Einführung und Hintergrund zu Wycliffe e.V.
Mein Name ist Susanne Krüger und ich arbeite seit etwa zwanzig Jahren für den Wycliffe e.V. Die Kernaufgaben von Wycliffe sind Sprachforschung, Bibelübersetzung und Bildung. Wir arbeiten mit lokalen und benachteiligten Sprachgruppen auf der ganzen Welt zusammen. Unser Herzensanliegen ist, dass wirklich jeder Mensch die Möglichkeit hat, Gottes Wort in einer Sprache zu lesen, zu hören oder auch zu sehen, die er wirklich versteht. Eine Sprache, die ihm wirklich zu Herzen geht und sein Leben verändert.
Das ist unser Wunsch und unsere Sehnsucht.
Ich habe mit Wycliffe dreizehn Jahre in Ostafrika gearbeitet, vor allem in Tansania. Seit sechs Jahren bin ich wieder in Deutschland und leite hier den Wycliffe e.V.
Die Bedeutung von „Sandals first“ und die biblische Begegnung
Während meiner Zeit in Tansania und auch darüber hinaus ist mir ein Begriff sehr wichtig geworden. Damals hatten wir in Tansania ein geflügeltes Wort: „Sandals first“ – auf Deutsch „Sandalen zuerst“.
Dieser Begriff stammt aus einer Begegnung im Buch Josua. Heute möchte ich ein wenig darüber erzählen, was es mit diesem geflügelten Wort auf sich hat.
Zunächst lese ich unsere Bibelstelle aus Josua 5,13-15:
Als Josua in der Nähe von Jericho war, sah er plötzlich einen Mann, der ihm mit gezücktem Schwert in der Hand gegenüberstand. Josua ging auf ihn zu und fragte: „Gehörst du zu uns oder zu unseren Feinden?“
„Weder noch“, antwortete der Mann. „Ich bin der Anführer der Heerscharen des Herrn und bin eben eingetroffen.“
Darauf warf sich Josua voller Ehrfurcht vor ihm nieder und fragte: „Welche Befehle hast du für mich, dein Diener?“
Der Heerführer des Herrn antwortete: „Zieh deine Sandalen aus, denn du stehst auf heiligem Boden.“
Josua gehorchte.
Die historische und theologische Situation vor Jericho
Eine spannende und interessante Begegnung. Zunächst möchte ich auf die Situation eingehen, in der wir uns gerade befinden.
Das Volk Israel ist nach vierzig Jahren Wüstenwanderung endlich wieder im gelobten Land angekommen – dem Land, das Gott ihnen als Erbe versprochen hat. Man muss sich vorstellen: Vor gut vierzig Jahren standen sie schon einmal an diesem Punkt. Sie waren damals an den Grenzen dieses Landes angekommen und kurz davor, es einzunehmen.
Das Volk Israel hatte damals zwölf Späher ausgesandt, um das Land zunächst auszukundschaften. Das ist eine sehr sinnvolle Taktik, zunächst zu sehen, was sie erwartet. Diese zwölf Späher kehrten zurück und waren sich in einem einig: Es ist ein unglaublich tolles Land. Die Bibel beschreibt es als ein Land, in dem Milch und Honig fließen – ein Land, in dem es alles gibt, was das Herz begehrt. Dort wachsen große Früchte, es gibt viele Tiere, und man kann hervorragend leben.
Allerdings waren sich die Späher an einem anderen Punkt ebenfalls einig: Die Einwohner des Landes waren Riesen, sehr wehrhaft, und sie würden sich mit großer Kraft und Macht zur Wehr setzen. An diesem Punkt endete die Einigkeit unter den Spähern.
Zwei von ihnen, Josua und Kaleb, sagten: „Wir schaffen das, denn der große Gott ist auf unserer Seite, Gott der Mächtige.“ Die anderen zehn Späher hingegen meinten: „Das schaffen wir nicht, das ist zu schwierig, die Feinde sind zu groß.“
In dieser Situation setzte sich die Mehrheit durch. Die zehn Späher hatten das Volk so aufgewiegelt, dass alle sagten: „Nein, das machen wir nicht. Lieber gehen wir zurück nach Ägypten in die Sklaverei, als uns hier in den Tod zu stürzen.“
Das Ergebnis war, dass das Volk 40 Jahre durch die Wüste wandern musste – und zwar so lange, bis alle Männer dieser Generation, außer Josua und Kaleb, gestorben waren. Diese Männer hatten sich geweigert, Gott zu vertrauen und in das Land einzuziehen.
