Dank und Einstimmung auf das Wort Gottes
Dann biete ich gerne noch mit euch an: Herr Jesus, vielen Dank dafür, dass wir dir singen können und begeistert von dir sein dürfen. Wir freuen uns darüber, dass du Himmel und Erde wieder miteinander verbunden hast.
Danke, dass du uns einen Weg geschaffen hast, um Kontakt zu unserem himmlischen Vater, zu Gott, unserem Schöpfer, und zum Schöpfer dieser Welt zu bekommen. Vielen Dank, dass du zwischen Himmel und Erde gehangen hast und unsere Sünden auf dich genommen hast. Du bist für uns gestorben, damit wir Vergebung unserer Sünden erhalten.
Vielen Dank für diesen Abend und auch dafür, dass wir uns jetzt mit deinem Wort auseinandersetzen können. Wir möchten dich bitten, dass du es uns aufschließt und uns dort triffst, wo es nötig ist. Ermutige uns, wo wir Ermutigung brauchen, und gib uns Anlass zum Nachdenken, wo es notwendig ist. Amen.
Einführung in das Gleichnis und sein Kontext
Ich möchte heute mit euch ein weiteres Gleichnis betrachten. Dieses Gleichnis findet sich sowohl bei Matthäus als auch bei Markus und Lukas. Ich werde den Text nach Lukas lesen, und zwar aus Lukas 5,36.
Zunächst möchte ich einige Worte darüber verlieren, was vor und nach diesem Textabschnitt geschieht. Das ist oft wichtig, um den Text richtig zu verstehen.
Direkt davor haben wir im gesamten Kapitel zunächst den Fischzug des Petrus, also die Berufung der Jünger durch Jesus. Danach wird ein Aussätziger geheilt, anschließend ein Gelähmter. Dann wird Levi, ein Zöllner, als Jünger Jesu berufen. Danach folgt eine Auseinandersetzung mit frommen Juden aus Jesu Umgebung. Sie fragen Jesus, warum er und seine Jünger nicht fasten.
Diese frommen Juden sind die Pharisäer, die wir gestern schon erwähnt haben. Zur Zeit Jesu haben sie zweimal in der Woche gefastet – also weit über das Maß hinaus, das das Alte Testament vorgeschrieben hatte. Sie erwarteten, dass jeder, der von ihnen Anerkennung erhalten wollte, also jeder, der religiös etwas zu sagen haben wollte, mindestens ihren Frömmigkeitsstatus erreichte. Das bedeutete, sich genau so zu verhalten, wie sie es als gläubige, fromme Menschen für richtig hielten.
Deshalb erwarteten sie von den Jüngern des Johannes und auch von den Jüngern Jesu, dass sie fasten sollten. Jesus antwortet darauf, wie wir wissen, mit einem Bild: „Noch ist der Bräutigam bei ihnen. Wenn er so lange bei ihnen ist, fastet man nicht. Wenn er aber gehen wird, dann werden sie fasten.“ Damit spricht er über seine Jünger.
Vielleicht wundern wir uns, dass Jesus hier nach dem Verhalten seiner Jünger gefragt wird. Damals war das jedoch üblich, denn der Lehrer war immer verantwortlich für seine Schüler. Wenn die Schüler etwas Falsches taten, trug der Lehrer die Verantwortung. Heute ist das nicht mehr so üblich. Deshalb wenden sich die Fragenden zuerst an Jesus und wollen wissen, warum die Jünger so handeln.
Die Antwort Jesu mit dem Bild vom Bräutigam ist etwas verschlüsselt. Heute verstehen wir das relativ schnell: Mit dem Bräutigam ist Jesus gemeint. Dieses Bild finden wir im weiteren Verlauf des Neuen Testaments wieder. Dort wird Jesus als Bräutigam bezeichnet und die Gemeinde als Braut – also alle Christen. Das ist natürlich nur ein Bild.
Hier soll ausgedrückt werden, dass jetzt, solange Jesus auf der Erde ist, Zeit zum Feiern und zur Freude ist. Wir können uns fragen, warum das so ist. Die Antwort lautet: Weil dies die einzige Zeit in der gesamten Weltgeschichte ist, in der Gott Mensch ist. Gott ist hier auf der Erde. Es ist die einzige Zeit, in der Gott so viele Wunder wirkt, viele Menschen heilt, viele Dämonen austreibt und eine neue Perspektive auf das Handeln Gottes durch Jesu Lehren eröffnet.
Jetzt ist also keine Zeit, um zu fasten, den Körper zu kasteien oder Gott Opfer zu bringen. Damit spricht sich Jesus nicht grundsätzlich gegen das Fasten aus. Das ist heute nicht unser Thema. Aber wir müssen klar sehen: Jesus ist nicht gegen Fasten. Er sagt ja, dass später auch gefastet wird.
Ich habe gestern erwähnt, dass die Jünger und ihre Schüler tatsächlich auch fasteten, allerdings an anderen Tagen als die Pharisäer. Im Alten Testament gab es das Fasten am Jom Kippur, dem großen Versöhnungstag. Außerdem gab es freiwilliges Fasten, das Menschen einlegten, wenn sie ein Gelübde abgelegt hatten. Sie versprachen Gott, zu fasten, zu beten oder auf bestimmte Dinge zu verzichten, wenn Gott ihnen in einer Angelegenheit half.
Wir wissen auch, dass die Nazireer eine Form des Fastens praktizierten. Diese Menschen, die ganz für Gott leben wollten, verzichteten auf bestimmte Nahrungsmittel. Das war ein Ausdruck ihrer Hingabe an Gott. Später haben Mönche das Fasten exzessiv gepflegt. Das ist ein Bereich, den wir als Christen entdecken könnten, falls wir das noch nicht getan haben.
Jesus sagt zum Beispiel auch zu seinen Jüngern, dass bestimmte Dämonen nur durch Fasten und Beten ausgetrieben werden können. Damit wird dem Fasten eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Fasten ist also auch in Jesu Augen sinnvoll und gut.
Das sollten wir im Hinterkopf behalten, wenn wir jetzt gleich zu dem Gleichnis kommen, das ich etwas näher betrachten möchte.
Der Kontext des Gleichnisses und seine Bedeutung
Und dann geht es weiter: Am Ende des Kapitels fünf und zu Beginn von Kapitel sechs wird das Ehrenausraufen am Sabbat behandelt sowie die Heilung eines Mannes am Sabbat. Hier wird mehrfach betont, dass Jesus auch an dieser Stelle gegen die Ordnungen verstößt, die die Pharisäer, die Frommen seiner Zeit, aufgestellt haben.
Direkt in der Mitte steht dieses Gleichnis. Wenn wir es lesen, merken wir, dass es einen Bezug hat. Es bezieht sich nämlich direkt auf die Auseinandersetzung, in der Jesus zu diesem Zeitpunkt stand. Die religiöse Forderung von außen, von den Frommen seiner Zeit, lautete: So und so musst du dich verhalten. Jesus hat das nicht getan, und mit diesem Gleichnis gibt er eine Antwort darauf, warum er es nicht getan hat.
Eine Forderung war: Ihr müsst doch fasten, und zwar so, wie wir euch das vorschreiben. Eine weitere Forderung lautete: Am Sabbat darfst du dieses und jenes nicht tun. Zum Beispiel darfst du niemanden heilen, und du darfst auch keine Ehren ausraufen, um sie dann zu essen. Also hier gibt es zwei Regeln, eine vorher, eine nachher, und in der Mitte steht Jesu Stellungnahme dazu.
Ich möchte diese Stellungnahme jetzt lesen. Sie besteht aus zwei Teilen. Wir finden sie in Vers 36 und dann in den Versen 37 bis 39. Es sind zwei Bilder, die aber dasselbe aussagen wollen.
