Einführung in das Gleichnis und seine Herausforderungen
Ich habe heute Morgen ein Gleichnis für euch ausgesucht, das auf der einen Seite ganz klar erscheint, auf der anderen Seite jedoch höchst kompliziert ist. Kompliziert ist es dabei nicht unbedingt, weil wir nicht verstehen könnten, was erzählt wird, sondern weil das, was die Personen im Gleichnis tun und was Jesus als vorbildlich bezeichnet, nicht ganz unproblematisch wirkt.
Nach dieser Einleitung könnte man nun fragen: Um welches Gleichnis handelt es sich wohl? Ich sage es euch: Es ist das Gleichnis vom ungerechten Verwalter, auch ungerechter Haushalter genannt. Dieses Gleichnis finden wir nur im Lukasevangelium, und zwar in Lukas 16,1-13.
Der ungerechte Verwalter wird von Jesus in gewisser Weise als Vorbild dargestellt. Ich lese:
„Er“, hier ist Jesus gemeint, „er sagte zu seinen Jüngern: Es war einmal ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter. Dieser wurde bei ihm angezeigt, weil er sein Vermögen verschleuderte. Nachdem er ihn zu sich gerufen hatte, sagte er zu ihm: Was höre ich über dich? Lege Rechenschaft über deine Verwaltung ab, denn du kannst nicht mehr mein Verwalter sein!“
Der Verwalter sagte zu sich selbst: „Was soll ich nur tun? Mein Herr entzieht mir die Verwaltung. Zum Ackern bin ich nicht kräftig genug, und zu betteln schäme ich mich. Ich weiß, was ich tun werde, damit man mich in den Häusern empfängt, wenn ich von meinem Verwalteramt abgesetzt bin.“
Und als er die Schuldner seines Herrn einen nach dem anderen zu sich rief, sagte er zum Ersten: „Wie viel schuldest du meinem Herrn?“ Er antwortete: „Hundert Fass Öl.“ Er sagte zu ihm: „Hier sind deine Dokumente. Setze dich und schreib schnell fünfzig.“
Darauf wandte er sich an einen anderen: „Und du, wie viel schuldest du?“ Er sagte: „Hundert Kor Korn.“ Er sagte ihm: „Hier sind deine Dokumente. Schreibe achtzig.“
Und der Herr lobte den Verwalter der Ungerechtigkeit dafür, dass er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihrer Generation klüger als die Kinder des Lichts.
Und Jesus sagte weiter: „Ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem Mammon der Ungerechtigkeit, damit, wenn ihr aufhört, sie euch in den ewigen Zelten empfangen.“
Die Geschichte ist eigentlich relativ klar und wirft zunächst wenige Fragen auf. Doch ich glaube, hier wird deutlich, dass das, was dieser Mann tut – der ja als Vorbild und Herausforderung dargestellt wird – in unseren Ohren zunächst klingt wie das Verhalten eines Wirtschaftsverbrechers.
Und nun werden solche Menschen als Vorbilder genommen? Kennt ihr nicht auch aus der Wirtschaft Leute, die Massengeld hinterzogen haben oder bei Siemens Millionen an Bestechungsgeldern gezahlt haben? Sollen das etwa unsere Vorbilder im geistlichen Bereich sein?
Nein, so kann das nicht gemeint sein. Sonst hätte das große Auswirkungen auf euer Berufsleben. Man könnte dann sagen: „Aha, die Christen sind die großen Schlitzohre, weil sie besser betrügen als alle anderen.“ Nein, nein, so ist es nicht gemeint. Das möchte ich ausdrücklich klarstellen.
Wenn jetzt jemand denkt: „Schade, so könnte man ja noch ein bisschen mehr Geld machen“, dann ist das hiermit nicht gemeint.
Also stellt sich die Frage: Worum geht es wirklich? Geht es darum, dass sich Schlauheit oder Betrügerei lohnt? Wer sagt eigentlich, dass dieser Haushalter gut ist? Sagt das der Besitzer im Gleichnis oder sagt das Jesus?
Wir lesen in Vers 8: „Und der Herr lobte den Verwalter.“ Aber welcher Herr ist hier gemeint? Ist es der Herr Jesus oder der Herr des Haushalters? Das macht einen Unterschied. Denn auf der einen Seite hätten wir das noch als Teil der Geschichte, und der Herr des Gleichnisses könnte sich durchaus irren. Wenn Jesus es sagt, wäre es hingegen ein objektives Urteil.
Das müssen wir zumindest versuchen zu klären.
Dann wird vom Mammon gesprochen. Wer nicht sehr biblisch vorbelastet ist, wird sich zunächst fragen: Was ist eigentlich Mammon? Als Jugendlicher habe ich manchmal gedacht, Mammon klingt wie Mammut oder so etwas Ähnliches. Doch das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Wir müssen also die Frage stellen: Was ist Mammon eigentlich, und inwiefern betrifft uns das?
Außerdem ist da noch die Frage nach den „ewigen Zelten“. Was sind diese ewigen Zelte? Ist das eine Werbebotschaft, die uns verstören soll? Sind es vielleicht Kaufzelte, die unzerstörbar sind? Wenn ja, welche, wo stehen sie, wer kommt hinein, und wer darf andere hineinlassen?
Man merkt, es gibt noch einige Dinge, die wir in diesem Gleichnis klären müssen.
Kontext und Zuhörerschaft des Gleichnisses
Wenn wir zunächst zurückblicken auf das Gleichnis aus Kapitel 16, Verse 1 bis 13, dann stellen wir fest, dass im vorherigen Kapitel 15 die Pharisäer und Schriftgelehrten stark im Mittelpunkt stehen. Dort geht es vor allem um die Konfrontation mit diesen Gruppen.
Im Kapitel 16 werden teilweise auch die Jünger angesprochen. Wenn wir dann in Vers 14 lesen, merken wir, dass auch noch einige Pharisäer anwesend waren. Es gehörten also nicht nur die Jünger zum Publikum. In Kapitel 16, Vers 14 heißt es: „Als das aber hörten, die Pharisäer, die waren geldgierig und spotteten über ihn.“ Hier wird uns die Zuhörerschaft deutlich vor Augen geführt. Jesus sieht die Anwesenden genau. Das ist keine zufällige Bemerkung, wie etwa: „Ach, das waren jetzt auch noch die geldgierigen Pharisäer.“ Vielmehr müssen wir bei der Auslegung berücksichtigen, welches Publikum vor Jesus steht.
Das Publikum besteht einerseits aus den Jüngern, denn in Vers 1 heißt es ja: „Und er sagte zu seinen Jüngern.“ Andererseits sind dort auch Pharisäer anwesend – und nicht irgendwelche Pharisäer, sondern offenbar eine besondere Untergruppe, nämlich die geldgierigen Pharisäer. Für beide Gruppen hat Jesus etwas in das Gleichnis hineingelegt. Davon können wir ausgehen, gerade wegen des Kontextes und Hintergrundes.