Der erneute Einzug ins gelobte Land und die Vorbereitung
Und nun stand das Volk wieder vor dem gelobten Land, vor diesem versprochenen Land. Wieder gehen sie auf wundersame Weise durch Wasser hindurch. Beim Auszug aus Ägypten, den wir wahrscheinlich alle kennen, zieht Israel durch das Rote Meer. Die Wellen teilen sich, sie gehen trockenen Fußes hindurch. Das Wasser schlägt dann über dem Verfolgerheer der Ägypter zusammen und schwemmt sie alle weg. Ein großes Wunder, das Gott da getan hat.
Auch jetzt ziehen sie wieder auf wundersame Weise in das gelobte Land ein. Sie durchqueren den Fluss Jordan ebenfalls trockenen Fußes. Das Gleiche geschieht: Die Wellen, das Wasser teilen sich, und sie können trockenen Fußes hindurchgehen.
Das Erste, was Gott im neuen Land befiehlt, ist, dass alle Männer beschnitten werden sollen. Dies geschieht nun unter einem neuen Leiter, nämlich Joshua. Mose, der das Volk bis dahin geführt hatte, hat das gelobte Land aus der Ferne gesehen und ist gestorben, bevor das Volk einziehen konnte. Joshua ist jetzt der Führer der Israeliten, und der erste Befehl lautet, dass alle Männer beschnitten werden.
Die Beschneidung ist stets das unveränderliche Zeichen des Bundes, den Gott mit Abraham geschlossen hat. Sie zeigt, dass das Volk Gott gehört. In der Wüste war jedoch niemand beschnitten worden. Doch nun, bevor das Volk in das gelobte Land einzieht und es einnimmt, sollen alle Israeliten, alle Männer, wieder beschnitten werden.
Das braucht eine gewisse Zeit, auch Zeit für die Heilung. Israel lagert also, wartet und ruht sich aus, bevor es dann daran geht, das Land einzunehmen.
Die Herausforderungen vor Jericho und die Begegnung mit dem Heerführer
Israel steht nun kurz vor wichtigen kriegerischen Auseinandersetzungen. Die Stärke des Feindes hat sich nicht verändert. Es sind immer noch sehr wehrfähige Menschen, die den Israeliten gegenüberstehen.
Die erste Stadt, die eingenommen werden soll, ist Jericho. Das ist eine ziemlich große Aufgabe, denn Jericho hatte wirklich sehr beeindruckende und als uneinnehmbar geltende Stadtmauern. Joshua zieht also los und erkundet spät noch einmal das Land. Dabei begegnet er einem fremden Krieger.
Diese Begegnung wollen wir nun näher betrachten. Joshua geht bei Nacht und spät das Gelände um Jericho herum ab und sieht sich plötzlich einem großen Krieger mit gezücktem Schwert gegenüber. Ich finde es schon enorm, dass er auf diesen Krieger zugeht. Ich weiß nicht, was ich getan hätte. Es war offensichtlich niemand von den Israeliten, aber der Krieger war auch alleine.
Vielleicht dachte Joshua: „Na ja, das kriege ich schon hin, den schaffe ich noch.“ Also geht er auf ihn zu. Bevor ich auf die weiteren Gesprächsabschnitte eingehe, möchte ich auf diese Person eingehen.
Dieser große Krieger bezeichnet sich selbst als der Anführer der Heerscharen des Herrn. Andere Übersetzungen sagen auch der Oberste oder der Fürst des Heeres des Herrn. Worüber sich die Theologen ziemlich einig sind, ist, dass es hier um eine Präsenz Gottes geht. Es handelt sich um einen Engel, den Engel des Herrn. Eigentlich ist es Jesus Christus selbst, der hier in der Gestalt des Engels des Herrn vor Joshua steht.
