Ich weiß, von meiner Frisur sieht man das nicht so, aber ich war am letzten Freitag mal wieder bei meinem Friseur. Er ist selbst Christ und nutzt meine Besuche immer sehr gerne, um mich mit anderen Kunden ins Gespräch zu bringen. Das ist tatsächlich Teil unserer Verabredung: Immer wenn ich zu ihm komme, darf er mich dazu „benutzen“, um zu evangelisieren.
So war es auch am letzten Freitag wieder. Während ich da saß und er mir die Haare schnitt, drehte er meinen Stuhl so, dass ich mich nicht im Spiegel sehen konnte. Das war nicht wichtig, denn ich wusste, was er tat, und ich habe sowieso keine Ahnung von Frisuren. Dann wandte er sich einem anderen Kunden zu und sagte zu ihm: „Das ist Matthias, der ist evangelischer Pfarrer. Du kannst dir gleich deine Sünden beichten.“
Der andere Kunde war leicht irritiert und sagte: „Nein danke, bei mir passt alles.“ Mein Friseur hinterfragte das ein wenig, schaute mich dann an und fragte: „Matthias, was sagst du dazu?“ Ich hatte gerade den Predigttext für heute ausgesucht und gelesen. So antwortete ich ihm, so freundlich ich konnte: „Na ja, wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns.“
Es gab einen Moment der Stille. Dann wandte er ein: „Ich dachte, Protestanten beichten nicht.“ Zu seiner Verwunderung erklärte ich ihm, dass wir tatsächlich in fast jedem Gottesdienst zumindest ein Sündenbekenntnisgebet haben. Das fand er seltsam und es überraschte ihn.
Ich weiß aus manchem Gespräch, dass es nicht nur diesem Mann so geht. Sogar manche Geschwister hier in dieser Gemeinde fragen sich: Brauchen wir das wirklich? Muss das sein? Wäre es nicht viel erbaulicher, anstatt über unsere Sünden zu reden, einfach nur auf Gottes Liebe zu schauen? Das hat mir tatsächlich vor kurzem jemand vorgeschlagen.
Nun, an diesem besonderen Tag möchte ich mit uns darüber nachdenken, warum es so gut, so wichtig und richtig ist, regelmäßig unsere Sünden vor Gott zu bringen.
Unser Predigttext für heute Abend befindet sich im ersten Johannesbrief, Kapitel 1, Verse 5 bis 9. Das habt ihr sicher schon geahnt, nachdem ich eben einen Vers aus diesem Text zitiert habe.
Ich lese uns den Predigttext aus 1. Johannes 1,5-9 vor:
„Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut seines Sohnes macht uns rein von aller Sünde. Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“
Amen.
Ich bete mit uns:
Himmlischer Vater, danke für dieses ermutigende, aber auch herausfordernde Wort. Wir wollen dich bitten, dass du uns bereit machst, dein Wort zu hören, dein Wort anzunehmen und durch dein Wort verändert zu werden. So sollen wir mehr und mehr erleben, wie gut es ist, in deinem Licht zu leben und deine Gnade zu genießen.
Amen!
Mit den eben gelesenen Worten beginnt tatsächlich der Hauptteil im ersten Johannesbrief. Johannes erklärt, dass er diesen Brief geschrieben hat – so schreibt er es in Kapitel 5, Vers 13 – mit einem klaren Ziel: Menschen sollen für sich erkennen können, dass sie wirklich Christen sind und ewiges Leben haben.
Nach Kapitel 5, Vers 13 heißt es: „Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.“ In gewisser Weise will dieser Brief uns hinterfragen, damit wir noch sicherer wissen können, ob wir wirklich ewiges Leben haben. Darum geht es auch gleich zu Beginn dieses Briefs.
In dem Text, den wir gerade gehört haben, in den Versen 6, 7, 8 und 9, gibt es zwei Gegensatzpaare. Diese geben uns zwei Kriterien, die uns helfen können, zu erkennen, ob wir wirklich im Glauben stehen. Das sind die beiden Punkte dieser Predigt.
Wahre Christen erkennt man daran, dass sie erstens im Licht Gottes leben – das sind die Verse 6 und 7 – und dass sie zweitens ihre Sünden bekennen, was in den Versen 8 und 9 beschrieben wird.
Bevor Johannes auf diese beiden Aspekte zu sprechen kommt, lenkt er unseren Blick zunächst auf Gott. Über Gott heißt es hier: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Es ist gut, zuerst auf Gott zu schauen, bevor wir über uns nachdenken.
