Herzlich willkommen zum Podcast der IFA Stuttgart mit Thomas Powileit und Michael Happle. Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zum theologischen Denken anregen.
Christen sollten davon erzählen können, wie sie Gott erlebt haben – im persönlichen Leben, aber auch in der Gemeinde, in die Gott sie gestellt hat. Auch wir hier in Stuttgart haben im Laufe der Jahre immer wieder erfahren, wie Gott uns als Gemeinde geführt hat.
Dabei hat Gott oft einzelne Menschen gebraucht, die ihre Macken und Schwächen hatten. Dennoch haben sie sich Gott zur Verfügung gestellt, und Gott hat ihr Leben gebraucht, um sich groß zu machen.
Das ist auch das Ziel dieses Podcasts. Wenn wir heute über diese Menschen sprechen, wollen wir nicht sie groß machen, sondern unseren Gott.
Heute ist Michael Happle bei uns, Pastor hier in der Evangelischen Freikirche Evangelium für alle. Michael, du warst nicht von Anfang an dabei, als Gott begann, die Gemeinde zu gründen. Aber als die Gruppe von Christen dann Gemeinde werden wollte, wurde dich hier nach Stuttgart geholt. Du kanntest die meisten Leute und Gottes Geschichte mit ihnen, um die es in diesem Podcast geht. Du kannst uns also erzählen, was Gott von Anfang an getan hat.
Gott hat ja im Wesentlichen drei Frauen gebraucht für die Gründung unserer Gemeinde. Wer waren sie? Vielleicht stellst du uns mal eine von ihnen vor.
Ja, sehr gerne. Maria Kuhn, so hieß eigentlich die Frau, mit der mehr oder weniger alles begann, die aber von der heutigen Gemeinde wahrscheinlich kaum noch jemand kennt. Sie wurde geboren um die vorletzte Jahrhundertwende. Sie war selber an Jesus Christus gläubig. Sie hat Kindergottesdienste gehalten, um Kindern Jesus lieb zu machen und, wie sie es schrieb, Kinder zum guten Hirten zu führen.
Als junge Frau verlobte sie sich mit einem gläubigen Mann, der die gleiche Gesinnung hatte wie sie. Aber sehr tragisch: Wenige Tage vor der Hochzeit wurde er sehr schwer krank und verstarb innerhalb weniger Tage. Am Sterbebett konnte sie ihm aber noch sagen, dass sie bereits ein Kind von ihm erwartete. Das brachte ihn dazu, mit noch viel größerer Not und großer Verzweiflung, auch wegen der empfundenen Schuld, zu sterben.
Sie bekam viele tröstliche Worte wegen des Todes ihres Verlobten, die aber keine Wirkung hatten, weil die Sünde ihres Lebens, die ihr Gewissen plagte, zunächst noch verborgen blieb und vor Gott nicht geordnet war. So wie es in Jesaja 59 heißt: „Siehe, des Herrn Arm ist nicht zu kurz, dass er nicht helfen könnte, und seine Ohren sind nicht taub geworden, so dass er nicht hören könnte, sondern eure Verschuldungen scheiden euch von eurem Gott.“
Gewissermaßen war Gott für sie verhüllt, und deswegen kam der Trost bei ihr auch nicht an, weil sie ihre Schuld verbarg. Eine ganz tiefe Scham bewegte sie mit dem Gedanken: Was hast du dem Herrn für eine Schande bereitet?
Da gab es eine wohlmeinende Nachbarin, der sie sich wohl irgendwie anvertraut hatte. Diese hatte eine, in Anführungszeichen, hilfreiche Idee. Was als Selbstbefreiung gedacht war, war eigentlich eine Abtreibung. Das führte sie in eine noch tiefere Gewissensnot, weil sie ja auch dieses Kind auf dem Gewissen hatte.
Sie hatte nicht nur Gottes Gebot bezüglich der Sexualität übertreten, sondern war auch zur Mörderin ihres Kindes geworden, so hat sie das später gesagt. Sie blieb weiter allein mit ihrer Not.
Irgendwie kam die Kriminalpolizei ihr auf die Schliche. Ich weiß nicht, woher die davon erfahren hatten, aber sie befragten sie gründlich. Schließlich wurde sie zu sechs Wochen Haft verurteilt. Das war damals noch die Folge einer Abtreibung.
