Ich freue mich sehr, an diesem wunderbaren Tag, an diesem großen Anlass, heute die Predigt halten zu dürfen. Es ist für mich ganz persönlich ein unglaubliches Vorrecht, dies tun zu können.
Heute setzen wir zwei neue Pastoren ein, zwei Leiter hier in der Gemeinde. Wenn ich euch die Frage stellen würde: Was macht einen vorbildlichen Leiter aus? Was sind die Merkmale eines starken Leiters? Dann würden wir wahrscheinlich viele Antworten bekommen.
Ein guter Leiter hat eine klare Vision. Ein guter Leiter hat Charisma. Ein guter Leiter kann gut kommunizieren. Ein guter Leiter ist ein Mann des Gebets. Ein guter Leiter kann Mitarbeiter gewinnen. Ein guter Leiter hängt die Leute nicht ab, sondern nimmt sie mit – und so weiter.
Wir könnten die Liste fortsetzen, denn es gibt viel zu diesem Thema zu sagen: Was einen guten Leiter ausmacht. Im deutschen und im englischen Sprachraum sind viele Bücher zum Thema Leiterschaft geschrieben worden.
Ich möchte mich heute Morgen in der Predigt lediglich auf...
Einführung in das Thema Leiterschaft
Vier Merkmale eines vorbildlichen Leiters
Ich habe mich für einen Text aus dem ersten Korintherbrief entschieden, Kapitel 4, Verse 1 bis 5. In diesem Abschnitt schildert der Apostel Paulus der Gemeinde in Korinth seine Haltung zum Dienst. Er erklärt, worauf es im Dienst ankommt und was am Ende zählt.
Kommen wir zunächst zum gesamten Text, den wir einmal am Stück vorlesen. Anschließend arbeiten wir uns Vers für Vers durch diesen Abschnitt.
Paulus sagt: „Dafür halte man uns für Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes. Übrigens sucht man hier an den Verwaltern, dass einer treu befunden werde. Mir aber ist es das Geringste, dass ich von euch oder von einem menschlichen Gerichtstag beurteilt werde. Ich beurteile mich aber auch selbst nicht, denn ich bin mir keiner Schuld bewusst; aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt. Der mich aber beurteilt, ist der Herr. So verurteilt nichts vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringt und die Absichten der Herzen offenbaren wird. Dann wird jedem sein Lob von Gott zuteilwerden.“
Vier Merkmale eines vorbildlichen Leiters
1. Das Selbstverständnis als Diener
Das erste Merkmal lautet: Er versteht sich als Diener. Vers 1 beginnt mit den Worten: "Dafür halte man uns für Diener." Um diese Aussage in ihrer ganzen Tiefe verstehen zu können, müssen wir uns zunächst den Zusammenhang anschauen.
Die Gemeinde in Korinth ist eine ziemlich problembehaftete Gemeinde, was sich vor allem schon im ersten Kapitel zeigt. In der Gemeinde Korinth gibt es Streit und Parteiungen, die mit der Wahrnehmung der Leiter zusammenhängen. Kommen wir dazu zu den Versen 11 und 12 im 1. Korinther 1:
„Denn es ist mir bewusst geworden über euch, liebe Brüder, durch die Leute der Chloe, dass Streit unter euch ist. Ich meine aber dies, dass unter euch der eine sagt: Ich gehöre zu Paulus, der andere sagt: Ich zu Apollos, der dritte: Ich zu Kephas, der vierte: Ich zu Christus.“
Das heißt, in der Gemeinde Korinth gibt es Parteiungen, die mit der Wahrnehmung der Leiter zusammenhängen. In Korinth wird viel Wert auf menschliche Rhetorik, Philosophie und menschliche Weisheit gelegt. Das Denken der Gemeinde in Korinth spiegelt die damalige Zeit wider.
Wir sehen gerade in der Gemeinde Korinth, dass die Stadt sehr stark auf die Gemeinde abfärbt. Zur Zeit des Neuen Testaments waren die Sophisten in Korinth unterwegs. Sophisten waren nicht ganz Philosophen, sondern eher Rhetoriker. Sie traten auf Bühnen auf und lieferten sich eine Art Vorstufe des Poetry Slams, indem sie gegeneinander antraten. In Korinth gab es ganze Fanclubs, die entweder für den einen oder den anderen Sophisten waren.
