Einführung in das Thema Himmelfahrt und seine Bedeutung
Unser Predigttext steht im Kolosserbrief Kapitel 3, Verse 1 bis 4:
Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist, da Christus ist, sitzen zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist; denn ihr seid gestorben. Und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Wenn aber Christus, unser Leben, sich offenbaren wird, dann werdet auch ihr offenbar werden mit ihm in der Herrlichkeit.
Herr, mach uns dieses Ziel immer größer, Amen!
An jedem Himmelfahrtsfest habe ich ein wenig Bangen. Wahrscheinlich ist es das einzige Mal im Jahr, dass ich mir Sorgen mache, ob auch unsere Predigtgemeinde dieses Himmelfahrtsfest wirklich begreift. Bei vielen Christen hat sich eingebürgert, dass das Himmelfahrtsfest irgendwie ein Wandertag ist, an dem man durch die Welt zieht.
Wenn wir das Himmelfahrtsfest nicht verstehen, fehlt uns ein wichtiger Teil unseres Glaubens – genau dort, wo die Freude sitzen muss. Jesus Christus hat alle Macht im Himmel und auf Erden. Das hat vielfältige Auswirkungen auf unser Leben.
Oft haben wir an den Himmelfahrtsfesten über die große Ermutigung gesprochen. Wir bekommen Mut am Himmelfahrtsfest, wenn wir an die elf Jünger denken, die dort oben als ein verschüchtertes Krüpplein auf dem Berg stehen. Viele zweifeln, sie wissen gar nicht, wie die Sache Jesu weitergehen soll. Ein Spiegelbild so vieler Christen, die keinen Mut haben, ihren Dienst in der Welt zu tun.
Dann tritt plötzlich der auferstandene Herr zu ihnen und ruft ihnen zu: "Mir ist gegeben alle Gewalt, darum geht hin!" Das ist der Hintergrund, auf dem man in dieser Welt etwas Großes und Wichtiges wirken kann. Der auferstandene Herr geht mit uns.
Schon als Schüler und ehrenamtlicher Mitarbeiter in einem Jugendkreis Stuttgarts war mir das die größte Hilfe bei jedem Hausbesuch. Wenn man dort so abgekanzelt wurde und jemand hochmütig über einen lächelte, dachte ich manchmal: Mensch, du weißt ja gar nicht, wer hinter mir steht. Da steht nicht bloß so ein sechzehnjähriger Bursche vor dir, sondern ich komme im Namen dieses Herrn.
Das ist die Würde und die Autorität all unserer Dienste, jeder Aufgabe, die wir wahrnehmen.
Die vielfältigen Auswirkungen des Himmelfahrtsfestes
Aber darüber möchte ich heute nicht predigen. Ich meine, das Himmelfahrtsfest hat noch andere Auswirkungen.
An eine Stelle möchte ich Sie heute führen, die uns tagtäglich beschäftigt. Wir als Christen stehen in einem harten Ringen mit der Macht des Bösen. Und wir spüren, wenn wir ein waches Gewissen haben, wie das Böse immer wieder Raum in unserem Leben einnimmt und uns prägt.
Dann kommt es in unser aller Leben immer wieder vor, dass wir dem Bösen und seiner Sorge erliegen. Paulus gibt uns heute eine ganz wichtige Hilfe und sagt: Ihr könnt in eurem eigenen Glaubensleben nur weiterkommen, wenn ihr auf den Herrn schaut, der alle Macht hat im Himmel und auf Erden.
Das Himmelfahrtsfest muss man richtig verstanden haben. Unter Christen nennt man das mit einem Fachwort die Heiligung des Lebens.
Ich hatte bei der Textverlesung schon die Sorge, dass manche das gleich in ihre fromme Schublade stecken. Wenn Sie hören: "Trachtet nach dem, was droben ist", denken manche vielleicht: "Ach ja, wir wollen nicht so sehr nach den irdischen Dingen trachten, sondern nach den himmlischen Dingen schauen."