Von der gläubigen Kinderstundenlehrerin, die sie gewesen war, und glücklichen Braut war sie jetzt eine Frau geworden, die geplagt war vom Übertreten Gottes Gebote, sich schuldig fühlend, weil sie ihre sexuelle Reinheit verloren hatte, den Mord am eigenen Kind begangen hatte, schließlich Gefängnis hatte und wegen all dem auch noch von vielen Freunden und Nachbarn verlassen wurde.
Und da, so schrieb sie einmal, wurde ihr Jesaja 54,10 zum Trost: "Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, deiner Barmherziger."
Auch wenn unsere Schuld nicht umkehrbar scheint, gibt es eine Generalamnesie Gottes. Ihr wurde ein Satz von Charles Haden Spurgeon ins Gefängnis geschickt: "Die Herrlichkeit Gottes wird einmal am hellsten aufleuchten, wenn die drei Mörder Mose, David und Paulus den Himmelssaal betreten." So kann man es auch sehen, ja.
Sie hatte aus Gottes Gnade Vergebung erfahren, und Bußpsalmen, insbesondere Psalm 51, wurden ihr zu einer heilenden Begegnung mit Gott. Auch die Verheißung aus Jesaja 54,13 gab ihr trotz des verlorenen Kindes eine Perspektive: "Alle deine Kinder sind Schüler des Herrn, und großen Frieden haben deine Kinder." Das gab ihr eine Ahnung, dass sie vielleicht geistliche Kinder haben würde.
Das Wort aus Jeremia 33 wurde ihr auch im Gefängnis zum Trost: "Rufe mich an, so will ich dir antworten und will dir kundtun große und unfassbare Dinge, von denen du nichts weißt." Eine unglaubliche Gnade und Ermutigung durch den Herrn, der ihr eine Perspektive gab.
Wenn wir Buße tun, das heißt, ins Licht vor Gott kommen, so wie es war, dann kann der Herr Großes tun – sogar Dinge, die wir uns in den kühnsten Träumen nicht ausgedacht hätten. Das hat man bei ihr gesehen, ja. Absolut. Ich werde darüber noch weiter berichten und demnächst sogar über Ähnliches predigen, wie Gott aus einem Gericht, einer Strafe wegen unserer Schuld, Großes machen kann.
Nun, sie wurde im Gefängnis dankbar, sogar für die Strafe Gottes, weil sie echte Vergebung fand. So wurde sie zu einer Mutter von vielen Elenden, Armen, Kranken, Prostituierten und Süchtigen. Das war so ein Merksatz: Gottes Erbarmen hatte sie barmherzig gemacht.
Und obwohl sie ihre Mutterschaft weggeworfen hatte, wurde sie zu einer Mutter vieler Menschen. Sie war vierzig Jahre lang das Herz der beginnenden Gemeindearbeit. Schwester Ruth Dietrich, von der wir gleich noch sprechen, war die Visionärin, die Leiterin und Verkündigerin. Schwester Gertrun war die Verwalterin und Organisatorin. Maria, die Mutter, war das Herz des beginnenden Kreises. Daher kam wohl auch ihr Titel: Man nannte sie nämlich nur "Tante Maria" – also in dem Kreis selbst, im Giebelkreis, der da entstand.
Maria hatte während der Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs mit zwei Luftschutzhelferinnen, deren Namen ich leider nicht kenne, im Bunker zum Herrn geschrien – um Bewahrung und auch für geistliche Erweckung in unserem Land. Sie wurden dann mit einem Seelsorger in Verbindung gebracht, der später mit noch zwei anderen Predigern öfter nach Stuttgart kommen würde.
Dieser Mann hieß Marcel Salzmann. Er half ihnen besonders, Befreiung von Belastungen, auch okkulten Belastungen, in ihrem Leben zu finden, die ihr geistliches Leben blockierten.
So weit mal einige Gedanken zu Tante Maria, also zu Maria Kuhn.
Du hast eben schon erwähnt, dass auch eine andere Frau sehr wichtig war. Ich fand es spannend, wie du gesagt hast, dass sie sich ergänzten. Sie standen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern wussten, dass sie einander brauchten.
Diese Frau heißt Ruth Dietrich. Sie ist jetzt vielleicht seit ungefähr zehn Jahren verstorben, und viele kennen sie natürlich nicht mehr. Dennoch hat sie unsere Gemeinde ganz wesentlich geprägt.
Was würdest du über sie erzählen, wenn ich dich fragen würde, was an Ruth Dietrich besonders wichtig war?