Das erste Bild steht in Vers 36: „Und er, Jesus, sagte auch ein Gleichnis zu ihnen: Niemand trennt einen Lappen von einem neuen Kleid und setzt ihn auf ein altes Kleid, sonst wird er das Neue zerreißen oder zerstören, und zum Alten wird der Lappen von Neuem nicht passen.“
Je nachdem, ob ihr die Lutherübersetzung oder eine andere Übersetzung habt, weicht das ein bisschen voneinander ab.
Das zweite Bild ist dem ersten gleich. Dort heißt es: „Und niemand schüttet neuen Wein in alte Schläuche, sonst wird der neue Wein die Schläuche zerreißen, er wird auslaufen und die Schläuche werden verloren sein. Vielmehr muss man neuen Wein in neue Schläuche schütten. Und niemand, der alten Wein getrunken hat, will neuen; denn er sagt, der Alte ist bekömmlich.“
Also zwei Bilder aus der Alltagswelt der Juden der damaligen Zeit, in denen Alt und Neu miteinander verglichen werden.
Diese beiden Gleichnisse sind im Vergleich zu manchen anderen Gleichnissen, die wir im Neuen Testament lesen, uns heute wahrscheinlich unmittelbar vertraut. Oder zumindest das erste. Weinanbau hat ja nicht jeder von uns, aber das erste Bild ist uns vollkommen klar.
Stellt euch einmal vor, ihr habt zu Hause alte Arbeitskleidung. Mit der geht ihr in den Garten, baut um oder streicht die Wand. Ich weiß jetzt nicht, wen ich als Beispiel nehmen soll, vielleicht die Männer. Ihr habt also alte Arbeitsklamotten, und da ist ein Loch drin. Dann geht eure Frau hin und kauft einen neuen Anzug von Boss, sagen wir 400 Euro. Und dann geht sie mit der Schere her, schneidet ein Stück raus und näht es auf die alte Arbeitskleidung, weil sie euch so liebt und die Arbeitskleidung flicken möchte.
Was würdet ihr hinter eurer Frau sagen? Wahrscheinlich, dass das Unsinn ist. Das würde doch keiner tun, im Normalfall. Man macht das nicht! Wenn man einen neuen Anzug oder ein neues Kleid kauft, schneidet man es nicht auseinander, um etwas Altes zu flicken. Das geht doch nicht. Stattdessen wird das Alte, wenn es kaputt ist, weggeworfen, oder man trägt es weiter, bis es ganz unbrauchbar ist, oder man nimmt ein altes Stück Stoff und näht es auf ein altes Kleidungsstück.
Hiermit soll nicht gesagt werden, dass das prinzipiell unmöglich wäre, sondern dass es unsinnig ist. Das würde man nicht machen. Warum? Weil man zwar das Alte repariert und es noch ein bisschen länger hält, aber als Kosten dafür das Neue kaputt macht.
Hier sehen wir auch ein biblisches Prinzip, das uns häufig begegnet: Die Bibel bewertet nicht nur das Ergebnis. Das Ergebnis des guten Handelns ist hier ja, dass wir die alten Kleider flicken wollen, und das ist grundsätzlich gut. Aber die Bibel bewertet auch den Weg, auf dem etwas geschieht. Hier sind die Kosten, das Alte zu flicken, viel zu hoch, deshalb wird es abgelehnt.
Dieses Prinzip müssen wir generell begreifen. Es ist ja auch in unserem Alltag ganz normal, und wir verstehen das hoffentlich alle so. Nehmen wir zum Beispiel an, du suchst einen neuen Arbeitsplatz. Du weißt, dass es einen idealen Arbeitsplatz gibt, aber dort arbeitet schon jemand. Was machst du dann? Überfällst du die Person, schlägst sie zusammen, damit sie nicht mehr zur Arbeit kommen kann, entlassen wird und du dich bewerben kannst?
An sich könnten wir sagen: Als Christ ist es gut, einen Job zu bekommen. Das Ziel ist gut, denn wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen. Aber der Weg, den Job zu bekommen, ist falsch, also ist die ganze Aktion falsch.
So ähnlich ist die Argumentation hier auch: Das Ziel, die alten Kleider zu flicken, ist gut, aber der Weg, dafür das Neue zu zerstückeln, ist falsch, also ist das Ganze falsch.
Alt und Neu im Vergleich – das ist schlecht.
Lukas geht hier sogar noch ein bisschen weiter als zum Beispiel Markus. Bei Markus steht nämlich nicht von altem Kleid und neuem Kleid, sondern nur von ungewalktem Stoff und gewalktem. Da könnte man sagen, dass man auch ein bisschen Stoff vom Alten nehmen kann.
Aber wenn wir ein fertiges Kleidungsstück sehen, das aufwendig gearbeitet ist, dann wird die Sache noch viel deutlicher und klarer. Hier geht es scheinbar wirklich um Lumpen und neue Kleidung. Bei Markus ist die Aussage etwas abgeschwächter, hier ist sie noch verschärft.
Die Frage ist allerdings, wie auch später bei dem Wein, was genau mit Alt und Neu gemeint ist. Das ist die zentrale Frage, die wir uns auch heute Abend stellen müssten.
Man könnte ganz pauschal sagen: Hier sind die Alten und die Jungen gemeint. Das heißt, die Alten sollen unter sich bleiben, und eine alte Gemeinde soll nicht durch junge Leute verändert werden. Die Jungen sind für sich, die Alten für sich.
Ihr seht nicht so begeistert aus. Diese Lösung scheint euch nicht zu überzeugen, und mich auch nicht.
Also, da wären wir jetzt bei der Frage von gestern Abend, der sogenannten Mitleidskrise, wir sind so in der Mitte. Wir können uns da eins und eins zusammenzählen oder zu den anderen tendieren.
Generell ist das damit natürlich nicht gemeint. Es geht nicht um alte Menschen oder junge Menschen. Es geht auch nicht darum, dass alles Alte generell schlecht sei. Das ist hiermit nicht gesagt.
Bei der Sitzung gestern haben wir gelernt, dass wir unser Alter einfach wegdenken können und es ein bisschen anders betrachten sollten.
Ein Beispiel: Ein emeritierter Professor, der schon über achtzig ist, kam eines Tages in eine Vorlesung. Er berichtete strahlend, dass er am Wochenende bei einem Geburtstag war und dort der Jüngste gewesen sei. Damit wollte er signalisieren: „Ich habe noch so viel Zeit vor mir.“ Der Jubilar war etwa neunzig, und er, der Achtzigjährige, war der Jüngling. So empfand er sich noch als jung.
Aber das ist noch etwas entfernt, also eine Randbemerkung.
Alt und Neu werden hier miteinander verglichen.
Bedeutung von Altem und Neuem im Gleichnis
Jetzt könnten wir hier die Frage stellen: Was ist das Alte, und was ist das Neue? Mein Vorschlag wäre, aus dem Kontext zu erschließen, dass es um eine alte Regel, um eine alte Frömmigkeit und um eine alte Glaubensform sowie um eine neue Glaubensform geht. Es geht um die Frömmigkeit der Pharisäer, der Frommen seiner Zeit, und um die Botschaft Jesu. Diese scheinen schwer miteinander vereinbar zu sein.
Die Pharisäer, die zu Jesus kommen, sind scheinbar nicht pauschal gegen ihn. Sie verurteilen nicht alles, zumindest hier noch nicht. Das, was sie verurteilen, ist nur, dass er bestimmte ihrer alten Formen nicht übernimmt. Dagegen wehrt sich Jesus mit dem Hinweis, man könne das Neue nicht mit dem Alten flicken.