Dieses Denken, dass es um Rhetorik und menschliche Weisheit geht, haben die Christen in der Gemeinde übernommen. Das ist der Grund für ihre Streitigkeiten. Sie spalten ihre Leiter und dadurch entsteht eine gewisse Rivalität.
Paulus sieht die Notwendigkeit, diese falsche Wahrnehmung von christlichen Leitern in der Gemeinde gründlich zu korrigieren. Das tut er in Kapitel 3 und Kapitel 4. Dort heißt es zum Beispiel in 1. Korinther 3,5-7:
„Wer ist nun Apollos, wer ist Paulus? Diener sind sie, durch die ihr gläubig geworden seid, und das, wie der Herr einem jeden gegeben hat. Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, aber Gott hat das Gedeihen gegeben. So ist nun weder der Pflanzende noch der Begießende etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.“
Paulus sagt den Korinthern: „Ihr Lieben, es geht gar nicht um uns, es geht gar nicht um die Leiter. Gott schenkt das Wachstum, er muss im Mittelpunkt stehen.“
In den Versen kurz vor unserem Predigttext sagt Paulus: „Niemand soll sich eines Menschen rühmen.“ Dann folgt unser Text mit den Worten: „Dafür halte man uns für Diener.“
Es ist interessant, Viktor und Daniel, welches Wort hier für „Diener“ verwendet wird. Das übliche griechische Wort für Diener ist „Diakonos“, das sehr weit verbreitet ist. Aber hier im Text steht nicht „Diakonos“, sondern „Hyperätes“.
Wenn wir schauen, wo dieses Wort verwendet wird, stellen wir fest, dass es immer für einen ganz einfachen Helfer genutzt wird – nicht mehr. Jesus predigt in Lukas 4 in der Synagoge. Er hat aus seiner Schriftrolle gepredigt, und am Ende macht er die Schriftrolle zu und gibt sie dem „Hyperätes“. Dieser hat einfach nur die Aufgabe, die Schriftrolle wegzubringen.
Es ist also ein absoluter Assistent, jemand, der gar nicht im Vordergrund steht. Und genau dieses Wort verwendet Paulus hier. Es geht gar nicht um uns, liebe Gemeinde, was haltet ihr von uns? Es geht nicht um die Leiter. Wir sind einfach nur Diener, Assistenten, die auf Christus hinweisen wollen. Um ihn geht es, nicht um uns. Wir sind einfach nur Diener.
Ich habe heute mal einen weißen Lappen mitgebracht. Wisst ihr, bei unserer Bekehrung gibt uns Christus keine Krone, sondern bildlich gesprochen einen Lappen in die Hand. Er sagt: „Du willst mir folgen, diene mir, hier hast du einen Lappen.“
Am Anfang unseres Christseins ist dieser Lappen noch ganz weiß und ungebraucht. Aber ich wünsche es mir so sehr für mich und für euch, dass wir am Ende unseres Lebens, wenn wir irgendwann vor unserem Herrn stehen, ihm einen ganz gebrauchten Lappen zurückgeben und sagen: „Herr, du warst es wert, ich wollte dir folgen, ich habe mein Bestes getan, ich gebe dir diesen Lappen zurück.“
Lieber Daniel, ich möchte euch heute jeden so einen Lappen schenken. Bei der Ordination gibt es keine Krone, ihr Lieben, bei der Ordination gibt es einen Lappen. Und ich möchte euch diesen schenken. Auf diesem Lappen steht: „Ich bin Diener“ – ein Lappen für dich, Daniel, und Viktor, auch einer für dich.
Ich möchte euch ermutigen, legt diesen Lappen irgendwo hin, wo ihr ihn regelmäßig sehen könnt – vielleicht auf euren Schreibtisch oder irgendwo zuhause. Hängt ihn auf!
Aber noch viel mehr wünsche ich es mir für euch, für mich und für uns alle hier, dass wir uns immer in erster Linie einfach als Diener verstehen. Es geht nicht um uns, wir sind nur Assistenten. Für uns ist es ein Vorrecht, unserem wunderbaren Herrn und Heiland Jesus Christus zu dienen. Wir sind Diener.
Daniel und Viktor, es wird Menschen in eurem Dienst geben, die euch auf ein Podest stellen wollen, die begeistert sind von euren Predigten. Wir brauchen Ermutigung als Leiter. Aber ihr werdet erleben, dass Leute versuchen, euch als Personen auf ein Podest zu stellen.