Ich habe sie als junger Bursche auf einer Jugendfreizeit kennengelernt. Sie strahlte eine solche Autorität aus, dass wir selbstbewussten Jungs gewissermaßen die Hände an die Hosennaht gelegt haben.
Später, als ich Bibelschüler war und Unterricht über Seelsorge an Kranken und Sterbenden gab, saßen wir mit feuchten Augen vor ihr, ergriffen von ihrer Liebe und Barmherzigkeit. Das war für mich sehr erstaunlich.
Sie war eine echte Schwäbin und stammte aus Kuchen bei Geislingen, aus dem Haus eines Autohändlers. Geistlich wuchs sie in einer sogenannten Darbist- und Versammlungsgemeinde auf, wie sie es nannte. Das sind die sogenannten geschlossenen Brüder, wie man sie heute nennt.
Mit 14 Jahren wurde sie zusammen mit ihrer Zwillingsschwester vom Wort Gottes so tief getroffen, dass sie ihr Leben Jesus ausgeliefert haben. Ruths Gebet war: „Herr, führe mich den Weg, der mich am nächsten zu dir führt. Und wenn ich dir nicht gehorche, dann klopf mir auf die Finger, damit ich dich verstehen kann.“
Später hat Schwester Ruth das so ausgedrückt: Gehorsam ist eine Liebesfrage.
Sie wurde Krankenschwester im Marienhospital hier in Stuttgart. Dort hatte sie eines Tages eine Patientin, die wir bereits aus dem Podcast kennen. Diese Frau half ihr, schwer Verwundete während Bombenangriffen in den Bunker zu bringen und sie zu versorgen.
Das war Maria Kuhn, von der du eben berichtet hast.
Was Schwester Ruth besonders auffiel, war die Liebe, die Maria Kuhn zu Jesus hatte – und damit auch zu den Patienten.
Als Maria entlassen wurde, gab sie Schwester Ruth ihren Wohnungsschlüssel in der Möhringer Straße in Stuttgart-Heslach, damit sie sich dort zur stillen Zeit mit dem Herrn zurückziehen konnte.
Maria öffnete nicht nur ihre Wohnung, sondern auch ihr Herz. So begann eine einzigartige Freundschaft.
Aus dieser Wohngemeinschaft entstand dann ein Hauskreis. Die Idee des Hauskreises ist also gar nicht so modern, wie wir oft denken.
In diesem Hauskreis übernahm Schwester Ruth die Verkündigung der Bibelarbeiten für Frauen. Das waren Frauen, die sonntags in anderen Gemeinden im Gottesdienst saßen, aber in diesem Hauskreis eine besondere geistliche Gemeinschaft pflegten.
Vielleicht noch einmal als kurze Frage: Wurde Schwester Ruth so genannt, weil sie Krankenschwester war, oder wollte man damit etwas anderes ausdrücken? Eigentlich war es etwas anderes.
Es war so, dass Schwester Ruth als Krankenschwester nicht mehr im Krankenhaus arbeitete, sondern in der Suchtkrankenfürsorge der Inneren Mission tätig war. So nannte man das damals. Dort hatte sie den Amtstitel „Schwester Ruth“, weil sie Krankenschwester war. Dieser Titel übertrug sich später auch ins Gemeindeleben, wie später auch bei Schwester Gertrud, die wir noch erwähnen werden.
In der Suchtkrankenfürsorge arbeitete sie mit süchtigen und psychisch kranken Menschen. In ihrer kleinen Wohngemeinschaft nahmen sie immer wieder Menschen auf. Besonders Tante Maria hatte das Erbarmen Gottes erlebt. Worte wie Jesaja 58 wurden für sie zum Leitvers: „Brich dem Hungerigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen Nackten siehst, so kleide ihn, dann wird ein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte. Deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen.“
Sie merkten, dass die Süchte, in denen die Menschen gefangen waren, nicht selten ihren Ursprung in okkulten Belastungen hatten. Diese führten zu satanischen Bindungen und zu krankhafter Willensschwäche. Deshalb war ihr Dienst nicht nur sozial, sondern auch geistlich.
Ich erwähnte vorhin Marcel Salzmann, einen Seelsorger aus dem Elsass. Er war eng verbunden mit zwei anderen Männern, Emil Krämer und Ernst Stalter, die aus Nazigefängnissen befreit worden waren. Sie kamen öfter mit Marcel Salzmann nach Stuttgart und andere Orte, um sogenannte Heiligungskonferenzen durchzuführen. Dadurch wurden sie geistlich noch weiter gefördert.
