei Dank, ich bin überhaupt nicht gemeint.
Dann kommt noch ein Bußgeldbescheid wegen Falschparkens. „Aha, das ist die Tochter mit dem neuen Führerschein“, denke ich, und gebe den Brief ihr weiter. Auch das ist nicht an mich gerichtet.
Schließlich finde ich noch einen Brief mit den neuesten Kochrezepten. „Ah, das geht meine Frau an“, denke ich. Die ganze Post und ein kleines Kärtchen mit umgekehrter Briefmarke in Pink – das ist natürlich von der kleinen Tochter. Die Post gehört gar nicht mir, sie braucht mich nicht zu interessieren.
Immer wieder denken manche Leute: „Siehe, hier bin ich ja gar nicht gemeint.“ Vielleicht sind sie wirklich nicht angesprochen. Vielleicht gehören sie nicht zu denen, die gerufen werden mit den Worten: „Ich sah“ – und sieh du auch! Wer ist denn nun gemeint?
Persönliche Beispiele von Leid und Enttäuschung
Ich möchte noch einmal rekapitulieren und in diesen Wochen des Oktobers und Novembers an ganz bestimmte Menschen denken. Zum Beispiel denke ich an eine Mutter, die das Bild ihres Sohnes von der Wand nimmt und es immer wieder ansieht. Besonders in diesen Monaten, wenn sich die Wälder verfärben und bald der Totensonntag sowie der Ewigkeitssonntag naht, schaut sie es besonders gerne an.
Mit siebzehn Jahren wurde der Junge eingezogen, in eine Uniform gesteckt und dann gleich in die Schlacht um Berlin geworfen. Unweit des Brettenburger Tores wurde er später von einer Granate getroffen. Die Sanitäter kamen zu spät. Gefallen für Volk und Vaterland.
Das Mutterherz krampft sich zusammen, als ob es gestern gewesen wäre, obwohl es bereits fünfundvierzig Jahre her sind. Doch der Schmerz kennt keine Zeit, und die Zeit heilt keine Wunden. So sieht es die Mutter.
Ich denke auch an jene Frau, die immer wieder die Feldpostbriefe ihres Mannes hervorholt, obwohl sie sie eigentlich fast alle auswendig kennt. Diese Worte sind für sie immer wieder wie eine Brücke in die Vergangenheit.
Damals hat er vom Eismeer geschrieben und ihr erzählt, dass er auf dem Horchposten stehe und viel Zeit habe, nachzudenken. Wie war es damals, als wir geheiratet haben? Wie war es, als wir die Dachwohnung einrichteten? Und als ich das Büblein zum ersten Mal auf meiner Hand halten durfte – wie war das einmal? Wie bin ich gespannt, wie das alles aussieht, wenn ich wieder nach Hause komme.
Doch er ist nicht wieder nach Hause gekommen. Vermisst, nie mehr etwas von ihm gehört.
Sehen Sie, sie steht da, mit drei Buben, und so sieht sie diese Briefe. So ist es ja eine ganze Legion von Menschen, die Bilder, Briefe oder andere Erinnerungsstücke anschauen.
Enttäuschung im Glauben und die Zielgruppe der Offenbarung
Immer wieder erleben Betroffene, Verwundete und traurige Menschen dunkle Situationen. Oft gehören sie zur Schar der Enttäuschten – enttäuscht von Menschen, deren Worte sich nicht als wahr erwiesen haben. Worte von Idealisten, die zerplatzt sind wie Luftballons. Ja, enttäuscht sogar von Gott selbst, der nicht gehalten hat, was er versprochen hat.
Warum mein Mann? Warum mein Sohn? Warum mein Kind? Wenn Gott wirklich Gott wäre, dürfte er das alles nicht zulassen. Ich sehe nichts von einem Richter, der alles nach Recht und Gerechtigkeit richtet. Ich höre nichts von einem Sieger, der die Armeen dieser Welt entwaffnet. Ich spüre nichts von einem Erlöser, der uns herauslöst aus dem ewigen Kreislauf von Geburt und Tod. Jesus – vielleicht doch nur der Scharlatan auf dem Esel, der Verbrecher am Kreuz, der Betrüger am Grab.