Hier bezeichnet er sich und seine Lehre als das Neue. Das ist zeitgenössisch auch naheliegend, denn seine Lehre ist neu im Vergleich zu dem, was die Pharisäer gelehrt haben. Das wäre hier das Naheliegende. Ebenso wehrt er sich später gegen die Auslegung des Sabbatgebots durch die Pharisäer. Ich habe den Eindruck, dass hier etwas ganz Neues kommt, ähnlich wie beim Sabbatgebot.
Wir nennen es den neuen Bund, das neue Testament, das mit den Menschen geschlossen wird, und von dem er sich trennt. Natürlich könnten wir nun die Frage stellen, was Jesus im Detail meint. Altes und Neues passen nicht zusammen, das ist klar. Doch in Bezug auf das Fastengebot: Was will Jesus damit konkret sagen?
Will er sagen, seine neue Ordnung verbietet das Fasten? Das können wir schlecht behaupten, denn er sagt ja, sie werden auch fasten, aber erst später, wenn der Bräutigam nicht mehr bei ihnen ist. Es könnte sein, dass er das Fasten radikalisieren will. Vielleicht will er sagen, dass sie später noch mehr fasten werden.
Es wäre auch möglich, dass er meint, die Motivation der Pharisäer sei nicht die richtige. Oder er könnte sagen, wir lassen das alles über Bord fallen. Die Antwort haben wir noch nicht genau. Wir versuchen, das ein wenig näher zu analysieren, indem wir den zweiten Teil des Gleichnisses genauer anschauen.
Das beginnt mit Vers 37: Niemand schüttet neuen Wein in alte Schläuche, sonst wird der neue Wein die Schläuche zerreißen, auslaufen, und die Schläuche werden verloren sein.
Zuerst einmal zu einigen Begriffen, die hier verwendet werden. Neuer Wein und neue Schläuche beziehungsweise alter Wein und alte Schläuche werden miteinander verglichen. In Vers 38 werden auch die neuen Schläuche erwähnt.
Interessant ist, dass im Griechischen hier zwei verschiedene Begriffe stehen. Im Deutschen ist das ja gleich „neu“ und „neu“ sowie „alt“ und „alt“. Im Griechischen gibt es zwei verschiedene Wörter für „neu“ und zwei für „alt“. Warum hat Lukas das gewählt? Ich möchte versuchen, das zu erklären, soweit es möglich ist.
Bei den neuen Schläuchen ist das Wort kainos, das eine qualitative Neuerung meint, also etwas qualitativ Neues. Damit will Lukas ausdrücken, dass diese Schläuche entweder eine neue Technik haben, noch nicht verbraucht sind oder widerstandsfähiger sind. Es ist eine qualitative Beschreibung in Bezug auf die Schläuche.
Beim Wein steht das griechische Wort neos, und neos meint einfach zeitlich jung oder frisch. Das bezeichnet den Wein. Man kann schlecht sagen, der Wein sei veraltet aufgrund einer Mode. Wenn eine Mode vorbei ist und eine neue kommt, würde man das mit kainos bezeichnen, etwas qualitativ Neues, etwas vollkommen Neues. Neos meint dagegen nur, dass es zeitlich jung ist.
Das sind also zwei verschiedene Aspekte, die hier enthalten sind und die uns später noch helfen können, das einzuordnen. Wenn wir also das haben, was jung ist, also zeitlich jung, braucht auch etwas qualitativ Neues zur Interpretation. Möglicherweise könnten wir daraus schließen, dass beide Begriffe zusammengehören.
Beide Begriffe, und das müssen wir im Kopf behalten, sind keine Begriffe, die man für gut oder schlecht benutzt. Heute neigen wir dazu, etwas Neues häufig als etwas Gutes anzusehen. Wenn wir von einer neuen Forschung, einem neuen wissenschaftlichen Ergebnis oder einem neuen Auto sprechen, meinen wir meist unterschwellig, dass es gut ist.
Im Verlauf des Lebens verschiebt sich das langsam, und irgendwann, spätestens mit achtzig, meint man dann „alt“ gut und „neu“ schlecht. Bis zur Mitte des Lebens aber meint man meist „neu“ gut und „alt“ schlecht. Das Alte ist das Überholte, also das Vergangene. Umgekehrt, wenn man älter wird, ist das Alte das Bewährte, Zuverlässige, Qualitative, und das Neue wird als flippig, überflüssig oder spleenig empfunden.
Ihr könnt bei euch selbst überprüfen, ob ihr noch zu den Jüngeren oder Älteren zählt, je nachdem, was diese Begriffe bei euch auslösen.
Für Lukas könnte das Alte möglicherweise das Christliche sein. Immerhin sagt er am Ende des Gleichnisses, dass das Alte bekömmlich ist, das weiß jeder. Wenn ich aber sage, das Christliche sei das Alte, wie geht das? Das ist doch nicht alt. Das stimmt zum Teil, denn Jesus beruft sich häufig auf das Alte Testament und sagt, dass das, was die Pharisäer gemacht haben, eigentlich die Neuerung ist.
Richtig verstanden, angewandt auf das Fastengebot: Das Fastengebot des Alten Testaments sagt, man soll fasten, wenn man Gott ein Gelübde getan hat, wenn man Sohn eines Assyriers ist oder am großen Versöhnungstag. Die Regel der Pharisäer, zu diesem Zeitpunkt zu fasten, ist eigentlich gegenüber den Geboten Gottes eine neue Regelung.
Insofern kann man sagen, das Alte ist das, was Jesus gesagt hat. So glaube ich, ist das an manchen Stellen. Wir müssen vor Augen haben, dass das, was Jesus bringt, auf der einen Seite neu ist, auf der anderen Seite aber auch uralt.
Das heißt, wir müssen im Kopf behalten, dass sich die Botschaft und der Wille Gottes nicht verändern. Gott ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit. Wir tun nicht gut daran, das Alte Testament einfach abzuschreiben, wie es manche Christen tun.
Es gibt Christen, für die ist das Alte Testament irgendwie peinlich. Besonders in Auseinandersetzungen mit Ungläubigen heißt es, im Alten Testament sei so viel von einem grausamen Gott die Rede, der fordert, Völker abzuschlachten und Kriege anzuzetteln, mit dem wir nichts mehr zu tun haben. Der neutestamentliche Gott sei dann der Gott der Liebe.
Dieses Gegenüber gab es bei der frühen Kirche auch in der sogenannten Gnosis. Das gibt es bis heute in der Kirche, dass man Distanz zum Alten sucht.
Als Christen müssen wir uns ganz deutlich machen: Das, was Jesus predigt, ist nichts prinzipiell Neues. Im Alten Testament lesen wir: Du sollst Gott lieben über alles und deinen Nächsten wie dich selbst. Das ist altes Testament.
Im Alten Testament steht auch: Du sollst dem Fremdling, der in deinen Mauern wohnt, Gutes tun, ihn lieben. Auch das ist altes Testament. Im Alten Testament steht auch: Ich habe keine Freude am Tod des Ungerechten.
Im Alten Testament haben wir einen Gott, der mit sich handeln lässt. Zum Beispiel, als Lot aus Sodom und Gomorra weggeführt werden soll: Wenn da so und so viele sind, dann verschone ich. Der Gott des Alten Testaments ist auch einer, der Ninive rettet, weil die Leute Buße tun.
Im Neuen Testament haben wir hingegen auch einen Gott, Jesus, der mit der Geißel in den Tempel geht und die Leute rausschmeißt. Im Neuen Testament stehen auch solche Dinge wie in der Offenbarung, dass die Leute irgendwann im feurigen Pfuhl landen werden und Millionen sterben werden.