Ich bitte Sie, so kann man das biblische Wort nicht aufteilen. Sie dürfen doch auch Ihr Mittagessen heute im Namen dieses Herrn Jesus genießen. Sie dürfen sich an den Blütenstreuseln freuen – im Namen Jesu. Das ist doch nicht gemeint.
Vielmehr gibt uns Paulus mit diesem Wort eine wichtige Hilfe, wie wir in den Kämpfen, in denen wir stecken, siegen können.
Kritik an gesetzlicher Frömmigkeit und der Weg zur Heiligung
Paulus hat sich im Kolosserbrief mit Menschen auseinandergesetzt, die eine ganz besondere Kampfweise hatten. Sie sagten, wenn man Gott wohlgefällig werden will, müsse man in seinem Leben strenge Ordnungen beachten. Diese Menschen haben viele solcher Ordnungen in den Gemeinden verbreitet. Das ist seitdem unter Christen üblich geworden.
Im vorherigen Kapitel zitiert Paulus diese Irrlehrer. Sie sagen: „Du sollst das nicht angreifen, du sollst jenes nicht kosten, du sollst jenes nicht anrühren.“ Überall setzen sie Verbotsschilder in der Hoffnung, damit nicht nur junge Menschen, sondern auch diejenigen, die gerade ihre ersten Schritte im Glauben tun, vor Sünde zu bewahren – durch Warnungen, strenge Gebote und Verbote.
Paulus durchbricht mit harten Worten eine solche Gesetzlichkeit. Er sagt, mit Verboten könne man ein Leben nicht heiligen oder Gott wohlgefällig machen. So komme man nicht weiter.
Heute beobachte ich immer wieder, auch in Gesprächen und in der Seelsorge, dass viele dieser Irrlehre verfallen. Sie kasteien sich selbst und meinen, sie könnten den Teufel aus ihrem Leben vertreiben, indem sie sich viele zusätzliche Verbote und Gebote auferlegen. Sie glauben, so müssten sie letztlich siegen. Doch so siegen sie nie, so gehen sie zugrunde.
Paulus hat den Kolossern zugerufen: Ihr könnt nur siegen, indem ihr auf den erhöhten Herrn Jesus Christus schaut. Ich weiß, dass ich damit manchen auf den Fuß trete, denn manche fragen: Geht das denn so einfach, indem du immer nur predigst, man solle an Jesus glauben und auf ihn blicken?
Wir können sagen, das ist die Linie des Paulus. Und in dieser Sache war Paulus ein guter Pietist. Er hat gesagt: Ein Mensch bekommt sein Leben nur unter die Füße, wenn er immer wieder auf Jesus Christus schaut und weiß, dass er den Kampf für ihn schon durchgefochten hat.
Drei Stichworte für den Glaubenskampf: Aufblick, Rückblick und Ausblick
Ich möchte Ihnen heute wieder drei Stichworte mitgeben.
Der Blick auf den erhöhten Herrn ist ein stärkender Aufblick. Wenn Paulus sagt: „Trachtet nach dem, was droben ist“, dann meint er nicht, dass wir die Welt in irdische und heilige, göttliche Dinge teilen sollen. Er meint etwas ganz anderes.
Ihr lieben Christen, ich weiß, ihr kommt aus einer Woche, in der ihr viele Kämpfe zu bestehen hattet. Trachtet heute nach dem und sucht das, was Jesus Christus für euch schon durchgefochten hat. Ihr dürft euch heute freuen, dass Jesus die Macht des Bösen durchbrochen hat.
Das ist immer wieder das, was auch Jesus den Menschen zugerufen hat: Du brauchst nicht zu fechten und dich zu verkrampfen. Du darfst heute unter der Freisprechung Jesu fröhlich sein. Er legt die Hände auf dich und sagt: „Deine Schuld ist vergeben und vergessen, geh hin in Frieden!“
Ja, aber was ist, wenn wieder die Versuchungen an mir kommen? Dann blicke auf mich, blicke auf mich! Er gibt dir den Frieden, dass er für dich streiten wird, und du wirst still sein.