Ich bin enttäuscht. Ich bin enttäuscht.
Und wenn Sie auch zu diesen Menschen gehören, zu den Enttäuschten, aus welchem Grund auch immer, dann sind Sie angesprochen. Johannes schreibt nicht für Besserwisser, die gern ihren Kopf in den Himmel stecken würden. Er schreibt nicht für Apokalyptiker, die ihre endzeitlichen Kolossalgemälde vervollständigen wollen. Die Offenbarung ist kein beliebiger Zukunftsroman.
Johannes wendet sich an diejenigen, die unter Kaiser Domitian lebten – diesem widerlichen, blutrünstigen und blasphemischen Herrscher. Diese Menschen haben dort nur Krieg, Gewalt und Terror erlebt. Johannes kennt all diese Fragen und Nöte, die sich wie Säure über unseren Glauben legen. Er kennt die Situation.
Johannes schreibt an enttäuschte Christen, die den Kopf hängen lassen. Er schreibt an jene, die den Kopf nicht mehr heben können. Doch er fordert: Seht, blickt auf! Schaut hin! Ich sehe den Himmel aufgetan. Liebe Freunde, darauf kommt es an: Dieses zu hören und im Geist bereits zu sehen.
Der Himmel ist nicht mehr verschlossen, wie das Paradies nach dem Sündenfall, vor dem der Cherub mit dem flammenden Schwert steht. Der Himmel ist nicht nur eine Tür geöffnet, wie über Bethlehem, als Jesus geboren wurde. Nein, der Himmel steht sperrangelweit offen – so wie in einem großen Haus des Staatstheaters, wenn der eiserne Vorhang gehoben ist, der große andere Vorhang zur Seite geschoben wird und dann die ganze Bühne offenliegt.
Der Blick wird frei auf ein einzig wunderschönes Panorama, auf diese Kulisse. So ist für Johannes der Himmel nicht mehr verschlossen, sondern aufgetan – ein großartiger Blick auf das Panorama der Ewigkeit.
Der Blick auf das Unsichtbare und die Verheißung der Offenbarung
Bei uns, liebe Freunde, geht es jetzt noch um 2. Korinther 4. Wir sehen nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Oft genug leiden wir daran.
Wir sitzen wie vor einem Vorhang – nicht nur einem Vorhang aus Stoff, sondern einem Vorhang aus Eisen, aus Beton. Wir stoßen uns den Kopf daran, weil wir nichts sehen, weil wir es nicht wahrnehmen, weil wir es nicht begreifen. Wohin gehen denn unsere Toten, wenn sie beerdigt werden? Wohin gehen wir selbst, wenn unser Leben zu Ende geht? Wohin führen all diese Fragen und tausend Rätsel?
Wir sehen auf das Unsichtbare – ein schwieriger Satz. Aber, liebe Freunde, einmal wird der Vorhang aufgezogen. Einmal werden wir die Ewigkeit im Glanz der ewigen Sonne sehen. Einmal ist es so weit. Johannes sagt: „Ich sah den Himmel offen.“ Das ist eine Verheißung für Sie und für mich.
Karl Hartenstein, der Prälat, der hier oft gepredigt hat, schreibt einfach: Wir können die Wiederkunft Christi nicht ernst genug nehmen. So wie der Tag seiner Geburt in Bethlehem in Niedrigkeit und Armut ein wirklicher Tag unserer Welt und ihrer Geschichte war, so wird auch der Tag seiner Ankunft in Herrlichkeit ein wirklicher Tag unserer Weltzeit und ihrer Geschichte sein.