Parallelen zu Mose und die Bedeutung des Schuhwerks
Vierzig Jahre zuvor hat Gott Folgendes zu Mose gesagt, was wir in 2. Mose 23,20-21 nachlesen können. Dort verspricht Gott: „Ich werde einen Engel vor euch hersenden, der euch auf dem Weg bewahrt und in das Land bringt, das ich für euch bestimmt habe. Achtet ihn und hört auf seine Worte! Widersetzt euch ihm nicht, denn er wird euch nicht vergeben, wenn ihr euch gegen ihn auflehnt. Denn ich selbst bin in ihm gegenwärtig.“
Jesus begegnet hier der Gegenwart Gottes. Mose hatte übrigens eine ganz ähnliche Begegnung zu Beginn seiner Leitungszeit, als er berufen wurde, nach Ägypten zurückzukehren. Das lesen wir in 2. Mose 3,2-6, einem sehr bekannten Text. Da erschien ihm der Engel des Herrn in einer Feuerflamme, die aus einem Dornbusch schlug. Mose sah, dass der Busch zwar in Flammen stand, aber nicht verbrannte. „Das ist ja seltsam“, sagte er zu sich selbst, „warum verbrennt dieser Busch nicht? Das muss ich mir näher ansehen.“
Als der Herr sah, dass Mose herankam, um es genauer zu betrachten, rief er ihn aus dem Busch heraus: „Mose, Mose!“ „Hier bin ich“, antwortete Mose. „Komm nicht näher“, befahl Gott. „Zieh deine Sandalen aus, denn du stehst auf heiligem Boden. Ich bin der Gott deiner Vorfahren, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“
Mose begegnet hier in der Gestalt eines Engels. Gott offenbart sich als der große Gott, der einzige Gott, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Ganz parallel zu dieser Aufforderung, die Schuhe auszuziehen, weil man auf heiligem Boden steht, sagt der Engel, dem Josua begegnet, genau dasselbe: „Zieh deine Schuhe aus, zieh deine Sandalen aus, denn du stehst auf heiligem Boden.“
Hier möchte ich noch etwas zu diesen Schuhen sagen, denn das ist eigentlich auch ganz interessant. Warum sollen diese Sandalen ausgezogen werden? Das hat offensichtlich eine wichtige und große Bedeutung, wenn bei diesen heiligen Begegnungen immer wieder gesagt wird: „Zieh deine Sandalen aus.“ Schuhe oder Sandalen haben tatsächlich eine besondere Bedeutung in Israel. Sie stehen für Freiheit und Selbstbestimmung. Sklaven trugen keine Schuhe. Jemand, der sich selbst bestimmen konnte und Autorität hatte, trug Schuhe.
Deshalb wurden in Israel zum Beispiel auch bestimmte Vertragsabschlüsse dadurch besiegelt, dass man Schuhe austauschte oder einen Schuh übergab. Das kann man im Buch Ruth sehr schön nachlesen. Das bedeutete, dass die Person, die diesen Schuh weitergegeben hat, auch das Recht und die Autorität hatte, den Vertrag einzugehen und zu honorieren. Schuhe stehen also für Selbstbestimmung, Freiheit und Autorität.
Und da, wo Josua genau wie Mose aufgefordert werden, die Schuhe auszuziehen, weil sie auf heiligem Boden stehen, wird ausgedrückt: Das ist nicht der Ort deiner Selbstbestimmung, das ist nicht der Ort deiner Autorität, sondern der Ort von Gottes Autorität. Mose und Josua geben im Prinzip ihre Freiheit auf, geben ihre Selbstbestimmung auf, ziehen die Schuhe aus und unterwerfen sich Gott.
Dieses Niederwerfen, wie auch das Schuhe-Ausziehen, hat etwas mit Unterwerfung zu tun. Das ist ein Begriff, den wir heute vielleicht nicht mehr so cool finden, der aber wichtig ist. Es geht darum, Gott anzubeten und auch darum, den eigenen Willen Gottes Willen zu unterstellen. Und genau das passiert hier. Josuas erste Reaktion, genau wie die von Mose, ist, dass sie niederfallen, anbeten und die Schuhe ausziehen.