Darüber hinaus sehen wir, dass direkt danach, nämlich ab Vers 19, das Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus folgt. Auch hier geht es wieder um die Frage, wie wir mit materiellem Besitz und Gütern umgehen. Es liegt nahe, dass Jesus sich hier nicht mit einem völlig neuen Thema beschäftigt. Vielmehr wird dasselbe Thema aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.
Die zugrunde liegenden Fragen sind mehrfach: Einerseits, wie gehen wir mit unseren Gütern um, insbesondere mit materiellem Besitz? Andererseits, wie gehen wir mit anderen Menschen um? Es ist nicht so, dass die Jünger oder Zuhörer nur überlegen, wo sie eine gute Anlage machen können. Beim reichen Mann geht es auch darum, wie er sich gegenüber Lazarus verhält. Beim Verwalter geht es darum, wie er sich gegenüber anderen Menschen verhält. Sein Reichtum entsteht offenbar in Beziehung zu den Menschen, mit denen er zusammenlebt, in der jeweiligen Situation.
Beide Gleichnisse haben zudem einen weiteren Aspekt: Die Aufforderung, jetzt zu handeln, um die Zukunft zu beeinflussen. Bei dem reichen Mann und dem armen Lazarus geht es in jedem Fall darum, hier auf der Erde richtig zu handeln. Dieses Handeln beeinflusst den Zustand in der Ewigkeit nach dem Tod.
Auch wenn ich das noch nicht abschließend deuten möchte, wird in dem Gleichnis von ewigen Zelten gesprochen. Wie ich bereits gefragt habe, was das nun bedeutet, könnte das zumindest darauf hindeuten, dass es in eine ähnliche Richtung geht. Es könnte bedeuten, dass das Leben dieses Verwalters als Symbol für sein irdisches Leben steht. Das andere Gleichnis ist ein Hinweis und Symbol auf das ewige Leben, also auf das, was hier nach dem irdischen Leben folgt.
Diese These könnten wir heranziehen, wenn wir den Kontext betrachten. Denn später sagt Jesus in einem anderen Gleichnis vor demselben Publikum etwas Ähnliches. Das gibt uns eine gewisse Hilfe, die Gleichnisse besser einordnen zu können.
Besonders auffällig ist auch die Art und Weise, wie Jesus das Gleichnis einführt. So wie wir heute nicht sprechen würden, steht dort: „Und er sagte ihnen ein Gleichnis.“ Diese besondere Einführung zeigt uns, dass es sich nicht um eine reale Geschichte handelt. Es sind nicht Menschen, die Jesus gerade kennengelernt hat. Vielmehr wird hier ganz offensichtlich gesagt, dass es sich zwar um ein Bild aus dem Alltag handelt, aber um ein erfundenes Bild.
Die Hauptpersonen und die Ausgangssituation
Jetzt wollen wir das einmal Stück für Stück durchgehen.
Vers 1: Und er sagte seinen Jüngern: Es war einmal ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter. Dieser wurde bei ihm angezeigt, weil er sein Vermögen verschleuderte. Dabei ist mit „sein Vermögen“ das Vermögen des Besitzers gemeint, nicht das eigene des Verwalters.
Es wäre auch möglich zu sagen, der Verwalter sei einfach unverantwortlich, habe einen schlechten Ruf und könne deshalb nicht mehr bei dem reichen Mann arbeiten. Darum geht es hier aber nicht. Es geht um das Vermögen des Besitzers, des reichen Mannes.
Das Ganze ist in der Zeitform Imperfekt abgefasst. Das ist normal, wenn es um eine Rede von längerer Dauer geht. Man benutzt diese Zeitform, wenn man etwas länger erzählt. Das ist hier der Fall, denn es handelt sich immerhin um einen Parverse.
Grundsätzlich treten in diesem Gleichnis zwei Personen auf. Ich sage „grundsätzlich“, weil später noch andere Personen am Rande erwähnt werden, die aber nicht direkt handeln. Die zwei Hauptpersonen sind einerseits der Besitzer oder reiche Mann und andererseits der Verwalter.
Ihr habt bestimmt bemerkt, dass ich euch bei den Fragen zur stillen Zeit immer nach zwei Gruppen frage. Es ist typisch, dass in Gleichnissen, die Jesus erzählt, häufig zwei Gruppen oder zwei Gegenstände miteinander verglichen werden. Am Rand gibt es dann noch etwas, aber die Handelnden sind meistens zwei. Das liegt daran, dass Jesus oft sagen will: Das ist richtig, und das ist falsch. Oder er möchte durch die Beziehung einer Person zu einer anderen eine Wahrheit ausdrücken.
Ein Gleichnis soll etwas vereinfacht darstellen. Da merkt man, dass es viel besser funktioniert, wenn nur zwei Personen oder Personengruppen auftreten, als wenn es zehn verschiedene wären. Das wäre viel komplizierter und würde die Vereinfachung erschweren.
Zumindest hier in diesem Gleichnis ist es so: Zwei Personengruppen stehen im Mittelpunkt, nämlich der Verwalter und der reiche Mann. Ich sage „hauptsächlich“, weil nebenher noch die Schuldner ins Spiel kommen. Bei diesen Schuldnern sind es interessanterweise auch wieder zwei. Allerdings tun diese wenig, sie sind eher Statisten am Rand, die man braucht. Sie sollen später diejenigen sein, die den Verwalter aufnehmen und somit mitentscheidend dafür sind, dass er in die ewigen Zelte kommt.
Die beiden wesentlichen handelnden Personen sind also der Verwalter und der reiche Mann.
Wenn wir uns die Geschichte vor Augen führen, gibt es einen reichen Besitzer, wahrscheinlich einen Großgrundbesitzer. Denn es geht hier um landwirtschaftliche Güter, wie wir später an dem erkennen, was geschuldet wird.
Der reiche Mann erfährt von einem Skandal. Er will schnell reagieren. Das merken wir daran, dass er nicht sagt: „Komm in zwei Monaten wieder, dann sprechen wir darüber.“ Stattdessen sagt er: „Jetzt ist Schluss, du kannst nicht mehr Verwalter sein.“ Das Einzige, was der Verwalter noch tun soll, ist: „Komm her, gib mir die Bücher, erklär mir, was darin steht, und dann geh.“
Ebenso schnell muss auch der Verwalter reagieren. Er hat nicht mehr viel Zeit. Die Zeit ist knapp bemessen. Jetzt muss er eine Entscheidung treffen: Wozu nutzt er die letzten Stunden, die er noch Gelegenheit hat, etwas zu tun?
Das ist hier relativ naheliegend.
Worin das Vergehen und der Skandal genau bestehen, erfahren wir in der Geschichte nicht. Manche setzen schnell voraus, dass mit „Vermögen verschleudern“ gemeint ist, er habe etwas für sich gestohlen. Das steht hier aber nicht. Es wird nicht erwähnt, dass er ein Dieb war.