Ganz so ist es scheinbar nicht. Wir haben auch einen gerechten oder manchmal aus unserer Sicht harten Gott im Neuen Testament, und wir haben einen liebenden Gott im Alten Testament.
Was ich hiermit sagen will: Wenn Jesus das, was Lukas geschrieben hat, bezieht auf „Das Alte ist gut“, könnte es heißen, Jesus sagt, das, was ich predige, ist das eigentliche Alte, das eigentliche, was von Gott kommt.
Jesus sagt in der Bergpredigt zum Beispiel zum Ehebruch, dass die Ehescheidung nur um der Herzenshärte der Juden willen eingeführt wurde. Der ursprüngliche Wille Gottes sei die Untrennbarkeit der Ehe.
Auch da greift Jesus zurück hinter die pharisäische Interpretation. Das ist ein Aspekt, der hier drinstehen könnte.
Ihr habt aber wahrscheinlich gemerkt, dass ich mich mit diesen Ausführungen gerade selbst widerlegt habe. Denn ich habe vor fünf Minuten noch behauptet, dass Jesus sagt, seine Lehre sei das Neue, und das, was die Pharisäer predigen, sei das Alte.
Hier kommen wir auf einen schwierigen Bereich zu sprechen, denn manche Gleichnisse Jesu enthalten durchaus mehrere Schichten und Aspekte von Wahrheit.
Ich will nicht sagen, man könne alles hineininterpretieren, darum geht es nicht. Ich fange jetzt nicht an zu sagen, die Schläuche seien die methodistische Kirche und der Wein der Heilige Geist oder so. Nein, das tue ich nicht.
Ich könnte natürlich auch sagen, die baptistische Kirche, aber jetzt kommen nicht auch die Methodisten an, dann sage ich mir den Böse oder so. Gar nicht, das tue ich nicht. Ich sage auch nicht, dass das Papsttum oder der Antichrist oder so etwas gemeint ist.
Es geht hier nur um den direkten Kontext, den wir behandeln, also direkt um alt und neu und wie Jesus darauf Bezug nimmt.
Es wäre hier möglich, beides zu sehen. Wenn wir sagen, Jesu Lehre ist das Neue, hat das bestimmte Konsequenzen. Wenn wir sagen, Jesu Lehre ist das Alte, hat das auch Konsequenzen.
Das, was er uns hier in erster Linie vermitteln will, ist, dass das eine zum anderen gehört, dass das zusammenpasst und man es nicht falsch vermischen darf.
Das Bild vom Wein und den Schläuchen
Nun, wie das mit dem Wein ist, hier nur kurz erklärt, aber das ist uns allen, glaube ich, selbstverständlich. Ich weiß nicht, ob von euch mal jemand Cidre getrunken hat oder Champagner, Schaumwein oder sonst irgendetwas. Jedenfalls ist eine der Tatsachen ja so: Wenn man das aufmacht, dann ploppt der Korken oben raus, weil das Ganze unter Druck steht. Genau das ist hiermit gemeint.
Wenn man den Traubensaft verarbeitet, fängt er erst einmal an zu gären. Das ist am Anfang so. Wenn man aber uralten Wein hat, kannst du den Korken normalerweise herausziehen, wenn es gut gemacht ist. Dann soll er nicht mehr gären, es ist kein Druck mehr darunter und sonst etwas. Genau das soll hiermit ausgedrückt werden.
Wenn man einen alten Schlauch hat – ein alter Schlauch ist eher mürbe –, das kennen wir auch von Gewebe: Neues ist eher flexibel, heute sowieso mit Plastik und Weichmachern. Dann hängt ja der Weichmacher draußen, und der Schlauch knackt durch. Das war natürlich früher nicht der Fall. Dort gab es zum Beispiel Leinengewebe, das man je nach Bedarf gefettet hat, oder Blasen von Tieren oder Ähnliches, die waren dann stabil.
Wenn sie dann von der Sonne ausgedörrt oder durch häufigen Gebrauch ausgeleiert waren, konnte ein neuer Wein, der Druck erzeugt, sie nicht mehr aushalten. Dann sind sie zerplatzt, und der ganze schöne Wein, den man haben wollte, wurde verschüttet. Das wird hier gesagt.
Jesus macht hiermit eine Aussage über seine Lehre im Verhältnis zur Lehre der Pharisäer. Wir könnten natürlich, wenn wir sagen, die Christen sollen das Neue sein oder sind das Neue an dieser Stelle, auch ein bisschen allegorisch interpretieren. Man könnte sagen: Wir sollen immer jugendlich sein, flexibel und offen für Neues. Das könnte aber schon in die Nähe einer Überinterpretation gehen.
Genauso, wenn wir den Wein jetzt als den Wein des Heiligen Geistes oder als den Wein des Abendmahls identifizieren. Manche Ausleger tun das, indem sie darauf hinweisen, dass dieser Wein ein Hinweis auf das himmlische Reich Gottes ist. Dort wird ja gefeiert, und vorher steht auch das Feiern mit dem Sohn Gottes. Das ist aber wahrscheinlich ebenfalls Überinterpretation.
Ich glaube, Jesus meint mit Wein hier ganz einfach nur normalen irdischen Wein, den man eben in den Schlauch tut und der dann den Schlauch zerstört. Ich glaube nicht, dass es sich hier um das zukünftige Reich Gottes handelt. Ich glaube auch nicht, dass es um das Abendmahl geht oder um den Heiligen Geist an dieser Stelle.
Vielmehr muss man den neuen Wein in neue Schläuche schütten. Was ist das Alte und was das Neue? Wenn jetzt eine neue Lehre Jesu kommt, was unterscheidet sie von der Lehre der Pharisäer? Einige Detailausführungen, ja, aber wo ist das Prinzip?
Ich glaube, das Prinzip hat Luther am besten getroffen, indem er sagt: Die Gnade, die Gnade allein gegen Werkgerechtigkeit. Denn das, was die Pharisäer gerade tun, lesen wir ja vorher und hinterher: Sie meinen, die besseren Christen zu sein, weil sie fasten oder weil sie am Sabbat diese und jene Sachen nicht tun.
Jesus hält dem entgegen: Das ist gar nicht der Kern, darauf kommt es eigentlich nicht an. Wir haben uns hier gestern Abend mit dem Zöllner und dem Pharisäer beschäftigt, die im Tempel beten. Dort ist genau dasselbe: Der Pharisäer zählt eine ganze Latte von Dingen auf, die er getan hat, um zu zeigen, warum er der bessere Gläubige ist.
Jesus interpretiert das und sagt: Das ist zwar nicht schlecht, aber das eigentlich Wichtige hast du dabei vernachlässigt. Ich glaube, hier liegt der hauptsächliche Unterschied.
Nun kommen wir zum letzten Vers dieses Gleichnisses: „Und niemand, der den Alten getrunken hat, will den Neuen, denn er sagt, der Alte ist bekömmlich.“ Jetzt sieht das so aus, als ob man sagen würde, der alte Wein sei generell der bessere, weil er bekömmlich ist.
Dann hätten wir ein Problem, wenn Jesu Lehre das Neue ist. Das hieße, Jesus würde sagen: Ich bringe etwas Neues, aber jeder weiß von vornherein, dass das Alte besser ist. Was machen wir dann mit dem Gleichnis? Da muss irgendetwas falsch sein.
Also kommen wir doch zu meiner Deutung zurück: Das Alte ist wahrscheinlich die Lehre Jesu, und dann ist das Alte das Bessere. Das Neue ist dann die Lehre der Pharisäer, die schwer verdaulich ist.
