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Hoffnungsvoll und wieder entäuscht

Gott hat den Überblick, Teil 3/7

Hoffnungsvoll und wieder enttäuscht

1.Mose 39,19 – 40,23 Reihe: Gott hat den Überblick! (3/7)

Einleitende Gedanken

John Ortberg erzählt die Anekdote über ein Ehepaar, das sich um ihre nicht-christlichen Nachbarn kümmerte. Im Laufe des Kennenlernens stellte sich heraus, dass das Ehepaar seit langem auf Nachwuchs hoffte, aber bisher nichts geschah. Das christliche Ehepaar versprach den beiden, für sie zu beten. Einige Monate später wurde die Frau schwanger. Überglücklich berichtete sie die Neuigkeit ihren christlichen Freunden, die daraufhin versprachen, weiterhin für die beiden zu beten. Wenige Wochen später stellte sich heraus, dass das Ehepaar nicht nur ein Kind erwartete, sondern Zwillinge. Wow – die christlichen Freunde versprachen nun erst recht mit Nachdruck für das Ehepaar zu beten. Einige Wochen später entdeckte der Arzt, dass es sich in Wirklichkeit um Drillinge handelt. Diese Nachricht brachte die junge Frau ihren christlichen Freunde, verbunden mit der eindringlichen Bitte: Hört jetzt bitte auf zu beten! Ja, manchmal erhört Gott unsere Gebete in überraschender und erstaunlicher Weise. Über solche Wunder könnte ich viel erzählen. Doch gibt es auch Zeiten, in denen wir den Eindruck bekommen, dass alles Beten nicht viel bewirkt. Gottes Zeitplan ist nicht selten anders als wir uns das wünschten. So ging es auch Josef. Wie wir heute sehen werden, musste er eine weitere Enttäuschung verkraften.