Ich möchte euch heute mitgeben: Eure Aufgabe ist es immer wieder, ganz bewusst von diesem Podest herunterzusteigen mit den Worten: „Dafür halte man uns für Diener.“
Das ist das erste Merkmal eines vorbildlichen Leiters: Er trägt einen Dienerschurz. Christus hat uns dienende Leidenschaft vorgelebt. Ich liebe Johannes 13, weil es dort mit den Worten beginnt, dass sich Christus bewusst war, dass der Vater ihm alles in seine Hand gegeben hat – pure Autorität:
„Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden.“
In diesem Bewusstsein zieht Jesus den Dienerschurz an und dient. Ihr Lieben, wir sind berufen, Christus zu folgen. Ein Diener ist nie größer als sein Herr.
1.1 Bedeutung für die Gemeinde
Ich möchte einige Worte an die Gemeinde richten. Was bedeutet das für die Gemeinde? Paulus richtet diese Worte an die Gemeinde in Korinth und sagt zu ihr: „Dafür sollt ihr uns halten, für Diener.“
Im gesamtbiblischen Kontext sagt die Bibel vieles darüber, wie sich die Gemeinde gegenüber ihren Leitern verhalten soll.
Und ihr Lieben, liebe Gemeinde Köln Osthain, ganz ehrlich, das sage ich aus tiefstem Herzen: Ich kenne keine Gemeinde, die ihre Leiter so liebt wie ihr. Wenn ich mit anderen Pastoren rede, schwärme ich von unserer Gemeinde. Ich erzähle ihnen, dass wir so viel Unterstützung, so viel Gebet und so viel Wertschätzung von unserer Gemeinde bekommen. Es ist unfassbar. Ihr macht uns den Dienst wirklich leicht. Vielen Dank an dieser Stelle!
Mein Appell an euch, meine Bitte an euch ist: Macht es auch Viktor und Daniel leicht, den Einstieg zu finden. Die Bibel sagt, die Gemeinde soll ihre Leiter schätzen, den Leitern folgen und sie lieben sowie für sie beten.
Aber auf der anderen Seite sind Leiter auch immer nur Diener. Die Gemeinde soll die Leiter nie festhalten.
Deshalb ist mein Appell an euch, an uns: Liebt die Leiter als Diener, unterstützt die Leiter als Diener und betet für die Leiter, denn sie sind Diener Gottes.
Liebe Gemeinde, unser Herr schenkt uns heute als Gemeinde zwei neue Leiter. Was für ein wunderbares Geschenk! Dafür wollen wir ihm die Ehre geben.
2. Der Auftrag als Verwalter des Evangeliums
Wir kommen zum zweiten Merkmal: Ein vorbildlicher Leiter versteht seinen Auftrag vom Evangelium her.
Dafür heißt es weiter: „Dafür halte man uns für Diener und Verwalter der Geheimnisse Gottes.“ Ein Verwalter ist jemand, dem etwas anvertraut wurde. Dazu sage ich gleich noch mehr. In diesem Fall sind es die Geheimnisse Gottes.
Mit den Geheimnissen Gottes sind nicht irgendwelche Geheimlehren gemeint. Wenn Paulus von dem Geheimnis Gottes spricht, redet er vom Evangelium, das auch für die Heiden bestimmt ist. Das war eine Wahrheit, die lange Zeit verborgen war. Gott hat dieses Geheimnis dem Apostel Paulus offenbart. Er sagt, dieses Evangelium ist uns anvertraut worden.
In 1. Korinther 2,1-2 heißt es: „Und ich, als ich zu euch kam, Brüder, kam nicht, um euch mit Vortrefflichkeit der Rede oder Weisheit das Geheimnis Gottes zu verkündigen, denn ich nahm mir vor, nichts anderes unter euch zu wissen als nur Jesus Christus und ihn als gekreuzigt.“
Später im Brief sagt Paulus: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündige.“ Das heißt, das Bewusstsein, Verwalter des Evangeliums zu sein, geht mit der Tätigkeit einher, Verkündiger des Evangeliums zu sein. Es geht nie um ein theoretisches Wissen: „Ich bin Verwalter.“ Es geht um ein Bewusstsein, das etwas mit uns macht.
Wir waren vor einigen Wochen mit einer Gruppe in den USA unterwegs, mit einigen Mitarbeitern aus unserer Gemeinde. Wir wollten von anderen Gemeinden lernen und neue Impulse bekommen. Unter anderem waren wir in Prestmutt, einer ziemlich großen bibeltreuen Gemeinde. Dort konnten wir mit dem Seniorpastor Jack Graham sprechen.