Das Gespräch zwischen Joshua und dem Heerführer und seine Bedeutung
Und das zeigt sich jetzt auch noch einmal in diesem Gespräch, auf das ich nun eingehen möchte. Es ist ein sehr spannendes Gespräch. Es ist zudem recht kurz, nicht sehr lang, was wir hier lesen.
Joshua geht mutig auf diesen Krieger zu und stellt ihm die eine Frage, die für ihn natürlich die allerwichtigste ist: Bist du für uns oder für unsere Feinde? Bist du für uns oder gegen uns? Das ist eigentlich eine verständliche Frage.
Die Antwort jedoch ist für mich wesentlich weniger verständlich. Ich fand sie zunächst extrem verwirrend, denn dieser Krieger sagt, der Engel des Herrn, die Präsenz Gottes, sagt: Weder noch. Das ist erst einmal sehr seltsam. Es macht auf den ersten Blick keinen Sinn.
Schauen wir zum Beispiel noch einmal auf diesen Text im Zweiten Buch Mose zurück, wo Gott Mose verspricht, dass der Engel vor ihnen hergehen wird, dass sie ihm gehorchen sollen und dass es wichtig ist, diesem Engel des Herrn zu folgen. Der Engel des Herrn wird vorausgehen.
Im nächsten Vers, den ich eben noch nicht gelesen habe, steht in Vers 22: „Wenn ihr aber gewissenhaft darauf bedacht seid, ihm zu gehorchen, indem ihr alles tut, was ich euch sage, dann werde ich ein Feind eurer Feinde sein und die bedrängen, die euch bedrängen.“
Man merkt hier gleich wieder, dass Gott in der Ich-Form redet: „Ich werde da sein, ich werde die Feinde bedrängen.“ Doch es steht auch eindeutig, dass Gott für Israel kämpfen wird, dass er auf der Seite Israels steht.
Das ist doch eigentlich klar. Warum sollte der Engel des Herrn sonst hier auftauchen? Warum sollte der Engel des Herrn, der Heerführer, der Heerscharen des Herrn, sonst hier warten, wenn nicht, weil er auf Israels Seite kämpfen wird? Weil er für Israel und mit Israel kämpfen wird?
Wie kann da die Antwort lauten: Weder noch?
Ich glaube, gerade in dieser Antwort wird deutlich, dass es nicht darum geht, was Josuas Wille ist oder was Israels Wille ist, was Josuas Pläne sind. Es geht nicht darum, ob Gott auf der Seite Josuas steht oder auf der Seite Israels.
Es geht um etwas anderes. Der Krieger sagt: Weder noch. Aber als der Anführer der Heerscharen des Herrn bin ich jetzt hier.
Es geht darum, ob Joshua auf der Seite Gottes steht. Und das ist ein entscheidender Unterschied.
Praktische Erfahrungen aus Tansania und die Haltung der Nachfolge
In Tansania haben wir als Leiter oft zusammengesessen und geplant. Einmal im Jahr hatten wir sogenannte strategische Planungssessions, die eine ganze Woche dauerten. In dieser Zeit haben wir uns mit dem Team zusammengesetzt und Pläne gemacht.
Wir haben die Situation analysiert, die verfügbaren Ressourcen betrachtet und unsere Ziele überprüft. Daraus haben wir logische und umsetzbare Pläne entwickelt – solides strategisches Planen eben. Anschließend haben wir unsere Pläne, die wir sorgfältig ausgearbeitet und für gut befunden hatten, vor Gott ausgebreitet. Wir haben gesagt: Herr, segne, was wir geplant haben, segne unsere Aktivitäten und geh mit uns, wenn wir vorwärtsgehen wollen.
Ich muss auch sagen, dass das oft genug funktioniert hat. Gott lässt uns in solchen Situationen nicht im Stich und auch nicht auflaufen. Dennoch hatten wir immer das Gefühl, dass da noch mehr ist. Dass wir die Möglichkeiten nicht vollständig ausschöpfen. Dass wir viel ackern und arbeiten, aber nicht wirklich das sehen, was wir sehen sollten. Dieses Gefühl, dass da noch mehr ist, blieb bestehen.