Er hat einfach seine Aufgabe nicht gut erledigt, aus Sicht des reichen Mannes. Was genau, erfahren wir nicht.
Auch wissen wir nicht, wer ihn verraten hat. Die Anzeige ist anonym. Irgendjemand hat gequatscht, jemand wollte ihn anklagen.
Wahrscheinlich sind es Leute, mit denen er geschäftlich zu tun hat, vielleicht weil er ihnen im Handel ungerechte Konditionen abverlangte. Es könnte jemand sein, der ein niedrigerer Angestellter ist und seinen Job haben will. Viele Dinge sind möglich.
Da es für die Geschichte nicht entscheidend ist, erwähnt Jesus es nicht.
Was wir sehen, ist eine anonyme Anzeige. Wir sehen auch, dass der Herrscheine dem sogar Glauben schenkt. Er sagt nicht: „Da hat jemand etwas gesagt, aber ist das auch so?“ Nein, die Anzeige scheint wahr zu sein.
Woran erkennen wir das? Unter anderem daran, dass der Verwalter keinen Einspruch erhebt. Er sagt nicht: „Was ist denn los? Ich habe doch alles gut gemacht.“ Nein, scheinbar ist ihm sofort klar, dass die Entscheidung begründet ist. Er weiß offenbar, dass etwas schiefgelaufen ist.
Wie gesagt, das ist nicht der Schwerpunkt des Gleichnisses. Ich erwähne es nur am Rande.
Wenn wir später zur Interpretation kommen und sagen, der Herr sei vielleicht Gott und der Verwalter der Mensch, müssen wir immer bedenken, dass ein Gleichnis nur bestimmte Eigenschaften betont und andere nicht.
Man könnte sagen: Gott weiß doch, ob wir gut oder schlecht sind, was richtig oder falsch ist. Gott braucht keine anonyme Anzeige und ist allwissend. Hier passen also nicht alle Details hundertprozentig.
Ein Gleichnis soll eine Wahrheit ausdrücken, und man darf nicht jedes Detail zu genau interpretieren.
Es scheint außerdem so zu sein, dass das, was der Verwalter getan hat, nicht über einen Graubereich hinausging, der juristisch geahndet worden wäre. Sonst hätte der reiche Mann nicht gesagt: „Du kannst gehen.“ Er hätte gesagt: „Du musst alles zurückzahlen, was du veruntreut hast, oder du wirst ins Gefängnis geworfen.“
Hier ist offenbar nichts, was juristisch verfolgt werden könnte. Der Verwalter hat einfach schlecht gehandelt, aber wird nicht ins Gefängnis geworfen. Es wird auch nicht von einem Gericht oder einer Verhandlung gesprochen.
Das ist wichtig zu beachten, vor allem im Hinblick darauf, dass der Verwalter später gelobt wird. Wenn er ein offensichtlicher Betrüger gewesen wäre, wäre dieses Urteil als Vorbild noch problematischer.
Hier haben wir also jemanden, der seine Aufgabe nicht gut ausgefüllt hat – zumindest bis zu diesem Zeitpunkt. Danach nicht unbedingt.
Jemand, der eine gewisse Aufgabe hat und diese nicht gut erfüllt. Aber es ist nichts, was ein eindeutiges Gerichtsurteil nach sich ziehen müsste.
Die Reaktion des Verwalters und seine Strategie
Vers 2
Nachdem der Herr den Verwalter zu sich gerufen hatte, sagte er zu ihm: „Was höre ich über dich? Leg Rechenschaft über deine Verwaltung ab, denn du kannst nicht mehr mein Verwalter sein.“ Hier wird deutlich, dass die Rechenschaft über die Verwaltung nicht darüber entscheidet, ob er entlassen wird oder nicht. Die Entscheidung ist bereits getroffen. Nun geht es nur noch darum, dass der Herr sozusagen einen letzten Dienst von seinem Verwalter benötigt. Er soll ihm die Bücher vorlegen, mit denen sein Nachfolger weiterarbeiten kann. Es geht also darum, einen Abschluss in seinem Leben als Verwalter zu ziehen – das ist sein letzter Auftrag.
Der Begriff „Hausverwalter“, der hier verwendet wird, ist „oikonomos“. Das war damals weit verbreitet und bezeichnete einen der höchsten Angestellten auf einem großen Gut. Dieser konnte anstelle des Besitzers handeln und Verträge abschließen.
Die Vergangenheit des Verwalters steht nicht im Detail zur Diskussion, auch wenn keine gerichtliche Verfolgung ansteht. Was in jedem Fall passiert – und das weiß der Verwalter auch – ist, dass er sein Einkommen verliert. Er wird nicht mehr bezahlt und verliert außerdem seine Ehre, denn er wird in Ungnade entlassen. Das hat Auswirkungen, mit denen er sich auseinandersetzen muss, und auf die er zu reagieren versucht.
Wenn hier steht, dass er abgesetzt wird, also sein Amt aufgeben muss, dann bedeutet die gewählte Zeitform auch, dass es sich um eine dauerhafte Handlung mit dauerhafter Auswirkung handelt. Es ist also keine kurze Phase, in der er geprüft wird und danach weiterarbeiten kann.
Vers 3
Der Verwalter sagte bei sich selbst: „Was kann ich nur tun? Da mir mein Herr die Verwaltung entzieht, bin ich nicht kräftig genug, um den Boden zu bearbeiten, und zu betteln schäme ich mich.“
Man könnte zunächst denken: „Warum arbeitest du nicht einfach weiter als Verwalter? Das ist doch dein Job.“ Aber wie wir zuvor festgestellt haben, ist das nicht so einfach. Wir befinden uns jetzt in einer ländlichen Umgebung. Dort verbreiten sich Gerüchte schnell. Wer will schon einen Verwalter einstellen, der wegen Unzuverlässigkeit oder schlechter Amtsführung entlassen wurde? Kaum jemand.
Für ihn ist also klar: In diesem Job kann ich nicht mehr weiterarbeiten. Er müsste umschulen. Stellen wir uns diesen Mann vor – Ende 40, Anfang 50 – in einer Art Midlife-Crisis. Er fragt sich: „Was kann ich jetzt noch tun?“ Deshalb sagt er auch: „Ich bin nicht stark genug zum Arbeiten.“ Wäre er ein junger Mann, wäre das kein Problem. Aber er ist schon älter und körperlich nicht mehr in der Lage, schwere Arbeit zu leisten.
Außerdem sagt er: „Ich kann nicht betteln.“ Das ist bis heute so, damals aber noch viel mehr. In einer Gesellschaft, in der jeder jeden kannte, war das eine große Schande. In einer Großstadt heute sieht einen kaum jemand, den man kennt, wenn man bettelt. Das ist zwar nicht schön, aber man kann sich daran gewöhnen. Hier aber sind es genau die Leute, mit denen er früher geschäftlich zu tun hatte, mit denen er auf Augenhöhe war und zusammen gefeiert hat. Plötzlich ist er der Verlierer, der bettelt, und diese Leute gehen einfach an ihm vorbei. Das ist ein großer Ehrverlust, ein Gesichtsverlust. Das kann er nicht machen.