Es könnte theoretisch sein, dass er damit sagen will, die Lehre der Pharisäer sei noch nicht ganz ausgegoren, noch nicht zu Ende. Sie müssten erst noch genau überlegen, über die Bücher gehen – das wäre möglich.
Allerdings müssen wir genau darauf achten, denn Jesus sagt hier nicht, dass der Wein wirklich besser ist oder vorgezogen wird. Es steht nur, dass wer den Alten getrunken hat, sagt: Der Alte ist bekömmlich. Das ist nur eine Feststellung dessen, der mit dem Alten zu tun hat.
Hier müssen wir sagen: Das stimmt sowohl fürs Weintrinken – Weinkenner sagen meist, Wein muss länger ruhen – als auch für die Sichtweise der Pharisäer. Die waren davon überzeugt, dass das, was sie haben, viel älter ist. Nun kommt jemand und will neue Sachen predigen, das kann doch nicht in Ordnung sein, das kann doch nicht gut sein.
Jesus gibt hier nur die Perspektive wieder, die die Pharisäer haben. Im Bild der Perspektive des Weinkenners, aber er sagt nicht, dass es wirklich so sei. Darüber macht er hier keine Auskunft. Er gibt die Mentalität und Vorstellungswelt dieser Menschen wieder, die am Alten festhalten.
Der Unterschied zwischen dem Alten und dem Neuen: Ich glaube, Jesus hat hier im Blick, dass nicht nur die Pharisäer damals, sondern auch heute vielfach religiöse Menschen – zu denen wir uns ja auch zählen – dazu neigen, eine Vorliebe für das Alte zu haben, sozusagen für das Bewährte.
Jesus kann uns hiermit sagen: Werdet nie wie alte Weinschläuche, in die ihr alten Wein reingießt, sondern bleibt in gewisser Weise neu. Zwar ist der alte Wein milder, aber wir könnten sagen, der junge Wein wird ja auch mal alt, und dann ist er vielleicht auch milder.
Vielleicht ist das nur ein kurzsichtiger Blick darauf. Wir müssten uns die Frage stellen: Liegt es nicht daran, dass wir einfach daran gewöhnt sind, dass man Dinge so und so macht?
Heißt das vielleicht, dass wir heute als Christen in der Gefahr sind, wie damals die Pharisäer, uns generell zu verschließen gegenüber neuen Erkenntnissen und neuen Ideen? Dabei sollten wir doch wissen, dass der Heilige Geist uns nicht nur bei unserer Bekehrung, sondern ständig in unserem Leben zu neuen Erkenntnissen verhelfen will.
Wir sollten eigentlich offen sein und nicht alles Neue über Bord werfen, nur weil es neu ist. Die Bewertungsgrundlagen müssen selbstverständlich dieselben bleiben.
Wenn morgen jemand auf einem Spaziergang in der Stadt Scientology anbietet und sagt: „Scientology ist jung, frisch, die Bibel ist alt, kommt zu uns“, dann soll das keine Legitimation aus diesem Gleichnis sein. Nicht alles, was neu ist, ist prinzipiell gut.
Aber es gilt auch nicht das Gegenteil, und zwar ist das, worunter Fromme gerade eher leiden, dass nicht alles, was alt ist, deshalb gut und unveräußerlich ist.
Wir wissen das ja in der Wissenschaft sowieso: Hätte man das Alte immer nur konservieren wollen, würden wir bis heute noch glauben, dass die Erde im Mittelpunkt des Universums steht und die Sonne um uns kreist. Wir würden immer noch denken, dass wir irgendwann, wenn wir mit dem Schiff über den Ozean fahren, an einer Ecke herunterfallen.
Heute würden sich wahrscheinlich die Ärzte immer noch nicht die Hände waschen, wie Herr Semmelweis es gefordert hat, weil sie davon ausgingen: Bakterien sieht man nicht, also gibt es keine.
Wir merken, dass manchmal Neues tatsächlich neue, gute Perspektiven bringen kann. Leider ist es in der Wissenschaft häufig so, dass ältere Forscher und Anwender neuem gegenüber sehr skeptisch sind. Deshalb findet eine totale Wende in der Wissenschaft oft erst mit einem Generationswechsel statt.
Jetzt ist die Frage: Könnte das vielleicht in unserer Gemeinde genauso sein? Könnte das in unserem eigenen Leben so sein, dass wir in der Gefahr stehen, wie die Pharisäer damals, das, was wir gewohnt sind, von klein auf so sehr in den Mittelpunkt zu stellen, dass wir gar nicht mehr darauf achten, ob es wirklich biblisch ist oder nicht?
Sondern wir halten einfach daran fest. Es muss biblisch sein, und wenn wir wollen, finden wir sogar noch ein paar Verse, die das legitimieren. Aber im Grunde geht es gar nicht mehr darum.
Geschichte und Beispiele zur Offenheit gegenüber Neuem
Ich habe in einem Kommentar eine hübsche kleine Geschichte gelesen, die von Riot Coupling aufgeschrieben wurde. Den kennt ihr ja vielleicht. Er hat Mowgli und solche Sachen geschrieben, wenn ich das richtig im Kopf habe. Er hat viele Jahre in Indien gelebt. Dort wird berichtet, dass er eines Tages mit dem Schiff unterwegs war, als William Booth auf das Schiff kam.
William Booth kennt ihr vielleicht. Er ist der Gründer der Heilsarmee. Heute gilt die Heilsarmee ja schon ein bisschen als altbacken. Damals war das, was er gemacht hat, vollkommen revolutionär. Plötzlich liefen Leute in Uniform herum, schlugen laut Trommel und bliesen Posaune. Außerdem war es damals revolutionär, dass Frauen Dienste übernommen haben. Heute ist das eher umgekehrt. In vielen Kreisen ist es normal, dass Frauen Dienste machen. Ich will hier nicht bewerten, ob das gut oder schlecht ist. Darum geht es gar nicht.
Riot Coupling, der eher Mitglied der anglikanischen Kirche war, wurde von all dem genervt. William Booth kam, die Leute schlugen Trommel und bliesen Trompete. Danach fragte Coupling ihn: „Was machen Sie denn da? Hier geht doch die ganze Heiligkeit flöten, wenn Sie so etwas tun.“ William Booth antwortete: „Junger Mann, wenn ich überzeugt wäre, dass auch nur eine Seele für Christus gewonnen werden könnte, wenn ich kopfüber stehe und dabei mit den Füßen das Tamburin schlage, dann würde ich mich bemühen, das zu lernen.“ Das ist das Ende dieser Anekdote.
Die Wahrheit, die dahinterstecken soll, ist: Hier wird möglicherweise das Alte nur um seiner selbst willen geschützt, ohne darauf zu achten, ob es die Menschen auch erreicht oder zum Glauben führt. Ich will keine Aussage darüber machen, ob wir im Gottesdienst anfangen sollen, Trommeln zu lernen, damit Leute angesprochen werden. Aber man kann auch umgekehrt argumentieren, dass jedes Lied von 1750 sein muss, weil es eben sehr gut ist. Das ist genauso wenig biblisch wie das andere.
Ich glaube, die Herausforderung ist, dass Konservativismus klug oder unklug sein kann. Es kommt nicht darauf an, worauf er sich bezieht. Manchmal neigen Christen dazu, konservativ zu sein, einfach um des Konservativseins willen. Das ist ein Prozess, der sich bei Nichtchristen genauso vollzieht, aber manchmal etwas weniger radikal, weil sie ja nicht um Himmel und Hölle kämpfen. Christen haben manchmal den Eindruck, wenn man hier etwas verändert, geht die ganze Welt unter.