Interessant war, dass er uns sagte, er setze sich gar nicht viele große Jahresziele. Stattdessen bekomme er ein Wort aus der stillen Zeit, das er über ein Jahr stellt – für jedes Jahr ein Wort. Dieses Jahr sei es das Wort „entrusted“, also „anvertraut“. Seine Mitarbeiter sagten uns, er sei schon immer evangelistisch unterwegs gewesen. Doch in diesem Jahr lege er den Schwerpunkt noch viel mehr auf das Evangelium.
Lieber Viktor, lieber Daniel: Im Zentrum unseres Dienstes steht eine Botschaft, die uns anvertraut wurde. Es ist die Botschaft vom Kreuz. Es ist die wunderbare Botschaft, dass Christus in diese Welt gekommen ist, um Sünder zu retten. Durch seinen stellvertretenden Sühnetod, 33 nach Christus, vor den Toren Jerusalems an einem römischen Holzkreuz, und durch seine siegreiche, leibhaftige Auferstehung am dritten Tag.
Das ist unsere Botschaft, und um diese Botschaft muss sich unser ganzer Dienst drehen. Es geht nie über das Evangelium hinaus, und es geht nie um weniger als das Evangelium.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse meines Glaubenslebens in den letzten Jahren ist, dass ich mehr und mehr verstanden habe: Das Evangelium ist nicht nur für Ungläubige. Es ist auch so wichtig für uns Christen.
Das Evangelium ist nicht das A, B, C der Gemeinde, sondern das A bis Z der Gemeinde. Es erinnert uns an unsere Identität in Christus und befreit uns von Versagensängsten. Das Evangelium bewahrt uns vor Gesetzlichkeit, vor bloßem Moralismus und vor Heuchelei. Es maximiert unsere Freude an unserem wunderbaren Herrn und Retter Jesus.
Das Evangelium hat die Kraft, Ketten zu sprengen und Sünder freizumachen.
Ihr Lieben, in Köln gibt es so viele verlorene Menschen. Wir als Gemeinde – das ist mein Auftrag. Lieber Viktor, lieber Daniel, diesen Auftrag haben wir gemeinsam.
Versteht euren Dienst immer vom Evangelium her. Fördert die Evangelisation und Weltmission. Unterstützt evangelistische Projekte. Lebt persönliche Evangelisation vor. Und wann immer ihr am Sonntag hinter der Kanzel steht, predigt das Wort vom Kreuz. Das ist es. Das ist der Kern unserer Botschaft.
Versucht nicht, besonders eloquent zu sein. Widersteht der Gefahr, irgendwelche Wohlfühlbotschaften zu bringen, bei denen der Mensch sich gut fühlt und im Mittelpunkt steht. Macht Christus groß, Brüder, das ist unser Auftrag. Sein freies Erbarmen gilt hoffnungslos verlorenen Sündern.
Das ist die gute Nachricht, und diese Nachricht sollte immer im Zentrum des Dienstes eines christlichen Leiters stehen.
3. Die Treue als entscheidendes Merkmal
Das ist das zweite Merkmal eines vorbildlichen Leiters: Er versteht seinen Auftrag vom Evangelium her.
Wir kommen zum dritten Merkmal: Er ist treu. Ein Merkmal eines vorbildlichen Leiters ist immer seine Treue. In Vers heißt es: Übrigens sucht man hier an den Verwaltern, dass einer treu befunden werde. Paulus denkt hier zunächst einmal an Hausverwalter, wie man sie in der griechisch-römischen Welt kannte. Es war gang und gäbe, dass man manchmal auch Sklaven als Hausverwalter einsetzte. Diese Hausverwalter hatten viele Aufgaben: Es waren Hausmeistertätigkeiten, teilweise kümmerten sich diese Verwalter um den Garten, das Essen und die Finanzen.
Stellen wir uns nun ein Vorstellungsgespräch vor: Da sitzt ein Mann, der einen Verwalter einstellen möchte. Worauf achtet er, wenn er diesem Mann seine Finanzen anvertraut? Worauf achtet er, wenn dieser Mann zuhause ist, während er selbst auf der Arbeit ist und der Verwalter allein bei der Frau und den Kindern ist? Das Kernmerkmal, auf das er sein Hauptaugenmerk legt, ist: Kann ich mich auf diese Person verlassen? Ist sie treu, ist sie vertrauenswürdig?