So wie es einen Geburtstag in Ihrem Leben gibt, wie vielleicht einen Konfirmationstag oder einen Hochzeitstag, so wie es am 3. Oktober einen Tag der Wiedervereinigung in unserem Volk gegeben hat – obwohl kaum jemand wirklich daran glaubte –, so wird es einmal einen Tag der Wiedervereinigung mit unserem Gott geben. Nichts, nichts ist so sicher wie dieser Tag.
Und weil heute nicht darüber gesprochen wird, weil es oft ausgeklammert wird und weil wir selbst manchmal Zweifel daran haben, soll es heute jedem noch einmal deutlich gesagt werden, damit es nicht mehr vergessen wird.
Johannes sagt: „Ich sah den Himmel aufgetan.“ Und Sie werden dasselbe sagen können: „Ich sehe den Himmel aufgetan.“ Der Himmel, der oft dunkel, rätselhaft, undurchdringlich und verschlossen scheint, wird aufgetan und geöffnet.
Ich weiß, in diesen Aussagen stecken viele, viele Bedeutungen. Ich möchte Ihnen heute Abend drei grobe Schnitte schlagen, und zwar: Seht, seht das weiße Pferd! Das ist das Erste. Seht ...
Das weiße Pferd als Zeichen des Sieges
Das weiße Pferd ist also ein Schimmel. Bisher kennen wir eigentlich vor allem die Geschichte vom Adventsesel. Doch der Adventsesel ist nicht alles.
Wir erinnern uns an die Straßen, die damals nach Jerusalem führten. Es waren wohl die Siegesstraßen altisraelitischer Könige. Auf diesen Straßen zog David mit dreißigtausend Vasallen, einem riesigen Heer für die damalige Zeit, dahin. Wenig später dröhnten diese Straßen unter den Hufschlägen von viertausend Wagenpferden Salomos.
Die Menschen sagten sich: Wenn David schon dreißigtausend Vasallen hatte und Salomo so viele Wagenpferde, die schönsten Pferde Arabiens, auffahren ließ, welche Armee wird dann aufziehen, wenn der Messias, wenn der Herr wiederkommt? Sie erwarteten ein Heer von unendlicher Größe und Stärke.
Doch dann kam dieser Herr – und er kam auf einem beschlagnahmten Esel. Die Enttäuschung war riesengroß. Es wäre ungefähr so, als käme Königin Elisabeth nach Stuttgart und steigt vor dem Rathaus aus einem Golf aus, aus meinem Wagen. Oder stellen Sie sich vor, der Papst kommt und steigt vom Mountainbike, vom Fahrrad.
Der Herr aller Herren, der angekündigte Messias, Jesus Christus, kommt auf dem Gefährt der Ärmsten und Armen. Ist das alles? Ist das alles? Viele verstanden das damals nicht, und viele stoßen sich heute an seiner Niedrigkeit, die doch nur die Nähe der Niedrigkeit sein will. Viele verstehen bis heute nicht diese Eselsgeduld, mit der er uns nachgeht.
Sehen Sie, der Bundespräsident in Deutschland ist schon ein rechter Mann. Wenn er nach Stuttgart kommt, sich ins Goldene Buch einträgt und die Ehrenbürgerschaft erhält, ist das alles recht und gut. Aber mich sieht er doch gar nicht, selbst wenn ich mich aufgemacht habe und auf dem Rathausplatz stehe – in der vierzigsten Reihe. Mich sieht er nicht und kennt mich auch nicht.
Was nützen uns denn die großen Herren, die uns nicht sehen? Aber einmal werden uns die Augen aufgehen. Einmal kommt er wieder, einmal werden wir nicht enttäuscht sein. Dann kommt er nicht mehr auf dem Esel, sondern auf dem weißen Pferd.