Beispiel John Wesley: Vom Gesetzeswerk zur Freude im Glauben
Ich habe mit Vorliebe immer wieder diesen wichtigen Abschnitt unseres Glaubens gepredigt. Dabei wurde mir für mein Leben besonders anschaulich die Biografie des großen Führers John Wesley, dem Leiter der Methodistenkirche.
Schon in seiner Jugend zeigte Wesley einen großen Ernst, die Gebote Gottes zu erfüllen. Die Studenten, zu denen er gehörte, bekamen den Spitznamen „Methodisten“, weil sie ihren Tagesablauf sehr genau planten. Morgens um fünf Uhr gab es eine stille Zeit, um fünf Uhr fünfzehn eine Gebetsgemeinschaft, und um fünf Uhr fünfundzwanzig ging es weiter. Es ist schön, wenn jemand im Leben eine solche Ordnung hat.
Sie hatten einen heiligen Club gegründet, in dem sie sich gegenseitig dienten und sich dem Herrn ganz weihten – natürlich John Wesley und sein Bruder eingeschlossen. Beide ließen sich in den Missionsdienst aussenden. Doch nach zwei Jahren wurden sie zurückgeschickt. Sie waren nach Nordamerika gegangen, weil die Mitchristen dort sagten, mit ihnen könne man nicht zusammenarbeiten. Außerdem war etwas Unüberlegtes passiert, das ihren Ruf schadete.
Wesley kam als ein Gescheiterter nach Hause zurück. Später erzählte er, wie er sich bekehrt habe. Dies geschah viel später, als er eine Versammlung in London besuchte, bei der die Herrnhuter Brüdergemeinde unter der Leitung von Peter Böhler zusammenkam. Dort wurde ein Abschnitt vorgelesen – eine ganz einfache Lehrveranstaltung aus der Vorrede Luthers zum Römerbrief.
Darin hieß es: „Der Glaube ist ein mächtig, tätig schaffendes Ding, und es ist unmöglich, dass der Glaube nicht ohne Unterlass Gutes tun sollte.“ Der Glaube ist also etwas Selbständiges und Wirkendes in uns. Wesley sagte später, ihm sei wie Schuppen von den Augen gefallen: Er hatte bisher immer geglaubt, als frommer Mensch müsse man das Gute gleichsam aus sich herausquetschen.
Neu für ihn war, obwohl er viele Jahre in der Bibel gelesen hatte, dass ein Mensch durch das Vertrauen mit Jesus Christus so verbunden ist, dass er sich an der Nähe Jesu freut. Aus dieser Gemeinschaft mit Jesus entstehen die neuen Taten ganz selbstverständlich.
Ich kann nur den Rat geben: Wenn Sie in schwierigen Kämpfen stecken, trachten Sie nach dem, was droben ist. Das heißt, freuen Sie sich, dass Ihre Namen im Himmel geschrieben sind. Starren Sie nicht ständig auf die Versuchungen, die Sie bedrohen, sondern freuen Sie sich daran, dass Jesus die Versuchungen überwunden hat.
Das ist evangelische Heiligung – keine verkrampfte Sache, sondern eine Freudensache. John Wesley war so erfüllt von dieser Erkenntnis, dass er sofort eine Deutschlandreise unternahm und den Grafen Zinzendorf besuchte. Später ging ihm fast auf die Nerven, wie die Herrnhuter Brüdergemeinde diese Freude praktizierte.
Das Christentum ist eine strahlende Sache des Lachens. Man überwindet das Böse aus der Freude am Sieg Jesu. Man steht nicht ständig da und fragt: „Wo kommen die Gefahren in mein Leben? Wo steckt das Böse? Wogegen muss ich jetzt kämpfen?“ Stattdessen befiehlt man sich dem Schutz und der Fürsorge seines Herrn an.
Deshalb heißt es: Trachtet nach dem, was droben ist. Das ist ein stärkender Aufblick.
