Begrüßung und Einführung in das Thema
Toll, dass so viele da sind. Darf ich mal fragen: Wer ist denn freiwillig hier? Also nicht, weil es draußen regnet. Okay, das sind doch ein paar. Schön, dass einige Freiwillige da sind. Und alle anderen, die nur trocken bleiben wollen, begrüßen wir auch ganz herzlich heute Nachmittag im Zelt.
Ihr habt ja mitbekommen, ich bin ein Mensch. Das ist ja so: Wenn man irgendwann zu lange an einer Universität bleibt, dann bekommt man irgendwann einen akademischen Titel, der einen dazu bringt, auch wieder zu gehen. So habe ich den einen oder anderen akademischen Titel bekommen. Vor einer halben Stunde habe ich sogar noch einen weiteren Titel erhalten.
Ich muss gestehen, ich habe heute Morgen noch einmal meine ganze Seminargeschichte überarbeitet und eine neue PowerPoint-Präsentation gemacht. Diese ist anders als die, die ich Schwester Birgit und Schwester Wiebke schon geschickt habe. Dann komme ich eine halbe Stunde vorher in den Technikwagen mit der neuen PowerPoint-Präsentation, und dann gibt mir Schwester Birgit einen neuen Titel: Hier kommt der Stresser.
Ich bin also Professor Doktor Stresser Volker Gekle. Schön, dass wir so flexible Schwestern haben. Einen Applaus für Schwester Wiebke und Schwester Birgit, die sich auch stressen lassen – großartig hier!
Überblick über die pfingstkirchlich-charismatische Bewegung
Wir haben gestern über den Heiligen Geist gesprochen, passend zum Thema Pfingsten. Heute wollen wir über ein spezielles Thema reden, das natürlich mit dem Heiligen Geist zusammenhängt: Wie charismatisch muss der Glaube sein?
Heute erleben wir eine riesige neue Bewegung in der weltweiten Christenheit. Es ist die dynamischste, größte, zahlenmäßig umfangreichste und bedeutendste Bewegung. Sie wächst am schnellsten und ist die pfingstkirchlich-charismatische Bewegung.
Die Pfingstbewegung gibt es seit etwa 100 Jahren. In den 1960er Jahren kam dann die charismatische Bewegung hinzu, in zwei oder drei verschiedenen Wellen. Diese Bewegung hat in den letzten 100 Jahren die Weltchristenheit fundamental verändert. Es gibt keine feste Mitgliedschaft, aber man schätzt, dass zwischen 600 und 800 Millionen Christen weltweit zur pfingstkirchlich-charismatischen Bewegung gehören.
Man geht davon aus, dass etwa ein Drittel aller amerikanischen Christen Pfingstkirchen oder charismatischen Gemeinden angehören. Klar ist, dass der Schwerpunkt dieser Bewegung – ich sage das immer doppelt, weil die Pfingstkirchliche Bewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts entstand und die charismatische Bewegung in den 1960er und 1970er Jahren begann – im Süden unseres Globus liegt.
In Asien, Afrika und Lateinamerika gibt es viele Millionen pfingstkirchlich-charismatische Christen in Tausenden von Gemeinden. Die großen Impulse der Weltmission nach dem Zweiten Weltkrieg gingen von dieser Bewegung aus. Vieles war eingeschlafen, und diese Bewegung hat vieles wieder in Gang gebracht.
Die heutige Weltchristenheit wäre ohne diese Bewegung nicht denkbar und kaum vorstellbar. Es überrascht mich daher nicht, dass Papst Franziskus ganz massiv auf diese Bewegung zugeht, weil er merkt, dass auch die katholische Kirche sie nicht ignorieren kann.
Wir selbst, als Bewegung, die aus dem Pietismus in Württemberg stammt, haben viel von dieser Bewegung gelernt – nicht zuletzt die Lieder, die ihr hier alle singt.
Chancen und Herausforderungen der Bewegung
Gleichzeitig sind durch diese Bewegung viele Fragen entstanden. Sie hat vielen Gemeinden einen neuen Lebensimpuls gegeben, aber manche Gemeinden auch gespalten. Viele Christen wurden durch diese Bewegung zu einem frischen, lebendigen Christsein geführt. Andere hingegen sind dadurch tiefer geworden, aber auch tief frustriert und verletzt.
Diese Bewegung hat viele gute Impulse ins Land getragen, aber auch manche verwirrenden. Deshalb möchte ich heute offen und ehrlich über einige Themen und Fragen sprechen. Ich glaube, dass wir nur miteinander weiterkommen, wenn wir die Probleme beim Namen nennen, sie benennen und biblisch miteinander darüber reden.
Ich werde versuchen, das heute Nachmittag so fair wie möglich zu gestalten. Dabei bin ich auch gern zur Diskussion bereit. In einem Zelt mit etwa 4000 jungen Menschen ist das zwar immer wieder kompliziert, aber ihr könnt mich nachher ansprechen oder mir eine E-Mail zu diesem Thema schreiben.
Wir werden heute Nachmittag also über einige Fragen sprechen und heiße Eisen anpacken. Dabei wollen wir es so machen wie schon gestern – für diejenigen, die schon da waren – im Stil von FAQ, also frequently asked questions. Das bedeutet, wir behandeln einige Fragen, die im Zusammenhang mit charismatischer Frömmigkeit und charismatischem Lebensstil immer wieder gestellt werden.
Ursprung und Selbstverständnis der Bewegung
Die erste Frage lautet: Was ist das Selbstverständnis der pfingstkirchlich-charismatischen Bewegung?