Er gehörte zu einer gehobenen Schicht, hatte ein gesichertes Leben. Ein totaler Absturz ist für ihn nicht möglich. In der Antike galt so etwas als starke Verunehrung. Manche begingen sogar Selbstmord, wenn so etwas Schlimmes geschah.
Was hier geschieht, ist übrigens keine öffentliche Rede. Der Verwalter redet nicht laut, niemand hört zu. Wir hören nur, was er innerlich zu sich selbst sagt. Jesus erzählt uns das, damit wir im Gleichnis verstehen, was passiert. Sonst würden wir uns fragen: „Was tut er jetzt?“ Hier gibt er uns die Begründung für sein Handeln.
Er überlegt weiter. Die beiden Optionen – weiterarbeiten oder betteln – fallen weg. Jetzt sagt er: „Ich weiß, was ich tun werde.“ Zwischen diesen Gedanken müssen wir uns eine Zeit des Nachdenkens vorstellen – einige Minuten oder Stunden. Nun weiß er, was er tun wird, damit man ihn in seine Häuser aufnimmt, wenn er von seinem Verwalteramt abgesetzt ist.
Für ihn ist klar: Es gibt scheinbar keine Möglichkeit, selbst für sich zu sorgen. Sein Herr wird ihn auch nicht aufnehmen. Aber die Leute, mit denen er bisher geschäftlich zu tun hatte, könnten ihn als gern gesehenen Gast aufnehmen. Das ist seine Idee, die er jetzt umsetzen will.
Dabei müssen wir uns bewusst sein: Dieser Mann ist in gewisser Weise ein Schlitzohr, aber kein Dieb oder Betrüger. Er hätte auch einfach sagen können: „Ich ändere keine Verträge, packe schnell ein paar Sachen meines Herrn zusammen und gehe.“ Das tut er nicht.
Er hält eine gewisse Ehre, Anstand und Ordnung ein. Wir müssen davon ausgehen, dass das, was er jetzt tut, nicht völlig illegal ist. Wäre es illegal, hätte er einen viel einfacheren Weg wählen können – nämlich die Sachen seines Herrn zu nehmen und abzuhauen. Das tut er nicht.
Das, was er hier macht, ist im Rahmen der Legalität, wenn auch nicht im Sinne seines Auftraggebers. Das sehen wir im Folgenden.
Er ruft die Schuldner seines Herrn einen nach dem anderen zu sich und fragt den ersten: „Wie viel schuldest du meinem Herrn?“ Er antwortet: „Hundert Bar Öl.“ Der Verwalter sagt: „Hier sind deine Dokumente. Setz dich und schreibe schnell fünfzig.“
Dann spricht er einen anderen an: „Und wie viel schuldest du?“ Er sagt: „Hundert Korn.“ Der Verwalter antwortet: „Hier sind deine Dokumente. Schreibe achtzig.“
Das ist seine Lösung. Die Frage ist: Ist das rechtens oder nicht? Wahrscheinlich waren das Ausleihungen seines Herrn. Zum Beispiel: „Ich leihe dir mein Auto aus.“ Dann könnte er sagen: „Du brauchst nur zwei Ersatzreifen zurückzugeben.“ So einfach geht das aber nicht. Ausgegeben muss genau zurückgegeben werden.
Bei einem Verwalter handelt es sich um etwas anderes. Verwalter waren nicht nur für Ausleihungen zuständig – das war im täglichen Geschäftsleben selten. Normalerweise wurde ein großes Landgut verpachtet. Die Pacht wurde in Ernteerträgen gezahlt.
Das heißt: Es geht hier nicht darum, dass eine Summe ausgeliehen war, zum Beispiel 100 Bar Öl, die zurückgegeben werden muss. Sondern es wurde ein Feld verpachtet, und als Pacht waren 100 Bar Öl vorgesehen.
Der Verwalter verändert nun einfach die Pachtkonditionen. Das kann er als Verwalter, denn er hat die Vollmacht zu entscheiden, in welchem Rahmen die Zinsen oder Pacht festgelegt werden. Zinsen waren damals verboten, deshalb nahm man einen Anteil an der Ernte.
Er setzt den Anteil einfach herab – zum Nachteil seines Besitzers, aber es ist nicht illegal.
Wenn du einen Job hast und dein Herr sagt: „Du kannst vollkommen frei handeln, verkaufe, wie du willst“, dann kannst du entscheiden, ob du mit zehn oder fünfzehn Prozent Gewinn verkaufst. Heute steht meist ein Preis fest, aber auch heute wird oft verhandelt.
Zum Beispiel, wenn ich Balken im Sägewerk bestelle und sage: „Da gibt es ein anderes Angebot.“ Wenn das stimmt, wird der Preis meist gesenkt. So ungefähr ist das hier auch.
Es ist ein Ermessensspielraum, den der Verwalter hat, und den nutzt er hier aus.
Es kann auch sein, dass bei den 50 Prozent seine Provision enthalten ist, für die er noch etwas tun sollte. Aber ihm war es wichtiger, seinen Ruf zu bewahren und weiterzumachen – allerdings in einem anderen Bereich als Kaufmann.
Bei den 80 Prozent war gerade die 20 Prozent Provision gegeben.
Das ist eine mögliche Sichtweise, die beide Aspekte berücksichtigt: Einerseits ein ungewöhnliches Verhalten, denn Jesus will mit dem Handeln des Verwalters zeigen, dass das nicht die Norm ist. Andererseits ist es durchaus legal.
Es geht hier nicht um strafrechtliche Tatbestände.
Eine andere Möglichkeit ist, dass der Verwalter ein Geschäft für seinen Herrn abschließt, aber als Verwalter die Konditionen beeinflussen kann. Das tut er hier.
Deshalb sagt der Herr auch nicht: „Du böser Kerl, du hast gestohlen!“ Das ist er nicht.
Es steckt ein gewisser Sinn, auch ein positiver Sinn, in seinem Handeln.
Entweder nutzt er seine eigene Provision oder er verändert die Konditionen im Auftrag seines Herrn.
Er verschleudert oder verschenkt nichts, was bereits dem Herrn gehört.
Wäre das so, hätte er von vornherein etwas wegnehmen und abhauen können.
Dann hätte er sich den Umweg sparen können, anderen Leuten etwas zu geben, um später besser dazustehen.
Kurz zur Menge, um die es hier geht: 100 Bar Öl entsprechen ungefähr 450 Litern.
450 Liter sind etwa so viel, wie ein Arbeiter in 500 bis 600 Arbeitstagen verdient hat – also anderthalb bis zwei Jahre Arbeitslohn.
Das ist die Menge, die bei den 100 Bar Öl insgesamt erlassen wird.
Die Hälfte davon wird erlassen, aber das entspricht fast einem Jahresgehalt eines Arbeiters.