Das biblische Bild der Ehrenschlange als Symbol des Glaubensblicks
Ja, ich denke noch an diese Geschichte, die uns aus den Mosebüchern erzählt wird und die Jesus selbst zitiert hat. Damals fielen Giftschlangen über das murrende Volk Israel her. Israel kämpfte gegen diese Schlangen und versuchte, sie von sich zu reißen. Doch wenn man gerade eine Schlange packen wollte, kam schon die nächste hinten am Hals hochgekrochen.
Wie sie auch kämpften, waren sie hoffnungslos dieser Schlangenplage, diesen Giftschlangen, unterlegen. Einer nach dem anderen wurde gebissen und starb. Dann bekam Mose den Auftrag, eine Ehrenschlange aufzurichten. Er rief dem Volk zu: Wer diese Ehrenschlange ansieht, wird nicht mehr gebissen.
Die Leute sagten: Das geht doch gar nicht, Mose! Wir können doch nicht einfach nur schauen. Wir müssen zuerst die lebensbedrohliche Gefahr hier beseitigen. Wir müssen die Schlangen herunterreißen. Aber wer so sprach, kam um. Nur wer auf diese Ehrenschlange blickte, blieb lebend. Denn dort, wo sie auf die Schlange blickten, wichen die Schlangen von allein.
Wie ging das? Jesus hat es im Gespräch mit Nikodemus erklärt. Er sagt: So wie damals die Ehrenschlange aufgerichtet war, so wird auch der Menschensohn erhöht werden. Wer auf ihn blickt, wird geheilt.
Ich kann das nicht mit eigenem Kämpfen erreichen, meine Heiligung nicht aus eigener Kraft. Ich kann keine Versuchung aus eigener Kraft überwinden. Es gab noch keinen Heiligen, der das vermochte. Keiner von uns ist fähig, gegen das Böse zu kämpfen.
Wir können unseren Neid, unseren Hass und unsere unreinen Gedanken nicht überwinden, indem wir dagegen ankämpfen. Sondern indem wir auf Jesus schauen, der für uns aufgerichtet ist. Indem wir auf sein Kreuz blicken und sagen: Du hast überwunden, Du hast gesiegt. Danke, Herr Jesus.
Dann gehen wir in Frieden zurück in unser Leben und wissen, dass wir unter deinem Schutz und deiner Bewahrung stehen. In dem Augenblick, in dem wir glauben, haben die Versuchungen ihre Macht über uns verloren. Ein stärkender Aufblick.
Ein klärender Rückblick auf das neue Leben in Christus
Das Zweite, was ich Ihnen für diesen Kampf sagen möchte, in dem wir stecken, ist gleichzeitig ein klärender Rückblick. Paulus sagt: Zuerst trachtet nach dem, was droben ist. Sucht, was droben ist, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes. Dort ist euer Glaube bewahrt, dort ist euer Heil bewahrt.
Denn ihr seid gestorben. Nein, ich bin doch noch nicht gestorben, das kommt doch erst noch? Paulus sagt: Ihr seid gestorben. Was meint er damit? Er erinnert an die Bekehrung, als damals diese Kolosser zum Glauben kamen. Dabei ist ihm immer auch seine eigene Bekehrung bewusst.
Für ihn war das ein Sterben. Er war ein Mensch, der ein Leben lang nach dem Guten gestrebt hat. Später sagt er den Philippern: So ernst wie ich hat es eigentlich sicher noch niemand mit dem Glauben, mit der Nachfolge, mit den Geboten genommen. Aber damals, vor Damaskus, als das Licht ihn umleuchtete und er die Stimme hörte und das Licht sah, da war es für ihn ein Sterben.
Er wusste: Das Alte zählt nicht mehr. Das, was ihm bisher Gewinn war und Fortschritt bedeutete, war für ihn eigentlich ein Rückschlag. Es kam ihm später vor wie Kot, und seitdem wollte er nur noch Christus gewinnen. Das Alte – sein Leben und das, was sein Leben so erfüllte – lag zurück.