Übrigens kam in jener Zeit auch Elisabeth Seiler öfter in den Kreis. Sie war als Chinamissionarin der Liebenzeller Mission tätig, und manche von uns kennen ihre Bücher. So begann auch die Leidenschaft für weltweite Missionsarbeit.
Das heißt, hier waren zwei Frauen, die den Herrn Jesus liebten und zusammen in einer Wohngemeinschaft lebten. Sie nahmen andere Menschen bei sich auf, öffneten ihr Haus und studierten gemeinsam mit ihnen die Bibel. So begann langsam ein Hauskreis, der immer größer wurde.
Ja, genau. Immer mehr Frauen, die dorthin kamen, hatten dort ihr geistliches Lebenszentrum. Das war schließlich die Vorstufe für unsere beginnende eigentliche Gemeindearbeit, weil die Menschen einfach da zu Hause waren.
Besonders auffällig bei Ihnen ist, dass Sie, wie Du sagst, Ihr Haus auch für Menschen mit Nöten geöffnet haben. Sie haben nicht nur geredet, sondern das sehr praktisch gelebt.
Wenn Du hier auch von Emil Krämer und Ernst Alter sprichst, dann hatten sie den Blick dafür, bei solchen Konferenzen auch Leute von außen einzuladen. Es mussten nicht immer sie selbst sein. Ihnen ging es einfach darum, dass Gott an den Herzen wirkt.
Durch die Prägung von Schwester Ruth aus den geschlossenen Brüdern war ihr klar, dass öffentliche Veranstaltungen oder auch Gemeindearbeit eine Verantwortung für Männer sind. Deshalb hielt sie sich immer zurück und war froh über die Ergänzung durch diese Brüder. Zumal in diesem Kreis mit der Zeit nicht nur Frauen kamen, sondern manchmal auch Männer, die ja auch ein Gegenüber brauchen.
Wenn Du von Glaubenskonferenzen sprichst: Früher wurden bestimmte Namen verwendet. Wie stellt man sich das vor? Wie groß waren die? Nun ja, das waren manchmal ganze Wochenenden, manchmal auch einzelne Tage, an denen dreimal am Tag Bibelarbeiten gehalten wurden – durch die genannten Brüder, ohne viel Rahmenprogramm. Es kamen, ich würde sagen, plus minus hundert Leute zusammen, manchmal auch mehr, aus verschiedenen Gemeinden und Gemeinschaften.
In meiner Heimat, wo ich herkomme, fanden solche Konferenzen ebenfalls jedes Jahr statt.
Wir haben über diese zwei Frauen gesprochen, dann stieß irgendwann die dritte Frau im Bunde dazu. Vielleicht kannst Du sagen, wer das war und wie sie in die Wohngemeinschaft, die Zweier-WG, hineinpasste.
Ja, sehr gut, oder sehr gerne. Unser 53. Schließlich stieß Schwester Gertrud Fischer dazu. Man nannte sie auch Trude oder, wie wir sie nannten, Tante Trude. Sie war Praktikantin bei Schwester Ruth in der Suchtkrankenpflege, daher kannten sich die beiden. Sie nahmen sie dann mit in diesen kleinen Kreis.
Gertrud Fischer war Tochter eines Bankdirektors und daher die Verwaltungsfrau, die alles Schriftliche regelte. In den vielen Betreuungsaufgaben, gerade auch für suchtkranke und psychisch Kranke, füllte sie die nötigen Formulare aus.
Sie beteten dann um eine größere Wohnung, was nach dem Krieg für drei ledige Frauen eigentlich ein Unding war. Trotzdem bekamen sie eine Wohnung in der Schickardstraße, ich glaube Nummer 16, auch in Stuttgart-Heslach. Dort hatten sie mehr Platz für Versammlungen, zum Leben selbst und um Leute aufzunehmen.
Diese drei Frauen waren sehr verschieden – sowohl in Begabung als auch in Persönlichkeit. Sie mussten lernen, einander anzunehmen, wenn man so eng zusammenlebte.
Schwester Ruth schrieb einmal: „Kannst du dich beugen, dann bist du Öl in der Gemeinschaft. Kannst du dich nicht beugen, bist du Salz auf die Wunden in der Gemeinschaft.“ Das war so ein typischer Satz.