Paulus sagt: Das ist sogar in der Welt so bei den Verwaltern. Hier sucht man vor allen Dingen die Treue. Vielmehr achtet Gott darauf, dass wir vor allem treu sind. Jesus erzählt in Lukas 16 ein Gleichnis von einem untreuen Verwalter, der seinen Job verloren hat. Es überrascht nicht, dass Paulus genau diese Eigenschaft immer wieder bei seinen Mitarbeitern hervorhebt.
Ich möchte euch einige Bibelverse nennen, damit wir die ganze Bandbreite sehen:
- Timotheus 4,17: Deshalb habe ich auch Timotheus zu euch gesandt, der mein geliebtes und treues Kind im Herrn ist. Er wird euch an meine Wege in Christus erinnern, wie ich überall in jeder Gemeinde lehre.
Epheser 6,21: Damit ihr auch meine Umstände wisst, wie es mir geht, wird Tychikus, der geliebte Bruder und treue Diener im Herrn, euch alles berichten.
Kolosser 1,7: So habt ihr es von Epaphras gelernt, unserem geliebten Mitknecht, der ein treuer Diener Christi für euch ist.
Kolosser 4,9: Mit Onesimus, dem treuen und geliebten Bruder, der von euch ist. Sie werden euch alles mitteilen, was hier vorgeht.
Timotheus ist treu, Tychikus ist treu, Epaphras ist treu, Onesimus ist treu. Es geht im Dienst, in jedem Dienst übrigens, aber natürlich vor allem im Leitungsdienst immer um die Treue.
Wisst ihr was? Dieser Anspruch ist theologisch begründet. Unsere Treue kann immer nur eine Reaktion auf seine Treue uns gegenüber sein. Damit beginnt Paulus den ersten Korintherbrief: In Kapitel 1, Vers 9 sagt er: Gott ist treu, durch den ihr berufen worden seid in die Gemeinschaft seines Sohnes, Jesus Christus, unseres Herrn.
Jesus ist so treu, wie es in 1. Johannes 1,9 heißt: Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns vergibt. Gott ist treu, Gott steht immer zu seinem Wort, Gott bricht nie die Treue – nie. In der Bibel heißt es: Selbst wenn wir untreu sind, so ist er doch treu.
Deswegen ist es unsere Aufgabe als Leiter, als Diener, sein Wesen widerzuspiegeln und auf seine Treue uns gegenüber mit unserer Treue ihm gegenüber zu antworten.
Ihr Lieben, kann es sein, dass wir im Dienst so schnell andere Schwerpunkte legen als die Treue? Wir schauen viel zu häufig auf zahlenmäßiges Wachstum. Tatort: Pastorenfrühstück. „Wie viel habt ihr dieses Jahr getauft?“ „Boah, dreißig, nicht schlecht.“ „Und ihr?“ „Ja, wir haben fünfzig getauft.“ Je mehr man getauft hat, desto besser fühlt man sich. Das ist eine Versuchung im Leben eines Leiters.
Wie viele haben meine YouTube-Predigt angeguckt? Wie viele sind nach meiner Predigt zum Glauben gekommen? Wie groß ist unsere Gemeinde? Wächst die Mitgliederzahl ständig? Ihr Lieben, wir dürfen auch nicht so tun, als ob es gar nicht um Zahlen geht. Hinter jeder Zahl steckt eine Seele. Aber es geht Gott vor allem um die Treue, vielmehr als um Zahlen. Treue ist bereits Erfolg.
Treue ist bereits Erfolg – das ist das, worauf Jesus achtet.
Viktor und Daniel, Treue geht mit Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit einher. Als Ältester, als Pastor der Gemeinde steht man der Gemeinde vor. Man bestimmt den geistlichen Kurs der Gemeinde, und das geschieht vor allem durch Lehre und Gebet. Zeigt darin eure Treue, Brüder!
Wenn eine Predigt ansteht, macht die Predigtvorbereitung nie zur Nebenaufgabe. Es ist Hauptaufgabe eines Pastors und verlangt oft viel Zeit und Energie. Zeigt darin eure Treue, Männer, dass ihr der Gemeinde Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr gute geistliche Speise liefert, die aus dem Wort kommt und aus dem Wort allein.
Wenn eure Freunde vielleicht am Samstagabend einen geselligen Abend verbringen oder ein Fußballspiel gucken – wobei ich nicht weiß, ob Viktor Fußball interessiert – und eure Predigt noch nicht fertig ist, dann begibt euch in das Studierzimmer. Kommt erst raus, wenn ihr auf den Knien die Predigt vorbereitet habt und sie fertig ist.