Treu trotz der aussichtslosen Lage

Josef wurde unschuldig ins Gefängnis geworfen. Eigentlich erstaunlich, dass Potifar Josef nicht härter bestrafen wollte. Nach ägyptischem Recht hätte er eine Strafe von mindestens tausend Stockschlägen verhängen können, die zu tödlichen Verletzungen führen konnten. Gut möglich, dass Potifar von einer solch harten Strafe absah, weil er der Geschichte seiner Frau nicht traute. Doch Potifar, selbst wenn er von Josefs Unschuld überzeugt war, konnte seinen Sklaven nicht gegen seine Frau vor Gericht bringen. „Potifar liess Josef festnehmen und in das königliche Gefängnis bringen.“ Gen.39,20. Vermutlich war das königliche Gefängnis eines der besseren Gefängnisse des Landes. Doch Gefängnis bleibt Gefängnis. Im Psalm 105 lesen über diesen Lebensabschnitt von Josef: „Man zwängte Josefs Füsse in schmerzhafte Fesseln und seinen Hals in eiserne Ketten.“ Ps.105,18. Nun war Josef eingesperrt. Was für ein Gegensatz zu seinen vielfältigen und verantwortungsvollen Aufgaben und seinem grossen Einfluss im Hause Potifars. Das muss ein riesengrosser Frust für ihn gewesen sein. Wie sollte er jemals wieder aus diesem Gefängnis raus kommen? Er kannte niemanden, der sich für ihn und seine Rechte einsetzen würde. Der einzige, der ihm hätte helfen können war Potifar, der ihn ins Gefängnis werfen liess. Doch selbst an diesem verlassenen Ort, war Gott bei ihm. So machte Josef sogar im Gefängnis Karriere wie im Haus Potifars, einfach auf einem tieferen Niveau. „Der HERR in seiner Treue stand ihm bei. Er verschaffte ihm die Gunst des Gefängnisverwalters.“ Gen.39,21. Wieder sorgte Gott dafür, dass Josef einen guten und gewinnenden Eindruck machte. Wie Potifar realisierte der Gefängnisverwalter, dass Josef eine ganz besondere Persönlichkeit ist, der man voll und ganz vertrauen kann. „So übertrug der Gefängnisverwalter Josef die Aufsicht über alle anderen Gefangenen, und alle Arbeiten im Gefängnis geschahen unter Josefs Leitung.“ Gen.39,22. Jetzt war Josef wieder der Chef. Er leitete das Gefängnis, in dem er selber ein Insasse war! „Der Verwalter vertraute ihm völlig und gab ihm freie Hand; denn er sah, dass der HERR ihm beistand und alles gelingen liess, was er tat.“ Gen.39,23. Dieser Verwalter erkannte wie Potifar, dass Josef einem Gott diente, der ihm alles gelingen liess. Das finde ich schon sehr speziell. So leitete Josef als Häftling das Gefängnis! Er war nach dem Gefängnisverwalter der wichtigste und einflussreichste Mann. Eines Tages wurden zwei hohe Beamte ins Gefängnis gebracht: der oberste Mundschenk und der oberste Bäcker. Sie hatten sich gegenüber dem Pharao etwas zuschulden kommen lassen, deshalb liess er sie ins Gefängnis werfen. Da beide hohe Beamte waren, verfügte der Gefängnisverwalter, dass Josef sich persönlich um die beiden kümmern und ihnen zu Diensten sein sollte. Eines Morgens, die beiden sassen schon etliche Zeit im Gefängnis, bemerkte Josef beim Betreten ihrer Zelle, dass sie niedergeschlagen wirkten. Er fragte: „Warum lasst ihr heute den Kopf hängen?“ Gen.40,7. Sie erzählten, sie hätten in der Nacht geträumt. Es seien keine normalen Träume gewesen, sondern Träume, die eine Bedeutung haben müssen, aber sie könnten sie nicht deuten. Das würde sie bedrücken und hier im Gefängnis werde wohl niemand sein, der ihnen diese Träume deuten könnte. Josef meinte: „Träume zu deuten ist Gottes Sache. Erzählt mir doch einmal, was ihr geträumt habt!“ Gen.40,8. Josef hätte sagen können: „Erzählt mir die Träume, denn ich bin gut im Traumdeuten.“ Doch Josef sagte demütig, wie es ist. Falls er ihren Traum deuten kann, dann ist es Gott, der ihm die Einsicht schenkt: „Träume zu deuten ist Gottes Sache.