Oder eine andere passende Aussage: „Zuerst muss ich den anderen im Fleisch annehmen, also in seiner natürlichen Art, dann wirkt der Herr durch meine Liebe. Aber erst müssen wir annehmen.“
Dieser Kreis hatte die persönliche Zurüstung zum Thema. Mit der Zeit begannen auch Missionsgebietsstunden, etwa ab 1960, zum Beispiel mit Elisabeth Seiler, die ich schon erwähnt habe.
Dann lernten sie Bruder David Batchelor kennen, der den deutschen Zweig von heute WEC International gründete. Mit ihm kamen sie in Verbindung, und damit wuchs auch das Interesse an Weltmissionen.
Sie lernten auch Wim Malgo kennen, der damals eine Radiomission begann. Später wurde daraus der „Mitternachtshuf“. Mit diesen Männern führten sie mehrere Missionskonferenzen durch – mit einem etwas anderen Schwerpunkt als den Heiligungskonferenzen.
Das war ein ganz neuer Zug, der unsere werdende Arbeit stark prägen sollte – für die künftige Zeit im Gebet und eine ungemeine Spendenbereitschaft.
Eine Schwester packte bis zu hundert Pakete im Jahr in ihrer Garage. Sie hatte nie ein Auto, aber eine Garage, in der sie Pakete packte. Diese gingen in alle Welt zu Missionaren, in Zeiten, in denen man in Westafrika die meisten Sachen noch nicht kaufen konnte.
Das war eine ganz neue Betonung.
War das die Schwester, von der ich gehört habe, dass sie eine Liste hatte, welche Größen die einzelnen Missionare hatten?
Ja, ganz genau. Wenn die Missionare im Heimataufenthalt waren, mussten sie ihre Daten abliefern. Dann bekamen sie passende Kleider geschickt. Sie kaufte ein, wenn es Sonderangebote gab, irgendwo beim Discounter.
Im August backte sie schon Weihnachtsgebäck, wie man hier sagt, und verschickte es, damit es an Weihnachten dort war.
Das war unglaublich liebevoll und breit aufgestellt. Es wurde nicht nur auf geistliche Wahrheiten konzentriert, sondern immer der Mensch mit all seinen Bedürfnissen gesehen.
Das war sehr prägend.
„So, und jetzt waren Sie so richtig im Schuss“, würde Schwester Ruth sagen. Und mitten hinein wurde sie schwer krank. Sie erkrankte an Morbus Addison. Das heißt, die Nebennieren, die das Kortison produzieren, waren nicht mehr funktionsfähig. Ohne medikamentöse Hilfe kann ein Mensch in diesem Zustand nicht überleben.
Sie lag wirklich im Sterben und man hatte sie mehr oder weniger aufgegeben. Doch da kam dieses vielleicht paradoxe Handeln Gottes. Genau in dieser Situation fühlte sie sich von Gott berufen, Stuttgart zu verlassen und dem Herrn in Übersee zu dienen. Menschlich betrachtet war das nicht nur unmöglich, es war schlicht und ergreifend verrückt. Das sagten ihr auch alle Ärzte. Sie würden ihr niemals ein Tropentauglichkeitszeugnis ausstellen.
Aber Gott hatte sie gerufen. Im Vertrauen gab sie Gott ein Ja. Sie sagte: „Und wenn ich am Stock gehen müsste, ich würde gehen.“ Als sie Ja gesagt hatte zum Ruf Gottes, setzte die Besserung ein. Das Wort aus Psalm 118 bewegte sie: „Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen.“ Und dann ging sie.
Ich glaube, das war 1962 zum ersten Mal. Immer für eine gewisse Zeit, zwei, drei Jahre, dann war sie wieder eine Weile hier. Zunächst in Liberia und später in Gambia, beides in Westafrika. Die Schikardstraße, dort, wo die Bibelkreise stattfanden, war gewissermaßen die Heimatfront. Sie sagte oft: „Und die Beter wurden über den Thron alarmiert.“
Damals gab es ja kein WhatsApp oder E-Mail, um mal schnell Nachrichten zu schreiben. Die Beter wurden oft von Gott alarmiert: „Jetzt müssen wir beten, jetzt ist es gerade dringend.“ Schwester Gertrud, die eigentlich nicht die große Rednerin war, führte den Kreis, hielt Bibelstunden. Tante Maria blieb die Seele der ganzen Arbeit.