Gott ist Licht – das ist natürlich bildhafte Sprache. Wir müssen nicht versuchen herauszufinden, welches von diesen Lichtern Gott ist. Nein, Gott ist Licht bedeutet, dass dort, wo Gott ist, alles hell ist, alles gut und vollkommen. Die Bibel verwendet dieses Bild immer wieder.
Dort, wo Gott ist, ist Licht. Dagegen ist dort, wo der Teufel ist, wo das Schlechte und das Böse herrschen, Finsternis. Dieses Bild hat sich auch in unseren Sprachgebrauch übertragen. Die Finsternis steht für das Schlechte, das Böse.
Weil Gott eben Licht ist, gibt es in ihm keine Finsternis. Bei Gott gibt es absolut nichts Schlechtes oder Böses. Gott ist heilig, vollkommen gerecht, voller Liebe und absolut gut. Oder wie es in den „Gott ist nicht tot“-Filmen heißt: „God is good all the time, all the time God is good.“
So lesen wir im Johannesevangelium, dass Jesus diese Gottesbezeichnung auf sich selbst anwendet. Jesus sagt: „Ich bin das Licht der Welt.“ Dann fährt er fort und erklärt: „Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Genau diesen Gedanken greift Johannes hier im ersten Johannesbrief auf.
Das ist das erste Unterscheidungskriterium, an dem wir erkennen können, ob wir wirklich Christen sind. Weil Gott Licht ist und in ihm keine Finsternis ist, können wir nicht gleichzeitig Gemeinschaft mit ihm haben und in der Finsternis wandeln.
Das sehen wir hier in Vers 6: Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit Gott haben und dennoch in der Finsternis wandeln, dann lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Macht das Sinn?
Und doch gibt es immer wieder Menschen – ziemlich oft sogar – die behaupten, Christen zu sein, deren Leben aber offenbart, wie weit entfernt sie eigentlich vom Licht der Heiligkeit Gottes sind. Wie viele Menschen in unserem Land sagen, sie seien Christen, leben aber mitten in dieser oft sehr gottlosen und finsteren Welt?
Ich möchte uns fragen: Wie ist das bei dir? Was offenbart dein Leben darüber, wie du tatsächlich zu Gott stehst?
Wenn wir in der Finsternis wandeln, können wir noch so lange behaupten, Gemeinschaft mit Gott zu haben – das stimmt dann einfach nicht. Denn Gott ist Licht. Wenn wir nahe bei ihm sind, strahlt sein Licht in unser Leben, und dann bleibt kein Raum für Finsternis.
Wenn hier aber davon gesprochen wird, dass Menschen in der Finsternis wandeln, bedeutet das, dass sie Dinge tun, die Gott zuwider sind – böse, sündige Dinge. Finsternis ist letztlich all das, was wir vor dem Licht Gottes verstecken wollen.
Gibt es Gedanken, Worte oder Taten in deinem Leben, die du vor Gott verstecken würdest, wenn es überhaupt möglich wäre? Je mehr Raum diese Dinge in unserem Leben einnehmen, desto weniger wollen wir Gemeinschaft mit Gott haben. Das ist ein ganz normaler Prozess.
Das heißt: Wenn Menschen tief in Sünde verstrickt sind, haben sie in der Regel keine enge Gemeinschaft mit Gott. Und wenn sie behaupten, das sei anders, dann lügen sie. Das sagt Johannes hier in aller Klarheit.
Irgendwie zieht ihr das also durch. Wenn du merkst, dass deine Beziehung zu Gott nicht mehr sehr innig ist, wenn du spürst, dass etwas nicht stimmt in deiner Beziehung zu Gott, dann sei ehrlich mit dir selbst.
Wo in deinem Leben hat vielleicht etwas Raum eingenommen, das dazu führt, dass du dich in der Finsternis wohler fühlst als bei Gott?
Dazu möchte ich heute sagen: Lass diese Dinge hinter dir! Kehre um – zurück ins Licht, aus der Finsternis ins Licht!
Der Buß- und Bettag ist ein Tag, der hervorragend dazu geeignet ist, von der Finsternis wieder ins Licht zurückzukehren. Buße bedeutet Umkehr. Gott lädt uns ein, umzukehren und zurück in sein Licht zu kommen, denn Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis.