“ Diese Aussage zeigt uns, wie intakt das Verhältnis von Josef zu Gott war. Er hätte ja viele Gründe gehabt, um sein Vertrauen gegenüber Gott aufzukündigen. Er hätte Gott, wie das viele Menschen tun, auf die Anklagebank setzen können. Gott hatte es ja nicht verhindert, dass er ins Gefängnis kam, obwohl er sich korrekt verhalten hatte. Doch Josef blieb Gott unbeirrt treu, selbst in dieser aussichtslosen und frustrierenden Situation. Nun, Josef war klar, wenn man Träume richtig deuten will, dann muss man mit dem Schöpfer in enger Verbindung stehen. Josef wusste oder ahnte zumindest, dass Gott ihm die Deutung der Träume offenbaren würde. So forderte er die beiden auf, ihre Träume zu erzählen. Der Mundschenk begann mit seinem Traum: „Ich sah vor mir einen Weinstock, und an dem Weinstock waren drei Ranken. Der Saft stieg in die Knospen, sie blühten auf, und schon reiften die Trauben. Ich hatte den Becher des Pharaos in der Hand. Ich nahm die Trauben, presste sie über dem Becher aus und reichte den Becher dem Pharao.“ Gen.40,9-11. Für Josef war sofort klar, was dieser Traum zu bedeuten hatte. Eine sehr erfreuliche Deutung: „Die drei Ranken sind drei Tage. Heute in drei Tagen wird der Pharao dich erhöhen und dich wieder in dein Amt einsetzen. Dann wirst du wieder wie früher sein Mundschenk sein und ihm den Becher reichen.“ Gen.40,12-13. Der Mundschenk wird sich über diese Deutung riesig gefreut haben. In drei Tagen wird er das Gefängnis verlassen können und sogar seinen Job zurückbekommen! Ermutigt durch diese positive Deutung erzählte der Bäcker seinen Traum: „Auf meinem Kopf trug ich drei Körbe mit Gebäck, einen über dem andern. Im obersten lagen Backwaren für die Tafel des Pharaos. Da kamen Vögel und frassen den Korb leer.“ Gen.40,16-17. Josef wusste, dass Gott ihm die Bedeutung der Träume offenbarte. So war es für ihn selbstverständlich, dass er nichts verfälschen oder beschönigen würde, sondern er fühlte sich verpflichtet, genau das zu sagen, was Gott ihn erkennen liess. Im Fall des Bäckermeisters war das leider eine Hiobsbotschaft: „Die drei Körbe sind drei Tage. Heute in drei Tagen wird der Pharao dich erhöhen und an einen Baum hängen. Dann werden die Vögel dein Fleisch fressen.“ Gen.40,18-19. Ein eindeutiges Todesurteil. Und so geschah es. Am dritten Tag feierte der Pharao seinen Geburtstag. Er veranstaltete ein grosses Fest und der Mundschenk und Bäcker wurden aus dem Gefängnis entlassen. Der Mundschenk konnte seine Aufgabe wieder übernehmen, doch der Bäcker wurde hingerichtet. Alles geschah, wie Josef es gesagt hatte. Bewundernswert und vorbildlich ist Josef in seiner Haltung gegenüber Gott. Er hätte genügend Gründe gehabt, um sich bei Gott zu beklagen. Er hätte Gott vieles vorwerfen können: „Warum hatte ich diese beiden Träume, so dass mich meine Brüder deswegen noch mehr hassten? Warum hast du zugelassen, dass mich meine Brüder verkauften? Weshalb hast du nicht dafür gesorgt, dass die Lügengeschichte dieser schamlosen Frau aufflog? Warum sitze ich nun im Gefängnis? Willst du mich hier sterben lassen?“ Warum, warum, warum… Josef hätte viele Argumente vorbringen können mit denen er Gott auf die Anklagebank setzen könnte. Doch das tat er nicht. Er vertraute Gott trotz allen Widerwertigkeiten. Er lebte nicht mit der Überzeugung, wenn es mir gut geht, dann ist mir Gott gut gesinnt und wenn es mir schlecht geht, dann hat er sich von mir abgewandt oder dann gibt es vielleicht gar keinen Gott. Josef vertraute Gott in jeder Situation. So wie wir im Psalm 23 lesen: „Und muss ich auch durchs finstere Tal – ich fürchte kein Unheil! Du, HERR, bist ja bei mir; du schützt mich und du führst mich, das macht mir Mut.“ Ps.23,4. Oder in der bekannten Übersetzung von Luther: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“ Ps.23,4. Die neutestamentliche Ausdrucksweise eines Menschen, der in jeder Situation Gott vertraut, finden wir im Römerbrief. Paulus schreibt: „Ja, ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch unsichtbare Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch gottfeindliche Kräfte, weder Hohes noch Tiefes, noch sonst irgendetwas in der ganzen Schöpfung uns je von der Liebe Gottes trennen kann, die uns geschenkt ist in Jesus Christus, unserem Herrn.“ Röm.8,38-39. Das ist tiefer und reifer Glaube!