Zur Identität der Pfingstbewegung gehörte vor über hundert Jahren, also von Anfang an, ein ganz bestimmtes Verständnis von zwei neutestamentlichen Texten. Zum einen handelt es sich um die sogenannten Erzählungen vom Pfingstwunder in Apostelgeschichte 2. Zum anderen sind es die drei Charismenkapitel, die der Apostel Paulus im 1. Korintherbrief, Kapitel 12 bis 14, geschrieben hat.
In diesen vier Kapiteln – Apostelgeschichte 2 und 1. Korinther 12-14 – fanden die ersten Pfingstler ein Vorbild für die Erfahrungen, die sie selbst gemacht hatten.
Die Pfingstbewegung begann am 1. Januar 1901. In Amerika gab es einen Bibelschulleiter namens Charles F. Parham, der am Neujahrstag des Jahres 1901 das erlebte, was er später als die Geisthaufe bezeichnete. Ihm überfiel eine Kraft, eine Macht, die ihn tief durchdrang. Es war ein Durchströmtwerden von einer Kraft, die in ihm das Reden in Zungen freisetzte.
Parham hatte einen Bibelschüler, einen schwarzen Bibelschüler namens William J. Seymour. Dieser beobachtete, was mit seinem Lehrer geschah, und er selbst erhielt später ebenfalls diese Erfahrung – die Gabe der Zungenrede. Seymour wurde zu einem glühenden Evangelisten, der die frühe Pfingstbewegung in ganz Amerika verbreitete.
Am Anfang standen also Menschen, die eine Geisterfahrung gemacht hatten. Diese Geisterfahrung fanden sie später in den biblischen Texten vom Pfingstwunder in Apostelgeschichte 2 und bei Paulus in den Charismenkapiteln wieder.
Ihr Eindruck war, dass das, was ihnen passiert war, genau das war, was am Anfang der Gemeinde Jesu geschehen ist. Deshalb sollte nun die ganze Gemeinde, die gesamte Christenheit Amerikas und später weltweit, diese Erfahrungen wieder machen. Dadurch sollte die Christenheit heute wieder in das Bild der frühen Christenheit verwandelt werden. Es sollte wieder etwas hergestellt werden, was am Anfang war – das Uranliegen der Urchristenheit sollte wieder zum Tragen kommen.
Wesentliche Anliegen und theologische Einordnung
Der pfingstkirchlich-charismatischen Bewegung geht es nicht so sehr darum, neue Lehren zu verkünden. Es werden nur relativ wenige neue Lehren propagiert. Vielmehr geht es der pfingstkirchlich-charismatischen Bewegung im Vergleich zu reformatorischen protestantischen Kirchen um etwas Neues, Vertieftes und Intensiveres.
Im Mittelpunkt steht mehr Geist, mehr Kraft, mehr Segen und eine intensivere Frömmigkeit. Thomas Ball Barrett, der Gründer der norwegischen Pfingstbewegung Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, sagte einmal, dass Pfingstler in ihrem Verständnis der Erlösung Lutheraner seien.
Allein aus Glauben, in ihrem Taufverständnis seien sie Baptisten, da sie die Erwachsenentaufe praktizieren. In ihrem Heiligungsverständnis ähneln sie den Methodisten. In ihrer aggressiven Evangelisationspraxis gleichen sie den Heilsarmisten. Und im Verständnis der Geistestaufe sind sie Original-Pfingstler, also durch und durch Pfingstler.
Der Mittelpunkt, der Fokus und der Kristallisationspunkt pfingstkirchlich-charismatischer oder zunächst pfingstkirchlicher Frömmigkeit ist ein ganz bestimmtes Verständnis der Geistestaufe. Konkret wird immer wieder die Erfahrung beschrieben, den Körper mit einer göttlichen Kraft durchströmt zu erleben.
Diese Erfahrung des Ergriffenwerdens von einer Kraft greift sichtbar in das christliche Leben ein, verändert es und äußert sich dann in Zungenrede, Ekstase, aber auch in Heilungen und Befreiungen. Von manchen dieser Erfahrungen lesen wir auch in Apostelgeschichte 2 und in 1. Korinther 12-14. Deshalb sind diese Bibelstellen die Schlüsseltexte dieser Bewegung.
Interpretation der biblischen Grundlagen
Die nächste Frage lautet: Wie müssen wir Apostelgeschichte 2, also den Bericht vom Pfingstwunder, sowie 1. Korinther 12–14, die Kapitel über die Geistesgaben, verstehen? Geben diese Texte das wieder, was damals tatsächlich geschehen ist? Das ist die Frage.
Das Grundelement oder das Grundargument vieler pfingstlich-charismatisch geprägter Theologen ist folgendes: Am Anfang war die Urgemeinde eine charismatische Gemeinde. Der Anspruch lautet, dass wir heute alle wieder so werden müssen, wie die Gemeinde es am Anfang war.
Pfingstler und Charismatiker erkennen im Pfingstereignis ihre eigene Erfahrung mit der Gabe der Zungenrede wieder. Sie lesen die Pfingstgeschichte vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erlebnisse. Der Geist kommt dort auf Menschen herab, die bereits vorher an Jesus Christus glauben. Die Jünger, die junge Gemeinde, das waren Leute, die mit Jesus unterwegs waren. Sie haben erlebt, wie er gelehrt und gepredigt hat, wie er gekreuzigt wurde und wie er auferstanden ist. Es waren seine Anhänger.