Es scheint eine größere Plantage zu sein, die er verpachtet hat und von der er Einkommen hat, das er zurückgeben muss.
Beim Korn sind es etwa 300 bis 400 Liter pro Kor, je nach Zeitrechnung.
100 Kor entsprechen ungefähr 33.000 Litern, was eine große Menge Getreide ist.
Die Zahlen sind nicht entscheidend, ich erwähne sie nur, um zu zeigen, dass es um größere Mengen geht.
Hier handelt es sich nicht um einen armen Herrn, dessen Küche geplündert wird, sondern um Geschäftsbeziehungen im großen Maßstab.
Der Verwalter ruft die Schuldner nacheinander zu sich. Das bedeutet nicht, dass alle bedient sind. Das Gleichnis zeigt nur ein Beispiel.
Der Grundgedanke dahinter ist klar: Er verschafft den Schuldnern günstige Vorteile, damit sie sich später daran erinnern und ihm etwas zurückgeben.
Er handelt mit den Möglichkeiten, die er noch hat, um seine Zukunft zu sichern, wenn er diese Möglichkeiten nicht mehr hat.
Lob und Kritik am Verwalter – Die geistliche Interpretation
Nun, es geht weiter mit Vers 8: Der Herr lobte den Verwalter der Ungerechtigkeit dafür, dass er mit Klugheit gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihrer Generation klüger als die Kinder des Lichts.
Das ist auf den ersten Blick eine etwas seltsame Reaktion. Hier wird der Verwalter bereits als „Verwalter der Ungerechtigkeit“ bezeichnet. Dabei dürfen wir nicht vorschnell schließen, dass er ungerecht im Sinne der gerade durchgeführten Aktion war. „Ungerechter Verwalter“ kann auch bedeuten, dass er vorher, also vor dieser Aktion, ungerecht gewesen ist – weshalb er entlassen wird.
Es könnte auch darauf hindeuten, dass „ungerecht“ nicht juristisch schlecht bedeutet, sondern dass er beispielsweise mit Wucher gehandelt hat, um bei seinem Herrn besser dazustehen. Vielleicht hat er sogar ein wenig draufgeschlagen, um zu zeigen: „Siehst du, ich habe noch mehr herausgeholt.“ Das war damals durchaus verbreitet. Wucher wird ja schon im Alten Testament von den Propheten kritisiert, weil Reiche mit Wucher anderen Geld oder Naturalien geliehen haben.
So könnte der Sprecher hier den Verwalter einfach als ungerechten Verwalter darstellen – ein Typ, den man kennt, der versucht, so viel wie möglich herauszupressen. Doch die Handlung, die er jetzt vornimmt, ist nicht unbedingt die Ungerechtigkeit, auf die sich der Herr bezieht.
Das ist wichtig, denn es wirft einen anderen Blick darauf, warum der Verwalter gelobt wird. Wenn die Aktion, die er jetzt macht, ungerecht und falsch wäre, wäre es schwer verständlich, warum er gelobt wird – weder vom eigenen Herrn noch von Jesus.
Es könnte also sein, dass hier gesagt wird: Der ungerechte Haushalter – so wie später der reiche Mann – ist durch seinen Reichtum gekennzeichnet, aber das ist nicht das entscheidende Kriterium seines Lebens. Es beschreibt ihn einfach näher als Persönlichkeit.
Man kann sich vorstellen, dass der Herr trotz allem mit der Arbeit des Verwalters zufrieden ist, zumindest teilweise, auch wenn er ihn entlässt. Irgendetwas muss ihm an dem Verwalter nicht ganz gefallen haben, Details wissen wir nicht. Aber vielleicht sagt der Verwalter: „Das, was mir rechtens zusteht, habe ich. Es ist kein Recht, dass ich zwanzig Prozent Ertrag bekomme auf das, was ich ausgebe, aber mit zehn kann ich leben.“ Das wäre eine Möglichkeit.
Wir könnten uns einen reichen Mann vorstellen, der durchaus beeindruckt ist von der Schlitzohrigkeit seines Angestellten. Er denkt sich vielleicht: „Okay, ein bisschen Schaden, aber das ist ein Kerl. So hätte ich es auch gemacht.“ Reiche Leute werden oft nicht reich, ohne auch mal ihren Vorteil zu sehen. So könnte er den Verwalter im Nachhinein als klug bewerten und den Verlust verschmerzen.
Gerade wenn später gesagt wird, dass die Kinder dieser Welt klüger sind als die Kinder des Lichts, könnte darin stecken, dass der Verwalter seine Kompetenz bis zum letzten Moment ausgereizt hat, um seine Vorteile zu sichern. Nicht unbedingt unrechtmäßig, aber clever.
Eine andere Möglichkeit betrifft das Wort, mit dem der Herr ihn lobt. Jesus hat wahrscheinlich in Aramäisch gepredigt, nicht in Griechisch. Das Wort, das hier mit „loben“ übersetzt wird, kann im Aramäischen je nach Zusammenhang auch „fluchen“ bedeuten. Es könnte also sein, dass in der griechischen Übersetzung „Lob“ steht, während ursprünglich „Fluch“ gemeint war. Das würde besser zu einem Herrn passen, der sich ärgert, aber nichts unternehmen kann.
Ich will nicht behaupten, dass es so war, nur eine mögliche Deutung. Eine andere ist, dass der Herr es nicht merkt, oder dass er froh ist, weil er bekommt, was er braucht. Oder er findet es einfach gut, dass der Verwalter so gehandelt hat, wie er es selbst getan hätte. Weil der Verlust für ihn nicht so groß ist, macht es nichts aus.
Darauf möchte ich noch eingehen. Wir sind hier zunächst beim Alltagsleben, das Jesus aufgreift. Die geistliche Wahrheit ist entscheidend, aber meistens nennt Jesus in seinen Gleichnissen Personen, die auch irdisch vorbildlich handeln. Zum Beispiel die bittende Witwe oder den Zöllner und Pharisäer. Meistens ist derjenige, der im Gleichnis vorbildlich genannt wird, auch im irdischen Verhalten vorbildlich.
Hier ist das nicht zwangsläufig so, denn es geht nicht um das Arbeitsleben, sondern um eine geistliche Wahrheit. Und darauf kommen wir gleich noch zu sprechen.
Zu Recht wurde hier darauf hingewiesen, dass ein Kommentar dabei ist, der wahrscheinlich von Jesus stammt. Das vorherige „Der Herr lobte den Verwalter der Ungerechtigkeit, weil er mit Klugheit gehandelt hatte“ könnte noch zur Geschichte gehören oder ein Kommentar Jesu sein.
Das, was danach kommt, ist jedoch eine Aussage Jesu. Hier verlässt Jesus die Geschichte. Es ist nicht mehr die Geschichte, die entscheidend ist, sondern die Interpretation: „Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihrer Generation klüger als die Kinder des Lichts.“
Das erinnert an Parallelstellen, zum Beispiel Matthäus 10,16: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“ Klugheit ja, aber ohne Falschheit – nicht betrügen, nicht lügen, aber trotzdem klug sein. Dummheit ist kein Kriterium für Christen.