Paulus vergleicht also unser altes, frommes Streben mit dem Sterben. Er ruft uns nun zu und sagt: Ihr seid doch gestorben! Das alte Leben mit seinen Ansprüchen und dem, was euer irdisches Leben sonst so wollte, das ist doch erledigt. Ihr lebt jetzt in einem ganz neuen Leben, das Christus begonnen hat an dem Tag, als ihr zum Glauben kamt.
Jetzt fall doch nicht immer wieder zurück in das Alte! Ja, ich falle immer wieder zurück in das Alte. Ich merke, in meinem Leben ist das Böse so mächtig, und es hat gleichsam den Fuß in die Tür gestellt. Ich will die Tür zuhalten und sagen: Du darfst nicht rein! Aber das Böse ist schon da und drückt die Tür auf, und ich komme nicht dagegen an.
Da ist mir dieser klärende Rückblick von Paulus eine Hilfe, indem er sagt: Ihr seid gestorben. Nehmt das mal zur Kenntnis: Ihr seid tot, und was tot ist, soll tot bleiben.
Eine anschauliche Geschichte zur Verdeutlichung des Rückblicks
Ich hatte einen Urgroßvater, der aus dem Badischen stammte. Die Geschichte, die er einst in unsere Familie brachte, geistert immer noch bei uns herum. Sie erzählt von einem Ereignis in einem badischen Ort.
Dort wurden früher die Toten in der Kirche aufgebahrt, bis zur Beerdigung. Man brauchte immer einige Nachbarn, die am offenen oder geschlossenen Sarg Wache hielten. Der Totenwachdienst fand meist am geschlossenen Sarg statt. In dem Ort gab es die Rede, dass es dort allerlei Merkwürdigkeiten gebe. Wie das bei solchen Gerüchten so ist, hieß es, zur Geisterstunde, also immer in der Nacht zwischen zwölf und eins, würden die Toten in ihren Särgen herumrumpeln.
In diesem Ort lebte ein Schneidermeister, so hat mein Urgroßvater die Geschichte überliefert. Er war ein mutiger Mann und sagte, er habe keine Angst. Deshalb meldete er sich freiwillig für die nächste Totenwache. Er wartete also beim Glockenschlag zwölf neben dem Sarg. Plötzlich begann es im Sarg zu rumpeln.
Das ist eine ganz makabre Geschichte, verzeihen Sie. Ich kann sie nur so deutlich erzählen, weil mein Urgroßvater ein frommer Mann war, der sie erzählte. Dann, als es rumpelte, setzte sich der Schneidermeister einfach auf den Sargdeckel und schrie: „Was tot ist, muss tot bleiben! Schluss jetzt!“
Das ist evangelische Heiligung. Wenn in unserem Leben etwas anfängt zu rumpeln und wir meinen, jetzt kommt wieder die alte Geschichte meines Lebens hoch – obwohl ich doch dachte, Jesus hätte das längst überwunden –, wenn wieder diese wüsten Gedanken kommen und wir von alten Mächten mitgezogen werden, dann hauen wir drauf und sagen: „Schluss jetzt! Was tot ist, muss tot bleiben! Ihr seid gestorben, das alte Leben ist vorbei.“
Warum ist das alte Leben vorbei? Weil Jesus Christus es mit sich hinunter ins Grab genommen hat. Er hat unsere Sünde auf sich genommen und ganz hinuntergetragen. Am Auferstehungsmorgen kam er heraus – ohne die alte Schuld, ohne den alten Schmutz, ohne den alten Dreck.
Ihr seid gestorben – ein klärender Rückblick.
Ein grandioser Ausblick auf das verborgene neue Leben
Noch ein letztes: ein grandioser Ausblick.
Wir hatten einen stärkenden Aufblick, einen klärenden Rückblick und nun einen grandiosen Ausblick. Mal sehen, ob sie das heute Mittag beim Essen noch wissen. Ein grandioser Ausblick.