Dann erhalten sie in einem zweiten Ereignis, nachdem sie schon an ihn glauben, ihm nachfolgen und ihm angehören, den Geist mitgeteilt. Dieser Geist äußert sich an Pfingsten in der Gabe der Glossolalie, der Zungenrede, und befähigt sie zum christlichen Zeugnis.
Entsprechend sehen klassische Pfingstler später in der charismatischen Bewegung, die ab den 1960er-Jahren entstand – dort wird die Zungenrede nicht mehr so sehr in den Mittelpunkt gestellt, sondern andere Schwerpunkte gesetzt –, das Pfingstereignis in Apostelgeschichte 2 als eine zweite Stufe der christlichen Erfahrung. Diese folgt auf Bekehrung und Taufe als ein Heilserlebnis, nämlich die Geisttaufe.
Diese Geisttaufe wird als Regel für das normale Christsein bewertet. Jeder Christ müsse eine solche zweite, äußerlich wahrnehmbare Geisttaufe erleben. Nur dann sei er ein vollgültiger, vollkommener und richtiger Christ.
Eine Bestätigung für diese Sichtweise findet sich in Apostelgeschichte 10 und Apostelgeschichte 19, wo die Geisttaufe wieder mit der Gabe der Zungenrede verbunden wird.
Historische und theologische Differenzierung
Die entscheidende Frage, wenn wir jetzt über diese Theorie und diese Auslegung sprechen, ist folgende: Wir müssen beim Lesen der Bibel, vor allem beim Lesen der Apostelgeschichte, zwei Dinge unterscheiden. Diese Unterscheidung ist fundamental für alle biblischen Texte.
Die erste Frage lautet: Was war damals ein einmaliges Ereignis ohne normativen oder normsetzenden Charakter? Also, was war einfach ein Ereignis, das damals so war, ohne dass der Evangelist oder der Autor – in diesem Fall Lukas, der Schreiber der Apostelgeschichte – sagt: „Leute, das muss immer so sein.“ Wo beschreibt er etwas, das einfach damals so war, ohne dass wir das alle nachmachen müssten?
Ich möchte zwei Beispiele nennen. Die erste Gemeinde hat sich im Tempel von Jerusalem getroffen. Das war damals so. Es steht nirgendwo geschrieben, dass sich alle Christen aller Zeiten im Tempel von Jerusalem treffen müssten. Das geht ja auch gar nicht, denn es steht ja gar nicht mehr. Also war das damals ein historisches Ereignis, eine Tatsache, ohne dass alle das so machen müssten.
Es war auch nachher kein Problem, als die Christen aus dem Tempel vertrieben wurden. Dann hat man sich halt in den Häusern getroffen.
Eine andere Sache war, dass die erste Jerusalemer Gemeinde die Gütergemeinschaft praktizierte. Sie hatten alles gemeinsam, alles in einem Topf. Jeder brachte das mit, was er hatte, und man verteilte es dann. Auch das war damals eine einmalige Geschichte.
Es steht nirgendwo im Neuen Testament, dass alle Christen und alle Gemeinden die Gütergemeinschaft praktizieren müssten. Das wird nirgendwo als grundlegend betrachtet. Wir haben also Ereignisse, die einfach so waren und so beschrieben werden, weil es damals historisch so war.
Die zweite Frage lautet: Was soll immer so sein? Es gibt natürlich Ereignisse, die einen grundlegenden Charakter haben. Sie sind für alle Gemeinden aller Generationen der Welt und Kirchengeschichte verbindlich.
Dazu gehört zum Beispiel das Abendmahl. Jesus sagte zu seinen Jüngern: „Feiert dieses Mahl, bis ich wiederkomme!“ Das Abendmahl ist nicht nur ein einmaliges Ereignis gewesen, sondern etwas, das alle Christen aller Zeiten immer wieder miteinander feiern. Denn dort ist Jesus gegenwärtig und schenkt sich uns in Brot und Wein.
Zu welcher Gattung gehört jetzt diese Pfingstgeschichte? Gehört sie zur ersten Kategorie eines einmaligen historischen Ereignisses? Oder gehört sie zur zweiten Kategorie, nach der das immer wieder so sein muss? So wie am Anfang die Christen den Geist bekommen haben, so muss es immer so sein.
Ich bin der Überzeugung, dass wir die Pfingstgeschichte so lesen müssen, dass sie tatsächlich ein einmaliger historischer Bericht ist – so war das damals am Anfang. Ich glaube nicht, dass Lukas sagen will, dass das immer so sein muss, dass es immer so geschehen muss, wie es damals am Anfang war. Die Pfingstgeschichte muss nicht normgebend oder richtungsweisend verstanden werden.
Das Pfingstwunder im Kontext
Schauen wir mal genauer hin: Das Pfingstwunder wird in der Apostelgeschichte als ein Erfülltwerden mit dem Heiligen Geist beschrieben. Dieses Erfülltsein zeigt sich im Reden in anderen Sprachen (Apostelgeschichte 2,4). Die Jünger beginnen plötzlich, in anderen Sprachen zu sprechen.
Ich muss ehrlich sagen, es ist gar nicht so klar, was für ein Phänomen das genau ist. Wir können nicht einfach behaupten, dass es identisch ist mit der Zungenrede, von der Paulus in 1. Korinther 14 spricht. Denn die Sprachen, die die Jünger damals sprechen – die sie zunächst selbst überhaupt nicht verstehen – werden später von den Besuchern in Jerusalem verstanden.