Auch die Sprüche betonen Klugheit: „Der Weise handelt so und so.“ Klugheit spielt eine wichtige Rolle.
Eine weitere Parallele ist 1. Thessalonicher 5,5-6: „Denn ihr alle seid Kinder des Lichts und des Tages, nicht der Nacht und Finsternis. Lasst uns nicht schlafen wie die anderen, sondern wach und nüchtern sein.“ Hier wird dasselbe Bild aufgegriffen: Die Christen sind Kinder des Lichts, nicht der Finsternis.
Mit „Kindern des Lichts“ sind Menschen gemeint, die versuchen, in der Gegenwart Gottes zu leben, die innerlich von Gott erleuchtet sind, die Gott kennen, Vergebung ihrer Schuld haben und vom Heiligen Geist geleitet werden. Sie wissen, welche Maßstäbe Gott im Leben der Menschen anlegt.
Die „Kinder der Finsternis“ sind geistlich im Dunkeln, sie haben ihre eigenen Maßstäbe, denken: „Das macht doch jeder so, das ist doch normal.“ So sind sie gemeint.
Manchmal heißt es, die Kinder der Welt seien in bestimmten Dingen klüger als die Frommen. Das bezieht sich hier nicht auf das Geschäftsgebaren, sondern auf den übertragenen geistlichen Zusammenhang, den Jesus hervorheben will.
Das ist die Aussage, die hier steht.
Wenn von den Freunden die Rede ist, die der Verwalter aufnehmen will, wissen wir nicht genau, wer das sind. Manche Ausleger sagen, es könnten die Armen sein. Wer sich als Christ für die Armen einsetzt, sammelt Schätze im Himmel. Das könnte sein.
Aber so arm sind sie auch wieder nicht, denn wenn sie eine große Pacht zahlen können, haben sie wohl ein gewisses Einkommen. Wir sollten das Beispiel nicht überinterpretieren.
Die „ewigen Zelte“ erinnern an das Alte Testament, zum Beispiel 2. Mose 25, das Zelt der Begegnung. Oder an Johannes 14,2, wo Jesus sagt: „Ich will euch Wohnungen bereiten beim himmlischen Vater.“ Das weist in eine ähnliche Richtung.
Wenn hier von ewigen Zelten gesprochen wird, soll das über das irdische Leben hinausweisen, ins Jenseits.
Wenn wir zur Deutung kommen, habe ich den Eindruck, dass dieses Gleichnis das Leben hier auf der Erde beschreibt, mit einem Schlussstrich, an dem Rechenschaft gefordert wird.
Das heißt: Irgendwann ist Ende, dann musst du Rechenschaft ablegen. Spätestens am Tod, nicht erst danach.
Die Frage ist: Du weißt, dass du sterben musst, dass du vor deinem Herrn Rechenschaft ablegen wirst. Und du weißt, dass in deinem Leben viel Ungerechtigkeit war, vieles, wofür du Rechenschaft ablegen musst, und du kannst es nicht.
Was tust du dann noch?
So ist es auch bei diesem Mann. Er weiß, dass das Urteil unausweichlich ist. Er kann nichts von dem, was er jetzt hat, mitnehmen, denn alle seine Kompetenzen verliert er, wenn er entlassen wird.
Also versucht er, mit den Möglichkeiten, die er noch hat, Einfluss zu nehmen auf den Zustand, den er dann in der Ewigkeit haben wird – die ewigen Zelte.
Die Herausforderung für das eigene Leben und den Umgang mit Besitz
Herausforderung für die Menschen, die zuhören
Jetzt hast du die Möglichkeit, und das kann sich auf rein Materielles beziehen. Du hast zum Beispiel Hab und Gut. Dieses Hab und Gut kannst du nicht einfach mitnehmen, so wie der Knecht nicht das Hab und Gut seines Herrn mitnehmen durfte. Es bleibt zurück.
Genauso ist es mit dem Hab und Gut, das wir hier auf der Erde besitzen. Wir werden es nicht mit in den Himmel oder ins Jenseits nehmen können. Das sagt auch das schöne deutsche Sprichwort: „Das letzte Hemd hat keine Taschen.“ Alles bleibt zurück.
Jetzt hast du zwei Möglichkeiten: Entweder du handelst hier auf der Erde so, dass es Auswirkungen für die Ewigkeit hat, für den Zustand, den du dann hast. Oder du denkst nicht daran und stehst am Ende mit leeren Händen da. Das ist der Gedanke, der dahintersteht.
Ähnlich drückt es Jesus im Matthäusevangelium aus: „Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und Schaden nimmt an seiner Seele?“ Oder: „Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motten und Rost sie fressen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel.“
Im 1. Korinther 3,12-15 steht, dass manche Menschen sich Schätze sammeln, die wie Heu und Stroh sind. Wenn sie dann in den Himmel kommen, verbrennt das alles und es bleibt nichts davon übrig, weil es nichts bringt. Andere sammeln goldene und edle Steine. Damit ist das richtige Verhalten gemeint, der richtige Einsatz von dem, was wir haben.
Ich würde das hier sogar ausweiten – nicht nur auf den materiellen Besitz. Wenn wir Vers 9 lesen: „Ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem Mammon der Ungerechtigkeit, damit, wenn er aufhört, sie euch in den ewigen Zelten empfangen.“ Hier spielt insbesondere das Finanzielle eine Rolle, denn Mammon war in der damaligen Zeit ein Begriff für materiellen Besitz.
Es scheint also vor allem um materiellen Besitz zu gehen. Wenn im Gleichnis später der reiche Mann genannt wird, wird das noch einmal bestätigt. Und wenn gesagt wird, die geldgierigen Pharisäer hörten zu, wird das noch weiter hervorgehoben. Es geht wahrscheinlich in erster Linie um materiellen Besitz – nicht nur um Geld und Aktienoptionen, sondern um alles, was materiellen Besitz betrifft.
Damals waren das vor allem Naturalien, Land, Häuser, Kleider und Ähnliches. Die Frage lautet also: Wie gehst du mit diesen Dingen um? Sekundär stehen sicherlich auch alle anderen Dinge zur Disposition, die wir hier auf der Erde haben, aber in der Ewigkeit nicht mehr besitzen werden.
Dazu gehören auch meine Zeit, meine Talente, meine Gesundheit. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch zur Verfügung habe. Wir alle wissen: Unser Leben endet einmal.
Jetzt wird gesagt, dass nur noch eine kurze Zeit bis dahin bleibt. Dann wirst du zur Rechenschaft gezogen. Nutze diese kurze Zeit, um möglichst viel für dein Leben nach dem Tod herauszuholen.
Und nun die Frage: Was kann das denn sein? Hier werden die Kinder der Finsternis als Vorbild genommen – nicht, weil sie an die Ewigkeit denken. Sondern weil sie häufig bei dem, was sie auf der Erde tun, schon mit einrechnen, wo ihnen ein Vorteil entstehen kann.