Dieser Weg zurück ins Licht setzt voraus, dass du überhaupt schon einmal zum Licht gekommen bist. Von Natur aus leben wir in der Finsternis, weil wir die Finsternis mehr lieben als das Licht – so sagt es Jesus selbst. Deshalb wurde Jesus, als er als das Licht der Welt in diese Welt kam, nicht mit offenen Armen empfangen.
Als das Licht der Welt offenbarte Jesus durch seine Worte und Werke die Finsternis in dieser Welt – all das Böse und Finstere. Deshalb lehnten die Menschen ihn ab. Doch er war gekommen, um uns aus der Verlorenheit der Finsternis herauszurufen und hinein in sein wunderbares Licht.
Deshalb war Jesu Ruf: „Tut Buße, kehrt um, wendet euch ab und glaubt! Vertraut mir, vertraut euch mir an.“ Mit anderen Worten: Gib deinem Leben eine neue Richtung. Lebe mit mir, wende dich ab von allem Falschen und Bösen hin zu Jesus.
Ihm zu glauben heißt, ihm nachzufolgen, ihm zu vertrauen und auf ihn zu hören. Er kommt also als das personifizierte Licht mitten in die Finsternis unseres Lebens, damit wir nicht weiter ziellos umherirren müssen. In seiner Nachfolge können wir auf ein wirklich lohnenswertes Ziel zuleben.
Wenn du heute hier bist und noch nie wirklich in dieses Licht gekommen bist, noch nie wirklich umgekehrt bist, um Jesus Christus nachzufolgen, dann zögere nicht länger. Gib deinem Leben eine entscheidende Wendung.
Und er lebt im Licht. Christen leben und wandeln im Licht, nicht in der Finsternis. Das zeigt sich auch daran, und das sehen wir hier in Vers 7, dass wir die Gemeinschaft derer suchen, die ebenfalls im Licht leben. Vers 7 bezeugt das: „Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander.“
Das klingt zunächst ein wenig überraschend, oder? Wenn ich den Satz nicht weiter kennen würde und ihn so anfange zu lesen: „Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft mit ihm“, hätte ich das erwartet. Und das stimmt auch. Natürlich haben wir dann auch Gemeinschaft mit ihm. Aber tatsächlich geht es hier darum, dass wir auch Gemeinschaft miteinander haben.
Denn, wie wir gerade gesehen haben, können wir uns selbst täuschen, wenn es um die Frage geht, ob wir Gemeinschaft mit Gott haben. Gott ist unsichtbar. Die Frage „Habe ich Gemeinschaft mit dem Unsichtbaren?“ ist nicht so leicht zu beantworten. Habe ich wirklich Gemeinschaft mit Gott? Deshalb hat Gott uns in seiner Weisheit eine Gemeinschaft gegeben, von der er sagt, dass sie sein Leib ist. Wenn du Gemeinschaft mit ihm hast, dann hast du Gemeinschaft mit seinem Leib, mit der Gemeinde.
Das ist es, was hier gesagt wird: „Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander.“ Ein Leben im Licht ist also ein Leben in wirklicher christlicher Gemeinschaft. Damit meine ich nicht nur, dass man in eine Gemeinde geht, um einen Ort zu haben, an dem man sonntags sein kann. Ich meine damit, wirklich in inniger Gemeinschaft mit anderen Geschwistern zu leben. Darum geht es.
Wenn wir also sagen, dass wir Gemeinschaft mit Gott haben, dann sollte sich das darin offenbaren, dass wir auch wirkliche Gemeinschaft mit anderen Christen haben. Das würde uns auch helfen, wirklich im Licht zu leben. Denn eine gesunde christliche Gemeinschaft achtet aufeinander und lässt das Licht Gottes aufeinander scheinen.
Deshalb war ich am Sonntag bei unserer Mitgliederversammlung so dankbar, dass manche Geschwister nach anderen gefragt haben, die nicht mehr kommen. Das ist ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass wir herzlich miteinander verbunden sind und aufeinander Acht geben.
Das heißt auch: Wenn wir erleben, dass jemand seltener kommt oder sich ein wenig zurückzieht, kann das bedeuten, dass er in die Finsternis abdriftet. Dann ist es unsere gemeinsame Verantwortung, wie ein Suchkommando zu handeln. So wie man nachts ein Kind in einem finsteren Wald sucht, müssen wir losgehen, Licht in die Finsternis hineinscheinen und rufen, um den Verirrten zurückzubringen in die Gemeinschaft des Lichts, in die Gemeinschaft der Gemeinde.