Ihr werdet sehen: Wahrscheinlich gibt es in fast jeder Gemeinde solche Auseinandersetzungen. Meistens schieben die Älteren – und wir gehören ja langsam selbst zu dieser Gruppe – die Schuld allein den Jüngeren in die Schuhe. Plötzlich gibt es laute Musik und Schlagzeug im Gottesdienst. Warum macht man das so? Es ist doch vollkommen biblisch und klar, dass es höchstens eine Orgel im Gottesdienst gibt. Das war der Standpunkt in der evangelischen Kirche.
Diejenigen, die in der Freikirche sind, kennen ja auch keine Orgel. Dort gibt es höchstens Klavier, E-Piano oder vielleicht Gitarre. Das ist auch klassisch; das gab es ja zu unserer Jugendzeit in der Teestube. Gitarre darf man, aber Schlagzeug ist schlecht. Da muss man die Frage stellen: Ist das wirklich biblisch? Wenn man sich lange verrenkt und sagt: „Ja, aber die Neger in Afrika schlagen die Trommel, und weil sie die Trommel schlagen und die Götter verehren, dürfen wir nicht die Trommel schlagen, weil wir sonst die Götter verehren“, dann ist das eine falsche Argumentation.
Der Rhythmus, den sie haben, mit einer Synkope, gibt es auch bei uns. Deshalb sollen die Geister auch bei uns sein? Ich weiß nicht, ob ihr solche Bücher kennt. Ich habe einige gelesen, und manche sind durchaus interessant. Das sind reale Argumente, keine erfundenen, die es in christlichen Büchern gibt. Aber ich würde sagen, das hat mit biblischer Wahrheit und Weisheit nichts zu tun. Es geht mehr darum, einen liebgewonnenen Stil zu verteidigen.
Genauso gibt es Leute, die sagen, generell sind alle neuen Lieder falsch und schlecht. Heute haben wir ein paar neuere Lieder gesungen, und man kann beim Inhalt kaum etwas dagegen sagen, wenn wir das Vaterunser singen. Wer will da protestieren? Hoffentlich niemand. Es gibt viele neuere Anbetungslieder, die reiner Bibeltext sind. Warum sollte man etwas dagegen haben? Natürlich gibt es neuere Lieder, die schwach oder dumm sind, aber es gibt auch alte Lieder, die zum größten Teil zum Glück vergessen sind.
Zinzendorf hat beispielsweise mehrere hundert Lieder gedichtet und selbst ein eigenes Liederbuch herausgegeben. Die meisten davon sind so übertrieben barock, dass wir heute sagen würden, sie sind schwülstig und kaum noch singbar. Einige wenige haben aber wirklich gute Qualität und sind bis heute erhalten. Die singe ich auch gern. Zinzendorf kennt ihr vielleicht vom Lied „Herz, mein Herz, sei nur bereit“ oder „Herzverein, zusammen sucht in Gottes Herzen Ruh“ – so ein schönes Lied.
Ich schätze Geschichte, und Herr Zinzendorf natürlich auch. Aber viele seiner Lieder sind einfach in Vergessenheit geraten – zum Glück. So wird es mit den neuen Liedern auch geschehen. Viele werden in ein paar Jahren vergessen sein, und das ist in Ordnung. Wir sollten uns hüten, in unseren Gemeinden einen generellen Kampf „Alt gegen Neu“ auszutragen.
Wenn ich eine Predigt in der Jugendstunde halten würde, würde ich es anders sagen. Dann würde ich den Jugendlichen sagen: Ihr müsst nicht immer darauf bestehen, eure Sachen neu durchzusetzen. Achtet doch mal darauf, dass auch das Alte gut sein kann. Aber das sollt ihr nicht hören, damit es nicht nur eine Rechtfertigung dafür ist, das zu tun, was ihr sowieso schon von Natur aus tun würdet.
Ich muss euch sagen: Auch das Neue kann sehr gut sein und euch eine Horizonterweiterung bringen. Ich glaube, was Jesus damals den Pharisäern gesagt hat, gilt auch heute: Haltet nicht nur fest am Alten. Das Alte kann gut sein, aber es kann euch auch in die Wüste führen. Ihr versperrt eure Augen für das Reden Gottes, weil ihr nur das festhaltet, was ihr als gut erlebt habt, und nicht mehr bereit seid, auf Gottes Reden zu hören.
Das war das Verbrechen der Pharisäer, und das kann auch heute unser Problem sein. Warum tun wir uns manchmal schwer, für Neues offen zu sein? Zum einen, weil wir erlebt haben, dass nicht alles Neue gut ist. Klar, manche Mode oder Trends muss man nicht mitmachen. Vielleicht tätowieren sich morgen alle Jugendlichen eine Taube auf den Arm, weil sie sagen, das trägt den Heiligen Geist. Aber nein, so einfach ist das nicht.
Es gibt Moden, die kommen und gehen, und darauf muss man nicht viel Wert legen. Zum anderen klingt das Alte so gut und fromm, weil wir daran gewöhnt sind. Das sind unsere alten Erinnerungen, dort sind wir zum Glauben gekommen, da werden Gefühle warm. Wenn wir diese Lieder singen, hoffen wir, dass diese Zeit zurückkommt.
Manchmal scheuen wir auch die Auseinandersetzung, denn Umstellungen fordern Mühe. Neue Lieder zu lernen kostet Mühe. Dann ist es oft einfacher, das Alte und Bekannte zu behalten. Ein neuer Ablauf im Gottesdienst kostet Umstellung. Zuerst müssen sich die Gewohnten umstellen, denn die Jungen haben noch nicht so viele Traditionen, an denen sie sich festhalten können. Aber auch das kommt schnell.
Habt keine Angst: Eure Jugendlichen werden in zwanzig Jahren an der Stelle sein, an der ihr jetzt seid – und ihr vielleicht noch weiter. Die Umstellung, das Unbekannte, das sich darauf Einlassen, fordert erst einmal heraus. Deshalb schieben wir es oft zurück. Dabei nehmen wir manche Dinge lieber, obwohl sie objektiv vielleicht gar nicht nötig sind.
Das betrifft nicht nur das Liedgut. Ich hatte gestern in einem kleinen Kreis darüber gesprochen: Wenn ich heute hier stehen würde, die Hände hebe, nach oben schaue und vielleicht etwas unverständlich rede, würdet ihr wahrscheinlich denken, die Bibelschule Brake ist abgefallen und hier ist alles charismatisch geworden.
Das Reden lassen wir mal weg, aber das Arme-Heben und Nach-oben-Schauen ist eigentlich gar nicht falsch. Natürlich können wir sagen, die Charismatiker machen das so. Aber zum Beispiel beten auch die Zeugen Jehovas im Gottesdienst. Darf man dann nicht mehr beten, weil sie es tun? Oder die Mormonen lesen auch in der Bibel. Sollen wir dann nicht mehr lesen, um nicht verwechselt zu werden?
Das ist eine unsinnige Argumentation. Warum sollte man etwas nicht tun, wenn man meint, es sei gut, um sich Gott zuzuwenden? Es ist ja sogar biblisch. Nur weil andere es missbrauchen, darf man es nicht ablehnen.
Ich erwarte nicht, dass ihr morgen bei der nächsten Bibelarbeit alle aufsteht und „Halleluja“ ruft – wobei ich auch nichts dagegen habe. Wenn ihr ein paar positive Zwischenrufe macht, ist das okay. Ich erinnere mich an eine Gemeinde in den USA, keine charismatische, aber eine schwarze Gemeinde. Da wurde zwischendurch „Halleluja“ oder „Preach it“ gerufen. Der Pastor ging durch die Reihen und verteilte Fächer, weil die Leute so eifrig beim Singen und Klatschen waren. Das habe ich sonst kaum erlebt. Ein anderer Stil, aber nicht unbiblisch.