Ich lade meinen Nachbarn ein, damit ich ihm vielleicht noch etwas verkaufen kann. Oder wenn ich mit ihm in den Urlaub fahre, fährt er vielleicht auch mit mir. Wenn ich ihm beim Bau helfe, hilft er mir auch.
Das wird hier gelobt. Es heißt: Die Kinder der Finsternis wissen ganz genau, dass sie so handeln, damit ein bestimmtes Ergebnis dabei herauskommt. Sie denken zielgerichtet und strategisch – aber nur in Bezug auf das Irdische, nämlich auf ihre Mitmenschen.
Das Problem ist, dass sie das Wichtige vollkommen vergessen. Deshalb soll der Christ hier herausgefordert werden: Vergiss das nicht! Alles, was du hier hast, wird einmal zu Ende gehen. Dann wirst du Rechenschaft vor Gott ablegen müssen. Nichts wirst du mitnehmen können.
Deshalb setze das, was du hast, hier gut ein – für die Sache Gottes.
Persönliche Beispiele und praktische Anwendung
Erst fällt mir ein Beispiel ein: Vor einigen Jahren hatte ich einen Aufsatz geschrieben. Es ging um Erweckungsbewegungen im Bergischen Land. Dabei habe ich unter anderem den Pfarrer Paul Deitenbeck getroffen. Er war damals Pfarrer in Lüdenscheid, ein gläubiger Pfarrer in der evangelischen Kirche. Über viele Jahrzehnte hat er Lüdenscheid mitgeprägt und sehr erwecklich gepredigt.
Ich habe ihn besucht, und er erzählte mir etwas aus seinem Leben. Ich habe das alles aufgeschrieben. Inzwischen ist er verstorben. Doch worauf ich hinaus will: Am Ende unseres Gesprächs, damals waren noch die Marktzeiten, gab er mir fünf Mark. Er sagte einfach: "Ach, hier, du bist doch verheiratet, für deine Kinder."
Man könnte sagen, das sei ganz gewöhnlich. Doch dieser Mann war in seiner Umgebung dafür bekannt, jedem fünf Mark zu geben. Also jedem, der irgendwie mit ihm zu tun hatte, sagte er: "Hier, hast fünf Mark, brauchst du was, gebe ich dir." Das war so bekannt, dass es interessant ist.
Vor etwa einem halben Jahr habe ich mit jemandem gesprochen. Wir kamen auf Pfarrer Deitenbeck zu sprechen. "Kennst du den?" – "Ja, den kenne ich." – "Hat er dir auch fünf Mark gegeben?" – "Ja, auch." So blieb das in Erinnerung, obwohl er schon lange tot ist. Ich weiß nicht genau, vielleicht zehn Jahre oder so. Man nennt ihn den „Fünfmark-Pfarrer“.
Natürlich hat er nicht nur das gemacht, sondern auch gut gepredigt. Aber ich habe den Eindruck, dass das ein Ausdruck seiner Persönlichkeit ist. Immerhin ist das eine Sache, die mir und zahllosen anderen Menschen in Erinnerung geblieben ist.
Ist das negativ in Erinnerung geblieben? Nein, ich könnte jetzt scherzhaft sagen: Warum hat er mir nicht zehn Mark gegeben? Aber das nicht. Er ist positiv in Erinnerung geblieben. Stell dir vor, du sprichst mit jemandem, der nicht gläubig ist, und du sagst nicht nur: "Komm in unsere Gemeinde", sondern gibst ihm am Ende auch ein bisschen Geld für seine Kinder, seine Frau oder für sich selbst. Wahrscheinlich wirkt das ganz anders.
Könnte es nicht sein, dass so etwas zumindest mit gemeint ist? Paul Deitenbeck war damals schon über siebzig. Er konnte sagen: "Bald ist das Ende da. Warum soll ich viel anhäufen?" Vielleicht sind die Erben ein bisschen traurig, wenn nicht viel da ist. Aber letztlich geht es ihm nicht darum, sich einen guten Namen zu machen, sondern etwas für Gott zu bewirken. Denn das bleibt in Ewigkeit.
Diese Menschen, die sich verändert haben, bleiben. Es geht nicht nur um die fünf Mark oder was er gegeben hat, sondern darum, wie ich mit dem umgehe, was ich habe. Wofür investiere ich es? Setze ich alles in erster Linie dafür ein, dass es mir gut geht? Dass ich es mir verdient habe, dass ich es für mich brauche und mir ein gutes Leben machen will? Das ist schön und gut, aber es hat Grenzen. Davon nimmt man nichts mit in den Himmel.
Man könnte auch sagen, wie einige es tun, was vielleicht noch weniger verständlich ist: Sie sparen alles an. Es gibt die typischen geizigen Typen, die alles ansparen. Wenn sie mit achtzig sterben, räumen ihre Enkel alles auf. Vielleicht leben die Kinder schon nicht mehr, aber die Enkel finden dann in der Matratze Millionen. Dann fragt man sich: Warum hat der immer nur trockene Brotkanten gegessen, wenn er Millionen in der Matratze hatte?
Das gibt es auch. Das ist nicht nur unproduktiv, weil es keine Zinsen gebracht hat, sondern auch unproduktiv, weil du dir das alles verdient hast. Was hast du damit gemacht? Im Himmel ist nichts davon. Und deine Enkel können sich auch nicht mehr bedanken für das, was sie bekommen haben.
Also lautet die Frage: Setze das, was du materiell bekommen hast, nicht nur für dich ein. Horte es nicht einfach. Setze es dafür ein, dass es Auswirkungen für die Ewigkeit hat, positive Auswirkungen. Ich will jetzt keine konkreten Beispiele nennen, aber das steht im Zentrum.
Die Herausforderung ist für uns unterschiedlich. Für mich begann sie, als ich mein erstes Geld verdient habe – mit Zeitungsverträgen und Nachhilfeunterricht. Ich erinnere mich noch, wie ich jeden Morgen um fünf Uhr aufstand, Zeitungen verteilte und am Monatsende hundert D-Mark bekam. Ich wusste bald, was ich mit dem Geld machen wollte: Fast alles ging für Bücher drauf. Ich hätte auch gut das Doppelte ausgeben können, denn es gab immer mehr Bücher, die ich kaufen wollte, als ich mir leisten konnte.
Trotzdem war für mich die Frage: Nehme ich auch etwas, um es für die Sache Gottes zu investieren? Wenn ich das im größeren Rahmen sehe, könnte ich auch sagen: Jetzt hast du ein Haus. Ist es noch so schön, dass du darin wohnst? Wie ist es mit Gastfreundschaft? Wie ist es mit Leuten, die du einfach so aufnimmst und bewirtest? Geht es nur auf Gegenseitigkeit? Ich lade den ein, weil der mich einlädt? Oder weil ich mehr Prestige habe? Oder ist es auch für Gott?