Das Ziel ist, dass wir miteinander im Licht wandeln, wie er im Licht ist. Und dann heißt es hier weiter: „Und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.“
Wenn wir also im Licht wandeln und zum Leib Christi gehören, dürfen wir wissen, dass wir durch Jesu Blut von aller Schuld und von all unserer Sünde reingewaschen sind.
Jesus Christus ist nicht nur in diese Welt gekommen, um in die Finsternis hineinzugreifen und die Menschen mit seinem Licht anzustrahlen. Er kam auch, um die gerechte Strafe für all die Finsternis in unserem Leben, für all das Böse und Schlechte auf sich zu nehmen.
Deshalb ist Jesus ans Kreuz gegangen und hat dort, mitten in der Finsternis, am Tag drei Stunden lang für uns gelitten. Er ist dann gestorben und hat sein Blut vergossen, um jedem, der sich ihm zuwendet, sein Licht zu schenken. Er möchte Leben schenken – neues Leben, ewiges Leben.
Weil Jesus die Finsternis auf sich genommen hat, können wir nun im Licht leben. Wer sich diesem Licht zuwendet und zu ihm kommt, der ist durch das Blut Jesu Christi, das Blut von Gottes Sohn, reingewaschen und von aller Sünde gereinigt.
Ist das nicht großartig? Preist den Herrn für seine Gnade! Deshalb lasst uns ihm folgen und in seinem Licht leben. Das ist die große Einladung und die große Verheißung.
Die Gefahr, die jetzt bestehen kann, ist, dass wir, wenn wir sagen: „Jetzt wollen wir in der Gemeinschaft des Lichts leben“, anfangen, das, was bei uns vielleicht noch finster ist, zu verstecken. Wir könnten versuchen, in der Gemeinschaft des Lichts möglichst hellstrahlend auszusehen, haben aber letztendlich nur eine Scheinhelligkeit.
Um dem entgegenzuwirken, gibt uns Johannes ein zweites Gegensatzpaar, einen zweiten Aufruf. So wie der erste Ruf lautet: „Komm ins Licht“, ist der zweite Ruf: „Bekenne deine Sünden.“ In 1. Johannes 1,8-9 heißt es: „Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“
Wir merken schon, Johannes ist nicht politisch korrekt, sondern schonungslos direkt. In Vers 6 hat er bereits gesagt: „Wenn wir behaupten, Gemeinschaft mit Gott zu haben, aber in der Finsternis leben, dann lügen wir.“ Und jetzt sagt er hier: „Wenn wir behaupten, keine Sünde zu haben, dann betrügen wir uns selbst.“
Ich gehe mal davon aus, dass, wenn du schon einige Zeit in dieser Gemeinde bist, du nicht wirklich behaupten wirst, keine Sünde zu haben. Ich weiß, es gibt Christen, die meinen, sie hätten nie gesündigt. Falls du zu diesen gehörst, können wir gerne später noch einmal darüber sprechen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dir schnell helfen kann, zu erkennen, dass das ein Irrglaube ist.
Aber ich nehme an, die meisten von uns – oder wahrscheinlich alle von uns – wissen, dass wir Sünder sind. Denn Woche für Woche wird uns hier Gottes Wort vorgehalten wie ein Spiegel, der uns das deutlich zeigt.
Und doch – das ist mein wirkliches Anliegen – befürchte ich, dass wir sehr darauf bedacht sind, unsere Sünden voreinander zu verstecken. Gerade Gemeinden, die wie wir hier viel Wert auf ein geheiligtes Leben legen, können den Eindruck vermitteln, dass alle anderen so heilig sind, dass man sich, wenn man um schlimme Sünde im eigenen Leben weiß, eigentlich nicht mehr traut, das noch zu bekennen – unter all diesen heiligen Menschen.
Es kann dazu führen, dass du hier sitzt, um die Finsternis in deinem Leben weißt und den Eindruck hast: Vielleicht bin ich gar kein Christ, weil die alle so gut sind. Aber ich weiß tief in meinem Herzen, ich bin es.
Deshalb ist der Aufruf in Vers 9 so wichtig – wichtig für uns selbst und auch für unsere Geschwister in der Gemeinde: „Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“
Ich möchte dich fragen: Hast du jemanden, dem du deine Sünden bekennst? Vielleicht denkst du jetzt: Das kann ich ja wohl Gott gegenüber tun, das muss doch wohl gut genug sein. Ja, okay, es ist gut, wenn du deine Sünden vor Gott bringst.