Oswald Sanders schreibt in seinem Buch Geistliche Leiterschaft: Der junge Mann, der sich zur Leiterschaft eignet, arbeitet, während andere bummeln. Er studiert, während andere schlafen. Er betet, während andere sich amüsieren.
Ihr Lieben, diese Treue erwartet der Herr von uns, und zu dieser Treue möchte ich euch ermutigen. Es gibt so viele Aufgaben im Leben eines Pastors: die Seelsorge, die Ehevorbereitung, Beerdigungen, Trauerbegleitung, Durchführung von Sitzungen, Förderung von Mitarbeitern, Lösung von Konflikten, Entwicklung und Kommunikation der Gemeindevision, Koordination von Diensten, Förderung des missionarischen Anliegens und der Evangelisation, Durchführung und Planung von Gottesdiensten und vieles mehr.
In all diesen Dingen möchte Jesus in erster Linie einfach nur unsere Treue sehen. Treue geht aber auch mit Durchhaltevermögen einher. Treue bedeutet auch, im Dienst zu bleiben, wenn die Umstände nicht einfach sind. Manchmal muss man einfach die Stellung halten, auch wenn einem innerlich gar nicht danach ist.
Im alten Rom war es so, dass, wenn der Hauptmann einen seiner Soldaten irgendwo als Schildwache aufgestellt hat, dieser Soldat an dem Posten bleiben musste. Er durfte sich nicht bewegen. Vor einigen Jahren hat man eine alte römische Siedlung in einer Vulkangegend ausgegraben. Die Gegend war komplett von Lava überschüttet worden. Man hat das Ganze rekonstruiert und eine Schildwache gefunden, noch mit dem Speer in der Hand. Man hat herausgefunden, dass diese Schildwache, obwohl sie die Lava kommen sah, genau an dieser Stelle stehen geblieben ist.
Lieber Viktor und lieber Daniel, haltet die Stellung, auch wenn es heiß wird! Es gibt Phasen im Leben eines Pastors, da ist man müde. Es gibt Phasen, da sieht man Gottes Wirken nicht. Man kommt nach Hause und stellt fest: Auch zu Hause läuft es nicht. Man hat so wenig Zeit für die Ehefrau, die Kinder sehen den Vater manchmal sehr, sehr wenig.
Und das sind Phasen, in denen einem auch als Leiter manchmal die Gedanken kommen: Ich hätte ein einfacheres Leben haben können. Viktor und Daniel, haltet die Stellung, gerade auch in diesen Momenten. Unsere einzige Motivation ist der Herr selbst. Seine Schönheit, seine Herrlichkeit ist immer wieder die Motivation für unsere Treue, weil wir es ihm versprochen haben – vor allem ihm.
Deswegen halten wir die Stellung, auch wenn es schwierig wird.
4. Das Leben allein vor Gott
Es gibt ein letztes Merkmal in diesem Text, das einen vorbildlichen Leiter kennzeichnet: Er lebt allein vor Gott.
Ich lese noch einmal die Verse drei bis fünf:
„Mir aber ist es das Geringste, dass ich von euch oder von einem menschlichen Gerichtstag beurteilt werde; ich beurteile mich aber auch selbst nicht, denn ich bin mir selbst nichts bewusst. Aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt. Der mich aber beurteilt, ist der Herr. So verurteilt nichts vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen wird und die Absichten der Herzen offenbaren wird. Und dann wird jedem sein Lob von Gott werden.“
Paulus sagt hier der Gemeinde: Ich gebe nicht viel darauf, dass ihr mich beurteilt.
Jetzt könnte man denken: „Oh, das klingt fast ein bisschen arrogant, so nach dem Motto: Ich lasse mir doch von euch nichts sagen.“ Aber so würden wir Paulus missverstehen. Er ist nicht arrogant; er hat sich ja in Vers 1 vor allen Dingen als Diener vorgestellt.
Wir müssen uns Folgendes vergegenwärtigen: Wenn Paulus sagt, „ich gebe nicht viel darauf, dass ihr mich beurteilt“, geht es hier nicht nur um Kritik. Das habe ich eine Zeit lang immer gedacht, dass Paulus hier nur Kritik meint, aber er meint auch das Lob.