Mit Brüdern aus der Region, insbesondere Männer wie Hartmut Hüttner und später Paul Jetter, wurde dieser Kreis geistlich weiter betreut. Nebenbei, als Schwester Ruth so schwer krank war, kam eine Krankheitsvertretung zu Schwester Gertrud in die Suchtkrankenfürsorge: eine junge Frau namens Annemarie Rieber.
Dann kam ein anderer Praktikant dazu, Paul Rehm. Und wie es halt so kam, haben die beiden geheiratet. Weil die Freundschaft nun geknüpft war, wurde Schwester Gertrud zu Tante Trude, nämlich der Patentante der ersten Tochter dieses jungen Ehepaares, meiner heutigen Ehefrau Dorothee. Deshalb war sie für mich später auch Tante Trude. So waren die Verbindungen.
Ja, eine spannende Geschichte. Es ist faszinierend, wie Gott es macht. Er ruft eben diese zwei Frauen. Es entsteht ein kleiner Hauskreis, der sich dann zu Glaubenskonferenzen entwickelt. Sie werden sichtbar, holen andere Leute dazu. Du hast eben berichtet, wie diese Sehnsucht auch in anderen Ländern gewachsen ist, den Namen des Herrn Jesus bekannt zu machen.
Ich finde es spannend, wie Schwester Ruth sagt: „Herr, hier bin ich, auch wenn es unmöglich ist, ich stelle mich dir zur Verfügung.“ Auch was du gesagt hast im Blick darauf, dass sie „über den Thron alarmiert“ wurden. Ich habe Schwester Ruth ja auch noch gekannt. Manchmal habe ich mich gewundert, wenn wir nach einem Besuch zusammen gebetet haben, woher sie wusste, was sie gerade betete.
Wir haben nicht darüber gesprochen, aber es war exakt das, was mich in dem Moment bewegte. Das war einfach ein geistlicher Blick, den sie hatten. Deshalb habe ich manchmal gedacht: Wenn etwas in meinem Herzen vor sich ging, was nicht recht war, hoffentlich merkt das Schwester Ruth nicht.
Es sind jetzt viele Namen gefallen, die manche aus der Gemeinde nicht mehr kennen. Aber es gibt einen Namen, der immer wieder in der Geschichte auftaucht und der gar nicht deutsch klingt: Jean-Jacques Rothgerber. Vielleicht kannst du uns noch einmal sagen, wie dieser Jean-Jacques Rothgerber und unsere Gemeinde zusammenhängen.
Jawohl, sehr gerne. Er war durch einen dieser Brüder aus dem Elsass zum Glauben gekommen. Das war schon eine Brücke, die man aber erst später feststellte. Er ging als Missionar nach Afrika und hörte bei seinen vielen Reisen von drei ledigen Frauen, die Muslime evangelisierten. Er dachte, das müssen ja ganz verrückte Frauen sein, die muss er kennenlernen.
Das ist auch passiert, und da haben die beiden sich geistlich gefunden. Jean-Jacques war bedeutend jünger als Schwester Ruth, aber geistlich merkten sie, dass sie zusammengehören. So wurde eine Verbindung geschaffen. Als er dann Ende der Sechzigerjahre von seinem Afrika-Einsatz zurückkehrte nach Europa, um eine Evangelisationsarbeit in Europa zu beginnen, war diese Verbindung ganz wichtig. Sie wurde ihm zu einer geistlichen Ratgeberin. Wie sie sagte: „Er hat evangelisiert, und ich habe die Beter mobilisiert, auch auf Frauenfreizeiten, um das Rückgrat dieser Arbeit zu werden.“
So entstand zwischen diesen beiden eine ganz enge geistliche Freundschaft, die über die Jahrzehnte sehr wichtig war. Für die Entstehung der Gemeindearbeit wurde er herangezogen, um mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Vor allem dann, als so ein junger Schnaufer wie ich auftauchte, der ein männliches Gegenüber brauchte. Nicht nur, dass sie mir sehr wertvolle Ratgeberinnen waren, sondern auch ältere Schwestern. So entstand diese Zusammenarbeit, und er hat das Missionsfeuer natürlich noch weiter angefacht in diesem Kreis.
Schließlich wurden auch einige Missionare von hier ausgesandt, wie zum Beispiel Karl Lipp, der eine Arbeit in Frankreich begann, Veronika Volland und Gaby Woltersdorf, die dann in Mali dienten. Aus diesem Kreis wurde schließlich auch meine spätere Frau in die Missionsausbildung von EFA gerufen, wo wir uns dann kennenlernten.