Paulus sagt: Euer Leben ist zwar verborgen, das neue Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Wenn aber Christus, unser Leben, sich offenbaren wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in der Herrlichkeit.
Unser neues Leben ist verborgen. Ich stehe hier oft als Mahner allein da, weil so viele Christen immer wieder auf mich einreden und sagen: Das neue Leben, das muss man auch sehen. Sicher muss man es sehen, aber meine Tragik ist, dass es verborgen ist, wie Paulus auch sagt.
Wir werden auch am Sonntag nochmals viel davon reden, vom verborgenen Leben. Wir tragen noch nicht den neuen Leib der Ewigkeit an uns. Wir sind ja noch brüchige Gestalten, an denen sich Menschen stoßen. Wir laufen noch nicht mit Heiligenschein durch die Welt, obwohl Christus uns erlöst hat und obwohl wir sagen, das Alte ist gestorben. Unser Leben ist verborgen.
Da hat mal einer, als jemand großspurig erzählt hat, wie weit er springen kann, auf dem Boden einen Strich gemacht und gesagt: Das ist nur die Hälfte von dem, was du gerade angegeben hast. Ich will mal sehen, ob du da drüber springen kannst. Und dann war der andere still.
Und wenn einer kommt und so groß erzählt, wie er in seinem Leben Fortschritte macht, seitdem er Christus gehört hat, und wie das Alte wirklich bei ihm besiegt ist, dann würde ich ihm nur sagen: Warte mal, bis ein Ischiasnerv eingeklemmt ist. Dann kommt ein altes Wesen schon wieder raus, und du wirst unausstehlich sein.
Das sind ja Sprüche, die einer macht. Und wir haben uns heute angewöhnt, von frommen Sprüchen beeindruckt zu sein. Von einer Seite denkt man: Oh, der ist aber heilig, oh, der ist aber fromm. Wir leiden von Tag zu Tag mehr daran, dass unser neues Leben leider verborgen ist und unserem äußeren sichtbaren Sehvermögen nicht zugänglich.
Das ist verborgen mit Christus in Gott. Und trotzdem ist es real da. Seit meinem ersten Schritt im Glauben ist etwas völlig Neues geschehen. Mein Leben ist schon neu da, nur kann ich es sichtbar nicht vorzeigen. So wie man es immer wollte, den Ungläubigen: „Das, Herr, das ist mal ein rechter Christ, das geht gar nicht.“
Wir stoßen immer wieder an die alten Spuren des Lebens. Aber Paulus sagt, das Leben ist dennoch real da. Es ist in Christus verborgen, in Gott verborgen. Und das neue Leben ist in Christus ja schon Gegenwart, im unsichtbaren Herrn Jesus Christus, der Macht hat im Himmel und auf Erden.
Ihr werdet mal staunen, wenn Christus offenbar werden wird, wie schön und vollkommen unser neues Leben ist. Wir haben es nun. Das ist etwas, was ich mit dem Denken nicht begreifen kann. Und was Paulus uns hier sagt, das ist in der Tat eine Sache, die man erst in der Ewigkeit richtig begreift.
Aber es ist ein Kernstück unseres Glaubens. Ich darf mit meiner Bekehrung, mit meiner Entscheidung für Jesus Christus gleichzeitig schon das neue Leben haben und ergreifen. Und habe es doch nur im Glauben.
Das wissen doch jetzt die Menschen, die leidgeprüft sind, dass sie es nur im Glauben haben, wenn sie noch unter ihrem hinfälligen Körper verbissen, leidend und gequält leben. Wir haben es nur im Glauben, wir gehen darauf zu.
Ich weiß, dass mein neues Leben in Christus bewahrt ist. Und trotzdem ist es mir real, weil Jesus Christus mir so nah ist in dieser Welt. Ich darf jetzt schon dieses neue Leben einfach nehmen, als sei es um mich da, und ich kümmere mich nicht mehr um das Alte.