Denn in Korinth gab es doch die Paulus-Partei, es gab diejenigen, die ihn gehypt haben. Und Paulus sagt: Egal, ob ihr mich kritisiert oder ob ihr mich lobt, ich mache mich nicht von der Meinung der Menschen abhängig. Meinen Dienst davon abhängig zu machen, wäre Menschenfurcht.
Gottesfurcht bedeutet unter anderem, vor Gott zu leben. Vor Gott zu leben, wissend, dass er der Einzige ist, der zutreffend beurteilen kann. Menschenmeinung ist nicht entscheidend – das ist das, was Paulus hier sagt. Weder das, was andere denken, noch das, was man selbst über sich denkt.
Paulus lehnt hier nicht Selbstprüfung per se ab, wenn er sagt, „ich prüfe mich selbst nicht“. Denn in 1. Korinther 11 sagt er ja, jeder solle sich selbst prüfen. Es geht also nicht darum, Selbstprüfung grundsätzlich abzulehnen. Es ist gut, dass wir uns selbst reflektieren.
Aber unser eigenes Herz kann uns auch betrügen. Und deswegen geht es hier darum, dass Paulus sagt: Ich will vor allen Dingen vor Gott leben. Er ist der Einzige, der wirklich zutreffend beurteilen kann.
Lieber Viktor und lieber Daniel, als Leiter werdet ihr von vielen Menschen beurteilt werden. Als Leiter ist man immer eine öffentliche Person. Menschen werden eure Worte, eure Ratschläge und eure Entscheidungen bewerten. Sie werden euren Dienst bewerten und euch ihre Meinung sagen.
Im Leitungsdienst erlebt man von Menschen große Wertschätzung, aber auch manchmal beißende Anfeindung. Beides liegt im Leben eines Leiters oft sehr nah beieinander.
Es wird Menschen geben, für die ihr plötzlich Helden seid, für andere seid ihr Buhmänner. Man erfährt als Leiter viel Lob und viel Tadel, Kritik und Bewunderung, Zustimmung und Einwände – manchmal sogar von denselben Leuten.
Beide Phänomene können einen Leiter aus der Bahn werfen. Das Lob kann einem jungen oder älteren Leiter zu Kopf steigen, sodass man stolz wird und damit unbrauchbar. Kritik kann einem auch zu Kopf steigen, sodass man frustriert den Dienst hinschmeißt.
Das heißt, sowohl Lob als auch Kritik können eine Versuchung im Dienst werden. Das Beste, was ihr machen könnt, ist, dass ihr einfach nur vor Gott lebt. Dass ihr euch entscheidet, nur vor dem Einen zu leben, der wirklich bewerten kann.
Wisst ihr, wenn Paulus so viel daran gelegen wäre, Menschen zu gefallen, dann hätte er in Korinth seine ganze Rhetorik ausgepackt. Er konnte die Philosophen zitieren – das sehen wir in seiner Areopag-Rede, die er aus evangelistischen Gründen hielt.
Gerade in Korinth hätte er, er hatte die Kapazitäten, Scharen um sich zu sammeln. Und gerade in Korinth sagt Paulus Folgendes:
„1. Korinther 2: Und ich, als ich zu euch kam, Brüder, kam nicht, um euch mit Vortrefflichkeit der Rede oder Weisheit das Geheimnis Gottes zu verkündigen; denn ich nahm mir vor, nichts anderes unter euch zu wissen als nur Jesus Christus und ihn als gekreuzigt.“
Paulus ging es immer nur um Jesus Christus. Und darum muss es jedem christlichen Leiter gehen: nur um Jesus. Es geht nur darum, am Ende von ihm die Worte gesagt zu bekommen: „Gut gemacht, du treuer Knecht!“
Einer meiner Bibelschullehrer am Bibelseminar Bonn, Claren Rogers, hat mich ganz besonders geprägt. Er war unser Lehrer für Altes Testament und erzählte von einer Geschichte, in der er einmal eine Anfrage bekam, im Fernsehen zu predigen.