Es war das Pfingstfest in Jerusalem, eines der drei großen Pilgerfeste des Judentums. Viele Tausend Pilger aus dem gesamten Mittelmeerraum waren damals in Jerusalem. Dann kommt der Geist über die Jünger, und sie fangen an, in fremden Sprachen zu reden, die sie selbst nicht verstehen und die sie eigentlich nicht können.
Plötzlich heben andere Besucher in Jerusalem den Kopf und fragen: „Wo kommst du denn her?“ Ich weiß nicht, ob ein Schwabe auch dabei war, aber vermutlich konntet ihr euch besser verstehen. Da waren Badener, Schwaben, Hessen und Sachsen – zumindest Römer, Libyer, Menschen aus der Kyrenaika, Ägypter und andere, die in ihren Heimatländern verschiedene Sprachen sprachen. Und plötzlich hörten sie die Jünger in ihrer ureigenen Heimatsprache reden.
Dieses Ereignis ist das Pfingstwunder.
Der Punkt ist, dass es bei diesem Pfingstwunder weniger um den Zusammenhang zwischen Geisterfüllung und Sprachengebet geht. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Tatsache, dass der Heilige Geist Verständigung und Kommunikation ermöglicht. Was an Pfingsten passiert, ist, dass kulturelle und sprachliche Schranken überwunden werden.
Das Pfingstwunder ist im Grunde die Umkehrung der babylonischen Sprachverwirrung. Es ist die Gegengeschichte zu der Sprachverwirrung, von der das erste Buch Mose in Kapitel 11 erzählt, vom Turmbau zu Babel. Dort stoppt Gott das Bauvorhaben, indem er die Sprachen der Bauarbeiter verwirrt.
An Pfingsten hingegen beginnt die Umkehrung dieser Sprachverwirrung: Menschen fangen an, sich über kulturelle und sprachliche Grenzen hinweg wieder zu verstehen. Der Geist führt Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Sprachen zusammen.
Genau dieses Phänomen wiederholt sich in der Apostelgeschichte an entscheidenden Stellen, zum Beispiel als der erste Heide zum Glauben kommt – der Cornelius in Apostelgeschichte 10. Der erste Heide, der kein Jude war, wird gläubig, und das gleiche Phänomen tritt erneut auf.
An diesen Schnittstellen der Missionsgeschichte ist dieses Phänomen zu beobachten. Es ist jedoch noch nicht die Absicht von Lukas, dem Schreiber der Apostelgeschichte, dass dieses Phänomen für alle Christen normativ, also für alle gültig, sein soll. Das wird deutlich in Apostelgeschichte 11.
In Apostelgeschichte 11 wird erzählt, wie Petrus in Jerusalem zitiert wird. Man will von ihm hören, was dort passiert ist. Petrus muss vor den anderen Aposteln in Jerusalem berichten. Er erzählt dann in Apostelgeschichte 11, Vers 15: „Als ich aber anfing zu reden, fiel der Heilige Geist auf sie, auf Cornelius und seine ganze Sippschaft in der Hütte da, viel auf sie, ebenso wie am Anfang auf uns.“
Petrus erkennt in diesem Ereignis im Haus des Cornelius etwas, das ihm selbst beim Pfingstwunder zusammen mit der Jerusalemer Gemeinde widerfahren ist. Das heißt aber auch: Bei den vorherigen Ereignissen, bei denen Menschen zum Glauben gekommen sind und den Heiligen Geist empfangen haben, war es nicht unbedingt so, dass alle auf einmal in Zungen geredet haben.
Hier ist ein Ereignis, das eine Beziehung zum Anfangsereignis in Jerusalem herstellt. Es markiert eine neue Etappe der Heilsgeschichte mit dem Phänomen, dass Menschen in fremden Sprachen reden.
Wir sollten diese Pfingstgeschichte in Apostelgeschichte 2 also als eine Geschichte lesen, die tatsächlich viele Ähnlichkeiten mit den Phänomenen hat, die heute in pfingstkirchlichen und charismatischen Gemeinden vorkommen. Dabei ist aber nicht die Absicht dahinter, eine Regel oder Norm vorzugeben, nach dem Motto: So muss es immer und überall sein.
Es kann so sein, aber es muss nicht immer und überall so sein.
Die Bedeutung der charismatischen Gaben in der Gemeinde
Ich habe gestern bereits über die drei Kapitel in 1. Korinther 12 bis 14 gesprochen und dabei deutlich gemacht, dass wir nicht nur fragen müssen, was dort steht, sondern auch, warum es dort steht. Warum behandelt Paulus im ersten Korintherbrief dieses Thema so ausführlich? Warum spricht er so ausführlich über diese Themen, während er im Römerbrief nur sehr kurz über Gaben spricht und Petrus im ersten Petrusbrief noch kürzer darauf eingeht?
Im Römerbrief und im ersten Petrusbrief werden nur sehr „normale“ Gaben erwähnt. Paulus hingegen geht hier sehr ausführlich darauf ein und muss auch über außergewöhnliche Gaben sprechen. Das hängt eng mit der Gemeinde in Korinth zusammen. Ich habe das gestern schon erwähnt. Heute habe ich den Text aus 1. Korinther 3,1-3 dabei. Dort erklärt Paulus den Korinthern, was er von ihnen hält – und es ist nicht nur Gutes.