Zurückgelassen und vergessen

Natürlich wollte Josef unbedingt aus diesem Gefängnis raus. Gott zu vertrauen bedeutet nicht, dass ich mich einer schwierigen Situation einfach ergeben muss. Wenn sich die Gelegenheit bietet, die Situation zu verbessern, dann sollte man die Möglichkeit ergreifen. Paulus erklärte einmal, man sollte in der Situation bleiben, in der man Christ geworden sei. Ein Sklave soll Sklave bleiben und nicht gegen seinen Herrn rebellieren. Doch wenn eine Veränderung möglich wird, sollte er die Gelegenheit ergreifen: „Warst du ein Sklave, als Gott dich rief? Lass dich davon nicht niederdrücken! Wenn sich dir allerdings eine Gelegenheit bietet, die Freiheit zu erlangen, dann mach dankbar davon Gebrauch.“ 1.Kor.7,21. Wir müssen also nicht fatalistisch in einer schwierigen Lebenssituation verharren. Wenn wir etwas ändern können, dann sollten wir das tun. So ergriff Josef die Gelegenheit beim Schopf. Obwohl er im Gefängnis sehr bevorzugt behandelt wurde, wollte er nicht dort bleiben. Er wollte nichts unversucht lassen. So bat er den Mundschenk, er soll sozusagen aus Dankbarkeit für seine Traumdeutung dafür sorgen, dass er das Gefängnis möglichst bald verlassen könnte. „Vergiss mich nicht, wenn es dir gut geht! Tu mir den Gefallen und empfiehl mich dem Pharao! Bring mich aus diesem Kerker heraus!“ Gen.40,14. Um ihm noch ein gutes Argument mit auf den Weg zu geben, versicherte er ihm, dass er unschuldig gefangen gehalten wird: „Man hat mich aus dem Land der Hebräer entführt, und auch hier in Ägypten habe ich nichts Unrechtes getan. Ich bin ohne jede Schuld in diesem Loch.“ Gen.40,15. Das war wirklich eine gute Gelegenheit, denn der Mundschenk war eine Vertrauensperson zum Pharao und er hätte ohne grossen Aufwand mit dem Pharao über Josef sprechen können. Vermutlich hoffte Josef, dass Gott ihm durch diesen Mundschenk die Tür in die Freiheit öffnen würde. Vielleicht dachte er, diese beiden hätten nur deswegen geträumt, damit er endlich frei komme. Doch er wartete umsonst. Der grossen Hoffnung folgte eine grosse Enttäuschung. „Der oberste Mundschenk dachte nicht an Josef; er hatte ihn schon vergessen.“ Gen.40,23. Ein weiterer Tiefschlag im Leben Josefs, den er zu verkraften hatte. Er hatte dem Mundschenk geholfen und der fand es nicht nötig, seiner Dankbarkeit Ausdruck zu geben. Das erlebte Jesus ständig. Er half den Menschen und sobald sie gesund waren, wandten sie sich von ihm ab. So die zehn aussätzigen Männer. Sie flehten: „Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!“ Lk.17,13. Jesus hatte Erbarmen. Alle zehn wurden gesund. Doch nur einer fand es nötig, sich bei Jesus zu bedanken. Jesus war darüber sehr enttäuscht und er sagte: „Ist es keinem ausser diesem Fremden in den Sinn gekommen, zurückzukehren und Gott die Ehre zu geben?“ Lk.17,18. Wie sieht das wohl bei uns aus. Gehören wir auch zu den Menschen, die viel bitten und betteln und sich helfen lassen, doch kaum ist uns geholfen, wenden wir uns vom Helfer ab? Wie sieht es mit unserer Dankbarkeit gegenüber Gott aus? Lassen wir ihn auch enttäuscht zurück, wie der Mundschenk Josef enttäuscht zurückliess? Lassen wir uns von Gott helfen und kaum hat uns Jesus geholfen vergessen wir es? Nun, Josef musste weiterhin in diesem Loch bleiben. Seine Hoffnung wurde zerstört und er musste mit dieser Enttäuschung fertig werden. Doch schlussendlich war es doch so, dass die beiden Männer mit ihren Träumen Josef die Freiheit brachten. Es dauerte einfach noch weitere zwei lange Jahre. Gottes Zeitplan ist meistens anders als unser Zeitplan. Übrigens auch ein Problem, das die ersten Christen hatten. Sie dachten, Jesus würde schneller zurückkommen. Es schien ihnen, Gott würde die Wiederkunft seines Sohnes unnötig verzögern. Petrus erklärte den ungeduldigen Christen: „Eines freilich dürft ihr nicht vergessen, liebe Freunde: Für den Herrn ist ein Tag wie tausend Jahre, und tausend Jahre sind für ihn wie ein Tag. Es ist also keineswegs so, dass der Herr die Erfüllung seiner Zusage hinauszögert, wie einige denken. Was sie für ein Hinauszögern halten, ist in Wirklichkeit ein Ausdruck seiner Geduld mit euch. Denn er möchte nicht, dass irgendjemand verloren geht; er möchte vielmehr, dass alle zu ihm umkehren.“ 2.Petr.3,8-9. Gottes Zeitempfinden ist eben ganz anders als bei uns. Gott sieht die grossen Linien, die über diese Zeit hinausreichen.

Schlussgedanke

Josef hatte bestimmt grosse Hoffnung, dass er durch den Mundschenk das Gefängnis bald verlassen könnte. Je grösser unsere Hoffnungen sind, desto grösser wird unsere Enttäuschung sein, wenn das, was wir erhofften nicht eintrifft. Es ist schwierig mit Enttäuschungen fertigzuwerden. Wenn wir enttäuscht werden, dann empfinden wir das oft als eine persönliche Demütigung. In meinem Leben ist mir vieles nicht gelungen, was ich früher mal erhoffte, dass es mir gelingen würde. Warum vieles nicht gelang, weiss ich nicht. Aber das war für mich kein Grund, mich von Gott abzuwenden. Ein Wort aus der Bibel, das mir immer wieder hilft steht in den Sprüchen. Dieses Wort begleitet mich seit ich Christ geworden bin und das sind mittlerweile auch schon ungefähr vierzig Jahre: „Die Furcht des Herrn ist Zucht, die zur Weisheit führt, und ehe man zu Ehren kommt, muss man Demut lernen.“ Spr.15,33. Ich denke dann, so muss ich halt noch etwas Demut lernen. Gott weiss, wann und wie er die Geschicke ändern will. Gott behält den Überblick!