Wenn die Menschen damals das gelesen haben, wussten sie genau, was ein weißes Pferd bedeutet. Das weiße Pferd war eine ganz hohe Auszeichnung für Feldherren. Bei uns gab es auch Auszeichnungen – das gibt es immer beim Militär. Im Krieg gab es verschiedene Orden: Wer sich auszeichnete, erhielt einen Gefrierfleischorten in Russland. Dann gab es das Eiserne Kreuz 2. Klasse, die Besseren hatten das Eiserne Kreuz 1. Klasse, und noch höher war das Eiserne Kreuz 1. Klasse mit Schwertern. Ich glaube, das war das Allerhöchste, das EK 1 mit Schwertern und Brillanten. Es war die höchste Auszeichnung.
Damals war die höchste Auszeichnung ein weißes Pferd. Wer die Schlacht gewann, wurde auf ein weißes Pferd gesetzt und durfte in die Stadt einreiten. Oft wurde ihm sogar ein Triumphbogen gebaut, durch den er hindurchritt.
So wie jener Feldherr, von dem ich gelesen habe: Er war ausgezogen, um die heranrückenden Mächte zurückzuschlagen. Während er draußen war, erhob sich im Inneren ein Rebell und ließ sich zum König ausrufen. Als der Feldherr zurückkam, ritt er auf seinem weißen Pferd, schlug den Rebell nieder und wurde endgültig Herrscher.
Dieser unser Herr kommt so einmal nach der großen Schlacht um die Welt! Eine Schlacht ohnegleichen, in der er sterbend gesiegt hat. Normalerweise kämpfen viele für einen – so ist es immer in unserer Welt. Hier kämpft einer für die vielen. Johannes sagt: Er ließ sein Leben für die Schafe, er gab sein Leben zur Erlösung für viele.
Nun kommt er unübersehbar für alle als Sieger. Viele, die dem Rebell in der Stadt, dem Teufel, gehuldigt haben, werden entlarvt und stehen zitternd dabei. Er kommt auf dem weißen Pferd – der Sieger.
Die vier Namen des Siegers und die Bedeutung von Treue
Und vier Namen, vier Namen sind extra angegeben, vier Namen dieses Mannes auf dem weißen Pferd: A, treu und wahrhaftig.
Die Rabbiner, die wohl die besten Kenner des Alten Testaments sind, haben gesagt, dass das Wort „treu“, das im Hebräischen nur aus drei Buchstaben besteht – emet –, wohl das Siegel Gottes überhaupt sei. Es ist das schönste Wort des Alten Testaments: treu.
Und zwar deshalb, weil diese drei Buchstaben von Emet im hebräischen Alphabet der erste Buchstabe, der mittlere Buchstabe und der letzte Buchstabe im Alphabet sind. Also Anfang, Mitte und Ende – das ist Emet, das ist die Treue Gottes. So ist Christus der Anfang, die Mitte und das Ende.
Ich glaube, dass kein Wort in unserer Zeit so sehr in den Schmutz getreten wurde wie die Treue. Wer hält heute noch etwas von Treue? Ich erinnere mich, als junger Mann und Fußballfan, an die Hamburger Fußballmannschaft, für die ich schwärmte. Dort gab es einen Fußballspieler, Uwe Seeler hieß er, Mittelstürmer. Er ist zeitlebens, obwohl er großartige Angebote hatte, seiner Mannschaft treu geblieben. Er blieb in Hamburg von Anfang bis Ende großartig – heute undenkbar. Wenn der nächste Verein mit mehr Geld lockt, geht man dorthin.
Oder es kommt immer seltener vor, dass ich Leute zu beerdigen habe, bei denen gesagt wird, sie seien 45 oder gar 50 Jahre in einer Firma gewesen, sie seien der Firma treu geblieben. In wie vielen Ehen kann man das auch nicht mehr sagen? 50 Jahre, 45 Jahre, 40 Jahre verheiratet. Zwei miteinander alt gewordene Menschen, die sich treu geblieben sind – über Jahrzehnte hinweg großartig.