Er sagt: „Ich, liebe Brüder, konnte nicht zu euch reden wie zu geistlichen Menschen, sondern nur wie zu fleischlichen, wie zu unmündigen Kindern in Christus. Milch habe ich euch zu trinken gegeben, nicht feste Speise, denn ihr konntet sie noch nicht vertragen. Auch jetzt könnt ihr es noch nicht, weil ihr noch fleischlich seid.“ Paulus bestreitet ihnen nicht den Heiligen Geist. Später im gleichen Kapitel heißt es: „Ihr seid der Tempel Gottes, weil der Heilige Geist in euch wohnt.“ Aber er sagt auch, dass sie noch nicht richtig gefestigt im Glauben sind und noch viel lernen müssen. Deshalb kann er mit ihnen nur sehr oberflächlich geistlich reden.
Jetzt muss Paulus mit dieser Gemeinde, die viele Erfahrungen gemacht hat und viele Geisterfahrungen erlebt hat, Ordnung schaffen. Denn bei ihnen ist daraus Chaos entstanden. Während er in 1. Korinther 12 bis 14 ausführlich über die Gaben spricht, geht es ihm vor allem um drei Dinge im Umgang mit diesen Gaben.
Das erste ist: Sei demütig und bescheiden im Umgang mit Gaben. Gaben sind nicht dazu da, sich über andere Schwestern und Brüder zu erheben. Sie dienen nicht dazu, eine höhere Form von Christsein zu etablieren oder eine Zwei-Stufen-Christenheit einzurichten. Gaben sind freie Gnadengaben Gottes, die er schenkt, wem er will. Niemand erhält alle Gaben, und wir können oft nicht verstehen, warum der eine eine bestimmte Gabe hat und der andere nicht. Deshalb bleiben wir demütig im Umgang mit Gaben. Jeder achte den anderen höher als sich selbst – egal, welche Gaben er hat und egal, welche Gaben ich habe.
Das zweite ist die Liebe. Mittendrin in diesen drei Kapiteln über Gaben, in 1. Korinther 13, steht ein sehr bedeutendes Kapitel über die Liebe. Wer eine Gabe hat, ist zur Liebe verpflichtet. Diese Gabe soll in der Liebe ausgeübt werden – nicht in Überhebung oder Spaltung. Vielmehr soll durch die Gaben der andere geliebt werden. Ohne Liebe ist jede Gabe nichts, ohne Liebe ist jede Gabe vergeblich.
Im Kapitel 14 macht Paulus deutlich, dass alle Gaben, auch die Sprachgaben, zur Auferbauung der anderen da sind. Wir sollen einander Mut machen, einander aufbauen und voranbringen mit unseren Gaben. Paulus möchte unter allen Umständen vermeiden, dass jemand durch eine bestimmte Geistesgabe einen Herrschaftsanspruch über andere ausübt oder sich überhebt. Stattdessen sollen Christen sich mit den Gaben, die sie erhalten haben, gegenseitig dienen.
Es gibt keine besseren oder schlechteren Christen. Paulus geht es auch darum, dass Gott verstanden wird. Er sagt: Lieber fünf Worte prophetischer Rede – also die Auslegung der Heiligen Schrift in eine aktuelle Lebenssituation hinein – als zehntausend Worte im Sprachengebet in Zungen.
Ich habe gestern ein Zitat von Peter Kusmitsch erwähnt: „Eine Gabe ohne geistgemäße Nutzung ist verheerend, Charisma ohne Charakter führt immer in die Katastrophe.“ Das ist das Anliegen von Paulus: die rechte Nutzung und der richtige Umgang mit Gaben. Keine Angst vor Gaben, sondern eine frohe Erwartung von Gaben, aber keine Überhebung über den anderen, keine Demütigung des Nächsten. Stattdessen mit Demut und Bescheidenheit den Dienst am anderen in der Liebe tun. Das ist der Charakter, den Paulus hier für den Umgang mit Gaben den Korinthern vermitteln möchte.
Vielfalt der Erfahrungen mit dem Heiligen Geist
Die nächste häufig gestellte Frage ist, ob der Empfang des Heiligen Geistes immer mit Zungenrede beziehungsweise Sprachenrede verbunden ist. In der Apostelgeschichte gibt es viele Geschichten, in denen der Heilige Geist eine Rolle spielt und zahlreiche Ereignisse beschrieben werden. Ich habe diese nun in einer Liste zusammengefasst.
Das Verhältnis von Umkehr, Taufe und Geistempfang wird in der Bibel beziehungsweise in der Apostelgeschichte sehr vielfältig dargestellt. Ich habe eine Tabelle erstellt, die zeigt, wie diese Zuordnungen in der Apostelgeschichte verteilt sind. Dabei treten alle möglichen Konstellationen auf.
An Pfingsten empfingen Christen, die bereits in der Nachfolge Jesu standen, den Heiligen Geist. Dabei zeigte sich das Phänomen, dass sie in Sprachen sprachen. Erst später wurden sie getauft. In der Pfingstpredigt, die im Anschluss an dieses Pfingstwunder gehalten wurde, sagt Petrus: „Hört mal her, jeder von euch möge umkehren, sich taufen lassen, und dann wird er den Heiligen Geist empfangen.“ Dabei erwähnt er nicht, ob der Geistempfang mit einem bestimmten Phänomen verbunden sein wird.
In Apostelgeschichte 4 gibt es eine Geschichte, in der die Gemeinde ein Dankgebet spricht. Nach diesem Dankgebet empfängt die Gemeinde, die den Geist bereits hatte, noch einmal den Heiligen Geist, ohne dass in diesem Zusammenhang besondere Zeichen erwähnt werden.