Ihm wurde vorher vom Sender die Frage gestellt: „Sind Sie aufgeregt, Herr Rogers?“ Und er sagte: „Nein, bin ich nicht.“ Das hat die Moderatoren völlig verwundert. Sie fragten: „Warum sind Sie nicht aufgeregt? Es werden über 40 Menschen Sie hören.“
Claren sagte: „Ich predige nur für einen. Ich predige nur für einen.“
Ihr Lieben, ganz ehrlich: Manchmal habe ich Samstagabend Versagensängste. Ich weiß, die Predigt steht morgen an. Gerade wenn es eine evangelistische Predigt ist, kommen die Anfechtungen: „Andre, morgen wirst du versagen, du wirst die Predigt nicht zu Ende halten können. Und Tausende werden es mitbekommen und am Mittagstisch über dich reden: ‚Habt ihr gehört? Andre in Köln Ostheim, der musste die Predigt abbrechen.‘“
Solche Gedanken kommen mir manchmal. Und das, woran ich mich immer wieder erinnern muss, ist: Ich predige nur für einen. Ich predige nur für einen.
Mein einziger Wunsch ist es, dass er am Ende der Predigt sagt: „Amen, Amen!“
Lieber Viktor und lieber Daniel, predigt immer nur für einen!
Lieber Viktor und lieber Daniel, lasst es uns vornehmen, als Pastoren in dieser Gemeinde immer nur bemüht zu sein, dem Einen zu gefallen. Wir haben ein Publikum von einer Person, und das ist der Herr, dem wir gefallen wollen.
Und dann gibt es am Ende den Lohn. Da heißt es im letzten Teil unseres Verses: „Und dann wird jedem sein Lob von Gott werden.“
Jeder Dienst, nicht nur der Dienst eines Leiters, jeder Dienst in der Gemeinde, der treu ausgeführt wird, wird von unserem Herrn belohnt. Das haben wir nicht verdient, auch das ist Gnade.
Aber am Ende werden wir, wenn wir ihm treu gedient haben, wenn wir ein benutztes Tuch zurückgeben, von ihm die Worte hören: „Gut gemacht, du treuer Knecht!“
Das betrifft übrigens auch die Ehefrauen der Pastoren, liebe Nelly und liebe Tabea. Ich finde es sehr stark von euch, dass ihr nicht nur eingewilligt habt, sondern auch eine große Bereitschaft mitbringt, Opfer zu bringen.
Ich kann euch Folgendes sagen: Es wird Frauen geben, die ihre Männer häufiger sehen als ihr. Es wird Frauen geben, die unbelasteter durch das Leben gehen als ihr. Aber eines kann ich euch sagen: Es lohnt sich. Es lohnt sich.
Es lohnt sich, immer für das zu leben, was wirklich zählt. Und wir danken euch für eure Bereitschaft, eure Männer zu unterstützen. Und das Lob kommt am Ende – aber von keinem Geringeren als von dem erhöhten Herrn und Retter, Jesus Christus.
„Gut gemacht, Herr Bär, gut gemacht, Nelly, ihr habt eure Männer unterstützt.“
Mich bewegt immer wieder die Geschichte des Afrikamissionars, der nach seinem 25-jährigen Aufenthalt in Afrika zurück nach Amerika kommt. 25 Jahre treuer Dienst in Afrika.
Er kommt mit dem Schiff und ist kurz davor, in den Hafen seines Heimatlandes einzufahren. Auf demselben Schiff war zufällig auch der Präsident der Vereinigten Staaten zu der Zeit, Theodor Roosevelt, der nach seinem dreiwöchigen Urlaub zurückkam.
Das Schiff fährt in den Hafen ein, und eine riesige Menschenmenge wartet dort. Der Missionar erkennt, die Menschenmenge ist nicht wegen ihm da, sondern wegen dem Präsidenten, der nach drei Wochen zurückkommt.
In dem Moment fängt er an, mit Gott zu hadern: „Herr, alle warten auf den Präsidenten, der nach drei Wochen zurückkommt in die Heimat. Ich war für dich fünfundzwanzig Jahre in Afrika, und niemand ist hier, der auf mich wartet. Niemand ist hier, der mich empfängt, wenn ich nach Hause komme.“
Dann sprach eine leise Stimme in seinem Herzen: „Mein Sohn, du bist auch noch nicht zu Hause.“
Das Lob kommt am Ende, wenn wir zu Hause sind.
In diesem Sinne möchte ich vor allen Dingen Viktor und Daniel, ich möchte uns als Pastoren, ich möchte uns alle ermutigen, dass wir treu sind.
Diese vier Merkmale sind alle Merkmale, die Jesus Christus aufweist, die ihn charakterisieren: Vier Merkmale eines vorbildlichen Leiters. Er versteht sich als Diener, er versteht seinen Auftrag vom Evangelium her, er ist treu und er lebt vor Gott allein.
In diesem Sinne, Brüder, einen gesegneten Einstieg in euren Dienst. Amen.