Was zählt eigentlich Treue noch? Nichts gegen irgendwelche Spitzenpolitiker, wir machen hier keine Politik. Aber wenn führende Politiker einmal scheiden lassen, zweimal scheiden lassen und das dritte Mal mit einer Partnerin unverheiratet zusammenleben, dann macht das doch jungen Leuten zu schaffen! Wenn Treue nicht mehr gelebt wird, wo sollen junge Menschen dann noch lernen, was Treue ist?
Wir zweifeln daran, es gibt keine Treue mehr – auch in der Freundschaft nicht. Kinder sind noch treu, Eltern noch treu zu ihren Kindern. Und weil wir an diesem Wort, an diesem Siegel Gottes zweifeln, zweifeln wir auch an der Treue Gottes. Ist denn Gott noch treu, wenn wir so treulose Gesellen geworden sind?
Hier heißt es: Er ist, wenn er wiederkommt, der Treue und Wahrhaftige – der wahrhaftig Treue. Bei ihm ist nichts von dieser Treue weggekommen, nichts ist von diesem Glanze verloren gegangen. Ein treuer Herr, der treu zu seinen Verheißungen steht und zu seinen Leuten.
Mag bei uns die Treue nichts mehr gelten – die Treue ist das Siegel Gottes, auf das wir uns verlassen können.
Die Bedeutung des Namens und die Herrschaft des Königs
Und er hat einen Namen, und zwar einen Namen, den außer ihm niemand kannte. Außer ihm selbst. Namen werden bei uns ja bekannt, altbekannt, abgegriffen. Wenn wir Namen nennen, etwa von Politikern, dann kennen wir sie. Oder auch von Künstlern, dann kennen wir sie.
Liebe Freunde, wir können noch tausendmal den Namen Jesus sagen. Er wird uns nie altbekannt. Er wird immer neue Wesen haben. Er wird sich immer wieder neu als der Überraschende offenbaren. Bei Jesus wird es nicht langweilig. Jesus wird Ihnen nie altbekannt, wenn Sie sich mit ihm einlassen. Jesus zeigt sich immer wieder als der Lebendige und der uns Führende.
Und drittens heißt sein Name das Wort Gottes. Liebe Freunde, sein Name heißt nicht eine Vision, heißt nicht ein Himmelsspektakel, heißt keine riesige Reaktion von Wundern. Auch dann würde er nur heißen: sein Wort. Wir haben nichts anderes als sein Wort. Aber dieses Wort Gottes ist nicht nichts, sondern dieses Wort Gottes ist alles. Lassen Sie sich am Wort Gottes genügen. Sehen Sie sich nicht nach irgendwelchen Spektakeln um, die heute in Jesu Namen angeboten werden.
Er ist heute das Wort, und wenn er wiederkommt, werden wir sehen: Sein Name ist das Wort. Mehr als das Wort brauchen wir nicht, mehr brauchen wir nicht.
Und viertens: König aller Könige, Herr aller Herren – das ist das Zweite, das ich Ihnen sagen will, schneller. Erstens: Seht das weiße Pferd, zweitens: seht die goldenen Kronen, seht die goldenen Kronen!
Die goldenen Kronen als Zeichen der Herrschaft
Das Passionskreuz ist nicht alles, was wir bisher kennen. Dort, wo er auf der Via Dolorosa zusammenbrach und neben seinem Kreuz lag, wunderten sich die Leute. Sie fragten sich, ob sie einem Todeskandidaten nachmarschierten. Sie wollten doch keinen Leichenzug, sondern einen Festzug. Sie wollten keinen, der zum Tode geht, sondern jemanden, der mit ihnen ein Fest feiert. Sie brauchten einen Sieger, keinen Verlierer.