Apostelgeschichte 8 erzählt von einem Kämmerer aus Äthiopien, der von Philippus zur Umkehr geleitet wird. Er wird getauft, und danach wird nichts Weiteres über einen Geistempfang erwähnt.
Im gleichen Kapitel, bei der Samarienmission, kehren die Samariter um und werden getauft. Sie empfangen jedoch zunächst nicht den Heiligen Geist. Erst als Petrus und Johannes aus Jerusalem kommen, kommt der Heilige Geist auf sie. Auch hier wird nicht erwähnt, ob dabei irgendwelche Phänomene auftraten oder wie genau das ablief.
Paulus, der Mann, der vor Damaskus den Jesusnachfolger, dessen Gemeinde er eigentlich verfolgen wollte, trifft, erlebt eine dramatische Begegnung. Er fällt vom Gaul und wird nach Damaskus gebracht. Dort erfährt er seine Umkehr, kommt zum Glauben, wird getauft und empfängt den Heiligen Geist, ohne dass etwas Besonderes erwähnt wird.
Erst bei Cornelius in Apostelgeschichte 10 sehen wir, dass zuerst der Geistempfang stattfindet und dann die Taufe folgt.
Was können wir aus diesem ziemlich chaotischen Befund schließen? Die Vielfalt der Reihenfolgen und Zuordnungen von Taufe, Umkehr und Geistempfang sowie die Verbindung von Zungenrede und Geistempfang ist sehr groß. Das macht eines deutlich: Lukas möchte in der Apostelgeschichte kein festes Schema vorgeben, nach dem alle Christen in einer zweiten Stufe einen Geistempfang brauchen.
Vielmehr beschreibt er die komplette Vielfalt dessen, was damals geschah, wie es sich ereignete, ohne dass wir daraus bestimmte Regeln ableiten können. Er berichtet, wie es war, ohne Anspruch auf Verbindlichkeit, dass es immer so oder so sein muss.
Aktuelle Streitfragen und Herausforderungen
Eine weitere häufig gestellte Frage umfasst drei Unterfragen: Welche aktuellen Kontroversen bestehen zwischen der pfingstkirchlich-charismatischen Theologie und der reformatorisch-pietistischen Theologie? Was sind die aktuellen Streitpunkte? Worum streiten wir uns momentan in der Gegenwart?
Diese Fragen werden oft in der Hoffnung gestellt, dass es irgendwann zu einer Einigung kommen möge.
Umgang mit Prophetie
Erste Frage: Was ist Prophetie und wie gehen wir mit Prophetie um?
In der pfingstlich-charismatischen Bewegung wird Prophetie oft so verstanden, dass Menschen prophetische Eingebungen und Eindrücke im Blick auf andere Menschen, die ganze Gemeinde oder die gesamte Christenheit haben. Diese Eingebungen werden dann als Offenbarung Gottes weitergegeben. Das ist oft sehr spannend.
In den letzten zehn Jahren gab es etwa eintausend Prophetien über Berlin, die sehr unterschiedlich waren. Kaum eine davon ist eingetroffen. Dieses Phänomen tritt häufig auf: Man macht Prophetien und schaut, ob sie eintreffen oder nicht.
Wie gehen wir mit Prophetie um? Wenn wir die ganze Geschichte biblisch betrachten, dann wird eines deutlich: Prophetie ist die Verkündigung des Wortes Gottes, der Wahrheit und des Willens Gottes an einzelne oder mehrere Menschen. Dabei kann es sowohl um die Deutung des Wortes Gottes für die Gegenwart beziehungsweise für eine aktuelle Situation gehen als auch um die Verkündigung einer Wahrheit, die vielleicht nicht allen offensichtlich ist.
Prophetie ist im Grunde das, was bei jeder ordentlichen Predigt geschieht. Prophetie ist das, was in der Seelsorge passiert, wenn einem Menschen vom Wort Gottes her die Wahrheit Gottes verkündigt wird – entweder in der Gemeinde gegenüber allen oder in der Seelsorge gegenüber einem Einzelnen.
Was hier in diesen drei Tagen in Eidlingen passiert ist, ist im Grunde biblische Prophetie. Hier gab es Bibelarbeiten und Predigten, die Gottes Wort in eure aktuelle Situation hineingesprochen haben. Es gab Seelsorge, in der Einzelne ein Wort Gottes für sich erhalten haben. Das ist im vollen Sinn biblische Prophetie.
Dabei handelt es sich nur sehr selten um etwas Übernatürliches. Es geht nur selten um Zukunftsprophetie oder um die Enthüllung verborgener Dinge. Vielmehr geht es um die Verkündigung des Wortes Gottes in eine aktuelle gemeindliche oder individuelle Situation hinein.
Gleichzeitig können und sollen wir es auch nicht ausschließen, dass Gott Menschen den Auftrag gibt, eine bestimmte individuelle oder überindividuelle allgemeine Wahrheit an bestimmte Menschen weiterzugeben. Das ist aber nicht der Normalfall, sondern der Ausnahmefall der Prophetie.
Auch hier gilt die Offenbarung Gottes in Jesus Christus und das neutestamentliche Zeugnis als Maßstab, an dem jede Prophetie geprüft werden muss. Prophetie muss biblisch immer geprüft werden.
Wo prophetische Rede stattfindet, muss sie immer kritisch diskutiert werden. Nur eine Gemeinde, die kritisch diskutieren kann, kann sich prophetische Rede leisten, denn prophetische Rede muss stets kritisch geprüft werden.
Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament wird Prophetie sehr stark reglementiert. Im Alten Testament droht falschen Propheten die Todesstrafe. Im Neuen Testament unterliegt prophetische Rede strengen Auflagen, Restriktionen und Prüfungen, zum Beispiel in 1. Korinther 14.
Diese gabengeschwängerte korinthische Gemeinde wird von Paulus sehr streng und strikt reglementiert. Paulus sagt: Wenn bei euch im Gottesdienst Propheten aufstehen und prophetisch reden, ist das in Ordnung. Sie können es tun, aber höchstens zwei oder drei.
Wahrscheinlich gab es zehn, fünfzehn oder zwanzig, die gern gesprochen hätten. Paulus sagt jedoch: Nein, nur zwei oder drei. Alle anderen können zwar auch ein Wort Gottes empfangen haben, aber nicht mehr als zwei oder drei sollen sprechen.
Und wenn sie geredet haben, muss das anhand der Offenbarung Gottes im Alten Testament und der Offenbarung Christi geprüft werden. Es muss gemessen werden, ob es der Wahrheit des Evangeliums entspricht oder widerspricht.
Auffällig ist, dass sowohl im Alten als auch im Neuen Testament prophetische Rede eigentlich ein sehr unspektakuläres Ereignis war. Es gibt nie eine große Prophetie-Performance. Es geht immer darum, dass Gottes Geist Menschen etwas offenbart, das aus dem Wort Gottes herauskommt, oder dass der Geist Gottes zu Menschen etwas sagt, das dann wirklich am Wort Gottes geprüft werden muss.
Diese scharfe Eingrenzung im Alten und Neuen Testament hat gute Gründe. Prophetische Rede hat immer einen bestimmten Machtanspruch, und man kann diese Macht auch missbrauchen.
Wenn ich euch sagen würde, Gott habe mir offenbart, dass ihr jetzt noch drei Tage länger hier sein solltet, wäre das für manche wahrscheinlich eine angenehme Prophetie. Das würde gut sein. Gleichzeitig würde es den Eidlinger Schwestern doch einige Schweißperlen auf die Stirn treiben.
Solche Prophetien haben wenig Anklang im Wort Gottes, weil dort weder steht, wie lange man ein Pfingsttreffen halten muss, noch was zu tun ist, wenn es zu Ende ist.
Man kann mit prophetischer Rede Missbrauch treiben, und das soll verhindert werden. Prophetische Rede kann manipulativen Charakter haben, auch das soll verhindert werden. Deshalb diese scharfe Eingrenzung.
Gottesbild und Umgang mit Leid
Häufig gestellte Frage Nummer zwei, die aktuell ist: Wie ist Gott und was tut Gott?
Innerhalb der pfingstkirchlich-charismatischen Bewegung gibt es die Tendenz, alles Negative dem Satan zuzuschreiben und alles Positive Gott zuzurechnen. Entsprechend werden Krankheiten, Unglücke, Naturkatastrophen und Tod als ausschließliche Werke Satans betrachtet. Dies führt dazu, dass man gegen diese Übel mit geistlicher Kampfführung vorgehen muss.
Es herrscht die Illusion, dass man alles Leid und alles Böse als Ausdruck von etwas Satanischem bekämpfen könnte. Dem entspricht ein Gottesbild, nach dem Gott nichts Negatives tut und uns nichts Negatives zumutet. Gott ist immer nur ein Gott, der uns beschützt und beschenkt, der für Wohlstand, Gesundheit, Erfolg, Segen und Wachstum zuständig ist.
Umgekehrt legitimiert dieses Gottesbild, dass Christen alles Negative aus ihrem Leben verdrängen dürfen. Sie können alles Negative ignorieren, weil es ja sowieso nur satanischen Ursprungs ist. Den Satan muss man nur bekämpfen. Als Christ flieht man dann manchmal vor diesen Dingen in eine illusionäre und schöne Scheinwelt.
Biblisch gesehen muss ich aber auch bei den Dunkelheiten meines Lebens immer mit Gott rechnen. Die dunklen Seiten meines Lebens haben immer mit dem Gott zu tun, der mich in Jesus Christus erlöst und errettet hat. Dieser Gott begleitet mein Leben in Gericht und Gnade. Ich darf ihn immer auch im Gekreuzigten anrufen.
Wir haben eine Reihe von Bibelstellen, die deutlich machen, dass Gott auch für die dunklen Seiten meines Lebens eine Mitverantwortung trägt. Diese Seiten sind Teil seines Plans. Er gibt dem satanischen Gegenspieler einen Freiraum, damit dieser an unserem Leben handeln darf – aber immer mit dem Ziel, dass wir auch durch die Dunkelheiten näher zu ihm kommen.
Das zeigt sich deutlich bei Hiob. Gott lässt dem Satan bei Hiob die Freiheit, ihn zu versuchen und anzufechten. Das Ziel ist, dass Hiob am Ende nur noch tiefer in die Arme Gottes hineingetrieben wird.
Im Buch Amos finden wir den bekannten Vers: „Ist etwa ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht tut?“ (Amos 3,6). Auch bei Simon Petrus in der Nacht, als Jesus verraten wurde und Simon ihn dreimal verleugnete, sagt Jesus: „Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.“ (Lukas 22,31)
Wir würden jetzt erwarten, dass Jesus den Satan mit aller Macht abwehrt. Aber Jesus tut das nicht. Er sagt: „Ich lasse es zu, dass der dich siebt, ich lasse es zu, dass er euch schüttelt. Aber ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Jesus lässt zu, dass Satan seine Finger an seine Kinder legt. Doch er bittet für sie, dass der Glaube nicht aufhört, sondern am Ende stärker und tiefer ist als zuvor.