Wir müssen das nicht so machen oder nachahmen. Aber ich will sagen: Die Lehre Jesu damals war neu für die Pharisäer. Die Pharisäer als theologisch Etablierte waren einfach dagegen, um dagegen zu sein, weil sie am Alten festhielten und es bewahrten.
Das Alte und Bewährte dürfen wir nicht über Bord werfen, wo es wirklich gut ist. Jesus hat den Pharisäern nie gesagt, sie sollen nicht mehr im Alten Testament lesen oder nicht mehr daran glauben, dass Gott die Welt geschaffen hat. Diese guten Dinge blieben fest.
Worauf er sich wandte, war die Interpretation, die den Pharisäern lieb geworden war. Genauso ist heute die Gefahr, dass Traditionen, die wir uns angeeignet haben und für die einzig biblische halten, dazu führen, dass wir anderen die Tür verschließen und Segen wegnehmen, den Gott uns geben könnte.
Umgang mit Neuem und Altem in der Gemeinde und im Leben
Und was kann möglicherweise helfen, um Dinge neu zu betrachten und offen für Neues zu sein? Ich glaube, zunächst einmal, indem wir streng mit uns selbst ins Gericht gehen und unser eigenes Verhalten ehrlich hinterfragen. Wir sollten versuchen zu erkennen: Ist das wirklich biblisch, oder ist das eher eine Gewohnheit von mir?
Nehmen wir ein Beispiel: Wir saßen vorhin gemeinsam am Tisch, und ich möchte nicht näher darauf eingehen, wer was gesagt hat, damit niemand schlecht oder gut von jemandem denkt. Jedenfalls erzählte jemand, dass er und seine Frau manchmal tanzen gehen. Einige von euch sind jetzt vielleicht schockiert. Die Zeit war dabei weniger der Aspekt.
Wenn ihr vor zwanzig Jahren einer Brüdergemeinde gesagt hättet, dass jemand tanzt, hätten diese Leute gesagt, diese müssen ungläubig sein. Und wenn ihr das heute noch in einigen konservativen Gemeinden sagt, wäre das ein Grund für einen Ausschluss.
Übrigens war das schon vor 500 Jahren so: Johannes Calvin ließ Älteste herumschicken, und es gab tatsächlich Leute, die wegen Gemeindezucht bestraft wurden, weil sie nicht etwa irgendwo in der Kneipe, sondern zu Hause mit ihrer eigenen Ehefrau getanzt hatten. Calvin meinte, das sei Zeitverschwendung, reine Lust am Fleisch, und das ganze Leben müsse geistlich sein. Deshalb Gemeindezucht.
Ich will nicht sagen, wie böse Calvin war – er hatte auch gute Gründe. Aber ich möchte damit verdeutlichen, dass wir solche Vorstellungen überprüfen müssen: Ist das wirklich biblisch, oder ist das nur unsere Form der Frömmigkeit, die wir übernommen haben?
Ich will auch nicht sagen, dass ihr euch, wenn ihr nach Hause kommt, gleich zum Tanzkurs anmelden sollt. Auch nicht. Ich meine nur, wir müssen das hinterfragen.
Tatsächlich gibt es Gründe, warum manche sagen, sie gehen aus bestimmten Gründen nicht tanzen. Manche Jugendlichen gehen in die Disco, wo Drogen und Alkohol oft eine Rolle spielen. Außerdem wollen die Männer die Mädchen anmachen und umgekehrt, und das geht manchmal schief. Manche werden draußen vor der Disco zusammengeschlagen. Aber das Problem ist nicht das Tanzen an sich, sondern die Begleitumstände.
Diese sollten wir genau thematisieren.
Ich weiß nicht, ob ihr aus so einer Gemeinde kommt, aber es gibt Gemeinden, die sagen: Wer bei uns gemeindlich ist, darf keinen Alkohol trinken oder keinen Fernseher haben. Das sind durchaus positive Motivationen. Die Leute tun das nicht, um Lasten aufzuerlegen, sondern weil es viel Schund im Fernsehen gibt und sie es nicht schaffen, rechtzeitig auszuschalten – also besser ganz darauf verzichten.
Ich persönlich empfinde eine gewisse Sympathie für diese Regelung. Als Familie haben wir es ähnlich gemacht und das Fernsehen abgeschafft. Aber ich muss deutlich sagen: Es ist nicht biblisch. Die Bibel sagt nirgends, du darfst das nicht tun.
Die Bibel sagt jedoch, du sollst dich nicht an Ungerechtigkeit und Unlauterkeit erfreuen. Das heißt, du sollst nicht Lust haben, wenn Leute sündigen. Wenn deine einzige Freude darin besteht, Leute sündigen im Fernsehen zu sehen, ist das problematisch. Aber es geht nicht um das Gerät an sich, sondern um den Umgang damit.
Ich könnte die Liste endlos weiterführen und noch einige Details aus der Kirchengeschichte nennen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das schon erwähnt habe – ich werde ja auch älter.
Wisst ihr, was Christen veröffentlicht haben, als das Radio erfunden wurde? Nein? Dann habe ich das wohl noch nicht erzählt oder vergessen.
Es gab Traktate, die besagten, Christen dürften kein Radio hören. Warum? Weil im Epheserbrief steht, dass der Teufel Herrscher dieser Welt ist und im Luftraum herrscht. Radiowellen gehen durch den Luftraum – also durch den Herrschaftsbereich Satans. Deshalb sei das Radio vom Satan. Die Argumentation war für sie schlüssig.
Wie war das damals mit dem Telefon? Das ging durch Kabel und war in Ordnung. Im Grunde ging es nicht wirklich um den Luftraum, sondern darum, dass Neues erstmal abgelehnt wurde. Das Neue muss schlecht sein – also suchte man Gründe dagegen.
Genauso war es beim Fernsehempfang. In der Offenbarung steht ja, „Hund als Bild des Tieres“, und das wurde als Bild des Tieres an der Wand interpretiert – also Fernseher schlecht.
Ob das wirklich das Bild des Tieres ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Hätte ich damals gelebt, hätte ich vielleicht ein Gegentraktat geschrieben und gesagt: Ihr müsst aufhören zu atmen, denn das ist viel schlimmer. Ihr nehmt den Teufel in euch auf, denn beim Atmen kommt der Luftraum in den Menschen hinein.
Dann merken wir, wie unsinnig solche Vorstellungen sind.
Oder bei der Einführung der Orgel im 10. und 11. Jahrhundert in der Kirche gab es viele Traktate von gelehrten Mönchen, die schrieben: Jetzt ist der Untergang des Christentums nahe, denn die Posaune des Teufels wird in die Kirche geholt.
Damals war der Gesang Acapella, also ohne Instrumente. Plötzlich ein lautes, tösendes Instrument – das zerstört alles, die Leute werden nur zu Emotionen stimuliert, man hört den Gesang nicht mehr. Also Orgel raus.
Heute ist das unverständlich, denn die Orgel gilt als das kirchliche Instrument schlechthin. Damals war das eine heftige Diskussion.
Warum erzähle ich euch das? Nicht, damit ihr über andere lacht, sondern damit ihr aufpasst, dass man nicht in fünfzig Jahren über uns lacht.
Das heißt nicht, dass wir jeder Mode nachlaufen müssen. Aber wir sollten die Gedanken aufnehmen, denn Jesus grenzte sich damals von der pharisäischen Interpretation ab.