Darum setzt Paulus auch diese Verse gleich fort: Tötet nun eure Glieder! Lasst doch das alte dumme Zeug. Wie wollt ihr wieder zurückfallen in das alte Wesen?
Beispiel aus der Geschichte der baltischen Märtyrer
Annie Hahn, die Mutter von Kultusminister Hahn, erzählte so gern von den baltischen Märtyrern, die in Dorpat ums Leben kamen. Dabei berichtete sie immer wieder von dem Pastor von Stromberg, den man nachts abgeholt hatte. Man dachte, man führe ihn zur Exekution, zur Hinrichtung. Doch nach einigen Stunden kam er zurück.
Er war ganz befreit und sah fröhlich aus. Die Leute fragten ihn, was er getan habe. Er antwortete, er müsse den Abort mit seinen bloßen Händen reinigen. Auf die Frage, wie er das ausgehalten habe, sagte er: „Um Christi willen.“
Dieses Beispiel soll am Ende stehen für all die schweren Prüfungen, die Menschen durchmachen müssen. Wenn wir die schmutzigsten Dinge unseres Lebens bewältigen müssen, glauben wir um Jesu Willen schon an das neue Leben, das er uns gibt.
Selbst wenn wir durch dunkle Täler gehen, leuchtet die Freude über das, was einmal sichtbar auf uns zukommen wird. Doch wir haben es bereits im Glauben. Im Glauben besitzen wir es, aber sehen tun wir es noch nicht. Das ist der Gegensatz, unter dem wir noch leiden.
Wir haben die Freude, darauf zuzugehen, dass Christus sich offenbaren wird. Dann werden auch wir offenbar werden mit ihm – im Neuen und im Vollkommenen. Darum freuen wir uns heute schon. Wir sind erlöst, wir sind geheiligt, auch wenn wir das nur im Glauben erfassen können.
Doch es ist eine Tatsache, weil unser Heil im erhöhten Herrn bestätigt ist. Jesus Christus spricht uns dies zu. Deshalb können wir fröhlich unseren Weg gehen und leuchten wie jener Pastor von Stromberg. Amen!
Schlussgebet und Segen
Wir wollen beten.
Herr Jesus Christus, wir sind sehr von unseren Augen geprägt und von den Dingen, die wir erkennen und feststellen. Immer wieder mündet unser Glaubensleben in jene fromme Verkrampfung ein, bei der wir mit eigener Kraft und eigener Frömmigkeit versuchen, etwas zu erreichen, was du allein erreichen kannst.
Wir danken dir für dieses harte Wort, mit dem du uns herausreißt aus dieser selbstgemachten Heiligung. Du weist uns immer wieder auf dein Tun und deine Erlösungstat hin – auf das, was du uns geschenkt hast, als du unsere Namen ins Buch des Lebens geschrieben hast.
Hilf uns, dass wir dies immer besser begreifen und verstehen. Lass uns auch anderen Menschen deutlich machen, dass sie deinen Frieden empfangen können – mitten unter den Anfechtungen des Lebens. Dass sie ruhig und getrost werden, weil wir in dir geborgen sein dürfen.
Du legst deine Hand auf uns, und das ist dieser Friede, den wir heute schon als festen Besitz bei uns haben dürfen. Du machst uns unseres Heils gewiss, weil du mit der Sünde den Kampf aufgenommen hast. Du sendest uns wieder in die Welt, und wir können an die Aufgaben gehen, in denen wir stehen – unter deinem Befehl, unter deiner Macht und unter deiner Bewahrung.
Herr, lass auch in den kommenden Tagen Frucht gewirkt werden. Wir vertrauen darauf, dass du in uns wirken willst, damit unser Leben nicht unnütz ist, sondern dass du Taten des Friedens und der Gerechtigkeit durch uns schaffen kannst.
Lass uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern,
und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Nun wollen wir um den Segen Gottes bitten:
Herr, segne uns und behüte uns.
Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.
Herr, erhebe dein Angesicht auf uns
und gib uns deinen Frieden!