Was soll der Tod, wenn es ums Leben geht? So fragten sie damals auf dem Weg zum Kreuz. Die Enttäuschung war riesengroß. Viele haben nicht verstanden und verstehen bis heute nicht, dass Gott seinen Sohn so quälen ließ, um uns die Qualen der Schuld abzunehmen. Viele begreifen nicht, dass es dieses Todesweges bedurfte, um uns den Weg zum Leben zu öffnen.
Viele kapieren nicht die zwei Wörter, die wir beim Abendmahl jedes Mal hören: „Für euch, für dich“. In diesen zwei Wörtern steckt sein ganzes Opfer, seine ganze Liebe. Viele sehen nicht, dass der Sieger zuerst der Besiegte sein muss – aber nur einmal. Doch einmal wird es anders sein. Dann wird er als Sieger erscheinen, mit vielen Kronen auf seinem Haupt. Er wird nicht mehr die Dornenkrone tragen, sondern viele goldene Diademe, die im Morgenglanz der Ewigkeit leuchten.
Damals hatten Monarchen oft mehrere Kronen, um zu zeigen, dass sie über mehrere Länder herrschten. Das ist bis heute ähnlich geblieben. Jeder Herrscher – vor allem orientalische – will nicht nur über ein Land herrschen. Erst wenn sie zwei, drei oder vier Kronen auf ihrem Haupt tragen, erreichen sie ihre eigentliche Bestimmung. Die Größe zeigt sich immer im Herrschen über mehrere Länder.
Denken Sie an den Irak: Die Herrscher kommen erst zu ihrer Größe, wenn sie nicht nur über ihr eigenes Land, sondern über mehrere Länder herrschen können. Das liegt in der alten, uralten Tradition orientalischer Herrscher – eine Tradition, die wir heute wieder erleben.
Der Herr hier nimmt dieses Bild auf. Er trägt nicht nur zwei oder drei Kronen, sondern alle Kronen. Er ist der Herr über alles. Er hat alle Macht in seinen Händen. Alle Gewalt liegt bei ihm. Aus seinem Mund kommt das Wort, ein zweischneidiges Schwert, das scheidet und beschneidet.
Deshalb sehen wir in den Versen 17 bis 21 das große Gericht über die Rebellen. In Vers 19 wird noch einmal eine riesige Machtdemonstration beschrieben: der gewaltige Aufmarsch der Völker. Ein Vergleich zum Golfkrieg zeigt, dass auf der einen Seite 700 Soldaten und auf der anderen Seite 400 Soldaten standen. Man stelle sich nun eine Million Soldaten vor, die sich gegenüberstehen – hoffentlich nicht gegeneinander. Hier ist es eine Machtdemonstration.
Doch im Unterschied zu heute gibt es hier nicht zwei Gegner. Wenn er einmal seine Macht aufmarschieren lässt, gibt es keine Gegner mehr, keine Feinde. Dann sind sie ihm alle untertan. Dann ruft er die Vögel, und die Feinde, die letzten Feinde, werden diesen Vögeln als Vogelfutter hingeworfen.
Welcher Spott steckt in diesen Versen über die Mächtigen! Ihre Heere, sagt er, sind Vogelfutter. Ihre Gewehre und Kanonen sind Vogelfutter. Ihre Massen von Soldaten sind Vogelfutter. Mehr ist das alles nicht, was Menschen aufbieten können gegenüber seiner Macht und Herrlichkeit.
Seht auf die goldenen Kronen, wenn euch diese waffenstarrende Welt Angst macht. Er behält die Macht in seinen Händen. Und seht das blutrote Kleid, das blutrote Kleid.
Das blutrote Kleid als Zeichen des Erlösers
Die Grabtücher sind nicht alles vom Ostermorgen. Eines Tages werden uns die Augen aufgehen. Dann wird der letzte Tag kommen, und Jesus wird als Erlöser erscheinen.
Das weiße Kleid mit den Blutflecken weist ihn als den Erlöser aus. Er kommt aus dem Kampf um die Welt. Blut war nötig, denn er hat dem Feind bis aufs Blut widerstanden. Blut ist notwendig, um uns aus dem Schuldverhängnis zu befreien.