Heute sollten wir aufpassen, nicht auch zu denen zu gehören, die nur noch das Alte konservieren. Natürlich sind wir keine Pharisäer, aber wir bauen unsere eigenen Traditionen auf.
Also: Erstens unser eigenes Verhalten überprüfen und hinterfragen. Zweitens sollten wir neue Ideen nicht immer als Bedrohung sehen.
Häufig wird in der Gemeinde darüber gesprochen, und dann kommt schnell die Reaktion: Da will mir jemand meinen Besitzstand wegnehmen, etwas verändern, was beliebt und wertvoll ist. Das führt zu emotionalem Widerstand gegen das Neue.
Wir müssen uns dessen bewusst sein und sagen: Nein, da will mir niemand etwas wegnehmen, sondern jemand will mir etwas Neues schenken – auch wenn das nicht immer so rüberkommt.
Darüber hinaus sollten wir uns bewusst machen, dass wir den Alltag manchmal bewusst verändern müssen, damit er lebendig bleibt. Das merkt man vielleicht in der Ehe.
Jede Ehe hat eine Tradition. Aber wenn sie nur noch Tradition ist, wirkt das Ganze tot. Manchmal braucht es einen bewussten Ansatz, mal etwas ganz Neues zu machen, was man bisher nicht gemacht hat.
Ich meine nichts Unmoralisches, aber irgendetwas anders. Zum Beispiel: War das Abendessen immer um sechs Uhr auf dem Tisch, kann man mal um halb sieben essen.
Ihr lacht vielleicht darüber – das war bewusst so gesagt. Aber es gibt Leute, die haben große Probleme damit. Ich verrate keine Namen, aber ich kenne eine Familie, bei der es unmöglich ist, dass um zwölf Uhr das Mittagessen nicht auf dem Tisch steht – das wäre eine Katastrophe.
Solche Veränderungen bringen manchmal Neues.
Mal ein anderes Lied singen bringt Veränderung. Mal das Vaterunser beten, wenn man es bisher nie getan hat, bringt Veränderung.
Mal in die Straße gehen und evangelisieren, statt nur am Tisch zu stehen und nicht von Glauben zu sprechen, bringt Veränderung, Spannung und Abwechslung ins Leben.
Abwechslung bringt natürlich Herausforderungen, aber wir sollten offen dafür sein.
Außerdem sollten wir dem, der auf uns zukommt, erst einmal gute Absichten unterstellen und nicht von vornherein Böses.
Das passiert schnell: Der will etwas verändern, also muss er böse sein. Nein, das muss nicht so sein.
Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt: Nicht alles Neue ist per se gut, aber auch nicht per se schlecht.
Wir müssen unsere Haltung immer wieder überprüfen und nicht von vornherein davon ausgehen, dass unsere Sicht die biblische ist.
Wenn das nicht so ist, geraten wir schnell in die Position der Pharisäer.
Dann versuchen wir vielleicht, Altes und Neues zu mischen – und das klappt nicht.
Ich meine in unserem Denken: Die alten Lieder, und jetzt werden die alten Lieder noch irgendwie verändert.
Übrigens, wenn ich das Thema Alt und Neu aufnehme, das ja scheinbar wenig vereinbar ist, will ich noch einen weiteren Aspekt einbringen.
Das gilt besonders für Leute, die neu zum Glauben kommen.
Das sollte uns herausfordern, wenn wir evangelisieren, keine falsche Mischung zwischen Alt und Neu zu machen.
Es gibt eine falsche Mischung und eine gute.
Manchmal nimmt man etwas Neues dazu, aber es gibt auch die falsche, wo man dem Neuling das Alte lassen will, so nach dem Motto: Bleib du Punker, du kannst trotzdem Christ werden, es ist ja alles gleich.
Aber es gibt tatsächlich Dinge, die sich verändern müssen, wenn jemand Christ wird.
Wenn man das vermischt, geht alles kaputt.
Also, wie gesagt: Nicht hemmungslos mischen, das wäre falsch.
Am Alten hemmungslos festhalten ist auch falsch.
Aber willkürlich Neues und Altes einfach vermischen geht ebenso nicht.
Wir können nicht sagen: Die Muslime haben diese und jene Tradition, sie verbeugen sich nach Mekka, also machen wir auch ein Gesetz, dass wir uns nach Jerusalem verbeugen.
Oder: Die Muslime führen den heiligen Krieg – originell, haben wir bisher nicht gehabt, also rufen wir auch den heiligen Krieg aus.
Es gibt in den USA professionelle Gruppen wie die „Army of God“, die Jagd auf Abtreibungsärzte machen und sich als Märtyrer fühlen, wenn sie einen erschossen haben und im Gefängnis sitzen.
Man könnte sagen, das ist eine „innovative“ Strategie, aber hier ist das Neue nicht unbedingt gut.
Deshalb sollten wir darauf achten.
Ich lasse es einfach dabei.
Ich hoffe, ihr nehmt ein paar Anregungen mit:
Überprüft euch selbst, seht die anderen nicht als Gegner, überprüft, ob etwas wirklich biblisch ist, unterstellt den anderen erst einmal gute Absichten.
Haltet an dem fest, was wirklich biblisch ist.
Aber überprüft nicht von hinten durch die Brust ins Auge, indem ihr zum Beispiel Stellen aus dem Epheserbrief heranzieht, wo steht, dass der Teufel Herrscher dieser Welt ist, um das Radio abzulehnen.
Wenn, dann sollten die Stellen wirklich passen zu dem, was wir ablehnen.
Ablehnung an der richtigen Stelle ist gut.
Falsches Neues mit falschem Alten mischen ist schlecht.
Aber generell nur am Alten festzuhalten, weil es alt ist, wird eure Gemeinde kaputt machen, euer Leben als Christen langweilig machen.
Ihr werdet schließlich nur noch zu äußerlicher Frömmigkeit kommen und nicht mehr zu einer Herzensfrömmigkeit, die bereit ist, sich verändern zu lassen.
Schlussgebet um Weisheit und Offenheit
Ich bete an dieser Stelle noch mit euch. Herr Jesus Christus, vielen Dank dafür, dass du uns mit deinen Gleichnissen ganz praktisch und anschaulich Dinge sagst, die für unser geistliches Leben wichtig sind.
Ich möchte dich bitten, uns davor zu bewahren, in eine ähnliche Stellung zu kommen wie die Pharisäer zu deiner Zeit. Bewahre uns davor, nur an Altem festzuhalten, weil es uns lieb ist, und es vielleicht sogar als das einzig Biblische auszugeben – einfach, weil wir es gerne so wollen.
Gib uns die Weisheit und den Mut, zuzugeben und zu erkennen, wenn wir in unserem Leben oder unserer Frömmigkeit Dinge haben, die zwar alt und uns lieb geworden sind, aber nicht mit deinem Wort übereinstimmen oder nicht so sein müssen.
Schenke uns auch die Liebe und zunächst den Vorschuss an Vertrauen gegenüber jungen Leuten oder anderen Christen, wenn sie uns neue Wahrheiten sagen wollen, die wir bisher vielleicht nicht verstanden haben.
Ich bitte dich, uns die Weisheit zu geben, zu erkennen, was von dem Neuen wirklich gut ist und bei welchen neuen Dingen wir trotzdem Halt sagen müssen.
Hilf uns, nicht zu verkrusten, nicht zu veralten oder zu verknöchern. Erhalte unsere lebendige Beziehung zu dir, damit wir daraus leben und Kraft schöpfen können. Lass das auch die Menschen um uns herum spüren.
Ich bitte dich, jedem Einzelnen von uns jetzt zu helfen, klar zu sehen, ehrlich zu sein und den Mut zu haben, etwas zu verändern, wenn Veränderung nötig ist. Amen.