Die Grundlage dieses Textes, den wir gemeinsam gelesen haben, versucht, unsere Einstellung zu verändern. Wir wollten anders an die Sache herangehen. Nicht mehr unsere eigenen Pläne und Gedanken ausarbeiten, um dann Gott zu bitten, mitzugehen. Stattdessen wollten wir sehen, wo Gott sich bewegt und etwas tut, und dort mitmachen. Nicht Gott bitten, bei uns mitzumachen, sondern dass wir bei Gott mitmachen.
Ich glaube, es gibt drei entscheidende Punkte, um diese Haltung zu ändern und diese Entscheidung zu treffen. Diese lernen wir aus der Begegnung von Josua und dem Engel des Herrn.
Die drei Grundpfeiler der Nachfolge
Das Erste ist die Anbetung. Es bedeutet wirklich, in die Anbetung einzutreten und Gott den Platz zu geben, der ihm gebührt. Es heißt, zu sagen, wer Gott ist: unser Herr, unser Heiland, der mächtige Schöpfer der Welt und der Herrscher über alles.
Das Zweite ist, dass wir unseren Willen dem Willen Gottes unterstellen. Diese Unterwerfung wird oft durch das Knien deutlich. Ebenso zeigt sich dies darin, dass wir die Schuhe ausziehen und Gott die Bestimmung über unser Leben geben. Wir erkennen Gott als den Herrn über unser Leben an.
Das Dritte ist, zuzuhören, zu fragen und aufmerksam zu sein. Josua fragt: „Was befiehlst du?“ Der Engel des Herrn erklärt daraufhin, was sie tun sollen. Sie sollen siebenmal um die Stadt herumlaufen, die Trompeten blasen und so weiter. Vielleicht kennen wir die Geschichte: Am siebten Tag, nach dem siebten Mal Trompetenblasen, stürzen die Mauern von Jericho ein, und die Stadt kann eingenommen werden.
Nachfolge beginnt immer mit Anbetung. Sie beginnt damit, dass wir Gott den obersten Platz einräumen, ihn anbeten, unseren Willen seinem Willen unterordnen und aufmerksam zuhören, wo Gott wirkt.
Die praktische Umsetzung von „Sandals first“ in Tansania
Wir hatten, wie gesagt, in Tansania dieses geflügelte Wort: "Sandals first". Wenn wir das Gefühl hatten, dass wir uns gerade wieder in unseren eigenen Plänen und Gedanken verrennen, hat irgendjemand gesagt: "Sandals first".
Dann sind wir erst einmal ins Gebet gegangen. Dabei beteten wir nicht in der Fürbitte, also nicht für die Aktivitäten oder die Pläne, sondern in der Anbetung. Wir sind in die Anbetung gegangen, haben Gott den Platz gegeben, der ihm gebührt, und das hat etwas verändert.
Es hat uns auf der einen Seite an vielen Stellen mutiger gemacht. Wir haben vielleicht Methoden und Praxisgedanken aufgenommen, bei denen wir gar nicht wussten, ob wir das hinkriegen, ob wir die Ressourcen und das Wissen dafür haben. Gleichzeitig haben wir unsere Arbeit klar unter die Leitung der Kirchen vor Ort gestellt.
Auf der anderen Seite hat es uns auch geduldiger gemacht. Wir haben manche Pläne beiseitegelegt, wenn wir das Gefühl hatten, dass es noch nicht dran ist. Wir haben Projekte nicht begonnen, weil wir gesagt haben: Wir sind noch nicht ganz so weit, wir müssen noch ein bisschen warten.
In diesem Jahr konnten im Südwesten von Tansania trotz Corona und vieler Schwierigkeiten fünf Neue Testamente übergeben werden – nach fast zwanzig Jahren oder sogar gut zwanzig Jahren Arbeit. Was für ein Geschenk!
In Beer, in dieser Region, wurde in den letzten Jahren an dreizehn Sprachgruppen gleichzeitig gearbeitet. Dieses Gruppenprojekt ist entstanden, weil eine Familie genau das getan hat: Sie hat ihre eigenen Pläne beiseitegeschoben, angehalten und Gott gefragt: Was sind deine Pläne? Wo bewegst du dich? Wo willst du etwas tun? Wo können wir mitmachen?