Aber die Bibel ruft uns auch immer wieder dazu auf, unsere Sünden ganz bewusst einander zu bekennen. Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, heißt es zum Beispiel im Jakobusbrief.
Wenn dieser Aufruf kommt: Bekennt eure Sünden einander, dann geht es nicht darum, irgendwie eine Sünde zu finden, die man vielleicht ohne allzu viel Scham bekennen kann. Ich befürchte, das ist das, was wir manchmal tun. Nein, es geht darum, die Abgründe der tiefsten Finsternis vor Gott zu bringen und vielleicht auch vor anderen Menschen.
Ich möchte hier herausfordern, dass wir uns nicht in der Verwirrung an diesem Aufruf festhalten. Lass diese Frage mal an dich heran: Bekennt du gerade auch die abscheulichsten deiner Sünden? Ich befürchte – oder besser gesagt, ich weiß es, weil ich mich selbst kenne – dass das oft nicht so ist.
Das hat damit zu tun, dass wir in unserem Leben, und vielleicht auch in deinem, oft denken, dass unsere Sünden so einzigartig abscheulich sind, dass andere viel weniger von uns denken würden, wenn sie um all das wüssten. Das bedeutet im Umkehrschluss eben auch, dass wir einander etwas vormachen. Wir tun so, als wären wir viel heiliger, als wir es tatsächlich sind. Und damit schaden wir einander – und wir schaden uns selbst.
Das möchte ich noch kurz erklären, warum. Mal ganz ehrlich: Was macht es mit dir, wenn du in einem Kreis bist, wo man Sünden bekennt, und alle anderen bekennen irgendwelche Dinge, von denen du denkst, das sind absolute Lappalien? Zum Beispiel: „Ja, ich bin vorhin bei Rot über die Ampel gefahren, obwohl ich es eigentlich wusste, ich habe nicht geblinkt.“ Oder: „Oh ja, du, ich bin viel schlimmer. Ich bin sogar bei Dunkelgelb über die Kreuzung gefahren.“
Und du sitzt da und denkst: „Okay, ich habe heute Nachmittag Pornografie geschaut.“ Du fragst dich: „Ich habe mit denen nichts zu tun, wenn das das Ausmaß ihrer Sünde ist. Was könnte ich mit denen zu tun haben?“ Und dann wagst du gar nicht mehr, über das zu reden, was in deinem Leben wirklich los ist – egal, was es ist.
Vielleicht ist es der ständige Streit zu Hause. Wenn man in die Gemeinde kommt, muss man sich zusammenreißen und lächeln. Vielleicht ist es der Missbrauch von Alkohol oder Drogen. Ständige Lügen und Betrügen bei der Arbeit. All das darf doch gar nicht mehr sein, wenn das Schlimmste, was alle anderen zu bieten haben, solche Lappalien sind.
Dann werden wir es nicht mehr wagen, unsere Sünden vor Gott zu bringen. Und wir bringen sie ganz sicher nicht vor andere Menschen.
Wenn wir bei einander nur die Sünden bekennen, die wie die Spitze eines Eisbergs sowieso für alle schon zu sehen sind, dann schaden wir damit nicht nur anderen, weil wir ihnen den Eindruck geben, dass bei ihnen irgendwas nicht stimmt. Wir schaden uns selbst. Denn was machen wir dann mit der Sünde? Wir tragen sie einfach weiter mit uns herum, anstatt sie abzugeben.
Und selbst wenn wir sie vor Gott bringen – wenn wir das zumindest noch wagen –, unsere abscheulichsten, schlimmsten Sünden, die wir alle haben, wenn wir die zumindest vor Gott bringen, dann fehlt uns immer noch etwas.
Dann fehlt uns nämlich das Gnadenmittel des Bruders oder der Schwester, die uns zuwendet, nachdem wir unsere Sünden bekannt haben. Die uns in den Arm nimmt und sagt, was Gottes Wort uns sagt, wenn wir unsere Sünden bekennen: „Lieber Bruder, liebe Schwester, so ist er treu und gerecht, dass er dir deine Sünden vergibt.“
Und so sage ich dir in Jesu Namen: Dir sind auch diese abscheulichsten aller Sünden vergeben.
Haben wir das nicht nötig, diesen Zuspruch? Das sind die Worte, die wir so oft hören, wenn wir in der Gemeinde gemeinsam Gott unsere Sünden bekennen.