Im 1. Korintherbrief heißt es: „Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft.“ (1. Korinther 10,13) Das bedeutet, Gott lässt uns zwar versuchen, aber nicht über unsere Kraft hinaus. Er sorgt dafür, dass die Versuchung ein Ende nimmt, sodass wir sie ertragen können.
Paulus selbst erlebt dies: Ihm ist ein Stachel im Fleisch gegeben. Diese Formulierung deutet darauf hin, dass dieser Stachel von Gott zugelassen wurde. Gott hat es erlaubt, dass Paulus krank wird und dass der Satan, der Engel des Satans, ihn mit Fäusten schlagen und traktieren darf, damit Paulus nicht hochmütig wird.
Auch die Dunkelheiten unseres Lebens haben mit Gott zu tun. Sie geschehen unter seinem Willen und seiner Zulassung. Deshalb darf ich mich auch in den Dunkelheiten an Gott wenden, der immer der Herr über alle Dinge ist. Er ist der souveräne Herr über den Satan und hat alles im Griff, was mit meinem Leben oder dem Leben lieber Menschen geschieht.
Menschenbild und geistlicher Kampf
Eine letzte Frage: Wer ist der Mensch und was kann der Mensch?
Ich habe gerade von diesem Gottesbild gesprochen. Manchmal entspricht diesem Gottesbild in der pfingstkirchlich-charismatischen Bewegung auch ein bestimmtes Menschenbild. Danach ist der Mensch derjenige, der die geistliche Kampfführung zu üben hat. Er ist verantwortlich dafür, dass gegen Satan gekämpft und zu Felde gezogen wird.
Dann entstehen Formulierungen wie: Wenn wir von ganzem Herzen glauben, kann Gott Wunder tun. Wir müssen glauben. Nur wenn wir richtig, aber so richtig glauben, bewegt sich etwas in unserem Jugendkreis oder in unserer Gemeinde. Wenn wir nicht richtig glauben, ist Gott machtlos. Gott ist auf unseren Kampfeswillen angewiesen.
Wenn wir wirklich ernstlich bitten – aber richtig ernstlich –, dann kommt es zur Erweckung. Wenn wir nicht ernstlich sind, kann es nicht zur Erweckung kommen. Die bösen Mächte werden nur besiegt durch streitbare Beter, die Tag und Nacht, also 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche, auf der Matte stehen und beten, beten, beten.
Wenn die Gebete ausbleiben, ist Gott hilflos und kann nichts machen. Der Mensch wird sozusagen zum Soldaten Gottes. Wenn die Soldaten schwach werden, wird Gott schwach. Wenn die Soldaten keinen Bock mehr haben, ist Gott völlig hilflos. Wir müssen es richten.
Das ist eine These, die ich so biblisch nicht nachvollziehen kann. Da folge ich Martin Luther. Ihr kennt vielleicht dieses Reformationslied von Martin Luther mit dem Vers:
„Mit unserer Macht ist nichts getan,
wir können gar nichts.
Mit unserer Macht ist nichts getan,
wir sind gar bald verloren.
Es streitet für uns der rechte Mann,
den Gott hat auserkoren.
Fragst du, wer der ist?
Er heißt Jesus Christ, der Herr Zebaoth,
und ist kein anderer Gott,
das Feld muss er behalten.“
Der Einzige, der wirklich eine geistliche Kampfführung führen kann, ist Jesus Christus. Wir können das nicht. Jesus muss für uns streiten. Jesus ist der, der mit seiner Allmacht für uns bittet. Jesus ist der, der uns in seinen Händen hält und uns zum Ziel bringen wird.
Wir können nicht mit Satan streiten; dazu sind wir viel zu schwach. Aber Jesus kann es. Deshalb hängen wir uns an Jesus Christus und vertrauen darauf, dass er uns zum Ziel führt – durch alle Täler und durch alle Nächte des Lebens hindurch.
Abschluss und Ausblick
Zum Schluss: Mancher wird vielleicht mit den Dingen, die ich ausgelegt habe, nicht einverstanden sein. Manche werden anderer Meinung sein. Mir geht es jedoch darum, dass wir im Gespräch, in der Diskussion und im gemeinsamen Ringen über diese Fragen weiterkommen. Wir sollen einander näherkommen und eines Tages zur vollen Einheit der Gemeinde Jesu Christi gelangen.
Es ist ein Gebot der Einheit, dass wir mit allen Schwestern und Brüdern Gemeinschaft suchen. Das wollen und sollen wir tun.
Das Zweite: Es ist ein Gebot der Wahrheit, dass wir über unsere Erkenntnis der Heiligen Schrift reden und ringen. Wir müssen genau hinschauen und lesen, was wirklich Gottes Wort ist und was Gottes Wille ist. Dabei muss man manchmal diskutieren, manchmal streiten und sich vielleicht auch manchmal die Meinung sagen.
Und das Letzte: Es ist ein Gebot der Hoffnung, dass wir damit rechnen, die Heilige Schrift eines Tages noch besser zu verstehen als heute. Das ist mein Gebet: dass Gott mich zu einem tieferen Verständnis seines Wortes führt und dass er das mit uns allen tut. So werden wir alle miteinander irgendwann zu einer tiefen Einheit in der Erkenntnis des Willens Gottes gelangen.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. Ich wünsche euch noch ein tolles Pfingsttreffen.