Sie haben in einer Sprachgruppe angefangen, bei den Zangu, und dort vier Jahre gearbeitet. Dann sind sie in den Heimataufenthalt gegangen. Als sie zurückkamen, stellten sie fest, dass alles weg war, was sie dort gemacht hatten. Sie erkannten, dass es ihre eigenen Pläne, Strategien und Ziele waren, die nicht die erhoffte Frucht gebracht hatten.
Also haben sie angehalten, sind auf die Knie gefallen, haben angebetet, gefragt, beobachtet und geschaut: Was ist dein Wille, Herr? Was willst du tun?
Dann haben sie in Partnerschaften investiert, anstatt in Übersetzungsworkshops. Sie haben mit Kirchenleitern gesprochen, anstatt nur mit Muttersprachlern die Sangu-Sprache weiterzulernen. Das schien damals alles eigentlich völlig kontraproduktiv, aber es war richtig.
Es war ein Beten und ein Schauen, wo Gott sich bewegt. Daraus ist dieses große Projekt entstanden, aus dem jetzt schon fünf Neue Testamente hervorgegangen sind – und weitere Folgen im nächsten Jahr.
Übrigens war die letzte NT-Übergabe in diesem Jahr im November die Übergabe des Neuen Testaments an die Sango-Sprecher. Was für ein Geschenk!
Gott ist gut. Anbetung ist der Anfang und das Ende von Nachfolge. Wir werden auch einmal vor Jesus stehen und in Ewigkeit anbeten. Aber Nachfolge beginnt auch immer mit der Anbetung.
Anbetung beginnt immer mit der Anbetung, denn in der Anbetung drücken wir aus, wer Gott ist: der Herr, der Herrscher, der große Schöpfer der Welt und unser Herr. Und wir unterstellen uns seinem Willen.
Die Haltung in der Nachfolge und der Weg mit Gott
Natürlich geht es immer auch darum, vorwärtszugehen. Wer mich schon einmal predigen gehört hat oder die Bibelarbeiten bei der Jumiko der letzten Jahre verfolgt hat, weiß, dass ich ein großer Verfechter der Ansicht bin, dass es nicht diesen einen schmalen Weg gibt, den wir treffen müssen, den einen Willen Gottes für unser Leben, und dass auf alles andere kein Segen Gottes liegt.
Nein, ich glaube, dass Gott mit uns geht, dass er uns begleitet und segnet. Er segnet auch unsere Aktivitäten, ob wir nun in Deutschland oder im Ausland sind. Oft kommt es gar nicht darauf an, wo wir sind, solange wir wirklich versuchen, den Willen Gottes zu tun.
Ich glaube, dass es darauf ankommt, eine Haltungsänderung vorzunehmen. Wir sollten nicht immer versuchen, unsere eigenen Pläne umzusetzen, sondern uns immer wieder Zeit nehmen, um zu hören: „Gott, was willst du? Was sind deine Pläne? Wo bewegst du etwas?“ Und dann mitzugehen, wo Gott etwas bewegt.
Wir werden bei Wycliffe weiterhin solide strategische Planungen machen. Wir werden überlegen, was unsere Ziele sind, wie wir diese erreichen können, welche Ressourcen uns zur Verfügung stehen und wie es weitergehen soll.
Aber wir wollen das immer in einer Haltung der Anbetung tun und stets beobachten, wo Gott etwas bewegt und wo wir mitgehen können. Es geht nicht darum, auf welcher Seite Gott steht, sondern darum, auf welcher Seite wir stehen.
Abschluss und Ermutigung zum mutigen Glauben
Ich möchte mit einer Aufforderung enden, die wir vielleicht alle schon einmal gehört haben. Sie stammt von Gott an Josua, als er ihn beruft. Diese Worte finden wir in Josua 1,9.
Ja, ich sage es noch einmal: Sei mutig und entschlossen! Lass dich nicht einschüchtern und hab keine Angst. Denn ich, der Herr, dein Gott, stehe dir bei, wohin du auch gehst. Amen.