Vielleicht ist es für unsere Hörer hilfreich, das noch einmal besser zu verstehen. Du hast vorhin von drei Frauen gesprochen, die Muslime zu erreichen versuchten. Das waren aber nicht die drei Frauen, von denen wir gerade geredet haben. Und die zweite Frage: Wir haben mitbekommen, dass Schwester Ruth in Afrika war. Warum ist sie plötzlich wieder in Europa?
Das waren tatsächlich zwei andere Frauen, die mit ihr im Rahmen der Arbeit von Whack International zusammengearbeitet haben. Aber eine davon war Schwester Ruth. Wenn man heute zu Whack International geht und ein bisschen an der Geschichte forscht, sieht man sie in der Geschichte der Arbeit in Liberia und Gambia auftauchen.
Zur zweiten Frage: Warum ist sie wieder in Europa? Ein wesentlicher Grund war ihre gesundheitliche Situation. Morbus Addison ist eine schwere Erkrankung, und das laugt in den Tropen ungemein aus. Das war ein wichtiger Grund, warum sie zurückkehrte. Sie war zwar erst Anfang 50, als sie zurückkam, aber man merkte auch, dass dieser Kreis hier entwickelt werden sollte. Das spielte zusammen mit anderen Faktoren, sodass sie nach ungefähr zehn Jahren ihren Einsatz beendete.
Ich weiß von ihr, dass sie mal erzählt hat, wie es in Gambia war. Eine Anekdote: Sie sagte, ihren Mittagsschlaf hielt sie immer draußen auf der Liege. Denn wenn die einheimischen Mitarbeiter wüssten, dass sie drinnen schläft, würden sie ja nicht arbeiten. Deswegen schlief sie draußen, damit sie nie sicher sein konnten, wann sie die Augen öffnete. Sonst wäre ihr Schlaf zu teuer gewesen, sagte sie sehr praktisch.
Ja, gut. Sie kam also zurück nach Deutschland, und dann ging es trotzdem weiter. Gott hat sie benutzt, damit ein Kreis gegründet wurde. Vielleicht sagst du dazu mal etwas?
Jawohl. Diese Freundschaft mit Jean-Jacques Rothgerber brachte mit sich, dass zum Beispiel Frauenfreizeiten und Missionstage gestartet wurden. Sie gründeten hier einen eingetragenen Verein, der damals Missionskreis Leinfelden hieß. Leinfelden deswegen, weil die drei Schwestern ein Häuschen in Leinfelden gekauft hatten. Das war so das Headquarter, würde man heute sagen, für die Arbeit.
Sonntags gab es zweimal im Monat einen Gottesdienst in der Aula einer Schule. Montags fand eine Gebetsstunde in ihrem Wohnzimmer statt, und unter der Woche gab es Hausgebetskreise. Donnerstags gab es eine Bibelstunde im Gemeindesaal der evangelischen Matthäusgemeinde in Heslach. Den habe ich auch noch kennengelernt. So fing mein Dienst damals an.
Schwester Ruth wurde auch zur Mitbegründung der Mission „Evangelium für alle“ (EFA) eingeladen. Das war sozusagen das Fundament oder der Platz, von dem aus Jean-Jacques Rothgerber seine Missionsarbeit startete. Die beiden Vereine sind unterschiedlich. Geistlich hängt man zusammen, aber es sind zwei verschiedene Vereine. Der eine Verein war auch ein bisschen für die Freizeitarbeit von Schwester Ruth zuständig, der andere für die Mission, die Gemeinden gründen wollte, nachdem evangelisiert worden war.
Als du nach Stuttgart kamst, gab es in diesem Kreis viele ledige Frauen, darüber haben wir bereits gesprochen. Aber es gab nicht nur ledige Frauen, sondern auch Ehepaare. Tatsächlich gab es mehr als ein Ehepaar, vielleicht zwei oder drei. Als ich zum Beispiel kam, waren Anita und Erwald Philipp schon hier. Sie kannten den Kreis bereits.
Wesentlich waren Roland und Marianne Reible. Sie hatten sich in diesem Kreis kennengelernt und, wenn ich mich recht erinnere, 1980 geheiratet. Sie arbeiteten sehr eng und in einer innigen Beziehung mit diesen drei Schwestern zusammen. Marianne, in ihrer feinfühligen Art, trug viele Dinge mit. Roland war der Organisator und Verwalter, der viele praktische Fähigkeiten hatte. Er kümmerte sich viel um Menschen und die Administration. Außerdem half er auch bei der Verkündigung. Später, beim Anmieten der Räume, wäre ohne ihn vieles undenkbar gewesen.