Wie ist es mit deiner Zeit? Wie ist es mit deinen Talenten, die du einsetzt? Das ist die Herausforderung: Verwende es nicht nur für dich. Horte nicht. Du wirst sterben. Denk daran, dass du so lange, wie du hier Zeit hast, alles, was Gott dir schenkt, möglichst so positiv einsetzt, dass es Frucht für die Ewigkeit bringt.
Wenn einige von euch das sowieso schon tun, will ich keinen zusätzlichen Druck machen. Ich sage nicht, du musst alles weggeben oder mit Franz von Assisi in einer Mülltonne wohnen. Das muss nicht sein. Aber die meisten von uns verfügen eher über materielle Güter. Es gibt vielleicht auch Verschwender, die könnten aber noch mehr verfügen. Verschwendung ist keine Rechtfertigung.
Wenn du sagst: Ich gebe alles aus und weiß gar nicht, wohin es fließt, musst du vielleicht überlegen. Vielleicht fließt es an ganz falsche Stellen. Das gibt es natürlich auch. Aber grundsätzlich ist die Frage: Wie gehe ich damit um? Das ist die Herausforderung.
Wir werden alle vor dem Gericht Gottes stehen. Der, der nicht gläubig ist, wird vor dem Gericht stehen, wo Gott sagt: Was hast du Gutes in deinem Leben getan? Dann kommen alle möglichen guten Sachen. Aber dann kommt die Frage: Was hast du Falsches getan? Verurteilt wirst du nicht für das Gute. Darüber freut sich Gott. Verurteilt wirst du für das Falsche.
Du würdest nur ewig gerettet werden, wenn du nur Gutes getan hättest. Das ist ganz klar. Nehmen wir an, du bist Angestellter in einer Firma. Du hast dein Leben lang gut für die Firma gearbeitet, aber dann hast du eine Million gestohlen. Du kommst vor Gericht und sagst: Zehn Jahre lang habe ich gut für die Firma gearbeitet. Dann wird der Richter sagen: "Du guter Mann, alles in Ordnung, macht nichts." Nein, er wird sagen: "Okay, es gibt mildernde Umstände, aber warum hast du die Million gestohlen?"
Genauso wirst du vor Gott nicht eine Million gestohlen haben, aber Gott wird sagen: "Da hast du gelogen, betrogen, böse Gedanken gehabt." Dafür wirst du verurteilt. Das Urteil Gottes heißt: ewig verloren. Du kannst viele gute Dinge getan haben, das ist schön und nett, aber es wird dir in dieser Situation nicht helfen.
Deshalb denke daran: Du wirst sterben. Du wirst vor Gott stehen. Handle jetzt so, dass du in die Ewigkeit Gottes kommst. Das heißt: Sünden bekennen, umkehren und mit allem, was Gott dir geschenkt hat, sinnvoll umgehen.
Damit ist aber nicht alles getan, wenn jemand Christ geworden ist. Für Christen steht zwar nicht das Gericht über das Heil an, sondern das Preisgericht. Das heißt, es geht darum: Ich habe dir dies und das anvertraut. Was hast du damit gemacht?
Das ist die Herausforderung, die Jesus auch nennt: "Nehmt euch diesen Haushalter zum Vorbild." Er hat nur eine kurze Zeit, aber diese nutzt er optimal, ohne zu betrügen – also im Rahmen des rechtens. Mit dem klaren Blick: Ich muss mir Gedanken machen, wie es weitergeht. Alles andere wäre dumm.
Nur fatal dazusitzen und zu sagen: "Ich sterbe halt, aber ich kann nichts tun." Das würde ihm nicht helfen. Dann wäre das Ende da, und nichts wäre vorbereitet. Genauso wird es bei uns sein, wenn wir uns nicht Gedanken machen, was nach dem Leben kommt.
Wenn wir das vergessen, wird die Zeit, die wir noch haben, sinnlos vertan sein. Das ist die wesentliche Herausforderung, die Jesus mit diesem Gleichnis vermitteln will.
Es geht noch weiter: Wer im Geringsten mit irdischen Dingen nicht umgehen kann, dem wird auch im Geistlichen wenig anvertraut (Vers 10). Wer schon mit materiellen Gütern, die Gott anvertraut hat, nicht ordentlich umgeht, wie will er erwarten, dass Gott ihm viel Geistliches anvertraut?
Viele wünschen sich große geistliche Einsicht und Verantwortung, sagen aber: "Mit materiellen Gütern gehe ich nicht um." Das geht nicht. Zeige dich im Kleinen treu, dann bekommst du mehr anvertraut.
Ein Gleichnis betont immer nur eine Sache besonders. Es zeigt nie die gesamte Heilsgeschichte. Hier geht es nicht darum, wie man durch das Blut Jesu gerettet wird, sondern darum, dass man auf Erden über das nachdenkt, was nach dem Leben kommt, und entsprechend handelt.
Andere Gleichnisse Jesu, wie das vom großen Völkergericht, zeigen auch, dass es um Handeln geht: "Ihr habt mir zu essen gegeben, ihr habt das und das getan – geht ein zur Herrlichkeit." Da ist der Aspekt des Handelns zentral.
Das sollte auch bei Christen so sein. Aber wer kann nur so handeln? Woher kommt das? Hier wird das äußere Handeln betrachtet. Nach Jakobus ist der Glaube ohne Werke tot. Wer Jesus kennt, sollte so handeln. Er wird es auch, wenn er vom Heiligen Geist bestimmt ist.
Das ist die nächste Ebene, die in diesem Gleichnis weniger berücksichtigt wird. Es geht mehr darum: Du weißt, du wirst sterben. Mach dir Gedanken und nutze deine Zeit, um deinen Zustand für die Ewigkeit zu bestimmen. Es geht darum, wie du mit dem umgehst, was du hast, und wie du deine Schuld loswirst. Das sind beides wichtige Aspekte.
Gut, ich werde jetzt mit euch beten und dann für heute Morgen Schluss machen.
Herr Jesus, vielen Dank für dieses anschauliche Gleichnis. Ich möchte dich bitten, uns allen Weisheit zu geben. Du weißt, was du uns anvertraut hast. Du weißt auch, wie viel Lebenszeit wir auf der Erde noch haben und wie alt wir werden.
Ich bitte dich, dass du uns Weisheit gibst, richtig mit der Zeit umzugehen, sie nicht zu vertun oder zu verschleudern, sondern sinnvoll einzusetzen – für die Menschen hier auf der Erde um uns herum, aber besonders im Blick auf die Ewigkeit. Dass es keine vertane Zeit ist.
Ich bitte dich auch für das, was du uns materiell anvertraut hast, für all das, was wir geschenkt bekommen und erarbeitet haben. Gib uns Weisheit, es nicht für falsche Zwecke einzusetzen, sondern für das, was dauerhaften Wert hat und wirklich etwas verändert – für das, wo du es haben willst.
Und dass wir nicht an den Dingen selbst hängenbleiben, sondern dass sie uns dienen. Amen.