Deswegen ist dieses gemeinsame und öffentliche Bekennen von Sünden so wunderbar, weil uns dazu gesprochen wird, wie unser Gott ist. Gott ist treu. Er ist treu, weil Gott verheißen hat, dass wenn wir unsere Sünden zu ihm bringen, er uns vergibt. Weil Gott gesagt hat: Ich habe meinen Sohn dafür gesandt, ich werde ihn senden, und ich habe ihn jetzt gesandt, damit er alle deine Sünden, auch die abscheulichsten aller Sünden, ans Kreuz tragen kann, so dass dir vergeben ist.
Gott ist treu. Aber müssen wir das nicht immer wieder hören?
Und es ist Ausdruck von Gottes Gerechtigkeit. Das klingt zunächst seltsam, denn man könnte denken: Wenn ich meine Sünden bekenne, warum ist es dann gerecht von Gott, wenn er mir vergibt?
Nun, es ist gerecht, weil wenn ich zu Jesus gehe und mich ans Kreuz stelle und sage: „Jesus, ich gebe dir meine Sünde“, dann sagt Jesus: „Ich nehme sie und ich sterbe dafür.“ Und Gott sagt: „Die Sünde ist gesühnt, der Schuldschein ist ans Kreuz geheftet.“ Es wäre ungerecht, wenn ich dafür noch bestraft würde.
Gott ist treu und gerecht, und er vergibt uns, wenn wir ihm unsere Sünde bringen. Warum also sollten wir ihm dann nur die Lappalien bringen? Warum sollten wir uns die Chance nehmen, den Zuspruch eines Bruders oder einer Schwester zu hören, der oder die in Jesus Christus vergeben ist?
Deshalb ist dieser Buß- und Bettag heute ein Geschenk an uns alle. Dieser Tag fordert uns förmlich dazu auf, Buße zu tun, umzukehren, unsere Schuld vor Gott zu bringen, sie ihm zu geben und bewusst öffentlich zu machen. Dabei sagen wir: „Ich will damit nichts mehr zu tun haben, Herr, hilf mir! Geschwister, helft mir!“ Und dann hören wir: „Die ist vergeben.“
So möchte ich uns Mut machen, vielleicht heute damit anzufangen, erst einmal Buße dafür zu tun, dass wir nie Buße tun. Und dann zu erkennen, was für ein wunderbares Privileg es ist, dass wir als Geschwister, als Gemeinschaft derer, die zusammengerufen sind von dem Gott, der Licht ist, all das, was wir so gerne in der Finsternis halten wollen, ins Licht bringen.
Wir bringen es zueinander, füreinander und sprechen einander zu: Gott ist treu und gerecht, und er vergibt uns unsere Schuld und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.
Ja, was bleibt mir noch, außer mit euch zu beten?
Himmlischer Vater, wir wollen dir von Herzen danken, dass du ein Gott bist, der uns nicht einfach so lässt, wie wir sind. Nein, du bist mit deinem Licht in unsere Finsternis gekommen. Du bist gekommen, um zu suchen und zu finden, was verloren ist. Du bist ein Gott, der uns nicht nur aus der Finsternis herausruft, sondern auch unsere Finsternis auf sich genommen hat.
Wir danken dir, dass du in Jesus Christus für unsere Schuld und unsere Sünden gestorben bist – für all das Abscheuliche, all das Falsche und all das Böse in unserem Leben. Du weißt, was sich hier in diesem Raum an Sünde angesammelt hat, die wir noch nicht ans Licht gebracht haben: Lug und Betrug, Abhängigkeiten und Missbrauch, harte Herzen und Zorn, sexuelle Sünde. Herr, du weißt um all die Dinge, die dir nicht gefallen.
Wir danken dir, dass wir nicht weiter in der Finsternis leben müssen, sondern dir diese Dinge ins Licht deiner Heiligkeit bringen dürfen. Wir dürfen wissen: Gerade dort, wo wir diese Dinge ins Licht bringen, müssen wir uns nicht mehr für irgendetwas schämen. Wir müssen uns nicht voreinander verstecken, sondern dürfen zusammenkommen als Sünder, die allein aufgrund deiner großen Gnade Vergebung gefunden haben.
So gib uns den Mut, eine Gemeinschaft zu sein, in der mehr Licht ist, in der wir mit mehr Transparenz leben. Lass uns einander zusprechen können: Der ist wahrhaftig vergeben durch Jesus Christus. Amen.