Die drei Schwestern, die damals noch aktiv waren, waren Schwester Ruth und Schwester Gertrud. Tante Maria hatte bereits einen schweren Schlaganfall erlitten und konnte nicht mehr aktiv mitgestalten. Ihr seht, wir sind jetzt Mitte sechzig. Entweder musste die Arbeit in eine Gemeindearbeit überführt werden, oder sie würde irgendwann aufhören. Deshalb überlegte man, ob jüngere Kräfte eingebunden werden könnten, um der Arbeit neue Impulse und vielleicht auch eine erweiterte Ausrichtung zu geben.
Es ist sehr spannend, wie Gott das gemacht hat. Er legte ihnen dieses Missionsanliegen einfach aufs Herz. Jetzt sind wir in einer Phase, in der sie sich überlegen oder schauen, ob Gott hier in Stuttgart eine weitere Gemeinde gründen möchte.
Was mich selbst immer wieder faszinierte bei diesen Frauen, war ihr herrlich praktisches Verständnis. Dabei fokussierten sie sich auf geistliche Arbeit. Heute gibt es dazu dicke Bücher, aber sie haben es einfach gemacht. Ich habe noch mitbekommen, dass sie viele Gäste hatten, aber nicht selbst kochten. Stattdessen holten sie andere, die kochten.
Ich weiß auch aus der Geschichte, dass Maria Kuhn, wie du gesagt hast, den Schlaganfall erlitt. Das bedeutete, dass sie sich stärker pflegerisch um sie kümmern mussten. Hat das der Arbeit hier geschadet? Mussten sie den geistlichen Fokus, den sie die ganze Zeit hatten, aufgeben? Natürlich hatte das einen gewissen Einfluss. Wenn du eine Dreier-WG hast und eine Person einen schweren Schlaganfall erleidet, bist du natürlich gefordert. Vor allem, wenn beide Krankenschwestern sind, die damit leben.
Dennoch haben sie viele andere Leute eingebunden, die sie unterstützten und entlasteten. Manchmal war es auch ein bisschen eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM), denn es gab einzelne Personen, denen sie geistlich gedient hatten. Auch Menschen mit schwerwiegenden psychischen Problemen nahmen sie mit hinein, zum Beispiel in die Pflege von Tante Maria.
Diese Frauen lebten ihre ganze Liebe an Tante Maria aus und taten ihr Gutes. Schwester Ruth und Schwester Gertrud führten zwar die Aufsicht über die Pflege und auch über die Küche, aber die eigentliche Arbeit übernahmen verschiedene Helferinnen. Das war, glaube ich, sehr modellhaft.
Zum einen, weil sie, wie du sagst, fokussiert für ihren geistlichen Auftrag blieben. Zum anderen gaben sie anderen die Möglichkeit, Verantwortung mitzutragen und selbst einen bedeutsamen Beitrag zu leisten, indem sie ihnen den Rücken freihielten.
Sie holten dann noch jemand anderen nach Stuttgart zur Unterstützung. Das war eine ganz junge Krankenschwester, die inzwischen die EFA-Missionsausbildung durchlaufen hatte. Dorothee Rehm kam zurück, quasi zu ihrer Heimatgemeinde, und lebte im Häusle, wie man das Haus in Leinfelden nannte.
Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit war die Pflege von Tante Maria. Außerdem leitete sie Kinderstunden und später einen Jugendkreis zusammen mit den Reibles oder mit Christine Göllner, der heutigen Ebert, die wir aus unserer Gemeinde kennen. Sie war also hier tätig. Ab etwa Anfang 1985 kam sie nach Stuttgart beziehungsweise nach Leinfelden, um diese Arbeit mit zu unterstützen.
Das war schon wieder der Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Wir hoffen, unsere Gemeindegeschichte motiviert auch euch, euer Leben Gott mit Haut und Haaren zur Verfügung zu stellen. Dann dürfen wir gespannt sein, was Gott daraus macht und wie wir ihn erleben.
Im nächsten Podcast beschäftigen wir uns mit dem zweiten Teil der Geschichte: Wie unsere Gemeinde sehr konkret hier in Stuttgart entstanden ist, wie Gott mit unserer Gemeinde seine Geschichte geschrieben hat.
Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns gerne unter podcast@efa-stuttgart.de. Wir wünschen euch Gottes Segen.