Jesus hat sein Blut vergossen. Am Gürtel ist es noch einmal zu erkennen: Er ist König aller Könige und Herr aller Herren. Er hält die Fäden in der Hand und ruft die Toten aus den Gräbern.
Dann endet alles Weinen und Schreien im Lobpreis Gottes. Seht doch am Schluss das blutige Kleid, seht das weiße Pferd, seht die goldenen Kronen.
Das Bild des Reiters auf dem weißen Pferd im Jugendhaus
Seh doch das blutige Gleit! Vielleicht darf ich es mit einem Bild zusammenfassen, das ich gar nicht gemalt habe, sondern das von einem unbekannten, sicher drittrangigen Künstler stammt.
Ich habe schon einmal davon erzählt: Dieses Bild habe ich in einem Jugendhaus gesehen, und es ist mir seither eindrucksvoll im Gedächtnis geblieben. Fünf Minuten neben dem Hauptbahnhof in Essen steht das berühmt gewordene Weigle-Haus. Es ist ein Clubhaus für junge Leute, das einst von Pastor Weigle gegründet wurde. Über viele Jahre wurde es von Pfarrer Wilhelm Busch geleitet, später von Ulrich Barzany und jetzt von einem jüngeren Pfarrer.
Wenn man dort hinkommt, erlebt man einen großartigen, lebendigen Betrieb, vergleichbar mit einem Ameisenhaufen. Junge Leute zwischen 14 und 18 Jahren kommen aus der ganzen Stadt Essen in ihren Gruppenstunden zusammen. Vor allem sonntags findet dort ein Gottesdienst statt, jeden Sonntag um halb neun morgens. Nachmittags sind sie gemeinsam zum Spielen und zu einer Andacht versammelt.
Wenn man in dieses Haus hineingeht, das vom Puls junger Menschen erfüllt ist, sieht man als einziges Bild, übergroß im Hauskern, wirklich als einziges Bild, einen Himmel mit Wolken. Unten ist eine Stadt angedeutet, oben in den Wolken sieht man den Reiter auf dem weißen Pferd – Offenbarung 19,11, genau das, was wir heute Abend gelesen haben.
Wer von außen kommt und zum ersten Mal dieses Bild sieht, und dann diese Jugendlichen betrachtet, die aus richtigen Arbeiterfamilien kommen, Schlägertypen, fragt sich: Passt dieses Bild und diese Jugend irgendwie zusammen? So wurde auch Pastor Weigle gefragt, kaum hatte er das Bild dort erworben und aufgehängt: „Herr Pastor, gibt es kein anderes Bild? Hätten Sie nicht eine bessere Aussage in diesem Haus für Ihre jungen Leute? Warum haben Sie gerade dieses Bild gewählt?“
Er antwortete: „Die ganze Woche über sind diese jungen Burschen in Schulen, Büros, Fabriken und Bergwerken. Dort umgibt sie eine Welt voller Klagen und Fragen. Schnell werden sie mutlos und enttäuscht. Wenn sie aber hierher kommen, in dieses Haus, dann sollen sie jedes Mal auf diesem Bild sehen und wissen: Ihr gehört auf die Seite des Siegers. Und einmal werdet ihr es selbst erleben – ihr gehört auf die Seite des Siegers.“
Die Gewissheit des Sieges Jesu
Liebe Freunde, wir kommen aus Schulen, Büros, Fabriken und Heimen. Oft genug sind wir mutlos und enttäuscht.
Deshalb wird uns jetzt noch einmal der Reiter auf dem weißen Pferd vor Augen gemalt. Uns wird gesagt: Ihr könnt auf der Seite des Siegers sein, und zwar durch das Blut des Herrn.
Dass Jesus siegt, bleibt ewig ausgemacht. Sein ist die ganze Welt, und sein ist auch mein Leben.